Die Kuba Krise. Eine Betrachtung unter dem Aspekt des politischen Realismus und Neorealismus


Seminararbeit, 2007

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der politische Realismus nach Hans J. Morgenthau
2.1 Entstehung des politischen Realismus
2.2 Die sechs Grundsätze des politischen Realismus
2.2.1 Objektive Gesetze der Politik
2.2.2 Macht und Interesse
2.2.3 Das nationale Interesse
2.2.4 Grenzen universeller Moral
2.2.5 Der Unterschied zwischen nationaler und universeller Moral.
2.2.6 Politik als autonome Sphäre.
2.3 Weltordnung, Akteure und deren Interessen
2.3.1 Der im Sinne von Macht verstandene Begriff des Interesses
2.3.2 Status quo orientierte Politik
2.3.3 Imperialismus Politik

3. Der politische Neorealismus nach Kenneth N. Waltz
3.1 Entstehung des politischen Neorealismus
3.2 Grundannahmen des politischen Neorealismus
3.2.1 Das Ordnungsprinzip(ordering principle)
3.2.2 Die funktionale Differenzierung der Einheiten( character of the units)
3.2.3 Die Machtrelation einzelner Staaten(distribution of capabilities)
3.3 Polarität des Internationalen Systems
3.3.1 Unipolares System
3.3.2 Bipolares System
3.3.3 Multipolares System
3.4 Die Wirkung der Struktur des Internationalen Systems auf die Staaten
3.4.1 „Balance of power“
3.4.2 „Bandwagoning“

4. Die Kuba-Krise
4.1 Die Geschichte der Kuba-Krise
4.2 Anwendung der realistischen/neorealistischen Theorie auf die Kuba-Krise
4.3 Fazit zur Kuba-Krise

5. Theoriekritik

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Kuba Krise im Oktober 1962 stellte die dramatischste Zuspitzung des Konflikts zwischen Ost und West im Zeitalter des Kalten Krieges dar. Zu keinem vorherigen oder späteren Zeitpunkt befanden sich die beiden Supermächte Sowjetunion und USA so nah vor einer nuklearen Katastrophe, wie während dieser 13 Oktobertage. Ein von Misstrauen geprägter Kampf um Macht und Sicherheit beförderte die Welt beinahe in den Dritten Weltkrieg. Das Anliegen dieser Arbeit ist es, aus der Sicht des politischen Realismus, bzw. Neorealismus zu erklären wie es zu einer solch außergewöhnlichen Konstellation zwischen den beiden Staaten kommen konnte und wie das Verhalten der beiden Staaten zu erklären ist. Die Arbeit setzt sich aus drei wesentlichen Teilen zusammen. Im ersten Teil stelle ich die Theorie des politischen Realismus und des politischen Neorealismus vor. Bei der Darstellung der wesentlichen Inhalte der Theorie, werde ich mich aufgrund ständiger Weiterentwicklungen und Veränderungen, welchen Theorien unterliegen, hauptsächlich auf die Aussagen der wohl bekanntesten Vertreter Hans J. Morgenthau(Realismus) und Kenneth N. Waltz(Neorealismus) beziehen. Im Zweiten Teil der Arbeit gebe ich einen kurzen Abriss zur Geschichte der Kuba Krise. Hier werde ich einige besonders prägnante Punkte der Krise herausstellen und diese erläutern. Anschließend zeige ich auf, wie die Entwicklung und das Verhalten der Staaten während der Kuba Krise aus realistischer, bzw. neorealistischer Sicht erklärt werden könnte. Hierbei geht es darum, die Annahmen der Theorie mit der Empirie zu verknüpfen. Man muss sich hierbei bewusst machen, dass Staaten nicht nach einer Theorie handeln. Staaten handeln also weder realistisch noch neorealistisch. Die Theorien versuchen lediglich das Verhalten der Staaten zu erklären. Zu klären, in wie weit die Annahmen der Theorie jedoch der Realität entsprechen, ist Aufgabe des dritten Teils dieser Arbeit. In diesem Teil der Arbeit werde ich mich im Gegenteil zum wertungsfreien ersten Teil der Arbeit kritisch mit der Theorie des Realismus/Neorealismus auseinandersetzen und versuchen Schwächen und Unvollständigkeiten der Theorie aufzuzeigen.

