Entwicklungspotentiale im Management des Jugendfußballs

Am Beispiel der Österreichischen Unter 16 bis Unter 19-Nationalteamspieler


Masterarbeit, 2011

77 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfrage
1.3 Ziel der Arbeit
1.4 Methode

2. State of Art
2.1 Strukturen des ÖFB
2.2 Strukturen der Talenteförderung in Österreich
2.3 Challange 08 und Projekt 12

3. Ausbildungsmodelle im Ausland

4. Management, Pädagogik und Psychologie im Fußballsport
4.1 Führungsstile
4.1.1 Führungsstile in der Literatur
4.1.2 Reifegradmodell von Hersey und Blanchard
4.1.3 Führungsstile im Sport
4.2 Coping
4.3 Kompetenzerwartung
4.4 Aktivierung und Zeitverzerrung
4.5 Bewältigung des sportlichen Misserfolgs

5. Empirischer Teil
5.1 Qualitative Methode
5.2 Qualitative Methode
5.3 Durchführung der Untersuchung an Nachwuchsteamspieler
5.4 Durchführung der Untersuchung mit Kontrastmodellen

6. Diskussion der Ergebnisse
6.1 Conclusio aus Fragebögen
6.2 Interpersonelle Faktoren
6.3 Anforderungen an Betreuer
6.3.1 Managerqualitäten
6.3.2 Kommunikation
6.3.3 Psychologische Fähigkeiten

7. Zusammenfassung und Ausblick
7.1 Resümee
7.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs/Tabellenverzeichnis

Anhang

Anhang A: Fragebogen zur sportlichen Entwicklung

Anhang B: Offen geführtes Interview

Anhang C: Foto 36 Fragebögen

Anhang D: Foto der vier Ausbildungsmodelle Ausland

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Seit der Erfolgsmannschaft rund um die Fußballweltmeisterschaft 1978 und 1982 ist dem österreichischen Fußball in den letzten 28 Jahren nur noch zweimal die Qualifikation zu einem internationalen Großereignis (WM 1990 und WM 1998) gelungen. Im Dezember 2002 erfolgte durch die FIFA die Bekanntgabe der Vergabe der Fußball-Europameisterschaft 2008 an die beiden Bewerberländer Österreich/Schweiz. Aus diesem Anlass wurde vom österreichischen Fußballbund (ÖFB) im Jahr 2003 das Projekt „Challenge 08“ ins Leben gerufen. Ziel des Projektes war die bestmögliche Förderung der vorhandenen Fußballnachwuchstalente durch die Schaffung eines professionellen Umfeldes und eine „erfolgreiche Teilnahme der Unter 17, Unter 19, Unter 20, Unter 21 und der A-Nationalmannschaft an EM- und WM-Endrunden“ (Ruttensteiner, 2003, S. 104) zu gewährleisten. Dieses Ziel sollte durch die individuelle Förderung in den Bereichen Sportmedizin, Sportmotorik, Sportpsychologie und im fußballspezifischen Bereich erreicht werden. Mithilfe von Individualtrainern wurde der Trainingsplan auf die Stärken und Schwächen der talentiertesten österreichischen Fußballer abgestimmt. Ein Projektteam, bestehend aus Spezialisten in den einzelnen Bereichen, war für die Planung und die operative Umsetzung verantwortlich. Das Konzept, welches auch unter dem Namen „Der österreichische Weg“ in der Öffentlichkeit bekannt wurde, sollte eine optimale Vorbereitung auf die bevorstehende Europameisterschaft ermöglichen. Die Challange 08 lief nach der EM Ende 2008 aus und mündete im Sommer 2009 im Nachfolgekonzept „Projekt 12“. Die beiden ÖFB-Projekte haben jedoch sowohl dem Image des österreichischen Fußballs in der Öffentlichkeit als auch in den Spielergebnissen der A-Nationalmannschaft keine wesentlichen Verbesserungen gebracht. Dies zeigt auch die Kernaussage eines Forschungsprojektes zur Euro 2008, in der es heißt "Der österreichische Fußball lebt nur mehr von seinem Mythos der großen Taten der Vergangenheit" (vgl. Weiß/Russo, 2008, S. 4). Trotz aller Bemühungen ist das Abschneiden der österreichischen Nationalmannschaft bei der EM 2008 (Ausscheiden in der Vorrunde) und bei der WM-Qualifikation (keine Qualifikation für die WM 2010 in Südafrika) hinter den Erwartungen des österreichischen Fußballbundes geblieben. Die Differenz zwischen Aufwand und Resultat wird auch dadurch belegt, dass sich die Platzierung Österreichs in der FIFA Weltrangliste seit Beginn der Maßnahmen im Jahr 2002 um sieben Plätze verschlechtert hat (www.fifa.com, FIFA-Weltrangliste, letzte Aktualisierung 15. September 2010).

