Die Geschichte der Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland ist eng mit der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit verknüpft. Die Unterscheidung in ein weibliches und ein männliches Geschlecht sowie die Zuschreibung damit einhergehender charakterlicher Eigenschaften und Fähigkeiten sind die Grundlage für eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts vollzieht sich im Deutschen Reich ein Wandel vom „ganzen Haus“, also einer „sozialen Einheit von Produktions- und Familienleben“ im bäuerlichen und handwerklichen Bereich, hin zur bürgerlichen Kleinfamilie. Dieser Wandel begründete sich in der zunehmenden Ausbreitung der kapitalistischen Arbeitsweise im Rahmen der Industrialisierung und der damit einhergehenden Trennung von Arbeits- und Wohnstätte (vgl. ebd.: 18). Im Zuge dieses Wandels entsteht zunächst im wohlhabenden und gebildeten Bürgertum das Idealbild, dass Frauen sich ganz der Hausarbeit und der Kindererziehung zu widmen haben, während der Mann die Rolle des Ernährers und des Familienoberhauptes inne hat (vgl. Rinken 2010: 64; vgl. Peuckert 2008: 18ff.).
Das bürgerliche Modell des männlichen Familienernährers wird zwar Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend auch in Arbeiterschichten populär, eine schichtübergreifende Etablierung und Durchsetzung dieses Familientyps bleibt jedoch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts aus (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 48). Die Mehrheit der Bevölkerung kann aufgrund der schwachen sozio-ökonomischen Lage (niedrige Löhne, hohe Arbeitslosigkeit) nicht auf das Einkommen der Frauen verzichten (vgl. Peuckert 2008: 19, Klenner et al. 2012: 25).
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung: Geschichte der Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland im Wandel der Ernährermodelle
2 Frauen und Karriere im Deutschland des 21. Jahrhunderts
2.1 Frauen in Führungspositionen – Zahlen und Fakten
2.2 Gründe für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen
2.2.1 Geschlechterstereotypen und Geschlechtsrollenorientierung
2.2.2 Vereinbarkeit von Karriere und Kindern – Die doppelte Vergesellschaftung von Frauen
2.2.3 Einfluss von Partnerschaft auf die Karriere
2.2.4 Statistische Diskriminierung
2.2.5 Zugang zu informellen Netzwerken
2.2.6 Innerbetriebliche Segmentation
2.3 Zwischenfazit
3 Politische Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen
3.1 Gleichstellungspolitik in der EU und Deutschland
3.2 Lösung Frauenquote? – Eine Übersicht über den aktuellen Stand der Verhandlungen in der EU und in Deutschland
3.3 Vorbild Norwegen?
3.4 Alternative Maßnahmen zur Erhöhung der Quote von Frauen in Führungspositionen
4 Fazit und Ausblick
5 Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung: Geschichte der Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland im Wandel der Ernährermodelle
„Das Weib ist auf einen kleinen Kreis beschränkt, den es aber klarer überschaut; es hat mehr Geduld und Ausdauer in kleinen Arbeiten. Der Mann muss erwerben, das Weib sucht zu erhalten; der Mann mit Gewalt, das Weib mit Güte oder List. Jener gehört dem geräuschvollen öffentlichen Leben, dieses dem stillen häuslichen Cirkel. Der Mann arbeitet im Schweiße seines Angesichts und bedarf erschöpft der tiefen Ruhe; das Weib ist geschäftig immerdar, in nimmer ruhender Betriebsamkeit.“ (Aus einem Conversations-Lexikon von 1815, zitiert nach Hausen 1976: 366)
Die Geschichte der Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland ist eng mit der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit verknüpft (vgl. Rinken 2010: 28). Die Unterscheidung in ein weibliches und ein männliches Geschlecht sowie die Zuschreibung damit einhergehender charakterlicher Eigenschaften und Fähigkeiten sind die Grundlage für eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung (vgl. ebd.).
