"Zukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft"

Quo vadis, Druckindustrie?


Masterarbeit, 2012

129 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

Titelblatt

Erklärung gemäß Diplomprüfungsordnung

1 EINLEITUNG
1.1 Problemstellung und Aufbau
1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung
1.3 Vorgehensweise in der Arbeit

2 DAS INDUSTRIEDORF
2.1 Von der Gründung zur Fabrik
2.2 Die prosperierende Gemeinschaft
2.2.1 Frühe Errungenschaften
2.2.2 Beschäftigung und Entlohnung
2.3 Der Niedergang
2.3.1 Verfall von Strukturen
2.3.2 Defizite und Konsequenzen
2.3.3 Besinnung auf Vergangenes

3 GRUNDLAGEN
3.1 Definitionen und Abgrenzungen
3.2 Forschungsstand
3.3 Hypothesen

4 ARBEITSMÄRKTE - NEU ORIENTIERT
4.1 Der Wohlfahrtsstaat
4.1.1 Österreich im Blickpunkt
4.1.2 Die europäischen Länder
4.1.3 Globale Situation
4.2 Der veränderte Arbeitsmarkt
4.2.1 Beschäftigungsangebote
4.2.2 Megatrend unternehmerische Verantwortung
4.2.3 Human Asset – wichtigste Ressource
4.2.4 Konsequente Weiterbildung
4.2.5 Leistung auch ohne Entgelt
4.2.6 Überalternde Gesellschaft
4.2.7 Geplanter Ruhestand oder jobben bis zum Umfallen
4.2.8 Migration als Schlüssel
4.2.9 Wandel der Rolle der Frau
4.2.10 Intelligente Technologien versus Humankapital
4.3 Globalisierung der Arbeitsmärkte
4.3.1 Energie der Zukunft
4.3.2 Nachhaltigkeit der Rohstoffbeschaffung
4.3.3 Die neuen Arbeitsplätze
4.3.4 Leben, wohnen, arbeiten schrankenlos
4.3.5 Digitalisierte Information
4.3.6 Gesteigerte Flächeneffizienz
4.3.7 Ende von Fließband, Kollektivvertrag und Gewerkschaft
4.3.8 Neue Formen sozialer Sicherung
4.3.9 Working Poor
4.3.10 Allheilmittel Grundsicherung
4.4 Diskontinuität der Beschäftigungssituation
4.4.1 Multiple Arbeitsmärkte
4.4.2 Fraktale Biografien
4.4.3 Chancengleichheit durch New Economy
4.5 Gefordertes Entrepreneurship
4.5.1 Geschaffene Märkte
4.5.2 Abhängige Selbständigkeit
4.5.3 Glück statt Geld
4.5.4 Verwischte Grenzen
4.5.5 Arbeit als Falltür zu Erkrankung
4.6 Zukünftige Beschäftigung bedingt Kreativität
4.6.1 Ressource Kreativität
4.6.2 Creative Economy
4.7 Kooperative Gesellschaft
4.7.1 Erfordernis Wirtschaftswachstum
4.7.2 Prävention militärischer Konflikte

5 DIE DRUCKINDUSTRIE IM FOKUS
5.1 Erreichtes und Angewandtes
5.1.1 Gutenbergs Erben
5.1.2 Boomender Buchmarkt
5.1.3 Printmedien allerorts - der überquellende Postkasten
5.2 Lernprozess und Zukunftsorientierung
5.2.1 Allheilmittel Expansion
5.2.2 Marktteilnehmer unter Zwang
5.2.3 Ende der Zeitungsproduktion
5.2.4 Smartphone, PC und Co.
5.2.5 Neue digitale Medienwelt
5.2.6 Versöhnung mit dem Unvermeidlichen

6 SCHLUSSFOLGERUNG
6.1 Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2 Formulierung erkenntnisorientierter Aussagen
6.3 Ausblick
6.4 Nicht erreichte Ziele und Ergebnisse, Schwächen der Arbeit

7 VERZEICHNIS VERWENDETER LITERATUR

8 VERZEICHNIS DIGITALER QUELLEN

9 VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

10 VERZEICHNIS DER TABELLEN

11 VERZEICHNIS BENÜTZTER ABKÜRZUNGEN

12 ANHANG UND ANLAGEN

1 EINLEITUNG

Ein mehrheitlicher Anteil der Weltbevölkerung lebt seit naher Vergangenheit in den besten Zeiten seit Menschengedenken. Anzunehmen ist, dass aufgrund gewachsenem Wohlstandes und erweiterten Möglichkeiten in den jüngst verstrichenen Jahren weniger Gedanken an wirtschaftlich karge Zeiten verschwendet wurden.

Die Form der Arbeit hat sich in vergangenen Jahrhunderten durch technologischen Fortschritt und kontinuierliche Weiterentwicklung von aufwendiger, Kräfte raubender manueller zu von intelligenten Technologien gestützt automatisierter Fertigung gewandelt.

Der globale Aufschwung der Wirtschaftswunderjahre dem zweiten Weltkrieg nachfolgend, politische Umbildungen in den östlichen Volkswirtschaften, Öffnung von bislang isolierenden Grenzen, Erschließung neuer Ressourcenquellen, Bereitstellung kostengünstigerer Fertigungsmöglichkeiten und neue Absatzmärkte führten neben den Industrieländern auch bei wirtschaftlich und sozial benachteiligten Regionen zu verbesserter Allgemeinsituation.

Betriebswirtschaftlich führt diese Tendenz für die produzierenden Wirtschaftskörper sehr wohl zu wünschenswert verbesserten Betriebsergebnissen und höherer Wertschöpfung.

Volkswirtschaftlich mag dies jedoch auf zukünftigen Märkten ein Defizit an bereitzustellender Beschäftigungssituation bedingen.

Ein Ereignis aus dem 20. Jahrhundert ist bereits nahezu aus unserem Blickfeld gerückt, und dennoch aktueller den je – die Weltwirtschaftskrise – beginnend um das Jahr 1929.

Laufen wir Gefahr der Wiederholung dieser Geschehnisse?

Was bietet die Wirtschaft in Zukunft uns und nachfolgenden Generationen?

1.1 Problemstellung und Aufbau

Märkte, Produktions- und Vertriebsformen erfuhren seit Anbeginn der industrialisierten Fertigung eine tief greifende Veränderung, in Anwendung und Durchführung, in erzielten Erträgen.

