Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Gestaltung und Funktion der Wächterfigur anhand des Tageliedes im 13. Jahrhundert, das während des Mittelalters ein bedeutender Liedtyp war und auch darüber hinaus Anklang fand. Der klassische Wächter stellt im tageliet oft eine wichtige Komponente dar, die durch dieses Zitat gut zum Ausdruck gebracht wird:
Von der zinnen
wil ich gên, in tagewîse
sanc verbern.
die sich minnen
tougenlîche, und obe si prîse
ir minne wern [...] (1,1-6).
Es beinhaltet die tagewîse, de morgendliche Weckruf des Wächters, der das heimliche Liebespaar weckt und somit auch vor der Entdeckung schützt. Die Tageliedsituation zeichnet sich unter anderem durch Erotik aus, welche im Minnesang sonst selten so explizit geschildert wird. Es ist bezeichnend für die Bedeutung des Wächters, dass die Gattung mit dem Namen des Weckrufs versehen wurde, denn ursprünglich war mit tageliet oder tagewîse lediglich der Morgengesang des Wächters gemeint. Erst später dienten die Begriffe als Gattungsbezeichnung. Die Wächterfigur ist von so großer Bedeutung, dass sie sogar zum "kennzeichnenden Element des Tageliedes" wird: das Wächterlied.
Zur Analyse dieser Figur werden vier ausgewählte Lieder der Dichter Wolfram von Eschenbach, Burggraf von Lienz, Ulrich von Lichtenstein und Steinmar eingehend betrachtet. Zusätzlich werden Querverweise auf weiter Tagelieder verwendet, um das Blickfeld auf die Wächterrolle noch auszuweiten. Mithilfe der Forschungsliteratur werden Fragen geklärt, die mit der Analyse eingergehen: Wo liegt der Ursprung der Wächterfigur, welche Beziehung besteht zum heimlichen Liebespaar und weckt er sie aus eigennützigen oder uneigennützgen Gründen? Gibt es Kritikpunkte bezüglich der Fiktionalität dieser Figur und welche Folgen haben diese? Es werden Variationen und Veränderungen des Wächters aufgezeigt und überlegt, was geschieht, wenn es überhaupt keinen mehr gibt. Ist er ein so fester Bestandteil, dass ein Tagelied ohne ihn kein Tagelied mehr ist? Diese Fragestellungen werden im Laufe dieser Arbeit beantwortet und anschließend ein zusammenfassendes Bild der Wächterfigur angefertigt.[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriff des mittelhochdeutschen Tagelieds
3. Ursprung der Wächterfigur
4. Auswahl der Tagelieder
5. Wolfram von Eschenbachs Von der zinnen
5.1. Der Dichter und sein Werk
5.2. Von der zinnen – Inhalt und Aufbau
5.3. Die klassische Wächterfigur in Von der zinnen
6. Burggraf von Lienz´ Ez gienc ein juncfrou minneclîch und Ulrich von Lichtensteins Ein schoeniu maget
6.1. Burggraf von Lienz - Der Dichter und sein Werk
6.2. Ulrich von Lichtenstein - Der Dichter und sein Werk
6.3. Ez gienc ein juncfrou minneclîch und Ein schoeniu maget – Inhalt und Aufbau
6.4. Ulrichs Kritik an der Wächterfigur im Vrouwen dienest
6.5. Die Wächterfigur und die Zofe in Ez gienc ein juncfrou minneclîch
und Ein schoeniu maget
7. Steinmars Swer tougenliche minne hât
7.1. Der Dichter und sein Werk
7.2. Swer tougenliche minne hât – Inhalt und Aufbau
7.3. Die Wächterkritik und der staete friunt in Swer tougenliche minne hât
8. Der Wächter – ein fester Bestandteil des Tagelieds?
9. Die Fiktionalität der Wächterfigur im Tagelied
10. Fazit
11. Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Jacqueline Peter (Author), 2013, Gestaltung und Funktion der Wächterfigur in ausgewählten Tageliedern des 13. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232724