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts vollzieht sich im Deutschen Reich ein Wandel vom „ganzen Haus“, also einer „sozialen Einheit von Produktions- und Familienleben“ im bäuerlichen und handwerklichen Bereich, hin zur bürgerlichen Kleinfamilie (Peuckert 2008: 17). Dieser Wandel begründete sich in der zunehmenden Ausbreitung der kapitalistischen Arbeitsweise im Rahmen der Industrialisierung und der damit einhergehenden Trennung von Arbeits- und Wohnstätte (vgl. ebd.: 18). Im Zuge dieses Wandels entsteht zunächst im wohlhabenden und gebildeten Bürgertum das Idealbild, dass Frauen sich ganz der Hausarbeit und der Kindererziehung zu widmen haben, während der Mann die Rolle des Ernährers und des Familienoberhauptes inne hat (vgl. Rinken 2010: 64; vgl. Peuckert 2008: 18ff.).
Das bürgerliche Modell des männlichen Familienernährers wird zwar Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zunehmend auch in Arbeiterschichten populär, eine schichtübergreifende Etablierung und Durchsetzung dieses Familientyps bleibt jedoch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts aus (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 48). Die Mehrheit der Bevölkerung kann aufgrund der schwachen sozio-ökonomischen Lage (niedrige Löhne, hohe Arbeitslosigkeit) nicht auf das Einkommen der Frauen verzichten (vgl. Peuckert 2008: 19, Klenner et al. 2012: 25).
Im Jahre 1865 entsteht in Leipzig der erste Frauenbildungsverein, welcher insbesondere für eine bessere Ausbildung von Frauen sowie für das Frauenwahlrecht eintritt (vgl. Wolff 2008: 1). Die Gründung dieses Vereins legt in Deutschland den Grundstein für die erste Frauenbewegung (vgl. ebd.). Einen ersten großen Erfolg erzielt die Bewegung im Jahr 1908 mit der Verabschiedung der preußischen Mädchenschulreform, die den bürgerlichen Mädchen mit der Errichtung von Mädchenlyzeen eine höhere Schulbildung, das Ablegen des Abiturs und - unter bestimmten Bedingungen - auch den Hochschulzugang ermöglicht (vgl. ebd.).
Während des ersten Weltkrieges werden viele Berufe, besonders in der Kriegsindustrie, für Frauen geöffnet, da die Arbeitskraft der im Krieg kämpfenden Männer ersetzt werden muss (vgl. ebd.). Den zweiten großen Erfolg hat die Frauenbewegung nach Ende des ersten Weltkrieges mit der Durchsetzung eines Frauenwahlrechts im Jahre 1918 (vgl. ebd.). Auch in der Weimarer Republik ist eine weitere Veränderung in Richtung einer größeren Gleichheit der Geschlechter wahrzunehmen (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 76).
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahre 1933 setzt jedoch allen zuvor erfolgten demokratischen, liberalen und sozialdemokratischen Entwicklungen und somit auch der ersten Frauenbewegung ein abruptes Ende (vgl. ebd.: 75). Sämtliche öffentliche Aktivitäten werden in großen NS-Organisationen zusammengefasst und Interessenvertretungen einzelner Gruppen, wie z. B. die Frauenverbände, werden nicht mehr geduldet (vgl. ebd.). Viele der bis 1933 erkämpften Frauenrechte werden zurückgenommen (z. B. das passive Wahlrecht, der Lohngleichheitsgrundsatz oder die Zulassung zur Habilitation) (vgl. ebd.: 77).
Die nationalsozialistische Familienpolitik beruht auf klaren Geschlechtsidentitäten von Mann und Frau (vgl. Rinken 2010: 67): während die staatliche Sphäre und die traditionelle Berufswelt dem Mann vorbehalten ist, ist der natürliche Beruf der deutschen Frau der Mutterberuf (vgl. ebd.).
Im Hinblick auf die Frauenerwerbstätigkeit in dieser Zeit ist festzustellen, dass die propagierte Überbetonung des traditionellen bürgerlichen Familienmodells zunächst zwar durch einen Ausschluss der Frauen aus dem Berufsleben im Jahre 1934 untermauert wird, die Realität jedoch in den Jahren nach Kriegsausbruch sehr stark von diesem Ideal abweicht (vgl. Rinken 2010: 67). Aufgrund der schlechten ökonomischen Lage in Deutschland und dem Mangel an arbeitsfähigen Männern wird 1943 sogar eine „allgemeine Arbeitspflicht für Frauen“ eingeführt (vgl. ebd.).
