Im Zuge der Zersplitterung der APO in linke Einzelgruppierungen aller Schattierungen, sah sich die Regierung dem Problem der politischen Polarisierung ausgesetzt. Nach dem Ende der Studentenproteste auf der Strasse, befürchtete man jetzt die Untergrabung des Staatsapparates durch den – von Rudi Dutschke proklamierten – “langen Marsch durch die Institutionen”, bei dem die Veränderung des Systems von innen her, also durch die Besetzung öffentlicher Positionen und Institutionen, herbeigeführt werden sollte.
Um dieser Gefahr zu begegnen, forderte die Opposition, gerade vor dem Hintergrund des RAF-Terrorismus, ein hartes Durchgreifen des Staates, während die sozial-liberale Regierung auf gesellschaftspolitische Maßnahmen und Integration baute. Im weiteren Verlauf der Diskussion um die Extremistenfrage, geriet die SPD zunehmend unter den Druck der CDU/CSU, die ihr vorwarf, den Extremismus zu verharmlosen. Gerade im Zuge der sozial-liberalen Reform- und Neuen Ostpolitik, für die sie Unterstützung der Opposition brauchte, sah man sich dazu gezwungen, in der Extremistenproblematik den Konservativen entgegenzukommen.
Man einigte sich schließlich auf einen gemeinsamen Beschluss der Ministerpräsidenten der Bundesländer und des Bundeskanzlers über die „Grundsätze zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst”, der am 28. Januar 1972 von den Regierungschefs der Länder und Bundeskanzler Willy Brandt unterschrieben und veröffentlicht wurde. Nachfolgend sollten in den einzelnen Bundesländern Richtlinien zur Umsetzung des Erlasses beschlossen werden. Entsprechend der politischen Couleur der Landesregierung wurde die Ausführung des Erlasses gehandhabt. Um nun zu einer bundesweit einheitlichen Handhabung zu kommen, wurden im Juli 1974, vom Bundesrat, und im Oktober 1975, von der Bundesregierung, Gesetzesentwürfe beschlossen, die jedoch beide scheiterten. Da man sich allerdings eine einheitliche Lösung für das Extremistenproblem erwünschte, wurde das Bundesverfassungsgericht damit betraut, ein Urteil zu fällen, das eine einheitliche, verfassungsgemäße Ausführung der Bestimmungen gewährleisten sollte. Dieses Urteil wurde am 22. Mai 1975 gefällt, brachte allerdings auch nicht die erwünschte Wirkung mit sich.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Gegenstand der Arbeit
- 1.2. Quellen und Literaturbasis
- 2. Der Extremistenbeschluss von 1972
- 2.1. Die Genese des Beschlusses
- 2.1.1. Die Opposition in der Extremistendebatte
- 2.1.2. Die Regierungskoalition in der Defensive
- 2.1.3. Der Erlass der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers
- 2.2. Die Umsetzung des Beschlusses
- 2.2.1. Die unterschiedliche Handhabung des Extremistenbeschlusses
- 2.2.2. Der Verfassungsschutz und die Regelanfrage
- 2.3. Der Beschluss vor den Gerichten
- 2.3.1. Einzelfälle vor Gericht
- 2.3.2. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes
- 3. Zusammenfassung
- 4. Literaturverzeichnis
- 4.1. Quellen
- 4.2. Darstellungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Radikalenerlass von 1972. Ziel ist es, die Entstehung, Umsetzung und die juristischen Auseinandersetzungen um den Erlass zu beleuchten. Der Fokus liegt auf den politischen und rechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Auseinandersetzung mit Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland ergaben.
- Die Genese des Radikalenerlasses im Kontext der politischen Polarisierung der frühen 1970er Jahre.
- Die unterschiedliche Umsetzung des Erlasses in den Bundesländern und die daraus resultierenden Probleme.
- Die juristischen Auseinandersetzungen um den Erlass, insbesondere die Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
- Der Einfluss des RAF-Terrorismus und die Debatte um ein staatliches Eingreifen.