1.2 Forschungsfrage

Aus der Problemstellung ergibt sich eine Diskrepanz zwischen Zielsetzung und Erreichtem, daher lautet die Forschungsfrage:

Welche interpersonellen Faktoren beeinflussen die positive sportliche Entwicklung Jugendlicher im Profifußball?

1.3 Ziel der Arbeit

Ziel der Arbeit ist die Prüfung einer möglichen Differenz in der Bewertung der angewandten Trainingskonzepte zwischen Management des ÖFB (Trainer, Funktionäre) und Jugendnationalspieler. Es soll untersucht werden, ob Aspekte aus der Personalentwicklung auf das Management des Fußballsports übertragbar sind. Weiters sollen fördernde und hemmende Kriterien zur Verbesserung des Leistungsniveaus im Jugendsportbereich ausgearbeitet werden. Die zusammengefassten Ergebnisse werden dem Österreichischen Fußballbund übermittelt.

1.4 Methode

Zu Beginn erfolgt die Recherche nach Literatur und wissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema „Nachwuchsfußball“ sowie pädagogisch-erziehungswissenschaftlicher Literatur. Hiermit soll das Thema fachlich und inhaltlich aufbereitet werden und Informationen zur Ausarbeitung der theoretischen Perspektiven gesammelt werden. Durch Analyse der Ausbildungsmodelle im internationalen Umfeld sollen vergleichbare Daten eruiert werden.

Es wird mit zwei methodischen Ansätzen gearbeitet. Eine qualitative Methode wird in Form von Experteninterviews mit dem Management des österreichischen Fußballbundes (Team Manager und Betreuerteam der Nachwuchsnationalmannschaften) und auf Vereinsebene (Admira/Wacker) durchgeführt. Zu diesem Zweck wird ein Interviewleitfaden erstellt. Auf Basis des Interviewleitfadens sollen die relevanten Aspekte aus Sicht der Experten dargestellt werden. Dabei sollen Einschätzungen zur Handlungsweise der Befragten durch offene Fragen erfasst werden. Basierend auf den Daten der Expertenbefragung wird ein schriftlicher Fragebogen erstellt. Der Fragebogen wird einem pre-test unterzogen, um die Verständlichkeit der Fragen zu prüfen. Die Fragebögen werden durch das Team Management im Rahmen einiger Nationalteamspiele der österreichischen Jugendnationalmannschaften an mindestens 30 ÖFB-Nachwuchsteamspieler (Unter 17 bis Unter 21 Jahre) persönlich ausgehändigt. Bei den bereits ausformulierten Fragen kann der Spieler aus einer Zahl von Antwortalternativen auswählen. Der Informationsgewinn soll durch die Skalierung des Grades der Zustimmung zu einer Aussage erhalten werden. Das Ergebnis dieser quantitativen Forschung soll es ermöglichen, Verhaltensweisen und Zusammenhänge in der Spielerentwicklung genau zu beschreiben. Die Auswertung erfolgt durch einfache Häufigkeitszählung und deskriptive Statistik. Anhand der Interpretation aller Ergebnisse soll die Forschungsfrage beantwortet werden.

