Unheimliche und phantastische Elemente in E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann"

Nach literaturwissenschaftlich-psychoanalytischer Definition Sigmund Freuds unter besonderer Berücksichtigung der Autor-/Dichterinstanz


Hausarbeit, 2012

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. Der Sandmann – Ein literarisches Meisterwerk im Augenmerk der Psychoanalyse

II. E.T.A. Hoffmann – Kurzbiographie

III. E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann – Inhalt

IV. Sigmund Freud – Kurzbiographie
IV.I. Freuds Psychoanalyse Literaturtheorie
IV.II. Freuds Verständnis des Autors/Dichters

V. Phantastische und unheimliche Elemente in E.T.A. Hoffmanns Erzählung

Der Sandmann

Bibliographie

I. Der Sandmann - Ein literarisches Meisterwerk im Augenmerk der Psychoanalyse

Die Erzählung Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann wird 1816 als erster Teil seiner Nachtstücke publiziert und ist mit ihren zahlreichen Motiven des Märchen- und Mythenhaften eine der bekanntesten Erzählungen der Romantik-Epoche.

In dieser Arbeit soll nun die Erzählung von Hoffmann im Hinblick auf unheimliche und phantastische Aspekte unter Berücksichtigung der Psychoanalyse Sigmund Freuds (bezüglich einer literaturtheoretischen Interpretation und Analyse) näher betrachtet werden. Um eine nachvollziehbare Interpretation des Sandmanns verfassen zu können, ist zunächst ein kurzer biographischer Einblick in Hoffmanns und Freuds Leben gegeben, sowie eine kurze Erörterung der Psychoanalyse Freuds als Literaturtheorie mit ihren wichtigsten Aspekten.

Bei der Anwendung der psychoanalytischen Theorie auf die Interpretation/Analyse der Erzählung Der Sandmann ist zu beachten, dass Freud seine Theorie fast 100 Jahre nach der Publikation der Erzählung entwickelt, d.h., jegliche Interpretation und alle Belege (für z.B. verschiedene Motive etc.) aus psychoanalytischer Sicht sind nur eine mögliche Interpretation und keinesfalls als solche konstatiert. Wie im Folgenden ersichtlich, lassen sich einige Aspekte der Psychoanalyse gut auf die Erzählung Hoffmanns anwenden, jedoch ist zu beachten, dass die beiden Werke nicht aufeinander basieren und aufbauen. Freud selbst nimmt einige Aspekte und Gegebenheiten der hoffmann‘schen Erzählung ebenfalls nur als Beispiele zur Belegung seiner Theorie.

II. E.T.A. Hoffmann

Der Romantik-Vertreter Ernst Theodor Amadeus (eigentlicher Name: Ernst Theodor Wilhelm) Hoffmann wird am 24. Januar 1776 in Königsberg geboren und ist das dritte Kind von Christoph Ludwig Hoffmann, einem preußischen Hofgerichts-Advokaten, und dessen Frau Louisa Albertina.[1] 1778 lassen sich die Eltern Hoffmanns scheiden und er sieht den Vater nicht mehr wieder (wichtiger Ansatzpunkt für psychoanalytische Werkinterpretation; s. Analyse). Hoffmann fängt 1792 ein Jurastudium an der Königsberger Universität an und unterrichtet nebenbei Musik. 1798 verlobt er sich mit seiner Kusine Minna Doerffer, löst die Verlobung jedoch zwei Jahre später wieder auf, als er die Tochter von Maria Thekla Michalina Rorer-Trzcińska (ein polnischer Stadtschreiber) kennenlernt und sich in sie verliebt; 1802 heiratet er sie. Sieben Jahre später macht er die Bekanntschaft des Arztes Adalbert Friedrich Marcus, die ihn (u.a.) zur Beschäftigung mit psychischen Krankheiten bewegt. Im selben Jahr beginnt mit der Publikation seiner Erzählung Ritter Gluck seine Laufbahn als Schriftsteller. 1811 verliebt sich Hoffmann erneut, diesmal in seine 15jährige Musikschülerin Julia Marc, die seine Liebe jedoch nicht erwidert (ebenfalls wichtig für die Interpretation des Sandmanns, da der Protagonist Nathanael ebenfalls seine Verlobte Clara hintergeht, als er Olimpia begegnet). Drei Jahre später gelingt ihm mit der Publikation seiner Fantasiestücke der literarische Durchbruch. 1816 veröffentlicht Hoffmann in schneller Folge mehrere weitere bedeutende Werke, darunter den ersten Teil seiner Nachtstücke(darin enthalten auch Der Sandmann) und Die Elixiere des Teufels. Ein Jahr später wird Hoffmann zum Richter ernannt und stirbt am 25. Juni 1822 in Berlin.[2] [3]