In den ersten Jahren nach Kriegsende ist die Lage in den meisten deutschen Familien durch die Abwesenheit der Männer aufgrund von Kriegsgefangenschaft bzw. durch deren Tod bestimmt. Viele Frauen sind nun berufstätig, da sie die Rolle des alleinigen Familienernährers übernehmen müssen (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 110). Die Ein-Elter-Familie (Mutter-Kinder) stellt in den Nachkriegsjahren den Normalfall dar (vgl. Rinken 2010: 69). Bei der Rückkehr der Männer führt diese Situation zu vielen Konflikten zwischen den Geschlechtern (vgl. ebd.).
Trotz dieser Ausgangslage und der gesetzlichen Verankerung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Grundgesetz (Art. 3, Abs. 2) findet das männliche Ernährermodell in der BRD der 1950er und 1960er Jahre wiederum seine weite Verbreitung (vgl. Wimbauer 2006: 136). Gildemeister und Hericks beschreiben diese Zeit als „eine Zeit der Restauration“: familienbezogene Lebensmodelle und die sogenannte ‚Hausfrauenehe‘ setzen sich, von politischer Ebene forciert, in einer historisch einmaligen Weise als Leitbild in allen Bevölkerungsschichten durch (2012: 110).
War die Beschäftigung von Frauen in typischen Männerberufen in den ersten Nachkriegsjahren noch weit verbreitet, so wurden Frauen ab Mitte der 1950er Jahre auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt: „Kriegsheimkehrer werden bei der Vergabe von Stellen bevorzugt und Frauen durch wieder eingesetzte Arbeitsschutzbestimmungen aus typischen Männerberufen gedrängt“ (Rinken 2010: 87). Zwar ist die Erwerbstätigkeit, insbesondere von Frauen mittleren Alters, in allen Sozialschichten verglichen mit den Vorkriegsjahren hoch, es besteht jedoch eine große Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Verhalten der Frauen, nämlich erwerbstätig zu sein, und ihrer Selbstthematisierung, nämlich sich hauptsächlich für Haushalt und Familie verantwortlich zu zeigen (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 111).
Um den mit dem Wirtschaftswunder einhergehenden hohen Bedarf an Arbeitskräften decken zu können, gleichzeitig aber eine zumindest teilweise Kompatibilität mit dem in der Gesellschaft vorherrschenden Familienleitbild zu gewährleisten, richten Unternehmen verstärkt Teilzeitplätze für Frauen und Mütter ein (vgl. ebd.).
Die heute oft kritisierte horizontale Segregation am Arbeitsmarkt wird zu dieser Zeit durch die Entstehung regelrechter Frauenarbeitsbereiche (z. B. in der Textil- und Elektroindustrie), aber auch durch eine entsprechende Arbeitsplatzgestaltung in den klassischen Frauenberufen (z. B. Pflegeberufe) maßgeblich forciert (vgl. ebd.). Die Lohngestaltung in diesen Berufen entspricht dem Leitbild des männlichen Ernährermodells: der Mann als Haupteinkommensbezieher und die Frau, wenn überhaupt, als Zuverdienerin (vgl. Klenner et al. 2012: 26). Dementsprechend niedrig sind die Löhne in den typischen Frauenberufen. Eine staatlich organisierte Kinderbetreuung gibt es in der BRD zu dieser Zeit nicht (vgl. Rinken 2010: 87).
Auch in der DDR wird in der Nachkriegszeit die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Verfassung verankert (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 110). Anders als in der BRD ist die ökonomische Unabhängigkeit und die uneingeschränkte Teilnahme von Frauen am Produktionsprozess, basierend auf marxistischen Traditionen, ein wesentliches Element der Gleichberechtigung (vgl. Rinken 2010: 70). Frauenerwerbstätigkeit ist ein fester Bestandteil der sozialistischen Lebensweise, und die Aufgabe der Erziehung der Kinder wird vom „Vater“ Staat übernommen (vgl. ebd.: 71). Dieser stellt ein flächendeckendes Kinderbetreuungssystem zur Verfügung, das die Grundlage für die wirtschaftliche Selbständigkeit der ostdeutschen Frau darstellt (vgl. ebd.: 70).