Aus den gewonnenen Erkenntnissen sollen darüber hinaus relevante Erfolgskriterien abgeleitet werden können. Schlussendlich werden alle Ergebnisse zusammengefasst und mit eigenen Schlussfolgerungen und Folgemaßnahmen ergänzt.

2. State of art

In diesem Kapitel erfolgt eine Beschreibung der Ausgangssituation des Ausbildungsmodells im österreichischen Fußball.

2.1 Strukturen des ÖFB

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Funktionsplan Österreichischer Fußballbund (ÖFB)

(www.oefb.at/_uploads/_elements/13783_Funktionsplan_1.pdf, 20.05.2011)

Der österreichische Fußballbund ist im operativen Bereich als Stabliniensystem in drei Abteilungen (Sport, Recht/Administration, Finanzen/Organisation) gegliedert. Weiters stehen drei Stabstellen (Buchhaltung, Koordination, Kommunikation) als Unterstützung der Geschäftsführung zur Verfügung. Die Anweisungen fließen zentral von oben nach unten, das heißt die untergeordnete Stelle erhält nur von einer übergeordneten Stelle Anweisungen. Diese straffe Organisation schafft klare Zuständigkeiten.

2.2 Strukturen der Talenteförderung in Österreich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Organisation der Talenteförderung

(www.oefb.at/talentefoerderung-pid567, 06.05.2011)

Der Kinderfußball umfasst die Altersgruppe zwischen dem 5. und 10. Lebensjahr. Er obliegt den Vereinen und ist damit organisatorisch den Landesverbänden untergeordnet. Die erste Stufe in der Talenteförderung des ÖFB sind die Landes­ausbildungszentren (LAZ) der Landesverbände. Ab dem 10. Lebensjahr besteht die Möglichkeit über einen Aufnahmetest in den Vorkader für das LAZ zu gelangen. Der Vorkader umfasst zwei Jahrgänge im Alter von zehn bis zwölf Jahre. Der Hauptkader umfasst wiederum zwei Jahrgänge im Alter von zwölf bis 14 Jahre (Stichtag jeweils 1. Jänner). Die Spieler (hier wie im Kommenden sind immer beiderlei Geschlecht gemeint, aus Gründen der Lesbarkeit wird aber auf eine durchgängige geschlechtergerechte Formulierung verzichtet) trainieren unter der Woche zweimal wöchentlich im LAZ, spielen aber weiterhin bei ihrem Stammverein in der regulären Meisterschaft. Das LAZ bietet eine fußballerische und motorische Grundausbildung mit sehr guten Trainings­bedingungen. Trainiert wird im Rahmen des ÖFB-Ausbildungsprogramms von Jugendtrainern, welche zumindest über eine Ausbildung des „Trainerlehrgangs zum Landesverband“ verfügen. Ziel ist es, den größten Talenten dieser Alters­stufen eine fundierte Ausbildung abseits ihrer Heimatvereine zu ermöglichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Die Standorte der Landesverbands-Ausbildungszentren (LAZ)

(www.oefb.at/landesverbands-ausbildungs-zentren-pid591, 06.05.2011)

Seit dem Jahr 2000 wurden aufbauend auf die Bundesnachwuchszentren (BNZ) die „Akademien“ der Landesverbände ins Leben gerufen. Trägervereine der jeweiligen Akademien sind entweder der Bundesligaverein selbst (Austria Wien, Rapid Wien, Sturm Graz, Red Bull Salzburg, SV Ried, Admira Wacker) oder der jeweilige Landesverband (Burgenland, Kärnten, Tirol, Vorarlberg, Niederösterreich, Oberösterreich). Ab der Saison 2001/2002 spielen alle zwölf Akademien in den Bewerben U15, U16 und U18 der TOTO Jugendliga im Meisterschaftsmodus gegeneinander.