III. E.T.A.Hoffmanns Erzählung Der Sandmann - Inhalt

Der Sandmann ist eine Erzählung von E.T.A.Hoffmann, die 1816 im ersten Teil seiner Nachtstücke publiziert wurde und welche ohne Erzähler mit einem dreifachen Briefwechsel zwischen dem Protagonisten Nathanael, Clara – seiner Verlobten – und deren Bruder Lothar (welche beide von Nathanaels Mutter nach dem Tod ihrer Eltern aufgenommen worden waren) beginnt. Im ersten Brief, den Nathanael versehentlich an seine Verlobte, anstatt an Lothar adressiert, berichtet er von seiner kürzlich erlebten Begegnung mit dem Wetterglashändler Guiseppe Coppola, die ihn sehr in Aufruhr versetzt hat, da er ihn an den Advokaten Coppelius erinnert habe, den er aus Kindertagen als einen unerfreulichen Bekannten seines Vaters kenne.[4] Des Weiteren berichtet Nathanael in seinem Brief an den Freund über seine Kindheit und erklärt, dass er Coppelius, der die Familie abends des Öfteren besucht und „geheimnisvolle Laborversuche“ mit dem Vater durchgeführt habe, mit seinem „hässlichen Erscheinungsbild[...] und seiner dämonischen Ausstrahlung stets als [den] bösen, grausamen Sandmann gefürchtet“ habe, den er aus den allabendlichen Erzählungen der Amme seiner jüngeren Schwester kannte.[5] Sie habe den Kindern immer erzählt, dass der Sandmann „ein böser Mann [sei], der […] zu den Kindern [komme], wenn sie nicht zu Bett gehen wollen und […] ihnen Händevoll Sand in die Augen [werfe], dass sie blutig zum Kopf herausspringen [...]“.[6]

Abgesehen davon erklärt Nathanael in seinem Brief, dass er Coppelius als den grauenvollen Kinderschreck – den Sandmann – wiedererkannt habe, da er den Kindern bei jedem Besuch Angst einflößte und diese stets mit den Worten „[...] zu Bette! zu Bette! Der Sandmann kommt [...]“ ins Bett geschickt wurden, wenn Coppelius kam.[7] Am Ende des Briefes berichtet Nathanael, dass er Coppelius und seinen Vater heimlich bei einem ihrer „teuflischen Experimente“ beobachtet habe und sein Vater dabei durch eine tödliche Explosion verunglückt sei.[8] Im anschließenden zweiten Brief versucht Clara ihren offensichtlich aufgebrachten Verlobten (schließlich adressierte er ja auch seinen Brief falsch) zu beruhigen und versichert ihm, dass alles Unheimliche „nur in seinem Innern vorgegangen sei“ und Coppola und Coppelius nicht ein und die selbe Person seien, es den Sandmann gar nicht gäbe und sie ihn nur beschützen wolle. Nathanael ist über diesen Brief sehr erzürnt, da ihm seine Verlobte (anscheinend) keinen Glauben schenken mag und berichtet dies in einem dritten (und letzten Brief) an Lothar (diesmal adressiert er den Brief richtig). Auch erzählt er dem Freund von seinem Professor Spalanzani, der mit seiner Tochter Olimpia in die Stadt gezogen sei und „kündigt […] seine baldige Rückkehr nach Hause an“.[9] Nach diesem Briefwechsel schaltet sich nun ein Erzähler ein, der sich direkt an den Leser wendet und über das Problem schreibt, die Geschichte von Nathanael richtig zu beginnen und geht mehrere Möglichkeiten durch, wie er dies hätte tun können.[10] Anschließend wird die Geschichte um den Studenten Nathanael weitergeführt: Nach seiner Rückkehr empfinden seine Familie und Freunde ihn als verändert, v.a. zwischen Clara und Nathanael kommt es zum Streit, da Nathanael ihr seine Dichtungen über den Sandmann, Kinheitserinnerungen und über Zukunftsvorstellungen, in die er immer wieder grausame und phantastische Elemente einfließen lässt, vorträgt. Diese langweilen Clara jedoch nur, was Nathanael sehr verärgert und die zwei geraten in einen Streit. Nathanael und Lothar, der seiner Schwester zu Hilfe eilt und sie verteidigt, geraten ebenfalls in Streit und ein Duell der beiden wird nur durch Claras Sanftmut und ihr beschwichtigendes Einreden auf die beiden verhindert.