Neuzeitliche Leistungen, Kapazitäten und die zu erzielende Qualität sind zu den Anfängen industrieller Fertigung enorm gesteigert. Vieles ist erst durch Forschung, Entwicklung und den daraus gewonnenen Verfahren, oder durch dabei ersonnene und davon abgeleitete Erfindungen ermöglicht. Der Anteil an handwerklicher Betätigung, an Mit- und Handarbeit jedoch zugunsten technologisch weiter entwickelter Prozesse und Verfahrensweisen vermindert.

Die Fragestellung, wohin sich Märkte und Techniken entwickeln, und wie dies Kosten, Einkommen, Wertschöpfung und Beschäftigung beeinflusst, bildet den Gegenstand dieser Arbeit.

1.2 Forschungsfrage und Zielsetzung

Eine Fragestellung, welche nicht nur für den Autor Aktualität besitzt, ist kurzer Gedanke an berufliche Orientierung in ferner Zukunft.

Bislang länger als 35 Jahre ausgeübte Berufsbilder des Autors sind maßgeblich in der grafischen Industrie, der Druckereibranche angesetzt. Dieses Betätigungsfeld hat durch weit reichende technische Innovationen radikale Veränderung erfahren.

Aus einem Spektrum von tiefem Pessimismus bis hin zum Blick durch die rosarote Brille sollte das Ergebnis dieser Betrachtungen den Gewinn von persönlichen Erkenntnissen erbringen. Selbst anerkannte Wirtschaftswissenschafter und Zukunftsforscher stellen diametrale Prognosen mit geringem Weitblick und kurzem Zeithorizont. So stellt sich in eigenem Interesse wie für jedermann ebenso die Frage, wie es um unsere berufliche Zukunft bestellt ist.

Zielsetzung dieser Arbeit ist, unter Beachtung historischer und zeitgenössischer Ereignisse Trends und Erwartungen zukünftiger Aufgabenstellungen auszuloten, Theorien zu künftigen Beschäftigungsformen zu erstellen, Beschäftigungsmodelle zu entwickeln.

In dieser Arbeit soll dem Versuch nachgegangen werden, mögliche gangbare Wege zu formulieren.

1.3 Vorgehensweise in der Arbeit

Gemäß André Malraux muss jemand, der in der Zukunft lesen will, vorab in der Vergangenheit blättern.

Dieser Überlegung folgend eingangs Darstellung einer International Beachtung erfahrenen, im Jahre 1933 veröffentlichten soziografischen Studie der wirtschaftlichen Ereignisse am Beispiel eines niederösterreichischen Industriedorfes. Die Weltwirtschaftskrise um 1930 führte zu dessen Niedergang. Eine kurze Darstellung der historischen Ereignisse einer aufstrebenden, letztlich durch Betriebsschließung und Langzeitarbeitslosigkeit vernichteten Lebenssituation einer gesamten Dorfgemeinschaft. Die daraus entstandenen ökonomischen und sozialen Defizite gilt es aufzuzeigen, und als Parameter zu möglichen Geschehnissen in Relation zu setzen.

In einem weiteren Schritt erfolgt Sichtung, Wertung und Interpretation aktueller literarischer Quellen, und führt zu Erkenntnissen der derzeit vorherrschenden allgemeinen, Arbeitsmarkt und Wissensstand betreffende Situation.

Nachfolgend eine intensivere Betrachtung von Veränderungen am Beispiel der dem grafischen Gewerbe eingebundenen Druckbranche.

Zuletzt wird kritischer Vergleich der Erkenntnisse aus erhobenen Quellen gebildet, Reflexion des erhobenen Wissens. Bearbeitung und persönliche Einschätzung bilden die Grundlage zur Gestaltung von Hypothesen zu möglichen zukünftigen Szenarien.

Eine geschlechtsneutrale Formulierung wird angestrebt.

Im Wissen dass im Rahmen dieser Arbeit ein solch umfangreiches Thema keineswegs erschöpfend untersucht werden kann sollten dennoch einige Fragestellungen Beantwortung finden und einen allgemein nutzbaren sinnvollen Beitrag zu Lösungsansätzen bilden.

2 DAS INDUSTRIEDORF

In einer Gemeinde namens Gramatneusiedl, im Steinfeld, dem südlichen Umland der Bundeshauptstadt Wien gelegen, zu der auch ein Ortsteil mit Marienthal benannt zugehörig ist, gründeten die aus nahe umliegenden Orten entstammenden Eltern der Autors ihre Familie.

Die im Kapitel 2 beschriebenen Geschehnisse erfolgten vor dessen Eltern Ansiedelung weshalb kein unmittelbar persönlicher Kontext zu den historischen Ereignissen abzuleiten wäre.

Keine persönlichen Verbindungen, jedoch das geografische Naheverhältnis, und die in seiner Kindheit noch in der ortsansässigen Bevölkerung nachhaltig spürbare wirtschaftliche Problematik der Krise führten den Autor zum Titel des in dieser Thesis bearbeiteten Themas.

Der wirtschaftliche Niedergang der Region wurde bereits in der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ von einem aus Wien stammendem sozialwissenschaftlichen Forschungsteam um Marie Jahoda, Paul F. Lazarsfeld und Hans Zeisel untersucht. Die Thematik wurde als Massenproblem betrachtet und empirisch untersucht, von Interesse war nicht der Einzelne, sondern das arbeitslose Dorf als Gesamtheit (vgl. Pohl, 2004, S. 3).

Im Weiteren durch Regisseurin Karin Brandauer im Jahre 1988 in einem Spielfilm mit Titel „Einstweilen wird es Mittag“ dokumentiert.

Die Ausführungen bilden nur informelle Grundlagen, zumal dieses Thema als weltweit beachtete Soziographie schon in weiteren Arbeiten bemüht wurde.

2.1 Von der Gründung zur Fabrik

„Wie andere Orte um einen Markt, eine Kirche oder eine Burg herum entstehen, so ist Marienthal um die Fabrik herum entstanden. Die Geschichte dieser Fabrik ist zugleich die Geschichte des Ortes“(Jahoda, 1980, S. 33).

Bei Marienthal handelt es sich um eine Örtlichkeit, welche sich aus der im Jahre 1438 erstmalig urkundlich erwähnten einfachen, die Wasserkraft eines Flusses ganzjährig aufgrund des regionalen Vorzuges mangelnder Eisbildung nützenden „Laden-Mühle“ (vgl. Müller, 2008, S. 27) zu einer Textilfabrik mit einer Vielzahl an in ihr tätigen Gewerken zu beachtlicher Größe entwickelte.