„Zielsetzung der TOTO Jugendliga ist die systematische und flächendeckende Erfassung und Ausbildung talentierter Jugendlicher zu Leistungssportlern (Profis).
Die Akademien sind jene Kaderschmieden für österreichische Nachwuchstalente, die am Anschluss an die erste Ausbildungsetappe (Landesverbands-Ausbildungszentrum) von den Bundesliga-Vereinen bzw. Landesverbänden auf die Herausforderung des Spitzenfußballs vorbereitet werden. Im Rahmen des neuen Ausbildungskonzeptes werden die Akademien auf Basis der strengeren Lizenzbedingungen an ein höheres Niveau herangeführt“. (N.N., ÖFB, 2009, S. 77)

Die zwölf Akademien unterliegen strengen Lizenzkriterien in struktureller, betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht. Die Strukturen müssen im infrastrukturellen Bereich (zwei Rasenplätze, eine Sporthalle, Kraftraum, Entmüdungsbecken, Betreuungsräumlichkeiten,…) und im sportlichen Bereich (Personal, fußballtechnische und taktische Ausbildungsprogramme,…) hohen Maßstäben gerecht werden. Der Träger übernimmt die finanzielle Haftung und hat für eine entsprechende schulische Ausbildung der Talente zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr zu sorgen (vgl. ÖFB, 2009)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die Standorte der Akademien

(www.oefb.at/akademien-pid592, 28.04.2011)

2.3 Challange 08 und Projekt 12

Die Vergabe der Fußballeuropameisterschaft 2008 an Österreich und die Schweiz im Jahr 2002 war der Start für eine Reform der Jugendförderung des ÖFB. Im Frühjahr 2003 wurde das Challange 08-Projekt ins Leben gerufen, welches die spezielle Förderung der größten österreichischen Nachwuchstalente zum Ziel hatte. Jedem Spieler wurde ein Individu­altrainer auf Vereinsebene zur Verfügung gestellt, welcher, zusätzlich zum Mannschaftstraining, eine auf den Spieler abgestimmte fußballspezifische Trainingsplanung erarbeitete. Weiters wurden die Talente sport­medizinisch, sportmotorisch und sportpsychologisch von Spezialisten betreut. Ein Großteil dieser Betreuung fand in mehrtägigen Lehrgängen statt. Eine derartige Form der Zusammenarbeit zwischen dem ÖFB und der Fußballbundesliga (als Vertreter der 20 Bundesligavereine) hat es in der Vergangenheit noch nicht gegeben.

Die Organisation wurde neben der Patronanz und dem Lenkungsteam vom tech­nischen Direktor Willi Ruttensteiner als Projektleiter geführt. Der technische Beirat mit den Bundesligatrainern und sportlichen Leitern der Akademien entwarf die sportlichen Inhalte und plante die notwendigen Termine. Das Projektteam war für die inhaltliche Durchführung verantwortlich. Diese Gruppe bestand aus den ÖFB Nationaltrainern und deren Assistenten sowie den Individualtrainern. Sie zeichneten auch für die Umsetzung der individuellen Betreuung samt Controlling ver­antwortlich und hatten die Ergebnisse zu analysieren.

Nach dem Auslaufen des Challange 08 Projekts nach der Europameisterschaft im Sommer 2008 wurde im Juli 2009 das Nachfolgemodell „Projekt 12“ vorgestellt. Die wesentlichen Weiterentwicklungen von Projekt12 gegenüber Challange 08 waren die Erweiterung der Individualbetreuung auf die Landesausbildungszentren (LAZ) und Fußballakademien (AKA) sowie die Bereitstellung eines Techniktrainers und eines Fitness Coaches als Ansprechpartner. Dadurch wurde eine Erweiterung der Sichtung und Betreuung im Nachwuchs ab dem 14. Lebensjahr vorgenommen. Weiters wurde die Schaffung einer neuen Struktur mit Aufsichtsrat und Technischer Kommission, mit Vertretern der Bundesliga und des ÖFB unter dem Vorsitz von Willi Ruttensteiner vollzogen.