- Die Reaktionen der Oppositionsparteien und der Regierung auf den wachsenden Linksextremismus.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung beschreibt den Gegenstand der Arbeit, die Auseinandersetzung mit dem Radikalenerlass von 1972, und seine Bedeutung im Kontext der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der frühen 1970er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland. Sie legt den Fokus auf die Genese, die Umsetzung und die juristischen Folgen des Beschlusses. Die Quellenlage und die Auswahl der verwendeten Literatur werden ebenfalls erläutert, wobei die Arbeit vor allem auf Überblicksdarstellungen zur Geschichte der BRD und auf die ausführliche Darstellung des Extremistenbeschlusses durch Braunthal zurückgreift. Zusätzlich werden Sachbücher und Dokumentationen aus der Zeit sowie Verhandlungen des Bundestages herangezogen.
2. Der Extremistenbeschluss von 1972: Dieses Kapitel analysiert die Entstehung des Extremistenbeschlusses. Es beleuchtet die unterschiedlichen Positionen der Regierung und der Opposition im Umgang mit dem Linksextremismus, den Druck auf die sozial-liberale Regierung durch die CDU/CSU und die letztendliche Einigung auf einen gemeinsamen Beschluss der Ministerpräsidenten der Bundesländer und des Bundeskanzlers. Die Auseinandersetzung mit dem "langen Marsch durch die Institutionen" und die Rolle des RAF-Terrorismus werden ebenfalls thematisiert. Das Kapitel unterteilt sich in die Genese des Beschlusses, seine Umsetzung in den Bundesländern und die juristischen Auseinandersetzungen. Es zeigt die unterschiedliche Handhabung des Erlasses in den einzelnen Bundesländern aufgrund der jeweiligen politischen Couleur der Landesregierungen auf und beschreibt die Bemühungen um eine bundesweit einheitliche Umsetzung sowie die Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
Schlüsselwörter
Radikalenerlass, Linksextremismus, Bundesrepublik Deutschland, 1970er Jahre, politische Polarisierung, RAF, Bundesverfassungsgericht, öffentlicher Dienst, Innenpolitik, Willy Brandt, Gesetzgebung, Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen zum Radikalenerlass von 1972
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Radikalenerlass (auch Extremistenbeschluss) von 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie beleuchtet dessen Entstehung, Umsetzung und die daraus resultierenden juristischen Auseinandersetzungen. Der Fokus liegt auf den politischen und rechtlichen Herausforderungen, die sich aus der Auseinandersetzung mit Linksextremismus ergaben.
Welche Themen werden im Detail behandelt?
Die Arbeit behandelt die Genese des Radikalenerlasses im Kontext der politischen Polarisierung der frühen 1970er Jahre, die unterschiedliche Umsetzung des Erlasses in den Bundesländern und die daraus resultierenden Probleme, die juristischen Auseinandersetzungen, insbesondere die Rolle des Bundesverfassungsgerichts, den Einfluss des RAF-Terrorismus und die Debatte um staatliches Eingreifen sowie die Reaktionen der Oppositionsparteien und der Regierung auf den wachsenden Linksextremismus.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Hauptkapitel zum Extremistenbeschluss von 1972 (unterteilt in Genese, Umsetzung und juristische Auseinandersetzungen), eine Zusammenfassung und ein Literaturverzeichnis. Das Kapitel zum Extremistenbeschluss analysiert die unterschiedlichen Positionen von Regierung und Opposition, den Druck auf die sozial-liberale Regierung und die Einigung auf den Beschluss. Es behandelt auch die unterschiedliche Handhabung des Erlasses in den Bundesländern und die Rolle des Bundesverfassungsgerichts.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die Arbeit stützt sich auf Überblicksdarstellungen zur Geschichte der BRD, die ausführliche Darstellung des Extremistenbeschlusses durch Braunthal, Sachbücher und Dokumentationen aus der Zeit sowie Verhandlungen des Bundestages.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Radikalenerlass, Linksextremismus, Bundesrepublik Deutschland, 1970er Jahre, politische Polarisierung, RAF, Bundesverfassungsgericht, öffentlicher Dienst, Innenpolitik, Willy Brandt, Gesetzgebung, Rechtsprechung.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Ziel der Arbeit ist es, die Entstehung, Umsetzung und die juristischen Auseinandersetzungen um den Radikalenerlass von 1972 zu beleuchten und die politischen und rechtlichen Herausforderungen im Umgang mit Linksextremismus in der Bundesrepublik Deutschland zu analysieren.
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- Thomas Kaffka (Author), 2003, Der Radikalenerlass von 1972, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23283