1751 erwarb Ignaz Osmann diese hölzerne Ladenmühle und erneuerte diese als Steinbau, errichtete um 1773 eine weitere, nach dem Souverän Kaiserin Maria Theresia benannte Theresienmühle. Um 1800 wurde mit Kiebitzmühle benannt eine dritte Mühle errichtet (vgl. ebd., S. 43ff).

Auf diesen Produktionsstätten aufbauend entwickelte sich von 1820 bis 1827 nach dem Erwerb durch Franz Xaver Wurm veranlasst die Basis für den späteren industriellen Großbetrieb (vgl. ebd., S. 51).

Die Suche nach einem geeigneten Standort zur Errichtung einer Flachsspinnerei führte 1830 den Industriellen Hermann Todesko nach Marienthal, welcher das Unternehmen erwarb, und als Gründer des Industriedorfes gilt (vgl. Jahoda, 1980, S. 33).

2.2 Die prosperierende Gemeinschaft

Bis zu den 1930er-Jahren war die Unternehmung sowohl in ihrer Wirtschaftlichkeit als auch in ihren sozialen Errungenschaften herausragend positioniert, sicherte der ortsansässigen Bevölkerung Beschäftigung und bescheidenen Wohlstand (vgl. Jahoda, 1980, S. 55-63).

Wirtschaftlicher Aufstieg lässt sich rasch durch Betrachtung dreier Zeiträume nachweisen. Im Folgejahr des ersten Weltkrieges 1919 waren durch eine erste Arbeitslosenwelle verursacht bei einer Einwohnerzahl von 2100 Personen mit 620 Arbeitslosen 23 % der Gesamtbevölkerung betroffen.

Die Zahl der Beschäftigungslosen erhöhte sich im Jahre 1923 auf 42 %, im Jahre 1924 auf 44 % der Gesamtbevölkerung.

Nachfolgend sank die Arbeitslosenrate in den Jahren 1926, 1927 und 1928 auf lediglich jeweils 4 % der Gesamtbevölkerung von 2.620, 2.680 und 2.700 Einwohnern (vgl. Müller, 2008, S. 114).

2.2.1 Frühe Errungenschaften

Die der Bevölkerung offerierten sozialen Einrichtungen, Infrastrukturbauten und kulturellen Angebote waren zu damaligen Verhältnissen nicht nur zeitgemäß, vielmehr fortschrittlich. Nutzen bestand sowohl für die Lebenssituation der Beschäftigten, als auch durch daraus begründeter Leistungsverbesserung für das Unternehmen.

Nicht nur gesicherte Bestreitung des Lebensunterhaltes durch Beschäftigung und Einkommen soll Erwähnung finden, ebenso Hinweis auf eine Vielzahl an kulturellen und sozialen Angeboten, welche in einer im Anhang befindlichen Auflistung und Bild- und Textmaterial weiter Erörterung findet.

Sozialer Aufstieg, Inanspruchnahme von Bildungsangeboten, und die bescheidene Schaffung von Vermögenswerten waren positive Effekte neben Möglichkeit auf Bestreitung des Lebensunterhaltes. Treffend spiegelt nachfolgender Auszug die durch Wirtschaftsleistung erzielten hochwertigen Lebensumstände wider:

„Eng war der Kontakt mit der Großstadt; jeder Marienthaler, der etwas auf sich hielt, fuhr mindestens einmal in der Woche mit seiner Frau nach Wien, ging ins Theater oder sonst wohin. Vor allen Feiertagen wurde in Wien eingekauft, viele Kinder nach Wien in Schulen geschickt. Aber auch Marienthal selbst war von Leben erfüllt: Feiern und Veranstaltungen, besonders zur Karnevalszeit, haben dem Ort in der ganzen Umgebung das Renommée besonderer Lebenslust gebracht; Marienthal war sogar das maßgebende Modezentrum für die umliegenden Dörfer. Die politischen Organisationen führten ein reges, aktives Leben, es wurde viel gelesen, diskutiert und organisiert. Und der Mittelpunkt dieses lebendigen Ortes war die Fabrik. Sie war nicht bloß Arbeitsstätte, sie war das Zentrum des sozialen Lebens“(Jahoda, 1980, S. 55f).

2.2.2 Beschäftigung und Entlohnung

„Das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Arbeiterhaushaltes beträgt anfangs der dreißiger Jahre € 293,67 (nach heutiger Kaufkraft etwa € 7.000,–). Die durchschnittliche Unterstützung einer Arbeitslosenfamilie (wenn man das Glück hat unterstützt zu werden) beträgt ca. € 145,– (entspricht heute einer Kaufkraft von ca. € 3.500,–), diese Arbeitslosen-

Unterstützung wird in der Regel zur Gänze für Lebensmittel ausgegeben“(Seeberg, 2011, S. 14).

Eine Fußstunde im Umkreis befinden sich einige kleine Dörfer, mit Marienthal in Geschichte und Struktur vergleichbar. Nachfolgend einige Wochenlöhne in Schilling:

Stickerei in Velm 13,– bis 18,–, Baumwollspinnerei in Götzendorf 28,– bis 32,–, Spinnereien in Ober- und Unterwaltersdorf mit ähnlichem Lohnniveau, Steinbruch in Mannersdorf bis 32,–, die Glasfabrik in Moosbrunn steht seit geraumer Zeit still (vgl. Jahoda, 1980, S. 32).

Die Entlohnung in Marienthal war an regional üblichem Niveau orientiert.

Obwohl die Löhne knapp bemessen waren, sogar Kinder täglich in drei Schichten zu 8 Stunden beschäftigt wurden, war der Standort aufgrund guter sozialer, Wohn- und stabiler Beschäftigungsverhältnisse nachgefragt, und Kinderarbeit in damaligen Zeiten durchaus üblich (vgl. ebd., S. 33).

2.3 Der Niedergang

Im Jahre 1926 wurde durch Konjunkturschwäche bedingt die Belegschaft auf deren Hälfte reduziert. In den Folgejahren 1927 bis 1929 erfolgte erfreulicher Aufschwung, bescherte die höchste Beschäftigtenzahl seit Bestand, und initiierte Zukunft sichernde Investitionen durch Umstellung der Produktion auf breitere Stoffe (vgl. Jahoda, 1980, S. 34).