Nach der Versöhnung der drei kehrt Nathanael an seinen Studienort zurück, wo er eine neue Unterkunft bezieht, da das Haus, welches er ehemals bewohnte, inzwischen abgebrannt war. Ihm gegenüber wohnen nun Professor Spalanzani und seine Tochter Olimpia, wodurch Nathanael die Gelegenheit hat, sie allabendlich zu beobachten und ihre Schönheit zu bewundern. Hierzu bedient er sich eines Perspektivs, welches er zuvor vom Wetterglashändler Coppola, der ihn erneut einen Besuch abgestattet hatte, erworben hatte. Olimpia zieht Nathanael „zunehmend in ihren Bann“ und „in dem Maße, wie ihn Olimpias Schönheit fesselt, verblasst in ihm das Bild Claras“.[11] Auf einem späteren Fest zur Einführung Olimpias in die Gesellschaft tanzt Nathanael „mehrfach mit ihr und verliebt sich in sie.“[12] Jedoch ist er der Einzige, der Olimpias Schönheit erkennt, da alle anderen sie eher als „leblose Puppe“ empfinden und somit alle – bis auf Nathanael – sie als das erkennen, was sie wirklich ist.[13] Nathanael bleibt dies jedoch verborgen und er wirbt um sie, da er in ihr all das findet, was Clara ihm nicht gibt – eine Zuhörerin, die ihm aufmerksam zuhört und ihn (scheinbar) versteht.[14] Gegen Ende seiner Studienzeit wird Nathanael Zeuge eines Streites zwischen Professor Spalanzani und Coppola, den er erneut als Coppelius erkennt. Die beiden ringen um die Augen Olimpias miteinander und Nathanael erkennt, dass Olimpia leblos und mit leeren Augenhöhlen daneben sitzt. Erst jetzt nimmt er sie als den Automaten wahr, der sie wirklich ist, wird daraufhin wahnsinnig und greift den Professor an.[15] Auf Grund des erregten Aufsehens ist Nathanael gezwungen, die Uni zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Dort genest Nathanael durch Claras Pflege schnell und Olimpia gerät in Vergessenheit.[16]

Gegen Ende der Erzählung unternehmen Clara und Nathanael einen Ausflug und die beiden steigen auf den Ratsturm der Stadt. Oben angekommen schaut Nathanael durch Coppolas Perspektiv in die Ferne und als er sich zur Seite wendet und Clara durch das Glas erblickt, verfällt er erneut dem Wahnsinn und glaubt in Clara die leblose Puppe wiederzuerkennen. Er ergreift sie und versucht sie vom Turm zu stürzen, wird jedoch in letzter Minute von Lothar daran gehindert und wirbelt in blinder Wut umher. Als er Coppelius in der Menge vorm Ratsturm stehend erblickt, wird sein Wahnsinn noch gesteigert und er stürzt sich selbst vom Turm in den Tod.[17]

IV. Sigmund Freud

Der als Begründer der Psychoanalyse geltende Wiener Nervenarzt Sigmund Freud wird am 06. Mai 1856 in Freiberg geboren und ist der Sohn jüdischer Eltern.[18] Freud studiert Medizin und bekommt als hervorragender Student eine zeitgleiche Anstellung im physiologischen Labor seiner Universität. 1881 promoviert und 1885 habilitiert er. Wenig später eröffnet er eine nervenärztliche Praxis, die ihm als „Erkenntnisquelle vieler seiner Schriften, in denen er sich immer mehr aus dem Bannkreis seiner Medizin entfernt[...]“, dient.[19] 1895 wird Freuds Tochter Anna geboren, welche sich später an den Arbeiten ihres Vaters orientiert und als Begründerin der Kinderpsychoanalyse gilt.[20] 1910 wird mit Freuds Hilfe die Internationale Psychoanalytische Vereinigung in Nürnberg gegründet, was einen „ersten Höhepunkt der psychoanalytischen Bewegung“ darstellt. 1938 emigriert er auf Grund der Bedrohungen durch den Nationalsozialismus nach London, wo er 1939 stirbt.[21] Wichtige Publikationen Freuds sind u.a.: Traumdeutung(um 1900), Der Dichter und das Phantasieren(1908) und Das Unheimliche(1919).

[...]


[1] Diehm, Helmut/Jöst, Dietmar: Der Brockhaus in einem Band. Neunte vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Leipzig 2000. S.388.

[2] Gesamter Absatz: Vgl.: Bekes, Peter: Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler. E.T.A.Hoffmann. Der Sandmann. Stuttgart 2005. S.48 – 55.

[3] Gesamter Absatz: Vgl.: Vorlesung: „Methoden der Textanalyse“ von Prof. Dr. Nicolas Pethes vom 18.10.2011.

[4] Vgl.: Bekes, Peter: Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler. E.T.A.Hoffmann. Der Sandmann. Stuttgart 2005. S.9.

[5] Ebd.

[6] E.T.A.Hoffmann: Der Sandmann. Reclams Universal-Bibliothek Nr.230. Stuttgart. 2004. S.5.

[7] Ebd., S.4.

[8] Bekes, Peter: Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler. E.T.A.Hoffmann. Der Sandmann. Stuttgart 2005. S.9.

[9] Ebd., S.11.

[10] Vgl.: E.T.A.Hoffmann: Der Sandmann. Reclams Universal-Bibliothek Nr.230. Stuttgart. 2004. S.17 - 20.

[11] Bekes, Peter: Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler. E.T.A.Hoffmann. Der Sandmann. Stuttgart 2005. S.12.

[12] Ebd., S.13.

[13] Ebd.

[14] Vgl.: Ebd.

[15] Vgl.: E.T.A.Hoffmann: Der Sandmann. Reclams Universal-Bibliothek Nr.230. Stuttgart. 2004. S.37f.

[16] Vgl.: Ebd., S.38 – 40.

[17] Vgl.: Ebd., S.40 – 42.

[18] Diehm, Helmut/Jöst, Dietmar: Der Brockhaus in einem Band. Neunte vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Leipzig 2000. S.303.

[19] Pfeiffer, Joachim: Sigmund Freud. 1856 – 1939. In: Martínez, Matías/ Scheffel, Michael (Hrsg.). Klassiker der modernen Literaturtheorie. Von Sigmund Freud bis Judith Butler. München 2010. S.11.

[20] Ebd., S.12.

[21] Vgl.: Ebd.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Unheimliche und phantastische Elemente in E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann"
Untertitel
Nach literaturwissenschaftlich-psychoanalytischer Definition Sigmund Freuds unter besonderer Berücksichtigung der Autor-/Dichterinstanz
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V231565
ISBN (eBook)
9783656481249
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine psychoanalytische Analyse der Sandmann-Instanz und des Protagonisten nach freudscher Definition.
Schlagworte
Psychoanalyse, Freud, E.T.A. Hoffmann, Sandmann, unheimlich, Autor
Arbeit zitieren
Stefanie Weber (Autor:in), 2012, Unheimliche und phantastische Elemente in E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231565

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