Doch auch in der DDR ist der Arbeitsmarkt weiterhin „geschlechter-segregiert“ und der Aufstieg in Führungspositionen gelingt Frauen nur in Ausnahmefällen (vgl. ebd.). Des Weiteren beinhaltet das sozialistische Familienleitbild zwar die Verortung der Frau in Familien- und Erwerbsarbeit, die Pflicht der Väter für den Familienbereich bleibt aber komplett ausgeblendet (vgl. ebd.). Eine Geschlechtergleichheit war demnach auch in der DDR nicht vorhanden.
Ende der 1960er Jahre entsteht in der BRD die sogenannte zweite Frauenbewegung, dessen Ziel eine umfassende Geschlechtergleichheit ist (vgl. Wimbauer 2006: 138). Die Anhängerinnen der Bewegung prangern die Dominanz von Männern, also das sogenannte Patriarchat, in Ehe, Familie und Arbeitsleben an und fordern die Anerkennung von Frauenarbeit, insbesondere aber von Hausarbeit (vgl. Gildemeister/Hericks 2012: 152).
Ende der 1970er Jahre findet mit der Einführung des Ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts auch auf politischer Ebene eine zentrale Wende statt: das bis dahin gesetzlich vorgeschriebene traditionelle männliche Ernährermodell in der Ehe und die damit verbundene Entscheidungsmacht des Mannes über eine Berufstätigkeit seiner Ehefrau wird aufgehoben (vgl. Rinken 2010: 89). Mit dieser Reform wird Hausarbeit in die Verantwortung von Frauen und Männern gestellt und auch Frauen haben von nun an ein Recht auf Erwerbstätigkeit ohne zuvor die Zustimmung ihres Ehemannes einholen zu müssen (vgl. Pfau-Effinger 2000: 130).
In den 1980er und 1990er Jahren steigt die Frauenerwerbsquote von verheirateten Frauen deutlich an, trotz steuerlicher Benachteiligung durch das im Jahr 1958 eingeführte und bis heute existierende ‚Ehegattensplitting‘ und trotz fehlender Kinderbetreuungseinrichtungen (vgl. Rinken 2010: 94).
Mit Blick auf die letzten zwanzig Jahre ist ein sehr langsamer und holpriger Leitbildwandel vom männlichen Ernährermodell hin zum Adult-worker-Modell, welches die Erwerbstätigkeit aller erwerbsfähigen Familienmitglieder anstrebt, zu erkennen (vgl. Dackweiler 2004: 455). Trotz dieser Angleichungstendenzen sind Frauen jedoch immer noch seltener erwerbstätig als Männer und dies zumeist in Teilzeit und in schlechter entlohnten Frauenberufen (vgl. BMFSJ 2005: 121; vgl. Brettschneider 2008: 55).
Des Weiteren gilt: je höher die berufliche Position, desto geringer ist der Frauenanteil. Die deutschen Chefetagen sind immer noch vorwiegend Männersache und spiegeln somit die sehr deutlich vorhandene vertikale Segregation des Arbeitsmarktes wieder (vgl. Wimbauer 2012: 83; vgl. BMFSJ 2005: 140ff.). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Frauenerwerbstätigkeit auf eben diesen höchsten Hierarchieebenen des Arbeitsmarktes.
Schon seit den 1990er Jahren, verstärkt aber seit dem Vorschlag der EU-Kommission für eine entsprechende Richtlinie im November 2012, wird in Politik und Gesellschaft über die Einführung einer verbindlichen Frauenquote für Führungspositionen zur Reduzierung von Chancenungleichheit diskutiert. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zu dieser Diskussion leisten und die Frage beantworten, ob die Einführung der Frauenquote in Deutschland eine sinnvolle Maßnahme zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen ist.
Das im Anschluss folgende zweite Kapitel wird zunächst die geschlechterbezogene Verteilung von Führungspositionen in Deutschland in Zahlen und Fakten wiedergeben, um anschließend die Gründe für die Unterrepräsentanz von Frauen umfassend vorzustellen.