Die Weltwirtschaftskrise führte 1929 / 1930 überraschend und kurzfristig im Februar 1930 zur Schließung, zu Liquidation und Abbruch dieses Großbetriebes, ebenso zum Niedergang des zuvor prosperierenden Industriedorfes (vgl. ebd., S. 34f).

Binnen Tagen war durch die Krise die wirtschaftliche Grundlage der Fabrik, etwa 1.500 familiär verbundenen Personen, welche bislang im Unternehmen Beschäftigung und Einkommen fanden (vgl. ebd., S. 36), und drüber hinaus beinahe der gesamten Weltbevölkerung entzogen.

Mit fortschreitender Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation, zu Beginn der Forschungstätigkeit wurde durch Kleidersammlungen, verbunden mit Hausbesuchen und medizinischem Versorgungsangebot, ein Vertrauensverhältnis zu den Untersuchten herbeigeführt. Um ein klares Abbild der Situation der Not leidenden Bevölkerung zu gewinnen, wurden die Erhebungen verdeckt durchgeführt. Man bediente sich diverser Quellen: Katasterblätter, Lebensgeschichten, Zeitverwendungsbögen, Information aus Anzeigen und Beschwerden, Preisausschreiben mit Fragestellungen, Inventare der Mahlzeiten, Schulaufsätze, Protokolle z. B. von Weihnachtsgeschenken, ärztlichen Untersuchungen oder Schulleistungen, historische und statistische Daten aus öffentlichen Quellen, öffentliche und Haushaltsstatistiken, aber auch der verdeckten Messung der Schrittgeschwindigkeiten (vgl. ebd., S. 26f).

Eine Sonnabendliche Behandlungs- und Sprechstunde einer Kinder- und Frauenärztin lieferte durch ärztliche Befragung und dem Willen auf Genesung Informationen mit höherem Wahrheitsgehalt als aus anderen Quellen (vgl. Pohl, 2004, S. 6). So konnten durch besonderes Naheverhältnis und intensiveren Austausch die Missstände betreffend tiefere als bereitwillig vermittelte Informationen gesammelt werden.

Von den untersuchten 478 Familien mit durchschnittlich 3,1 Personen pro Haushalt stand bei 367 Familien kein einziges Mitglied in Erwerbstätigkeit. Dies ergab einen Anteil von 81,8 % Arbeitslosen an der Gesamtbevölkerung (vgl. Jahoda, 1980, S. 39f).

Betrachtet man die Haushaltsgröße, so lässt diese auf eine mögliche angespannte Beschäftigungssituation oder ökonomische Zwänge schließen. Lag die Fertilität um 1900 noch bei durchschnittlich 5 Kindern, in ländlichen Gegenden bei bis zu 7 oder mehr (vgl. Zukunftsinstitut, 2009, S. 22), so erscheint die restriktive Familienplanung in einem Industriedorf an vorherrschenden Lebensumständen orientiert.

Familie bedeutete im aufgezeigten Arbeitermilieu primär Wohn und Essgemeinschaft, in der jedes Familienmitglied, Kinder ebenso, zu Einkommen verpflichtet wurden. Erziehung und Ausbildung wurden existenziellen Grundbedürfnissen nachgereiht (vgl. ebd., S. 22).

2.3.1 Verfall von Strukturen

Mit der Zeit gerät die Massenarbeitslosigkeit zum alles bestimmenden Faktor des Lebens in Marienthal (vgl. Trützschler, 2004, S. 4). Das gesamte wirtschaftliche Leben Marienthal´s schwang im Rhythmus der zweiwöchentlichen Unterstützungsauszahlung (vgl. Dahlström, 2003, S. 6).

Arbeitsnachweis, letztmalige Lohnhöhe, Familiengröße waren die Unterstützung bestimmenden Faktoren, welche 20 bis 30 Wochen gewährt wurden. Nachfolgend Notstandshilfe für 22 bis 52 Wochen, diese zu 80 % der vormaligen Unterstützungshöhe. Danach bestand keine weitere Zuwendung, man war vollkommen mittellos (vgl. ebd., S. 6).

Befand sich der Gesundheitszustand der Belegschaft aufgrund allgemeiner Arbeitsbedingungen in Spinn- und Webereibetrieben durch ohrenbetäubenden Lärm und Staubentfaltung mit Tuberkulosegefährdung bei 90 % der Belegschaft vor dem Niedergang nicht unter besten Voraussetzungen, verschlechterte sich der Allgemeinzustand danach durch Geldmangel und Motivationslosigkeit zunehmend. Arztbesuche wurden vermieden, soweit es ein Erkrankungszustand erlaubte verzögert. Selbst die notwendige Behandlung kariöser Zähne der Kinder wurde nur mangelhaft vorgenommen (vgl. Jahoda, 1980, S. 52ff).

Für Engagement in ehemals alltäglich frequentierten Interessensgebieten wie Vereinsleben, Politik, Sport und kulturellen Belangen fehlte neben den dazu benötigten Mitteln auch jegliche Motivation. Entlehnungen in der Arbeiterbibliothek, Bezug von Zeitschriftenabonnements, selbst Fortbildung und Wissenserwerb waren im beschäftigungslosen Freiraum nur von geringem Interesse wirkten jedoch auch nur mit geringem Einfluss auf politische Gesinnung und Wahlverhalten ein (vgl. ebd., S. 55-61).

2.3.2 Defizite und Konsequenzen

Mühte sich die ortsansässige Bevölkerung ohne Einkommen mit Aufgabenstellungen wie Ernährung, Heizung, Bekleidung, Mietenzahlung, und weiteren existenziellen Sorgen mit schier unlösbarer Problematik konfrontiert, mangelte es an Zukunftsaspekten, welche Besserung versprachen.

Fehlendes Einkommen führte unweigerlich zur Zunahme von Kriminalität und Schwarzarbeit, wodurch bei Kenntniserlangung von letzterem die Unterstützungsleistungen beendet wurden. Im vorherrschend gespannten sozialen Umfeld stieg deshalb auch die Anzahl anonymer Anzeigen, sowohl gerechtfertigt als auch ungerechtfertigt (vgl. Dahlström, 2003, S. 7).

Mangelndes Heizmaterial führte zu „Kohle klauben“ an der Eisenbahn und zu Brennholz sammeln, zu Hunger, um Kraut oder Kartoffel zu stehlen, auch zu unerlaubtem Fischfang. Allesamt verbotene Tätigkeiten, von Aufsichtspersonen jedoch nachsichtig übersehen, waren es doch arme Kerle, die Bevölkerung hungerte und fror (vgl. Jahoda, 1980, S. 42).

