William Morris und die Arts and Crafts-Bewegung in England


Hausarbeit, 2013

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Allgemeiner Forschungsstand

3 Historischer Hintergrund

4 Die Vorbilder der Arts and Crafts-Bewegung

5 Prinzipen und Ziele der Arts and Crafts-Bewegung

6 William Morris und sein Werk
6.1 William Morris – Dichter, Maler, Kunsthandwerker und Sozialreformer
6.2 „The Red House“
6.3 „Morris, Marshall, Faulkner & Co.“
6.4 „Kelmscott Press“

7 Schlussbetrachtungen

8 Literaturverzeichnis

9 Anhang: Abbildungen

1 Einleitung

„[...] Behalten Sie nichts in Ihren Häusern, von dem Sie nicht wissen, dass es nützlich ist, oder von dem Sie nicht glauben, dass es schön sei.“[1]

William Morris wird als die Schlüsselfigur der Arts and Crafts-Bewegung in England gesehen. Seinen Arbeitsethos fasst Gerda Breuer kurz und knapp zusammen: Einfachheit, Ehrlichkeit, Konzentration auf den Wert der Arbeit sowie der Erhalt der Freude beim schöpferischen Prozess.[2] Dabei orientierte er sich an Vorbildern wie der Präraffaelitischen Bruderschaft, John Ruskin und A.W.N. Pugin, die einen neuen, auf die soziologische Ebene ausgeweiteten Kunstbegriff entwickelten. Im Gegensatz zu den genannten Vorbildern blieb Morris nicht in den theoretischen Vorstellungen über eine Eingliederung der Kunst in den Alltag jedes Menschen verhaftet, sondern versuchte sich an deren Realisierung. In der Entwicklung des Gesamtkunstwerkes, bei dem jedes Detail aufeinander abgestimmt und einer Funktion unterworfen ist, nahm der Reformator den etwa 50 Jahre später entstandenen Begriff „form follows function“ des Amerikaners Louis Sullivan vorweg.

Diese Arbeit wird zunächst einen Abriss der allgemeinen Forschungslage zu William Morris und der Arts and Crafts-Bewegung geben, ohne dabei den Anspruch der Vollständigkeit erheben zu wollen. Anschließend soll der historische Hintergrund der Bewegung beleuchtet werden. Es folgen ihre Vorbilder sowie Prinzipien und Ziele. Daran anknüpfend werden William Morris und sein Werk behandelt, mit besonderem Augenmerk auf dem „Red House“, der Firma „Morris, Marshall, Faulkner & Co.“ sowie der „Kelmscott Press“.

2 Allgemeiner Forschungsstand

Um die aktuelle Forschungslage zum Thema William Morris und die Arts and Crafts-Bewegung auch in Bezug auf nationale Unterschiede in der Aufarbeitung zu analysieren, werden die Autoren nach ihrer Herkunft - England bzw. Deutschland - kategorisiert. Zunächst soll die englische Forschungslage behandelt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gerichtet, ob die Engländer ähnlich den Deutschen Morris‘ Vorstellung einer „Einheit von Kunst und Leben“ - auch für die besitzlose Arbeiterschaft - als nicht realisierbar kritisieren. Morris hatte die von ihm selbst als „utopisch“ bezeichnete Vision einer Gesellschaft, in der das Verhältnis zwischen den technischen Errungenschaften der Zivilisation und der Natur ausgewogen sei.

Anlässlich Morris‘ 100. Geburtstag im Jahre 1934 verfasste Nikolaus Pevsner[3] das Buch „Pioneers of Modern Design from Morris to Gropius“[4], welches noch heute als umfassendes Standardwerk der Forschung zu William Morris und der Arts and Crafts-Bewegung gilt. Pevsners Meinung nach erhielt die klassisch ästhetische Kunstgeschichte durch Morris‘ Bekenntnis „What business have we with art at all, unless all can share it?”[5] einen soziologischen Mehrwert. Die den Jugendstil prägenden Künstler wie Adolf Loos und Henry van de Velde zählten ohne Zweifel den englischen Reformer Morris zu ihren Vorbildern.[6] Morris‘ „Utopie“ erhält in Pevsners Werk kaum Beachtung. Charlotte und Peter Fiell, ebenfalls aus England, messen der Arts and Crafts-Bewegung eine „ganzheitliche, das heißt ästhetische, soziale und umweltorientierte Betrachtung des Entwurfs- und Herstellungsprozesses“[7] bei. Dabei seien weniger eine „Rückkehr ins ländliche Arkadien“[8] als Reformideen ausschlaggebend: „Nützlichkeit, Einfachheit, Angemessenheit statt Luxus, moralische Verantwortung von Designern und Herstellern für die Produktion von Qualitätsware“[9]. Andrea L. Rich schreibt dem damaligen Konflikt zwischen Standardware und Individualität, zwischen Massenproduktion und Handarbeit auch heute noch Aktualität zu.[10] Des Weiteren führt sie in Bezug auf das Schaffen der Arts and Crafts-Bewegung George Bernard Shaws Zitat „the beginning of the end of the easel-painting despotism“[11] an, welches besonders den revolutionären Charakter der Gemeinschaft verdeutlicht. Es ist festzuhalten, dass sich die englische Forschung deutlich kritikloser gegenüber Morris‘ „utopischen“ Vorstellungen einer gut funktionierenden Gesellschaft zeigt und stattdessen ihren Nationalstolz auf einen Künstler, der von England aus die Gesellschaftsstrukturen der ganzen Welt reformieren sollte, ausdrückt. Einig ist sich die Forschung vor allem in der Ansicht, dass Morris‘ Werk zwei eigentlich gegensätzliche Komponenten miteinander vereint, wie es Martin J. Wiener, Engländer, auf den Punkt bringt: „revolutionary within the medievalist, the communist within the craftsman“[12]. In der deutschen Forschung zum Thema Arts and Crafts-Bewegung ist insbesondere Gerda Breuer heranzuziehen, die an dieser Stelle exemplarisch für die deutsche Forschung stehen soll, da die Analyse weiterer Autoren den Rahmen der Arbeit sprengen würde. In dem von Breuer herausgegebenen Ausstellungskatalog wird ihr Standpunkt bezüglich der Vorbildfunktion Morris‘ deutlich: Für sie begründeten Morris und Ruskin den „Stammbaum der Moderne“ und fungierten als „Wegbereiter für Jugendstil, Deutsche[n] Werkbund und Bauhaus“[13]. Hier wird besonders offensichtlich, dass die Arts and Crafts-Bewegung zwar von den Ansichten der Präraffaeliten beeinflusst waren, aber schnell ihre eigenen Paradigmen entwickelten. Laut Breuer erfährt die momentane Forschung[14] zu Morris in Deutschland im Gegensatz zu England eine Stagnation, die sie mit den „unzeitgemäßen utopischen Denkbildern“[15] begründet. Die Utopien seien endgültig als „Trugbilder“ und „Sinnentäuschungen“ entlarvt. Zudem hätten die „kollektiv vereinheitlichten Lebensweisen“ einerseits zu den Diktaturen der 30er Jahre beigetragen, andererseits das „Fundament der sozialistischen Planwirtschaft“[16] gelegt.

Es hat sich gezeigt, dass die deutsche Forschung Morris‘ Vorstellungen einer Gesellschaft deutlich kritischer gegenübersteht als die britische Forschung.

3 Historischer Hintergrund

Die Arts and Crafts-Bewegung entstand Ende des 19. Jahrhunderts - einer Zeit, in der die industrielle Revolution Großbritannien, insbesondere England, beherrschte. Ermöglicht durch die zahlreichen technischen Erfindungen, beispielsweise die Dampfmaschine, kennzeichnet diese Revolution den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft.[17]

Von diesen Entwicklungen profitierte aber zunächst nicht die gesamte Bevölkerung: Die Massenproduktion führte zwar bei den Fabrikanten zu schnellem Reichtum, die besitzlose Arbeiterschaft wurde jedoch durch überlange Arbeitszeiten unter mangelhaften Arbeitsbedingungen ausgebeutet. Die Kluft zwischen Arm und Reich wuchs.

Die Architektur jener Zeit ist vom Historismus geprägt. Laut Ernst H. Gombrich „verlangte [das Publikum] eben Säulen, Pilaster, Gesimse und Profile, und genau das lieferten ihm die Architekten.“[18] Dabei täusche das überflüssige Dekor über mangelnde Qualität hinweg.[19] Vor diesem Hintergrund entwickelten sich politische Gegenbewegungen, die sich für eine neue Wirtschaftsethik und den schöpferischen Wert des Handwerks im Gegensatz zur industriellen Massenproduktion einsetzten.[20] Nach Gombrich „konnte [zwar] die Propaganda gegen industrielle Massenware die Fabrikarbeit nicht verdrängen, aber sie öffnete vielen die Augen für die bestehenden Probleme und machte das Echte, Einfache und ‚Selbstgesponnene‘ modern.“[21] Vor allem junge Künstler fühlten sich von dieser neuen Herangehensweise an die Kunst inspiriert. Sie sahen es nicht mehr als unter ihrer Würde an, Gebrauchsgegenstände wie Möbel und Teppiche herzustellen; Bereiche, die eher in der „Low Art“ anzusiedeln sind.

Zu jenen Künstlern zählte auch William Morris, der als Begründer des Arts and Crafts-Movement die Kunstauffassung nachhaltig reformieren sollte. Im Folgenden wird diese Gemeinschaft mit den wichtigsten ideologischen Vorbildern – allen voran Ruskin und Pugin – in einen Kontext gesetzt.

4 Die Vorbilder der Arts and Crafts-Bewegung

Mitte der 40er Jahre des 19. Jahrhunderts gründete sich die Präraffaelitische Bruderschaft, eine von den Malern Dante Gabriel Rossetti, William Holman Hunt und John Everett Millais angeführte künstlerische Gemeinschaft, die größere Künstler- und Schriftstellerbewegungen inspirierte.[22] Ähnlich wie bei der Arts and Crafts-Bewegung war es ihr Ziel, die Kunst mit einer Ethik zu verbinden und jeder Arbeit einen schöpferischen Wert beizumessen. Die Brücke zu William Morris stellt Edward Burne-Jones dar, ebenfalls ein Mitglied der Präraffaeliten sowie Freund und Studienkollege von Morris. Die Charakteristika der Kunst der präraffaelitischen Bruderschaft lassen sich auch im Jugendstil ausmachen: eine „weihevolle“ Komposition, die streng axiale Ordnung mit symbolischem Hintergrund sowie die Erhebung des Weiblichen zum Mythos.[23]

Weitaus tiefgreifender als die präraffaelitische Bruderschaft prägte der Architekt und Theoretiker John Ruskin die Ideologie der Arts and Crafts – Bewegung. Sein in diesem Kontext bedeutendster Aufsatz „The Nature of Gotic“, 1853 in „Stones of Venice“ erschienen, sprach sich für das Mittelalter als Paradies aus. Dabei stellt die Gotik mit ihrer Bauhütten-Konzeption das „Urbild einer nichtentfremdeten societas“[24] dar. In der Unvollkommenheit gotischer Bauwerke zeichne sich noch die menschliche Hand ab, wohingegen die industrielle Massenproduktion perfekt sei.[25] Arbeitsteilung war für Ruskin eine Degradierung des Arbeiters zum Werkzeug, der keine Freude mehr an der Arbeit empfinden kann. In diesem Punkt zeigt sich besonders große Übereinstimmung mit William Morris‘ Kritik an der Mechanisierung der Arbeitsabläufe. Des Weiteren übernahm Morris von Ruskin die Ansicht, dass eine Arbeit nur dann gelungen sein könne, wenn der Arbeiter Freude am Schaffen empfunden habe.