2.Der politische Realismus nach Hans J. Morgenthau

2.1 Entstehung des politischen Realismus

Die Entstehung der politischen Theorie des Realismus ist auf mehrere Dinge zurückzuführen. Das Scheitern des Völkerbundes oder der Zweite Weltkrieg mögen hierbei nur einige Ereignisse sein, die für die Entstehung der realistischen Theorie mitverantwortlich sind. Diesen Ereignissen der dreißiger und vierziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts stand zudem die politische Theorie des Idealismus gegenüber. Die Theorie des Idealismus vertrat das Menschenbild des guten und lernfähigen Menschen, welcher durch Vernunft bestimmtes Handeln mit allen Menschen friedlich zusammen existieren kann. Der Idealismus ging davon aus, die Probleme und Ursachen des internationalen Systems aufzeigen zu können, Strategien zur Verhinderung dieser Konflikte entwickeln zu können und Kriege somit langfristig zu verhindern. Die Geschichte lehrte uns etwas anderes und so entwickelte sich die Theorie des Realismus, als dessen Hauptvertreter Hans J. Morgenthau gilt. Der Realismus warf dem Idealismus vor, einer gewissen Utopie erlegen zu sein. Der Idealismus sei gewissen Illusionen hinsichtlich politischen Denkens und Handelns erlegen und verschließe die Augen vor den realen, oft gewaltsamen Aspekten der Internationalen Politik. Morgenthau hingegen machte eines deutlich. Politik solle nicht vom utopisch Wünschenswerten, sondern von dem unter aktuellen Umständen Möglichen geleitet werden. “Wenn der politische Realismus auch Gleichgültigkeit gegenüber politischen Idealen und moralischen Grundsätzen weder fordert noch gutheißt, verlangt er doch eine klare Unterscheidung zwischen dem Wünschenswerten und dem Möglichen- zwischen dem, was immer und überall zu wünschen wäre und dem, was unter den konkreten Umständen von Zeit und Ort möglich ist“.1 Der Realismus versucht Internationale Politik, also so wie sie wirklich beschaffen ist, zu erklären. Und diese sei nun mal nicht immer friedlich, sondern von unterschiedlichen Interessen und Konflikten beherrscht. Der Realismus stellte in gewisser Weise also eine Antwort auf den Zweiten Weltkrieg dar und löste den Idealismus ab. Aufgrund der Tatsache, dass die Analysen und Prognosen des politischen Realismus so genau der weltpolitischen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg entsprachen, entwickelte sich der Realismus zu einer der führenden politischen Theorien. Die Zeit des Kalten Krieges verlieh dem Realismus bis zum Ende dieses über Jahrzehnte andauernden Konflikts diesen Status.

2.2 Die sechs Grundsätze des politischen Realismus

Morgenthau ging von sechs grundlegenden Prinzipien des politischen Realismus aus.

2.2.1 Objektive Gesetze der Politik

„Der politische Realismus geht davon aus, dass die Politik, so wie die Gesellschaft im Allgemeinen, von objektiven Gesetzen beherrscht wird, deren Ursprung in der menschlichen Natur liegt“.2 Geht es nach Morgenthau, so ist es nur möglich die Gesellschaft zu verbessern, wenn man diese Gesetze erkennt und versteht und versucht sie zu befolgen. Morgenthau macht des Weiteren deutlich, dass eine Nichtbeachtung dieser angesprochenen Gesetze höchstwahrscheinlich mit einem Scheitern verbunden ist. Die Beachtung dieser objektiven Gesetze ist demnach die erfolgversprechendste Methode politischen Handelns.