392 von 478 Familien des Ortes besaßen ca. 65 m2 kleine, von Gemeinde und Fabrik um den Anerkennungsbeitrag von 1 Schilling verpachtete Schrebergärten, welche einen Anteil aus Kleintierzucht und Pflanzung zur Ernährung der Familien beisteuerten (vgl. ebd., S. 42f). Diese Nahrungsquelle war jedoch nicht ausreichend, der Hunger führte zum Verzehr von allerlei Haustieren, wodurch wiederum weitere soziale Spannungen entstanden, sofern es sich nicht um welche aus eigenem Besitz stammend handelte (vgl. ebd., S. 41f).

Aus dem Spannungsfeld von Hunger und Mangel am Notwendigsten erfuhren Sozialkontakte zum einen Einschränkungen bis zu Isolation, zu Selbstaufgabe und Apathie. Zum anderen bildeten sich in dieser Not Allianzen, um durch kollektive Hilfeleistung die Schwächsten der Gemeinschaft vor Schlimmstem zu bewahren. Der Bogen spannt sich von tiefer persönlicher Gehässigkeit bis zu hoher Hilfsbereitschaft und Solidarität (vgl. ebd., S. 62), unter Beachtung der zugrunde liegenden Situation erscheint dies auch wenig verwunderlich.

2.3.3 Besinnung auf Vergangenes

Diese historischen Geschehnisse liegen gegenwärtigem Alltagsgeschehen fern, mögliche Wiederholungen dieser Szenarien erscheinen unwahrscheinlich.

Und dennoch, in naher Vergangenheit, durch Insolvenz der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Inc. am 15.9.2008 bestand aktuell Gefahr auf Wiederholung der Vorgänge der 1930er-Jahre als Verursacher einer Wirtschaftskrise globalen Ausmaßes (http://de.wikipedia.org/wiki/Lehman_Brothers).

Erwähnung erachtet der Autor dennoch als angebracht und bedeutsam, schon aus der Überlegung begründet, aktuell unberührt von derartigen Ereignissen zu sein. Führen diese Berichte die Möglichkeit einer auch gegenwärtig möglichen raschen negativen Veränderung der allgemeinen Lebenssituation zu Hunger und Armut in unsere Wahrnehmung zurück. Nicht nur als Individualereignis, sondern unter Ausschluss von durch Beschäftigte verschuldete Faktoren, ganze Gemeinschaften oder Volkswirtschaften betreffend.

Eine weitere Begründung liefert der Umstand, durch historische Perspektive für Tempo und Dynamik von Entwicklungen verbesserte Sensorik und Einschätzung zu gewinnen, Wiederkehr von bereits erfolgten Ereignissen zu erkennen (vgl. Gratton, 2012, S. 33).

3 GRUNDLAGEN

Beurteilung von Informationsquellen der zu untersuchenden Themen ist subjektiv, kann nur aus aktueller Sicht betrachtet erfolgen. Die britische Autorin Lynda Gratton wählte in ihrer Tätigkeit als Professorin einer Fakultät für Wirtschaft im Jahre 2000 vier bedeutende Unternehmen mit internationalem Ansehen um diese beispielgebend in Fallstudien zu untersuchen. Für Bankwesen die Royal Bank of Scottland, für Industrie BP, für Investmentbanking Goldman Sachs, und für Technologie Nokia.

RBS fuhr 2010 einen der größten Verluste des Bankwesens ein, die durch BP verursachte Ölkatastrophe im Golf von Mexiko erbrachte dem Management aufgrund seines Führungsstiles eine Rüge des US-Senates, Verluste an Kurswerten und enorme Schadenssummen. Goldman Sachs leistete erhebliche Strafzahlungen nach Ermittlungen der Regulierungsbehörde, und Nokia verlor seine technologische Spitzenposition als Marktführer an den Mitbewerb, Aktienkurs und Börsenwert sanken erheblich (vgl. Gratton, 2012, S. 10).

Wer als gegenwärtiger Big Player mit state of the art bewertet wird, ist nicht versichert, in naher Zukunft in Bedeutungslosigkeit zu versinken. In seiner unternehmerischen Tätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter eines Medienunternehmens konnte der Autor zum Unternehmen Nokia ein Naheverhältnis gewinnen. Über einen Zeitraum von etwa neun Jahren wurden nahezu sämtliche nationalen Printmedien in der Druckvorstufe durch sein Unternehmen ausgeführt. Gegenwärtig tritt der Hersteller medial nur noch in geringem Maße in Erscheinung.

In der Komplexität dieses Themas begründet ist eine umfassende Beantwortung nicht erschöpfend zu erwirken. Lynda Gratton beschreibt in ihrem Werk „Job Future - Future Jobs“ diese Herausforderung treffend als ein Gleichnis zu einer Vorliebe ihrer Mutter, der Herstellung von Patchwork-Decken (vgl. ebd., S. 12f). Sammlung, Bewertung, Vergleich und letztendlich Verbindung einzelner Komponenten sollten ein Ganzes, ein stimmiges Gefüge bilden.

3.1 Definitionen und Abgrenzungen

Arbeit, was bedeutet dies? Arbeit bedeutet, durch Energieaufwand oder Mühewaltung Veränderung von Zuständen herbeizuführen.

Energie ist jedoch ein viel zu wertvolles Gut, um diese aufzuwenden, ohne dadurch einen Vorteil, eine Entlohnung zu erwirken. Entlohnung ist Befriedigung von Bedürfnissen. Wie Bedürfnisse verschieden sind, sind auch die Formen von Entlohnung unterschieden. Daran knüpft die Fragestellung, wie diese Bedürfnisse zu befriedigen sind. Gelingt es durch den Menschen selbst, oder werden andere Personen oder Mittel dazu benötigt. Sind Mittel und andere Personen dazu gefordert, wie wird diese Bereitstellung oder Nutzung, ein Verbrauch oder Verzehr ausgeglichen? Erfolgt diese durch Tauschhandel oder durch Entlohnung? Wie erfolgt Bewertung und Bemessung eines Gegenwertes, wie dessen Vergütung?