[...]


[1] William Morris: Lesser Arts. In: Ausst.Kat.: Arts and Crafts. Von Morris bis Mackintosh – Reformbewegung zwischen Kunstgewerbe und Sozialutopie. Hrsg. von Gerda Breuer, Institut Mathildenhöhe Darmstadt, Darmstadt 1994. S. 87.

[2] Vgl. Conrads, Ulrich und Peter Neitzke [Hrsg.]: Ästhetik der schönen Genügsamkeit oder Arts & Crafts als Lebensform. Programmatische Texte, erläutert von Gerda Breuer. Braunschweig/Wiesbaden, 1998. S. 15.

[3] Deutscher Kunsthistoriker, der 1933 nach England emigrierte und somit beiden Kategorien zuzuteilen ist.

[4] Pevsner, Nikolaus: Pioneers of modern design. From William Morris to Walter Gropius. Harmondsworth [u.a.], 1978.

[5] Pevsner, Nikolaus: William Morris, C.R. Ashbee und das zwanzigste Jahrhundert. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Band 14. Hrsg. von Paul Kluckhohn und Erich Rothacker. Halle 1936. S. 536.

[6] Vgl. Nikolaus Pevsner: Pioneers of modern design. 1978, S. 27.

[7] Fiell, Charlotte und Peter: William Morris (1834-1896). 1999. S. 53.

[8] Vgl. ebd.

[9] Vgl. ebd.

[10] Vgl. Andrea L. Rich. In: Kaplan, Wendy: The Arts and Crafts Movement in Europe and America. Design for the modern world. London 2004. S. 7.

[11] Vgl. ebd. S. 11.

[12] Wiener, Martin J.: The Myth of William Morris. In: Albion: A Quarterly Journal Concerned with British Studies. Vol. 8, No. 1.1976. S. 67.

[13] Ausst.Kat.: Arts and Crafts. Von Morris bis Mackintosh – Reformbewegung zwischen Kunstgewerbe und Sozialutopie. Hrsg. von Gerda Breuer. 1994. S. 1.

[14] „Modern“ zum Zeitpunkt von Breuers Forschung bedeutet Mitte der 1990er Jahre.

[15] Vgl. Ausst.Kat.: Arts and Crafts. Von Morris bis Mackintosh – Reformbewegung zwischen Kunstgewerbe und Sozialutopie. Hrsg. von Gerda Breuer. 1994. Einführung.

[16] Ebd.

[17] Vgl. Fahr-Becker, Gabriele: Jugendstil. Königswinter 2004. S. 25.

[18] Gombrich, Ernst H.: Die Geschichte der Kunst. Erweiterte, überarbeitete und neu gestaltete 16. Ausgabe. Frankfurt am Main 1996. S. 535.

[19] Vgl. ebd.

[20] Vgl. ebd.

[21] Vgl. ebd.

[22] Vgl. Fiell, Charlotte und Peter: William Morris (1834-1896). 1999. S. 7.

[23] Vgl. Fahr-Becker, Gabriele: Jugendstil. 2004. S. 29.

[24] Vgl. Ausst.Kat.: Arts and Crafts. Von Morris bis Mackintosh – Reformbewegung zwischen Kunstgewerbe und Sozialutopie. Hrsg. von Gerda Breuer. 1994. S. 14.

[25] Vgl. Fahr-Becker, Gabriele: Jugendstil. 2004. S. 26.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
William Morris und die Arts and Crafts-Bewegung in England
Hochschule
Universität Trier
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V232081
ISBN (eBook)
9783656496595
ISBN (Buch)
9783656497219
Dateigröße
3012 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
william, morris, arts, crafts-bewegung, england
Arbeit zitieren
Hannah Gerten (Autor:in), 2013, William Morris und die Arts and Crafts-Bewegung in England, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232081

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