2.2.2 Macht und Interesse

„Wir nehmen an, dass Staatsmänner im Sinne eines als Macht verstandenen Interesses denken und handeln“.3 Der hier angesprochene im Sinne von Macht verstandene Begriff des Interesses gilt als einer der zentralen Begriffe des Realismus und ermöglicht es uns politische Handlungen von Staatsmännern besser verstehen zu können. Verinnerlichen wir diesen Begriff des Interesses in unseren Köpfen, so ist es uns laut Morgenthau möglich die Überlegungen und Handlungen dieser Staatsmänner nach zu vollziehen oder gar vorher sehen zu können. Jedoch müsse man wissen, dass es einen Unterschied zwischen der Intention politischer Handlung und der Umsetzung dieser gibt. So sei es nicht selbstverständlich, dass eine Politik mit lobenswerter Absicht auch eine erfolgreiche Politik zur Folge hat. „Gute Absichten schützen gegen eine Politik des schlechten Willens, sie bieten keine Gewähr dafür, dass die Politik, der sie zugrunde liegen, moralisch gut und politisch erfolgreich ist“.4 Morgenthau vertritt also die Meinung, dass die Beweggründe, welchen eine bestimmte Außenpolitik zugrunde liegt nichts über den politischen Erfolg aussagen. Auch mit Bezug auf historische Ereignisse verdeutlicht Morgenthau, dass es unmöglich sei von moralisch gut gemeinten Beweggründen auf eine erfolgreiche Außenpolitik zu schließen. „Waren Staatsmänner nicht oft von dem Wunsch beseelt, die Welt zu verbessern, um sie dann tatsächlich nur noch zu verschlechtern“.5 Dies lässt verstehen, warum Morgenthau eine Vernunft gesteuerte rationale Außenpolitik für richtig hält. Denn diese Politik minimiert Gefahren für die eigene Nation und hat gute Aussichten politisch erfolgreich zu sein“.6

2.2.3 Das nationale Interesse

Der Begriff des nationalen Interesses ist laut Morgenthau maßgeblich mit zwei Begriffen verbunden. Zum einen sieht er die Sicherung des nationalen Selbsterhalts gegenüber anderen Nationalstaaten im anarchischen System als eines der Grundinteressen an. Dies wird von ihm als primäres, überlebensrelevantes Interesse betrachtet. Ein guter Staatsmann müsse deswegen die Weisheit besitzen zwischen diesem primären und anderen sekundären Interessen unterscheiden zu können.7 Ein weiterer zentraler Begriff Internationaler Politik, welcher von großen nationalen Interesse ist, ist der Begriff der Macht. Der Realismus geht von einem ständigen Kampf der Staaten um Macht aus. Das nationale Interesse wird demnach in Kategorien von Macht definiert. Der Begriff der Macht ist zudem sehr eng mit dem nationalen Überleben verbunden. Das wichtigste Mittel zur Sicherung des Überlebens ist die Macht. Die Sicherung und Maximierung dieser ist somit eines der wichtigsten außenpolitischen Ziele

2.2.4 Grenzen universeller Moral

„Es gibt keine politische Moral ohne Klugheit- d.h. ohne Berücksichtigung der politischen Folgen eines anscheinend moralisch vertretbaren Vorgehens“.8 Staaten können demnach also nicht immer moralisch gut handeln, da die politischen Folgen ihrer Handlung oberste Priorität haben. Der Staatsmann, welcher für sein Volk verantwortlich ist, könne es sich also nicht leisten sich auf moralische Postulate wie Vertrauen, Treue oder Ehrlichkeit zu verlassen.9 Schließlich ist er derjenige, welcher mit seinen Entscheidungen das Leben seines Volkes beeinflusst und somit auch die Verantwortung für jegliche Konsequenzen zu tragen hat. Dies soll nicht bedeuten, dass Morgenthau moralisches Handeln aus seinen Überlegungen generell ausschließt. Jedoch sollten, egal ob moralisch oder nicht moralisch, zu aller erst die Konsequenzen politischen Handelns überdacht werden um ein Höchstmaß politischen Erfolges zu gewährleisten und die Interessen des Staates zu vertreten. Das nationale Interesse sollte also immer der Moral übergeordnet sein.

2.2.5 Der Unterschied zwischen nationaler und universeller Moral

„Politischer Realismus lehnt es ab, das sittliche Streben einer bestimmten Nation mit den sittlichen Gesetzen, die die Welt beherrschen, gleichzusetzen“.10 Laut Morgenthau sind alle Nationen versucht ihr eigenes sittliches Streben für universell zu erklären Es ist zweifellos, dass es Differenzen zwischen nationaler und universeller Moral gibt. Jedoch hat keine Nation ein Anrecht darauf, ihre nationalen moralischen Vorstellungen für universal zu erklären und somit die eigenen Vorstellungen anderen Nationen aufzuzwingen. Die Schlussfolgerung bei der Übertragung nationaler auf universelle Moral wäre ja, dass alle Staaten, welche nicht dem eigenen Moralverständnis entsprächen zu verurteilen wären. Diese Differenzen zwischen nationaler und universeller Moral dennoch zu übergehen hält Morgenthau aus moralischer Sicht gesehen für nicht haltbar. „Für Morgenthau entsteht das größte politische Unrecht dann, wenn Nationen sich anmaßen, ihren Moralbegriff für universell gültig zu erklären“.11 Betrachte man jedoch alle Nationen als „politische Gebilde, die ihre jeweiligen Interessen, verstanden im Sinne von Macht, verfolgen“12, so sei es möglich eine Politik zu führen, die die verschiedenen Interessen anderer Nationen akzeptiert und zudem im Interesse der eigenen Nation liegt.

2.2.6 Politik als autonome Sphäre

„In intellektueller Hinsicht vertritt der politische Realismus die Ansicht, dass die Politik die gleiche Eigengesetzlichkeit beanspruchen darf wie die Ökonomie, Jurisprudenz oder Moral“.13 Mit dieser Aussage versucht Morgenthau der Politik eine gewisse Autonomie zu verleihen, welche er vorher, so nicht gegeben sah. Diese Unabhängigkeit der Politik und die klare Abgrenzung dieser von anderen Disziplinen ermögliche es frei von gedanklichen Maßstäben anderer Bereiche zu sein und diese Maßstäbe denen der Politik unterzuordnen.

2.3 Weltordnung, Akteure und deren Interessen

Der politische Realismus geht von einer anarchischen Weltordnung aus, in der es keine übergeordnete Instanz und somit auch keine Sanktionsmöglichkeiten gibt. Die zentralen Akteure in dieser anarchischen Weltordnung sind die Staaten und die Staatsmänner. Das Interesse dieser kann als Streben nach Macht bezeichnet werden. Morgenthau geht davon aus, dass der Machttrieb des Menschen biologisch verwurzelt ist, also in dessen Natur liegt. Die anarchische Weltordnung ohne Entscheidungs- oder die schon erwähnte Sanktionsinstanz ist der Grund dafür, weshalb sich die Staaten ihre Sicherheit und Macht selbst sichern müssen. Es gibt also kein Internationales Recht, welches den Staaten zur Durchsetzung ihrer Interessen verhelfen könnte. Vereinfacht gesagt könne man also sagen: Recht hat, wer Macht hat. „Es gibt nicht nur keine supranationalen moralischen Prinzipien, die konkret genug sind, um den Handlungen der individuellen Nationen eine Führung zu geben, es gibt auch keine Instanz auf der internationalen Ebene, die die Interessen individueller Nationen schützt und fördert und die deren Existenz sichert, außer den individuellen Nationen selber“.14 Das Internationale System ist von Kämpfen um Interessen und Macht geprägt. Die souveränen Nationalstaaten befinden sich also in einem ständigen Kampf untereinander, dessen Ziel der nationale Selbsterhalt ist. Das wichtigste Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist Macht.

2.3.1 Der im Sinne von Macht verstandene Begriff des Interesses

„Internationale Politik ist, wie alle Politik, ein Kampf um Macht“.15 Und geht es nach Morgenthau, so ist Macht das beste Mittel zur Durchsetzung nationaler Interessen. Bei der Bestimmung nationaler Interessen müsse es eine gewisse Hierarchie geben, an dessen oberster Stelle aber immer die Sicherheit der Nation und die Macht zur Durchsetzung dieser stehen muss. Auch die Interessen anderer Nationalstaaten sollten bei der Bestimmung der eigenen Interessen mit einbezogen werden. So erkenne man mögliche Handlungsspielräume und Grenzen der Außenpolitik, sowie die Möglichkeit zur Realisierung des eigenen Interesses.16 Der Realismus geht also davon aus, dass alle Staaten im von Machtkämpfen bestimmten anarchischen System immer den Gefahren, welche von anderen Staaten ausgehen, ausgesetzt sind. Jeder Staat muss seine Außenpolitik im Sinne des eigenen Nationalinteresses und den zur Verfügung stehenden Mitteln zur Bewältigung dieser Politik bestimmen und auch nach diesem Interesse handeln. Und da alle Staaten ihr Überleben sichern wollen, streben auch alle Staaten nach maximalen Machtgewinn oder Machterhalt. Gewinnt ein Staat an Macht, so ist dies auch immer mit dem Verlust von Macht auf der Seite eines anderen Staates verbunden.

Dieses Nullsummenspiel verspricht absoluten Gewinn für einen der Staaten. Solche Veränderungen im System oder Veränderungen der Machtpotenziale sind meistens auch mit einer neuen Interessensdefinierung verbunden. Bezüglich des Begriffs der der Moral sagt Morgenthau, dass er mit Hinblick auf politisches Handeln zwar mit einbezogen werden müsse, ihm aber keine allzu große Wertigkeit zugesprochen werden dürfe. Der Staatsmann, welcher seinem Volk gegenüber eine gewisse Verpflichtung hinsichtlich der erfolgreichen Durchsetzung nationaler Interessen hat, kann es sich nicht erlauben moralisches Handeln dem Erfolg seiner Außenpolitik vorzuziehen. „Ich kann es mir nicht leisten, politische Analyse durch moralische Empörung zu ersetzen. Und politische Analyse elementer Art sagt mir, dass die Schwachen immer den Starken ausgeliefert sind. Die Starken haben kein „Recht“, was immer das bedeuten mag, die Schwachen zu missbrauchen, aber Sie werden es tun, wenn es in Ihrem Interesse ist“.17 Im anarchischen System wäre es aus realistischer Sicht also höchst unverantwortlich und blauäugig moralische Prinzipien oder andere Normen dem nationalen Interesse vorzuziehen. Im anarchischen System ist sich demnach jeder selbst der nächste. Zum Begriff des Friedens äußert sich Morgenthau folgendermaßen: „Eine Welt, in der die treibende Kraft das Streben der souveränen Staaten nach Macht ist, kennt nur zwei Mittel zur Erhaltung des Friedens“.18 Diese Mittel seien das Mächtegleichgewicht, auch unter dem Begriff der balance of power bekannt oder eine normative Beschränkung des Machtkampfes durch das Völkerrecht, die internationale Moral oder bestehende Normen.19 Das Gleichgewicht der Mächte entwickle sich zwangsläufig aus der Situation der nach Macht strebenden Nationalstaaten heraus. Verschiedene Nationen verbünden sich also um ein Gegengewicht gegen einen anderen Verbund von Staaten zu bilden. In erster Linie hat dieses Mächtegleichgewicht die Funktion einer Abschreckung gegenüber feindlichen Staaten. Der Anreiz feindlicher Staaten zu Angriffen gegen den eigenen Staat oder Staatenverbund werde aufgrund schwer kalkulierbarer Risiken geringer und die eigene Sicherheit werde erhöht. Morgenthau hält jedoch keines der eben genannten Mittel zur „Erhaltung des Friedens“ langfristig für geeignet. Zum einen sei das Streben der Staaten nach Macht nicht einzudämmen und auf Dauer sei es nicht möglich, diesen Kampf um Macht friedlich zu gestalten. Was nicht heißen soll, das Morgenthau dies gutheißt, wie es oft missverstanden wird. So sieht er es zum Beispiel als politisches Ziel aller militärischen Vorkehrungen an, andere Nationen von dem Gebrauch militärischer Gewalt abzuhalten.20 Wie hier schon deutlich wird, setzt dies natürlich eine gewisse militärische Präsenz voraus. „Gerade in der internationalen Politik ist militärische Stärke als Drohung oder als Möglichkeit ihrer Einsetzung der wichtigste materielle Faktor in der politischen Macht einer Nation“.21 Morgenthau unterscheidet zwischen der Drohung von Gewalt und der Anwendung von Gewalt. Die Androhung von Gewalt sei ein Mittel politischer Macht. Werde aus der Androhung von Gewalt jedoch eine Anwendung von Gewalt so könne man nicht mehr von politischer Macht sprechen, sondern müsse von militärischer Macht sprechen. Das politische Ziel sei aber wie schon erwähnt nicht die Anwendung von Gewalt sondern die durch Anhäufung von Gewalt erzielte abschreckende Wirkung gegenüber anderen Staaten und den daraus folgenden Verzicht dieser auf militärische Gewalt. Morgenthau geht des Weiteren davon aus, dass die Art und Weise des Machtstrebens von der potentiellen Macht eines Staates entscheidend beeinflusst wird. Je mächtiger ein Staat ist, desto größer ist wahrscheinlich auch sein Wunsch nach noch mehr Einfluss oder der Maximierung seiner Macht.22 Starke wie schwache Staaten müssen jedoch in der Lage sein ihr eigenes Machtpotential und das ihrer Gegner sehr gut einschätzen zu können. Dies ist eine weitere wichtige Voraussetzung für den Erfolg ihrer Politik. Schätzt man das eigene Machtpotential oder das des Gegners falsch ein, so kann dies fatale Folgen für eine Nation haben. Morgenthau geht davon aus, dass nicht alle Staaten zu bestimmten Zeiten gleich intensiv an der internationalen Politik beteiligt sind.23 Hierbei unterscheidet er zwei Arten von Politik hinsichtlich ihrer Orientierung.

2.3.2 Status quo orientierte Politik

„Eine Politik des Status quo bedeutet keine Politik totaler Stagnation, jedoch eine Politik, die eine fundamentale Veränderung der Machtverteilung im internationalen System zu verhindern sucht“.24 Staaten welche eine Status quo Politik verfolgen sind mit ihrer aktuellen Position im System zufrieden oder haben nicht die Möglichkeiten ihre Situation aus eigener Kraft zu Ihrem Vorteil zu verändern. Die Art und Weise, in der Staaten versuchen den Status quo zu erhalten, macht es uns möglich zwischen einer offensiv und einer defensiv geführten Status quo Politik zu unterscheiden.

[...]


1 Morgenthau 1963: 52

2 Morgenthau 1963: 49

3 Morgenthau 1963: 51

4 Morgenthau 1963: 52

5 Morgenthau 1963: 52

6 Vgl. Morgenthau 1963: 53

7 Vgl. Rohde 2004: 61

8 Morgenthau 1963: 56

9 Vgl. Rohde 2004: 63

10 Morgenthau 1963: 56

11 Rohde 2004: 63

12 Morgenthau 1963: 57

13 Morgenthau 1963: 57

14 Rohde 2004: 155

15 Morgenthau 1963: 69

16 Vgl. Jacobs 2003: 47

17 Antwort Hans J. Morgenthaus auf den Leserbrief von Prof. Loebl „CZECHSLOVAKIA“ vom 26. März 1970. In: The New York Times Book Review, Vol. 14. Nr. 6.

18 Morgenthau 1963: 68

19 Vgl. Morgenthau 1963: 68

20 Vgl. Morgenthau 1963: 73

21 Morgenthau 1963: 71

22 Vgl. Rohde 2004: 51

23 Vgl. Morgenthau 1963: 70

24 Rohde 2004: 65

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Die Kuba Krise. Eine Betrachtung unter dem Aspekt des politischen Realismus und Neorealismus
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
33
Katalognummer
V232262
ISBN (eBook)
9783656488385
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Morgenthau, Waltz, Sicherheitsdilemma, Bandwagon
Arbeit zitieren
Sebastian Richter (Autor:in), 2007, Die Kuba Krise. Eine Betrachtung unter dem Aspekt des politischen Realismus und Neorealismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232262

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