Inhaltlich wurde der Ansatz verstärkt, dass beim Training individuell auf Defizite und Stärken des jeweiligen Nach­wuchsspielers besonderes Augenmerk gelegt wurde. Die Erhebung und Auswertung aus allen Projektbereichen wird in einer Online-Datenbank den Vereinen, LAZ und AKA zur Verfügung gestellt. Die Sammlung und Verknüpfung dieser Daten aus den Trainingswissenschaften, der Sportmedizin, der Sportpsy­chologie und dem fußballspezifischen Be­reich bietet dem Betreuerteam eine optimale Möglichkeit, um sich bei der Trainingsgestaltung zielgerichtet vorbereiten zu können. Die Finanzierung des gesamten Projekts kostet jährlich über 1.000.000 Euro und wird vom ÖFB, UEFA, Sportministerium und neun zusätzlichen ÖFB-Sponsoren gesichert. Die mediale Auf­merksamkeit konnte durch die Gewinnung von Franz Beckenbauer als Botschafter bei der neuerlichen Präsentation im April 2011 gesichert werden.

Projekt 12 – Kader Männer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Projekt 12 – Kader Frauen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Projekt 12 Männer und Frauen

(www.oefb.at/-ber15446, 20.05.2011)

3 Ausbildungsmodelle im Ausland

In Zusammenarbeit mit dem ÖFB wurde bei den Länderverbänden von Deutschland, Schweiz, Frankreich und Dänemark um Auskunft über deren Ausbildungsmodelle schriftlich angefragt. Die gesendeten Unterlagen [Anm. Anhang D] wurden (bei Bedarf) ins Deutsche übersetzt. Es zeigte sich eine große Überschneidung von Maßnahmen zur Talente­förderung in den jeweiligen Ländern. Alle Verbände haben „Leistungszentren“ für die talentiertesten Nachwuchsfußballer eingerichtet. Vereine der höchsten Spielklasse des jeweiligen Landes haben diese Einrichtungen zu betreiben. Diese Regelung stellt einen Gegensatz zum österreichischen System dar, wo auch die Verbände der Bundesländer als Träger der Leistungszentren („Akademien“) erlaubt sind.

Der Eintritt in diese Talenteinrichtungen beginnt zwischen dem 11. Lebensjahr (Deutschland) und dem 13. Lebensjahr (Schweiz, Frankreich, Dänemark). Dieser Bereich wird im Allgemeinen als „Aufbaubereich“ (Deutschland) bzw. „Preformation“ (Schweiz) bezeichnet, wodurch ein Heranführen an den Profibereich signalisiert werden soll. Ab dem 14./15. Lebensjahr wird noch differenzierter und leistungs­orientierter ausgebildet (Deutschland: „Leistungsbereich“, Schweiz: „Postformation“). Die Talenteförderung endet in der Regel mit der Unter 19-Mannschaft.

Alle Leistungszentren unterliegen den Bestimmungen der jeweiligen Länderverbände und werden in Form von Leistungskriterien von diesen lizenziert. Die zu erbringenden Qualitätskriterien stellen die Mindestanforderungen an die Fußballvereine (als Lizenzträger) dar. Werden diese Zulassungsbedingungen von den Vereinen nicht erfüllt, gibt es durch den Verband keine Bewilligung und somit auch keine Subvention und Förderung der Talenteausbildung in voller Höhe. Die Schweiz behält sich zum Beispiel das Recht vor, die Subvention um 5% zu kürzen, wenn die Trainer an den Fortbildungskursen nicht teilnehmen. Ein hauptberuflicher Mannschaftstrainer erhält vom Verband eine Entlohnung von 45.000,- brutto pro Jahr. Dänemark bezahlt zwischen 40.200,- Euro (A-Lizenz) und 67.200,- Euro (A+-Lizenz).

