Wer kennt sie nicht, die Situation, in der man ein Wort während eines Sprachproduktionsprozesses benötigt und sich sicher ist, dieses auch zu kennen, doch das Wort will just nicht die Lippen passieren? Es liegt dem Sprichwort nach förmlich auf der Zunge.
Hierbei tritt das so genannte Tip of the Tongue-Phänomen bzw. der Tip of the Tongue State auf, im Folgenden der Einfachheit wegen nur noch kurz als TOTS bezeichnet. Doch nicht nur in Deutschland, respektive in der deutschen Sprache, kennt man dieses Phänomen. Im Gegenteil - es ist weltweit verbreitet. Und dennoch gibt es Unterschiede. Beispielsweise Deutschland, Frankreich, England, Italien, Tschechien, Saudi-Arabien, China, Türkei, Vietnam, Japan, Serbien und Korea auf der einen und Indonesien, Island, Tansania und Kenia auf der anderen Seite. Dies sind jeweils nur einige Beispiele und dennoch lässt sich anhand der unterschiedlichen Anzahl der hier aufgeführten Länder in jeder Aufzählungsgruppe bereits etwas feststellen. Die erste Gruppe, die in dem Fall von Deutschland bis Korea reicht, kennt und benutzt in oben genanntem Fall die Zungenmetapher, wenn auch teilweise in leicht abgewandelten Formen (vgl. Schwartz 1999: 393).
So liegt beispielweise in Korea nicht etwa ein Wort auf der Zunge, sondern die Koreaner verspüren ein Prickeln am Ende der Zunge („sparkling at the end of the tongue“ (vgl. ebd.: 382)) und in Japan hat man eher das Gefühl, dass etwas in Mund und Kehle stecken bleibt, was im weitesten Sinne ebenfalls mit der Zunge zusammen hängt. Die zweite Gruppe hingegen verwendet die Zungenmetapher nicht. Da kommt es eher vor, dass es dem Betroffenen gleich kommt („it’s coming, it’s coming“) oder man ein Loch im Kopf („hole in the head“) oder ein Loch im Gedächtnis („hole in the memory“) hat (vgl. Schwartz 2002: 25ff.). Doch schon auf Grund der hier getroffenen Auswahl ist erkennbar, dass die Anzahl der Länder, vor allem aber die Anzahl der Sprachen , die keinerlei Gefühle im Mund und speziell auf der Zunge verspüren, wenn ihnen ein Wort nicht direkt einfällt, deutlich geringer ist. Daraus lässt sich fast thesenhaft schließen, dass dieses Phänomen etwas Universelles sein muss.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Einleitung
- Teil I — Über tip-of-the-tongue states
- Historischer Abriss der Erforschung des TOT-Phänomens
- William James
- Robert S. Woodworth
- Sigmund Freud
- Roger Brown & David N. McNeill
- Drei grundlegende W-Fragen
- Was sind TOTS?
- Wer ist von TOTS betroffen und wie häufig?
- Der TOTS-Tod - Zur Auflösung von TOTS
- Teil II — Zu den möglichen Ursachen von TOTS
- Überblick über die Ursachenforschung zu TOTS
- Das Modell der Sprachproduktion nach Levelt
- Ausgewählte Beschreibungsmodelle der Ursachen von TOTS
- Blocking hypothesis
- Incomplete activation hypothesis
- Transmission deficit hypothesis
- Schlussbemerkung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Tip-of-the-Tongue-Phänomen (TOTS), einem allgegenwärtigen Sprachproduktionsfehler, der in jeder Sprache auftritt. Ziel der Arbeit ist es, die Geschichte der TOTS-Forschung aufzuarbeiten, die wichtigsten Merkmale des Phänomens zu beschreiben und verschiedene Theorien zu den Ursachen von TOTS zu diskutieren. Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil befasst sich mit der historischen Entwicklung der TOTS-Forschung, den Merkmalen von TOTS, sowie der Auflösung von TOTS. Der zweite Teil analysiert verschiedene Theorien zu den Ursachen von TOTS, wobei das Sprachproduktionsmodell von Levelt eine zentrale Rolle spielt.
- Historische Entwicklung der TOTS-Forschung
- Merkmale des Tip-of-the-Tongue-Phänomens
- Auflösung von TOTS
- Theorien zu den Ursachen von TOTS
- Das Sprachproduktionsmodell von Levelt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in das Tip-of-the-Tongue-Phänomen und zeigt auf, dass es in allen Sprachen vorkommt, auch wenn die sprachliche Metapher für dieses Phänomen nicht überall gleich ist. Im ersten Teil der Arbeit wird die Geschichte der TOTS-Forschung von den Anfängen bis zur ersten systematischen Untersuchung durch Brown & McNeill dargestellt. Hierbei werden die Arbeiten von William James, Robert Woodworth und Sigmund Freud beleuchtet. Im Anschluss werden die drei grundlegenden W-Fragen zum TOTS-Phänomen beantwortet: Was sind TOTS? Wer ist von TOTS betroffen? Wie häufig treten TOTS auf? Zum Abschluss des ersten Teils wird die Auflösung von TOTS diskutiert. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit den möglichen Ursachen von TOTS. Hierbei wird zunächst ein Überblick über die Ursachenforschung zu TOTS gegeben. Anschließend wird das Sprachproduktionsmodell von Levelt dargestellt und kritisch diskutiert. Im Anschluss daran werden drei wichtige Beschreibungsmodelle für die Ursachen von TOTS vorgestellt und analysiert: Die blocking hypothesis, die incomplete activation hypothesis und die transmission deficit hypothesis.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Tip-of-the-Tongue-Phänomen (TOTS), Sprachproduktion, Wortfindung, mentales Lexikon, Sprachmodelle, blocking hypothesis, incomplete activation hypothesis, transmission deficit hypothesis, phonologische Repräsentation, semantische Repräsentation, Graphem-Phonem-Korrespondenz, Sprachfehler.
- Arbeit zitieren
- M. A. Conny de le Roi (Autor:in), Enrico Nitzsche (Autor:in), 2010, Es liegt mir auf der Zunge. Das Tip-of-the-Tongue-Phänomen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231650