Um Wert von Leistung oder Ware vergleichbar zu machen, tritt im Gegenwert Geld als universelles Zahlungsmittel ein. Vorwiegend wird Geld zum Tauschmittel gegen Arbeit als Leistung und Ware bemüht und dient als Wertersatz zur Entlohnung der Befriedigung von Bedürfnissen. Arbeit beschreibt Tätigkeit oder Leistung gegen Wertersatz.

Wie verhält es sich mit Willen und Fähigkeit Arbeit zu verrichten? Bietet die Beschäftigung genügend Anspruch und Befriedigung, ausreichend Entlohnung? Wird man physischen Anforderungen, benötigtem Bildungsstand, geforderter Qualifikation oder Leistungsbereitschaft gerecht, oder besteht schlichtweg kein Arbeitsangebot?

Arbeit in geläufigem Sinne beschreibt Streben nach gewinnbringender Betätigung. Dem Gegenstand der durch Arbeit erfolgten Mühewaltung an Produkten oder Dienstleistungen ist ebenfalls Wertzuwachs auferlegt. Doch nicht jede Arbeit erbringt Gewinn. Ein Verkaufspreis gliedert sich grob betrachtet in Lohnkosten, Materialkosten und Gewinnaufschlag. Eine schlüssige Berechnung, bestünde nicht auch Wettbewerb. Um Absatz zu finden, fordert dies Angebot an besseren oder billigeren, für Kunden attraktiveren Produkten.

Wirtschaftliche Vorteile zu erringen liegt primär in niedrigeren Lohnkosten, Nutzung billigerer Rohstoffe, technologischem Fortschritt und geringen Energiekosten begründet. Effizienzsteigerung führt zu vielfachem Produktionsvolumen, oder reduziertem Beschäftigungsangebot. Um Vorteile gegenüber dem Mitbewerb Aufrecht zu erhalten, bedarf es Investition in Forschung und Entwicklung, in erneuerte Produktionsanlagen. Doch zumeist sind diese Vorzüge nur kurzfristig wirksam, bis Mitbewerb sich ebenfalls verbesserter Herstellungsmethoden bedient, und dies Produktpreise sinken lässt. Geringere Produktpreise mindern Gewinnanteile eines Einzelproduktes. Gewinne sind nur durch Ausweitung von Umsatz und Absatzmärkten zu erwirken. Absatzmärkte sind nicht endlich, jedoch eingeschränkt. Wirkung von begrenzten Absatzmärkten ist Reduktion von Anbietern. Härtere Wettbewerbsbedingungen führen zu ökonomischen Nachteilen, die Zahl der Gewinner sinkt. Globalisierung und Konkurrenzdruck führen zu stetig wachsenden Großunternehmen. Der Markt diktiert Konditionen, Arbeit verlagert sich zu günstigsten Anbietern und Produktionsstätten.

Wo befinden sich die Zentren der neuen Arbeitsmärkte, in welchen Weltregionen?

Womit beschäftigt man künftig die Verlierer dieser Wettbewerbssituation, die Bevölkerung der Industriestaaten (vgl. http://www.youtube.com/watch?v=8l0vt7gdeWo).

3.2 Forschungsstand

Mit 212 Millionen Beschäftigungslosen im Jahre 2009 wurde gemäß Schätzung der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO 2010) höchster Stand seit Menschengedenken erhoben, um 34 Millionen mehr als im Weltwirtschafts-Krisenjahr 2007. Nicht die Krise allein zeichnet dafür verantwortlich, Strukturwandel durch zunehmende Sättigung der Gütermärkte in den spätindustriellen Ökonomien und Produktivitätssteigerung tragen wesentlichen Anteil dazu bei (vgl. Holzinger, 2010, S. 5).

Dazu punktueller Blick auf einige Themenkreise, welche gegenwärtig Wirtschaft und Wissenschaft beschäftigen.

Der globalisierte Gütermarkt lässt hochproduktive Ökonomien nur dort reüssieren, wo ein hoher Wissensanteil im Produktionsbereich steckt. Kinkel sieht dies bei Zuhilfenahme neuer Technologien, mit neuen Werkstoffen und Produktionsverfahren, in „Projektarbeit“, Burmeister/Glockner bei Kombination von Produkt und Dienstleistung in „Service-Industries“, und Steinmüller mit „Mass-Costumation“ und „Complete automation“ als Zukunftstrend.

Ax, Eigner und Reiter treten für Aufwertung des Landwirtschaftssektors und für Re-Regionalisierung der Wirtschaft ein. Positiver Nebeneffekt wäre Stärkung des lokalen Gewerbes.

Umweltsektor, Bereich energetische Sanierung und erneuerbare Energien bieten Marktpotenzial, wenn auch restriktiv. Baumgart/Donough weisen auf Verwendung wieder verwertbarer oder verrottender Werkstoffe im „cradle to cradle“-Prinzip, Ekhart auf eine „Zero-Emission-Economy“ hin.

Kinkel deutet auf Notwendigkeit von Änderung der Ausbildung am zukünftigen Beschäftigungsangebot zu höherem Anteil an naturwissenschaftlichen und technischen Bildungszielen orientiert.

In Österreich umfasst der Dienstleistungssektor gegenwärtig bereits rund 70 % Beschäftigtenanteil, gilt jedoch als der Hoffnungsmarkt künftiger Beschäftigungsformen, sowohl im Bereich industrienaher als auch personennaher Dienstleistungen. Zellmann verweist auf zunehmenden Betreuungsbedarf durch die Alterspyramide, auch auf Änderung von Konsumprioritäten zu immateriellen Gütern in Bereichen wie Gesundheit, Bildung, Selbstverwirklichung und Freizeit. Marterbauer und Zellmann erkennen geringe Rationalisierungsmöglichkeiten im Dienstleistungsbereich, Beschäftigungsintensivität und steigende Nachfrage lassen ökonomische Aufwertung erwarten.

Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen ist gekoppelt an finanzielle Situation öffentlicher Haushalte. Gubitzer tritt für verstärkten öffentlichen Konsum im gemeinwohlorientierten Sektor ein um diesen durch Konjunkturmaßnahmen zu forcieren (vgl. Holzinger, 2010, S. 8ff).

Kreimer fordert Aufwertung einer zunehmend auf sozialer Versorgungsleistung gründenden „Care Economy“ in einer Gesellschaft ständiger Zeitverknappung, Rinderspacher weist auf eine „Dreizeitgesellschaft“ hin, in der Erwerbsarbeit, Hausarbeit und soziales oder politisches Engagement gleichrangig zu bewerten wären, Bennholdt-Tomsen plädieren für verstärkte Anwendung von Eigenarbeit (vgl. Holzinger, 2010, S. 8ff).