Das dritte Kapitel wird, aufbauend auf den im zweiten Kapitel aufgeführten Gründen und mit Blick auf die Gesetzgebung Norwegens, politische Maßnahmen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen vorstellen und diskutieren. Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen stehen die Frauenquote und ihre unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten.
Im Anschluss daran werden alternative Maßnahmen zur Frauenquote aufgeführt, die ebenfalls einer Erhöhung des Anteils weiblicher Führungskräfte zuträglich sein können.
Das abschließende Fazit beinhaltet eine Beantwortung der Ausgangsfrage auf der Grundlage und im Rahmen der zuvor erarbeiteten Ergebnisse.
2 Frauen und Karriere im Deutschland des 21. Jahrhunderts
In der vorangegangenen Einleitung wurde die Geschichte der Frauenerwerbstätigkeit seit Beginn des 19. Jahrhunderts kurz zusammengefasst. Anhand dieses Überblicks ist zu erkennen, dass vorhandene gesellschaftliche Geschlechterunterschiede seit den 1970er Jahren nivelliert wurden und sich die Lebensbereiche von Männern und Frauen, insbesondere in den Bereichen Ausbildung, Lebensplanung, Lebensformen und soziale Sicherung, erheblich verändert haben (vgl. Brettschneider 2008: 55). Bezüglich der Chancengleichheit von Frauen und Männern im Beruf haben politische Maßnahmen, besonders auf EU-Ebene aber auch auf nationaler Ebene, in den letzten drei Jahrzehnten ihren Beitrag zu dieser Entwicklung geleistet (vgl. ebd.). Dennoch spiegelt sich in Deutschland die stark verbesserte Ausbildung und die hohe Erwerbsbeteiligung von Frauen nach wie vor nicht in einer entsprechenden Verteilung der Geschlechter in den Führungspositionen wieder (vgl. Kohaut/Möller 2010: 1). Diese Aussage wird im Folgenden durch entsprechende Studien und Analysen belegt.
2.1 Frauen in Führungspositionen – Zahlen und Fakten
Führungspositionen in Unternehmen sind auf unterschiedlichen Hierarchiestufen zu finden (vgl. Kleinert et al. 2007: 27). In dieser Arbeit werden die Bezeichnungen „erste Führungsebene“, „Top-Management“ oder „höchste Führungsebene“ synonym benutzt. Zu diesem Bereich zählen Vorstände, Geschäftsleitung, Geschäftsbereichs- und Hauptabteilungsleitung (vgl. ebd.). Die ebenfalls erwähnte zweite Führungsebene umfasst Tätigkeiten des mittleren Managements, wie z. B. Filial- und Abteilungsleitung und die Leitung von Kompetenzzentren (vgl. ebd.).
Das IAB-Betriebspanel hat im Jahr 2008 eine Datenerhebung zum Thema „Frauen in Führungspositionen“ durchgeführt (vgl. ebd.: 2). Demnach wurden zu diesem Zeitpunkt 75 Prozent aller Betriebe der Privatwirtschaft in Deutschland von Männern geleitet (erste Führungsebene) und das bei einem Anteil von durchschnittlich 42 Prozent weiblicher Beschäftigter (vgl. ebd.). In der zweiten Führungsebene sind Frauen mit einem Anteil von 35 Prozent etwas häufiger zu finden (vgl. ebd.). Interessant ist auch, dass mit steigender Betriebsgröße der Anteil weiblicher Führungskräfte deutlich abnimmt (vgl. ebd.).
Die letzte Analyse „Frauen in Führungspositionen“ von Hoppenstedt aus dem Jahre 2010 zeigt ebenfalls, dass Deutschland in diesem Bereich im europäischen Vergleich immer noch zu den „Entwicklungsländern“ gehört (vgl. Hoppenstedt 2010). Hoppenstedt untersucht seit dem Jahr 1995, basierend auf einer Datengrundlage von 300.000 der größten deutschen Unternehmen, den Anteil weiblicher Führungskräfte in der ersten Führungsebene, wobei auch Verbände und Behörden mit einbezogen werden (vgl. Brettschneider 2008: 60). Gemäß dieser Analyse betrug der Anteil von Frauen im Top-Management im Jahr 2010 rund 20 Prozent (vgl. Hoppenstedt 2010). Dies bedeutet einen Anstieg um 12 Prozent seit dem Jahr 1995, welcher allerdings hauptsächlich auf die Zunahme des Frauenanteils in mittleren und kleinen Unternehmen zurückzuführen ist (vgl. ebd.). Betrachtet man nur die Großunternehmen, sind in der höchsten Führungsebene nur 6 Prozent Frauen vertreten (EU-Durchschnitt: 13,7%), allerdings ist auch in diesem Bereich, wenn auch auf niedrigem Level, eine deutliche Steigerung festzustellen (1995: 3%) (vgl. ebd.; vgl. Europäische Kommission 2012: 10).
Die Auswertungen der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahre 2006 kamen zu ähnlichen Ergebnissen, wie die Studien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und Hoppenstedt (vgl. z. B. Holst 2009: 33 oder Binder 2007: 87-126).
Noch ungünstiger als in der Privatwirtschaft und in öffentlichen Verwaltungen sind die Karrierechancen von Frauen an Hochschulen wie die Daten des Statistischen Bundesamts von 2009 belegen (vgl. Rusconi et al. 2011: 10). Der Anteil von Frauen an Promotionen und Habilitationen und auch der Anteil an Professorinnen ist zwar seit den 1980er Jahren gestiegen, der Anteil an C4/W3-Professuren betrug 2008 jedoch nur 13 Prozent (vgl. CEWS 2010).
Obgleich bei der Bewertung der oben aufgeführten Statistiken zu berücksichtigen ist, dass die zugrundeliegenden Definitionen des Begriffs ‚Führungsposition‘ variieren können, z. B. weil die Hierarchien und die Aufbauorganisation in den befragten Betrieben unter Umständen sehr unterschiedlich sind, untermauern die ermittelten Zahlen die Aussage, dass Frauen in Führungspositionen stark unterrepräsentiert sind.
Stellt man den Frauenanteil an Managementpositionen in der deutschen Privatwirtschaft in den gesamteuropäischen Vergleich, liegt Deutschland im oberen Mittelfeld (vgl. Holst 2009: 152ff.). Betrachtet man jedoch nur börsennotierte Unternehmen, liegt Deutschland im unteren Mittelfeld (vgl. Rusconi et al. 2011: 11). In den Vorständen der zweihundert umsatzstärksten privaten Unternehmen waren Frauen im Jahr 2009 mit einem Prozentsatz von lediglich 2,5 Prozent fast gar nicht präsent (vgl. ebd.).
Die Zahlen überraschen umso mehr, wenn man einen genaueren Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte im Bildungsbereich und die Änderungen in der Gesetzgebung in Bezug auf Chancengleichheit von Männern und Frauen wirft. Vormals vorhandene Geschlechterunterschiede in der Bildung und der formalen Qualifikation haben sich in den letzten Jahren angeglichen (vgl. ebd.: 10). Bei den heute 60- bis 65-Jährigen lässt sich noch ein starkes Bildungsgefälle feststellen: 32 Prozent der Männer, aber nur 16 Prozent der Frauen haben einen Fachhochschul- oder Hochschulabschluss (vgl. Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2010: 228). Im Jahr 2008 waren 52 Prozent der Personen, die einen Hochschulabschluss absolviert haben, Frauen (vgl. ebd.: 299). Frauen haben Männer in Bezug auf Bildung also nicht nur eingeholt, sondern überholt. Warum hat diese Entwicklung bisher nicht zu einer stärkeren Repräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen in Wissenschaft, Verwaltung und Wirtschaft geführt? Was sind die Gründe?
2.2 Gründe für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen
Die Gründe für die immer noch existente Unterrepräsentanz von Frauen in den höchsten Führungsetagen deutscher Betriebe sind vielfältig und komplex und seit einigen Jahren zunehmend Untersuchungsgegenstand unterschiedlichster Forschungsstudien, wie z. B. der Erlanger Längsschnittstudien (vgl. Abele 2002a: 49). Die in den folgenden Unterkapiteln aufgeführten Gründe und Faktoren werden zunächst grob in zwei Gruppen aufgeteilt: zum einen in betriebliche Faktoren, welche in einer engeren Definition auch unter dem „glass-ceiling“-Phänomen zusammengefasst werden und zum anderen in sozialpolitische und gesellschaftliche Faktoren. Diese Zweiteilung soll im weiteren Verlauf die Beurteilung von möglichen Maßnahmen, sowohl durch die Politik als auch durch die Unternehmen, erleichtern.
Zunächst werden sozialpolitische und gesellschaftliche Faktoren näher erläutert und diskutiert. Zu diesen zählen gesellschaftliche Rollenbilder und Geschlechterstereotype, die Vereinbarkeit von Karriere und Kindern und der Einfluss von Partnerschaft auf die Karriere. Anschließend erfolgt mit den Unterkapiteln zu den Themen statistische Diskriminierung, Zugang zu informellen Netzwerken und innerbetriebliche Segmentation eine Konzentration auf betriebliche Faktoren.
2.2.1 Geschlechterstereotypen und Geschlechtsrollenorientierung
Geschlecht ist zum einen ein biologisches Merkmal („Sex“), zum anderen aber auch ein soziales Merkmal („Gender“), welches in der Gesellschaft kontinuierlich durch ein „Doing Gender“ konstruiert wird (vgl. Binder 2007: 50; vgl. Busch/Holst 2012: 83). Die Unterscheidung zwischen Mann und Frau basiert in ihrer Ursprünglichkeit auf den differierenden, biologischen Merkmalen beider Geschlechter. Die biologische Geschlechtszugehörigkeit einer Person aktiviert jedoch bei anderen Personen eine entsprechende Außenperspektive, welche geprägt ist durch kognitive Strukturen, die sozial geteiltes Wissen über die charakteristischen Merkmale von Frauen und Männern enthalten (vgl. Eckes 2004: 165; vgl. Abele 2002a: 51). Diese kognitiven Strukturen und Eigenschaftszuschreibungen werden als Geschlechterstereotype bezeichnet (vgl. Eckes 2004: 165).
Stereotype sind, allgemein ausgedrückt, Verhaltenserwartungen an eine Person, die einer bestimmten sozialen Gruppe – in unserem Falle einem bestimmten Geschlecht – angehören (vgl. Brettschneider 2008: 66). Sie sind ein beständiges menschliches Phänomen, geben Orientierung und Sicherheit und werden auch benutzt, um bestehende soziale Rollenzuschreibungen zu rechtfertigen (vgl. ebd.). Geschlechtsstereotype in Bezug auf Führung beinhalten für Frauen z. B. die Attribute sanft, einfühlsam, abhängig, emotional und reaktiv und für Männer die Attribute dominant, unabhängig, rational, selbstsicher, emotionsarm und konkurrenzfreudig (vgl. ebd.: 67). Mit dem Berufsbild „Manager“ werden immer noch hauptsächlich männliche Attribute verbunden, woran sich in den letzten Jahrzehnten kaum etwas geändert hat (vgl. ebd.).
Neben der Außenperspektive, die für die im zweiten Teil dieses Abschnitts erläuterten betrieblichen Faktoren durchaus auch von Bedeutung ist (z. B. für die statistische Diskriminierung), impliziert die biologische Geschlechtszugehörigkeit aber auch eine entsprechende Innenperspektive, „d.h. die geschlechtsbezogenen Anteile des Selbstkonzepts und die individuelle Definition der eigenen Geschlechterrolle“ (Abele 2002a: 52). Bestimmte in der Gesellschaft manifestierte Geschlechterstereotype beeinflussen demnach die Selbstwahrnehmung und die eigene Geschlechtsrollenorientierung und damit die Lebensplanung von Frauen. Dies spiegelt sich in den Aspekten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Karrieremotivation und Berufsauswahl wieder. Der Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird in einem separaten Abschnitt behandelt, die Aspekte Karrieremotivation und Berufswahl von Frauen werden im Folgenden näher betrachtet.
Ein häufig, besonders von Unternehmen, aber auch von Gleichstellungsbeauftragten und Personalberatern genannter Grund für den geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen ist angeblich deren mangelnde Karrieremotivation (vgl. Brettschneider 2008: 248; Rau 1995: 71; vgl. Allmendinger 2009: 39). Frauen haben demnach ein geringeres Interesse am beruflichen Aufstieg als Männer und sind häufig gar nicht bereit eine Führungsposition zu übernehmen (vgl. Allmendinger 2009: 39). Auch hochqualifizierte Frauen räumen Familie und Kindern häufig den Vorrang vor der Karriere ein (vgl. ebd.).
Die Ergebnisse verschiedener Studien zu dieser These haben gezeigt, dass Frauen gegen Ende ihres Studiums tatsächlich eine geringere Karrieremotivation aufweisen als Männer (vgl. Sieverding 1990: 78ff.; Kümmerling/Dickenberger 2002: 66ff.) und die Arbeitstypen „Teilzeit“ oder „Reduktion für Kind“ bevorzugen, anstelle von „Vollzeit“ oder „Karriere“ (vgl. Abele 1998: 58).
Die Ergebnisse der BRIGITTE-Studie aus dem Jahr 2009 bestätigen, dass sich Frauen auch bei hoher Leistung und Führungskompetenz im Vergleich zu Männern eher kritisch hinterfragen und Unsicherheit in Situationen empfinden, in denen Selbstbewusstsein angemessen wäre (vgl. Allmendinger 2009: 46-49). Die Studie zeigt aber auch, dass Frauen ebenso viel Karrieremotivation haben, wie Männer (vgl. ebd.). Auf die Frage, inwiefern es für erstrebenswert gehalten wird, ganz nach oben zu kommen, waren die Mittelwerte der Aussagen von Frauen und Männern gleich (vgl. ebd.: 49).
Doch die BRIGITTE-Studie zeigt auch, dass die Motivation von Frauen, Führungspositionen zu übernehmen, bei der befragten Gruppe der 20- bis 30-jährigen Frauen innerhalb von zwei Jahren (2007-2009) immer noch leicht rückläufig ist: während sich 52 Prozent der befragten Frauen mit hoher Bildung im Jahr 2007 die Übernahme einer Führungsposition vorstellen konnten, waren es im Jahr 2009 nur noch 49 Prozent (vgl. ebd.: 50). Dieser Rückgang in der Führungsmotivation erscheint insbesondere im Vergleich mit den Ergebnissen der befragten Männer als besonders eklatant: von den Männern sahen sich im Jahr 2007 54 Prozent zukünftig in einer Führungsposition, während es zwei Jahre später sogar 60 Prozent waren (vgl. ebd.). Dies führt zu einer Abweichung von deutlichen 11 Prozentpunkten im Jahr 2009.
Die niedrigere intrinsische Motivation von Frauen eine Führungsposition im Beruf anzustreben kann aber mit Bezug auf die oben zitierte Studie nicht auf einen grundsätzlichen Motivationsmangel zurückgeführt werden. Vielmehr scheint es so, dass Frauen am Ende ihres Studiums beginnen, ihre „Blauäugigkeit“ zu verlieren und sich der Problematiken der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch der Barrieren für Frauen im Berufsleben allgemein, bewusst werden (vgl. Kümmerling/Dickenberger 2002: 77).
Frauen passen ihre eigene Geschlechtsrollenorientierung den in der Gesellschaft vorherrschenden Geschlechtsstereotypen an und ihre beruflichen Erfolge bleiben hinter ihren eigenen ursprünglichen Erwartungen und Potenzialen zurück (vgl. ebd.: 78). Negative Erfahrungen oder auch schon allein die Antizipation von Problemen (z. B. in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder die Benachteiligung von Frauen im Berufsleben auf die später noch Bezug genommen wird) führt bei vielen Frauen immer noch zu einer Art „Selbstausschluss“ aus Führungspositionen (vgl. Cyba 2002: 41). Dieser Selbstausschluss ist demnach aber nicht in mangelnder Karrieremotivation begründet, sondern eher eine Kapitulation vor den Barrieren, die sich Frauen auf dem Weg nach oben entgegenstellen.
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- Arbeit zitieren
- Britta Küthen (Autor:in), 2013, Die Frauenquote in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232608
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