Als Standards werden die sportlichen Einrichtungen (Deutschland und Frankreich: mindestens drei Rasenplätze, Kraftraum) und die optimale Versorgung und Unter­bringung im Internat gefordert. Die Betreuung im sportlichen Bereich wird in hauptberufliche Trainer und nebenberufliche Trainer unterteilt. Bei den vollzeit­beschäftigten Trainern wird als Ausbildungslevel in allen Verbänden zumindest die B-Lizenz (Schweiz: B+ Diplom) vorgeschrieben. Neben jeweils mindestens einem Trainer pro Mannschaft wird überall ein Torwarttrainer pro Ausbildungsstätte ver­langt. Als einziges Land schreibt die Schweiz zwingend einen Konditionstrainer und einen Stürmertrainer als Anforderung vor. Die Kriterien in der medizinischen Be­treuung sind nahezu nivelliert. Die Mindestanforderung besteht in einem Arzt/Sportmediziner und einem Physiotherapeuten. Deutschland hat die strengsten ärztlichen Auflagen durch Vollzeitbeschäftigung und verlangt zusätzlich einen Diplomsportlehrer als Reha- und Koordinationstrainer. Alle Verbände verlangen einmal pro Jahr eine medizinische Untersuchung aller Spieler.

Die Leistungszentren sollen eine Koordination der Bereiche Sport, Schule und Beruf ermöglichen. Als Basis dafür wird eine funktionierende Kooperation von Schule und Verein angestrebt. Neben der intensiven sportlichen Ausbildung von 7-9 Trainingseinheiten pro Woche wird viel Wert auf die bestmögliche schulische und pädagogische Betreuung gelegt. Der Schweizer Landesverband ist auch an einer Beratung bei der beruflichen Orientierung und einer Suche nach Lehrstellen interessiert.

Die nationalen Fußballverbände verlangen schriftlich ausgearbeitete Nachweise der Leistungen der Vereine (Schweiz: „Pflichtenheft“, Deutschland „Jugendförder­programm“). Darin enthalten sind neben Zielsetzung und Organisation auch eine Beschreibung der fußballerischen Ausbildung. Weiters werden jährlich Analyse und Art des „Feedbackprozesses zur Bewertung der Ergebnisse im Hinblick auf die gesteckten Ziele“ vereinbart.

Im Detail unterscheiden sich die Verbände durch folgende Merkmale:

In Deutschland ist es erlaubt „die Errichtung, Unterhaltung sowie die Arbeitsinhalte der Leistungszentren (…) inhaltlich, methodisch und organisatorisch von den Teilnehmern der Lizenzligen weiter auszugestalten, sofern diese nicht von den Grundsätzen der Richtlinien abweichen“ (DFB, 2007, Anhang V, S. 1). Der deutsche Fußballbund legt als einziger Verband eine Mindestanzahl von 60% oder zwölf Spielern fest, welche für die deutschen Nachwuchs-Auswahlmannschaften spielberechtigt sind. (vgl. DFB, Richtlinien für die Errichtung von Leistungszentren, Anhang V)

In der Schweiz wird von jedem Spieler ein persönliches Dossiers angelegt. Dieser Ordner beinhaltet die Trainingsinhalte (Jahres-, Monats-, Wochen- und Tages­trainingspläne), die schulischen Leistungen und einen unterschriebenen Verhaltenskodex. Die Mannschaftstrainer müssen zusätzlich Berichte über die Entwicklungen fest­halten. Dazu wird auch die regelmäßige Spielbeobachtung des Talents mit Video herangezogen. Dabei werden „präzise Schnittmontagen zur Hervorhebung der wichtigen Elemente für Korrektur oder Verbesserung während der Trainings vorgenommen“. (SFV, 2010, S. 14)