Noch zu Bedenken gilt, dass Forschungsstand aktuell bereits als nicht mehr letztgültig zu bewerten wäre, Zeitaufwand für Datenerhebung, Sichtung, Wertung, Publikation am Buchmarkt oder in Fachzeitschriften bedingen gewöhnlich Zeitdauer von 2-3 Jahren (vgl. Textor, 2012).

3.3 Hypothesen

Betrachtet man Verständnis von Arbeit im Altertum, bildet dieses mühevoll niedere Tätigkeit von Sklaven und Leibeigenen ab, einer privilegierten Klasse zu Diensten verpflichtet. Arbeit diente ebenso der Befriedigung von Grundbedürfnissen wie Nahrung, Bekleidung, Vermehrung knapper Ressourcen, der Erlangung emotional befriedigender Werte oder Gütern besonderer Vorliebe, wodurch Entwicklung eines positiven Arbeitsbegriffes entstand. Die Historiker Schmidt und Kocka leiten aus historischer Mühewaltung seit der Industriealisierung gültige Werte vom Verständnis eines Ideals von Lebensberuf ab. Erwerbsarbeit, festgelegt auf bestimmte Lebenszeiten und Trennung von Arbeitsort und privatem Heim (vgl. Holzinger, 2010, S. 19).

Über Bedeutung von Broterwerb und Existenzsicherung hinaus wirkt Arbeit als Sinnstifter. Bewirkt sinnvolle Lebensaufgabe, Identität im sozialen Gefüge. Bildung und Regelung sozialer Kontakte, Selbstverwirklichung und sozialen Status. Positive Aspekte der Arbeitssituation überwiegen unbefriedigender Beschäftigung, trotz Klagen und Jammern. Arbeit schafft klar strukturierte Beschäftigungs- und Lebenszeiten, gibt dem Handeln Sinn (vgl. Zukunftsinstitut, in: perspektive: blau, 2007).

„Prosperity without Growth“, ein vom Ökonomen Tim Jackson verfasster Bericht für die britische Regierung weist auf Wachstum als in Vergangenheit nützlicher Grundlage zu Mehrung von Wohlstand und Lebensqualität hin. In gegenwärtigen hoch produktiven Ökonomien mit breitem, materiellem Wohlstandsniveau hat Wachstum seine Bedeutung verloren. Ein bislang an permanenter Steigerung von Produktion und Konsum orientiertes Wirtschaftssystem führt zunehmend zu ökologischer, sozialer und auch ökonomischer Problematik. Abhilfe bietet Wertewandel, in welchem es entgegen ständigem Streben nach steigendem Einkommen eine neue Definition des Wohlstandes und Form des Einkommenserwerbes anzustreben gilt (vgl. Holzinger, 2010, S. 5).

Nur Varietät kann Varietät absorbieren, kommentiert Kybernetiker Ross Ashby. Stetig steigende Produktvielfalt und Lösungsanforderungen, wachsende Anbieterkreise und Erfüllungsorte gestalten Systeme zunehmend komplexer, fordern ebenso komplexere Antworten, Veränderung von Arbeits- und Unternehmensstrukturen (vgl. Zukunftsinstitut, in: perspektive: blau, 2007).

Künstliche Intelligenz triumphiert über menschliche? Martin Ford, US-Computerwissenschaftler und Softwareunternehmer zeichnet in seinem Buch „The Lights in the Tunnel“ aufgrund steter Zunahme von Leistungsfähigkeit intelligenter Technologien Funktionalität der Technik ohne Einflussnahme des Menschen voraus, Ergebnis 75 % Arbeitslosigkeit noch in diesem Jahrhundert. Zukunftsforscher Ray Kurzweil benennt mit „Singularität“ stetig zunehmenden Fortschritt, in dem Maschinen Maschinen bauen, der Mensch nur noch zu Bestandteil des Systems ändert und Einflussnahme verliert (vgl. Piper, Nikolaus, in: Beise, 2012, S. 82f).

Mit Forderung nach einem allgemeinen Grundeinkommen leistet Götz Werner Diskussionsbeitrag, in Kapitel 4.3.10 folgt Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Ende der Arbeit durch Automation? Diese These ist in über 200 Jahren Wirtschaftsgeschichte eindrucksvoll widerlegt worden. Technologischer Fortschritt schuf und vernichtete Berufsbilder, Qualitäts- und Produktivitätssteigerungen führten zu billigeren und besseren Erzeugnissen, zu steigenden Einkommen, gesteigertem Wohlstand und zunehmender Bedarfssättigung (vgl. Piper, Nikolaus, in: Beise, 2012, S. 63).

Erzeugung und Pflege von Wissen – Errungenschaft der modernen Gesellschaft? Im Jahre 1973 prägte der US-Soziologe Daniel Bell den Begriff „Informationsgesellschaft“ für die Arbeitswelt des auslaufenden Jahrtausends. Willen zu Machterhalt durch Kirche und Fürsten schränkte ein, tatsächlich findet Wissenserwerb seit Menschengedenken statt. Man gedenke Pythagoras, Galilei und weiteren unzähligen, welchen Zugriff auf gegenwärtige technische Hilfsmittel verwehrt war, umso mehr ist deren Leistung zu würdigen. Erst der Buchdruck und stete Demokratisierung, verbunden mit staatlicher Bildungspolitik, führten Wissen und Bildung breiten Bevölkerungskreisen zu, verpflichteten diese zu Wissenserwerb. So spannt sich der Bogen der Berufsbilder historisch vom Bauern zum Fabrikarbeiter, gegenwärtig vom Dienstleister zum zukünftigen Wissensarbeiter (vgl. Zydra, Markus, in: Beise, 2012, S. 74f).

4 ARBEITSMÄRKTE - NEU ORIENTIERT

Was benötigen Unternehmen, um auf zukünftigen Märkten zu bestehen und zu Überleben?

Besteht in zukünftigen Märkten noch genügend Beschäftigungsangebot bei stetig wachsender Weltbevölkerung und vermehrt technologisierten Verfahren?

Ist Verlagerung der Mühewaltung von historisch betrachtet manuell produzierender Ausprägung zu einer Gesellschaft der Bereitstellung von Dienstleistungsangeboten der Schlüssel für zukünftige Beschäftigungsangebote?

Haben wir in Zukunft noch genügend Arbeit für die Bevölkerung, um diese zu beschäftigen?

Gelingt es durch deren erzielte Leistung diese auch zu entlohnen?

Sind unsere Volkswirtschaften befähigt, diese zukünftigen Herausforderungen zu bewältigen?

Wie beschaffen sollten folglich zukünftige Beschäftigungsangebote sein?

Wem würden die Aufgaben übertragen, welcher Nutzen wäre zu erwarten, wer sollte von den erbrachten Leistungen letztendlich profitieren, wie viel Erlös und Einkommen sichert dies?

Werden wir mehr oder weniger arbeiten müssen, wachsen die Entgelte, oder sinken diese, werden wir einen oder mehrere Berufe ausüben, sinkt oder steigt der Anteil manueller, handwerklicher Tätigkeiten?

Wäre es nicht sinnvoller sich in Ausbildung und Befähigung auf einen Beruf zu konzentrieren, diesen mit größtmöglicher Hingabe ausüben, als viele nur mit halbem Können und Herzen, letztendlich mit reduziertem Einkommen anstelle einer höher dotierten Spezialisierung?

Wie sinnvoll ist diese Vielzahl an Fragen? Eine ermüdende Anzahl von Fragestellungen, welche lediglich einen Bruchteil der zu beantwortenden Fragen zu formulieren vermögen.

Dennoch bietet jede Einzelne ausreichend Stoff zur Bearbeitung und lässt Vieles mehrheitlich unbeantwortet.

Betrachtet man Wirtschaftsbereiche in Deutschland vor sechzig Jahren und aktuell, sind bereits dramatische Veränderungen erkennbar. Fanden damals etwa 40 % der Erwerbstätigen in Land- und Forstwirtschaft, dem Fischereiwesen Beschäftigung, sind es gegenwärtig verblieben knappe 2 %. Im Dienstleistungsbereich hingegen finden nunmehr zwei Drittel Beschäftigung. Seit 1950 erfuhr dieser Anteil beachtenswerte Verdoppelung (vgl. Haas, Sibylle, in: Beise, 2012, S. 15f).

4.1 Der Wohlfahrtsstaat

Jahrhunderte anhaltende Mehrung und Besserung sozialer, kultureller, politischer und wirtschaftlicher Errungenschaften führten zu volkswirtschaftlich hochwertigen Gesellschafts-strukturen, in Industrieländern mit Wohlfahrtsstaat bezeichnet. In Rückblick auf das vergangene 20. Jahrhundert erfolgte in diesem Verlängerung von Lebenszeit um ein Drittel, Halbierung der Wochenarbeitszeit, Bildung eines sozialen Netzwerkes der Absicherung mit entgoltenen Urlaubszeiten, Krankenständen, bei Berufsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit und Ruhestand. In einer Industrieländischen Lebenszeit werden gegenwärtig geringe 14 % für Ausbildung und Beruf aufgewandt, berufsbedingte Wegezeiten bereits mitbedacht. Umfassende Steigerung der Lebensstile führte im 20. Jahrhundert bei Berechnung von notwendiger Berufsausübung, Zeitbedarf für Familie, sozialen Zeitverwendungen und Schlafzeiträumen zu Zugewinn von weiterem Anteil von 14 % an neu verwendbarer Lebenszeit (vgl. Zellmann, 2010, S. 64ff).

DM-Gründer Götz Werner kommentierte Veränderungen in Wirtschaft und Management: „Nach dem 2. Weltkrieg hatten wir zuerst ein Wiederaufbaumanagement. Dann kam das Wachstumsmanagement, die Expansion in den 60er- und 70er-Jahren. Dann begann eine Phase des Regenerationsmanagements. Da ging es weniger um Wachsen als darum, das Bestehende zu erneuern. Wir betreiben heute immer noch Wachstumsmanagement, (...). Im Moment sind wir – und das hängt in erster Linie mit der demographischen Entwicklung zusammen - in einer neuen Phase des Managements, das (sic!) Redimensionierungs-management“(Werner, 2010, S. 14).

Ein ab den 1920er-Jahren wirkender „Fordismus“, in dem Arbeitslöhne Massenkaufkraft ermöglichten und Produktion stimulierten, erhöhte das Wohlstandsniveau insofern, dass ab den 1970ern eine Sockelarbeitslosigkeit von 3-5 % mit Selbstverständnis Betrachtung fand (vgl. Holzinger, 2010, S. 14).

Betrachtet man über einen längeren Zeitraum die Phasen der Sozialisierung, so ist eine verdichtende Tendenz zu gegenwärtig mit Wohlfahrtsstaat bezeichneten Versorgungsstaaten erkennbar. In Betrachtung befindet sich kein historisch absolutistisches Machtsystem, bei dem der Staat seinem Fürsten für dessen Wohlfahrt zu Diensten lag, kein moralisch verwerflich zu eigenem Nutzen ohne Gegenleistung auszunützender Sozialstaat, sondern ein kollektives System von Maßnahmen, um dessen Teilnehmer bei Handlungsunfähigkeit, Erkrankung, Erwerbsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Unmündigkeit, in Ruhestand, Ausbildung und unverschuldeten Notlagen zu versorgen. Die sozialen Reformen des Zeitalters der Industriealisierung schufen sozioökonomische Voraussetzungen, welche durch politische und gewerkschaftliche Organisation der Arbeitnehmerschaft in sozialpartnerschaftlichem Konsens zur gegenwärtig befindlichen hochwertigen Versorgungsstruktur führten.

4.1.1 Österreich im Blickpunkt

Die OECD-Staaten verzeichneten seit dem 2. Weltkrieg starken Anstieg an Beschäftigtenzahl und Erwerbsarbeitsvolumen. Statistik Austria informierte 2009, im Jahre 2007 überschritt in Österreich die Zahl der Beschäftigten die Grenze von 4 Millionen, seit 1995 wurden 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, mehrheitlich für ins Berufsleben wieder eintretende Frauen. Wochenarbeitszeit wurde von 1950 mit etwa 50 auf 40 Wochenstunden in den 1990er-Jahren reduziert, dafür erfolgte starke Zunahme bei Teilzeitarbeitsstellen, im Jahr 2009 um 48.000. WKO berichtet 2010 von etwa 200.000 bis 300.000 Beschäftigungslosen ab 1990, im Krisenjahr 2009 Erhöhung um 44.000. