Willi Forsts Spielfilm "Die Sünderin" ist der größte Skandal der Filmgeschichte Deutschlands in der
Nachkriegszeit (vgl. Burghardt 1996:11). Ein "bis heute ohne Beispiel gebliebener Proteststurm"
(13) von Kirche und Öffentlichkeit gegen ihn manifestierte sich nicht nur in Flugblättern und
Mahnworten (vgl. 351-357), sondern auch in "Boykottmaßnahmen" (23), "Zwischenrufen,
Pfeifkonzerten, [...] Stinkbomben und Tränengas" (26),
Demonstrationen (vgl. 27-28) und schließlich in politischen Debatten (vgl. 26), Absetzungen (vgl.
29-31) und Aufführungsverboten (vgl. 31-37). Grund für diesen Protest wurde gesehen im
Durchbrechen von Tabus des Films (vgl. 239), in der Verherrlichung & Bejahung von "Prostitution,
>wilder Ehe<, Sterbehilfe und Selbstmord" (239) und der damit einhergehenden "entsittlichenden Wirkung" (Burghardt 1996:248) auf seine
Zuschauer. Er verstieß "eklatant gegen die Werte und Normen der Gesellschaft der 50er Jahre" (14)
und wurde verurteilt als "eine >Sumpfblüte<, die in der >Kloake der Zeit< gedeiht".
Von einem anderen Blickwinkel betrachtet ist es genau diese ">Kloake der Zeit<", die der Film
widerspiegelt. Er weist viele Parallelen auf zu einem Zeitalter der "Unbestimmtheit des sozialen
Status [...] [,] ökonomische[r] Unterversorgung, [...] Instabilität und [...] extreme[r] Diffusität
gesellschaftlicher Leitbilder" (Schildt 1995:306), zu einem "Zeitalter des Konsums" (353) und der
"Freizeitgesellschaft" (363) sowie zum "Visuelle[n] Zeitalter" (385) der "Reizüberflutung" und des
"Sensationalismus" (386) – und scheint als Spiegel dieser "grundverdorbene[n] Gesellschaft, in die
ich [(Marina)] da geraten war" ("Die Sünderin" 0:34:52) einen kritischen Blick auf sie zu werfen.
Im Sinne der Erklärung Willi Forsts, sein Ziel mit "Die Sünderin" sei es, "«sich nun an brennende
Zeitprobleme [zu] wagen» [...] in der Darstellung einer lebensnahen Wirklichkeit" (Burghardt
1996:15) , da das "Publikum [...] nach Problemen der Wirklichkeit [verlange]" (16), wird sich diese
Arbeit mit beiden Gesichtspunkten kritisch auseinandersetzen und die Frage zu beantworten
versuchen, ob "Die Sünderin" mehr ein zu Recht verrufener Skandal ist oder
doch als Spiegel der Gesellschaft der 50er Jahre und als künstlerisches Meisterwerk (vgl. 14) zu den
bedeutendsten Filmen seiner Zeit gehört, der schließlich dank seines Skandals zum "kommerziell
erfolgreichsten Film [...] im Bundesgebiet nach 1945" (51) wurde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Spiegel der Gesellschaft
- im visuellen Zeitalter der Reizüberflutung & Sensationslust
- im Zeitgeist der Unbestimmtheit
- in der Flucht zur Konsum- & Freizeitgesellschaft
- Clash mit der Kirche & Skandal
- über den Trümmerhaufen durch Schmutz & Unrat
- Gotteslästerung & die Unabwendbarkeit des Schicksals
- Die Rettung durch Liebe
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Film "Die Sünderin" von Willi Forst und seine Bedeutung im Kontext der deutschen Nachkriegsgesellschaft. Der Film war der größte Skandal der deutschen Filmgeschichte und löste heftige Reaktionen von Kirche und Öffentlichkeit aus. Die Arbeit untersucht die Gründe für den Skandal, die filmische Gestaltung und die Parallelen zwischen dem Film und den gesellschaftlichen Entwicklungen der 1950er Jahre.
- Der Skandal um "Die Sünderin" und die Kritik an den Tabubrüchen des Films
- Der Film als Spiegel der Gesellschaft: Das visuelle Zeitalter, die Unbestimmtheit des sozialen Status und die Flucht zur Konsum- & Freizeitgesellschaft
- Die künstlerische Gestaltung des Films und seine Wirkung auf das Publikum
- Die Rolle der Kirche und der gesellschaftlichen Moral im Kontext des Films
- Die Bedeutung des Films für die deutsche Filmgeschichte und die Entwicklung der Filmkunst.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Film "Die Sünderin" und seinen Skandal ein und beschreibt den historischen Kontext. Sie erläutert die Kritik an den Tabubrüchen des Films und stellt die Forschungsfrage: Ist "Die Sünderin" ein zu Recht verrufener Skandal oder ein Spiegel der Gesellschaft der 50er Jahre und ein künstlerisches Meisterwerk?
Das Kapitel "Spiegel der Gesellschaft" untersucht die Parallelen zwischen dem Film und den gesellschaftlichen Entwicklungen der 1950er Jahre. Es konzentriert sich auf drei Hauptaspekte: das visuelle Zeitalter, den Zeitgeist der Unbestimmtheit und die Flucht zur Konsum- & Freizeitgesellschaft.
Das Kapitel "Clash mit der Kirche & Skandal" analysiert die Kritik an "Die Sünderin" durch die Kirche und die Öffentlichkeit. Es untersucht die Gründe für den Skandal und die verschiedenen Formen des Protests, die gegen den Film gerichtet waren.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter und Themenschwerpunkte der Arbeit sind: "Die Sünderin", Willi Forst, deutsche Nachkriegsgesellschaft, Skandalfilm, Tabubruch, Kirche, Moral, visuelle Kultur, Sensationslust, Unbestimmtheit, Konsumgesellschaft, Freizeitgesellschaft, Kunst, Filmkunst.
- Arbeit zitieren
- Marc Backhaus (Autor:in), 2012, "Die Sünderin": Größter Skandalfilm in Deutschland & Spiegel der Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232335