In Frankreich erscheint es dem nationalen Fußballverband als großes Anliegen die Ausbildung sehr zentralisiert zu betreiben. Es herrscht eine höhere Einflussnahme auf die Vereine als in den anderen Ländern. Die Zulassung erfolgt in zwei Kategorien und diese werden wiederum durch ein Punktesystem in zwei Klassen (A, B) festgelegt. Die Einteilung erfolgt durch die nationale technische Direktion. Während der Phase der Vorausbildung (13 bis 15 Jahre) bleiben die Spieler bei Ihren Heimat­vereinen gemeldet. Sie müssen bei diesen Klubs die Meisterschaftsspiele austragen. Dieses System ist ähnlich der österreichischen LAZ Ausbildung. Am Ende der Vor­ausbildung ist der Spieler verpflichtet einen Vertrag mit einem französischen Profiklub zu unterzeichen („Anwärtervertrag“). Die Profivereine müssen den franzö­sischen Fußballverband über die Vertragsangebote offiziell informieren. Die unterschriebenen Verträge werden vor Inkrafttreten von einer nationalen Rechts­kommission bestätigt. (vgl. FFF, Ausbildungszentren der Profiklubs, Abschnitt II)

Im Vergleich mit dem österreichischen Ausbildungssystem lassen sich keine eklatanten Unterschiede erkennen. Zusammenfassend kann auch gesagt werden, dass die ausländischen Verbände hinsichtlich der Lizenzierungskriterien an die Vereine dem österreichischen System ähneln. Österreich hat jedoch als einziger aller untersuchten nationalen Verbände eine individuelle Talenteförderung ab dem 10. Lebensjahr (LAZ) installiert und ist damit in der Phase der Frühförderung federführend.

Seit dem Entstehen der neuen Ausbildungsrichtlinien im Jahr 2001 gab es eine auffällige Häufung an Erfolgen der österreichischen Nachwuchsnationalmann­schaften. Während es im Jahr 1997 die letzte Qualifikation eines Teams zu einer EM oder WM-Endrunde gab, kam es ab dem Jahr 2003 in regelmäßigen Abständen zu beachtlichen internationalen Erfolgen im Nachwuchs. Nach einer Vorlaufzeit von nur zwei Jahren nach Einführung der neuen Strukturen, konnten folgende End­rundenteilnahmen erreicht werden:

2003: U19, EM-Endrunde in Liechtenstein, 3. Platz (acht Teilnehmer)

U17, EM-Endrunde in Portugal, 3. Platz (acht Teilnehmer)

2004: U17, EM-Endrunde in Frankreich (acht Teilnehmer)

2006: U19, EM-Endrunde in Polen, 3. Platz (acht Teilnehmer)

2007: U19, EM-Endrunde in Österreich (acht Teilnehmer)

U20, WM-Endrunde in Kanada, 4. Platz (24 Teilnehmer)

2010: U19, EM-Endrunde in Frankreich (acht Teilnehmer)

2011: U20, WM-Endrunde in Kolumbien (24 Teilnehmer)

Aktuell befinden sich zumindest 13 Spieler (Dragovic, Prödl, Schiemer, Alaba, Baumgartlinger, Beichler, Jantscher, Junuzovic, Kavlak, Arnautovic, Harnik, Hoffer, Okotie, u.a.) im erweiterten Kader der österreichischen Nationalmannschaft, welche bereits einem dieser Nachwuchsteams ab 2007 angehört hatten. Fast alle dieser jungen Spieler spielen bereits im Ausland bei Vereinen der ersten Liga. Daraus lässt sich schließen, dass der eingeschlagene Weg zeitverzögert auch zu Erfolgen im Erwachsenenfußball führen sollte.

[...]

Ende der Leseprobe aus 77 Seiten

Details

Titel
Entwicklungspotentiale im Management des Jugendfußballs
Untertitel
Am Beispiel der Österreichischen Unter 16 bis Unter 19-Nationalteamspieler
Hochschule
Universität Wien  (SanConsult)
Veranstaltung
Master of Science (Management)
Note
gut
Autor
Jahr
2011
Seiten
77
Katalognummer
V231791
ISBN (eBook)
9783656477068
ISBN (Buch)
9783656477099
Dateigröße
2517 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fussball, Nachwuchsfussball, Fussballmanagement, Sport, Psychologie
Arbeit zitieren
MSc Helmut Schuster (Autor:in), 2011, Entwicklungspotentiale im Management des Jugendfußballs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231791

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Entwicklungspotentiale im Management des Jugendfußballs



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden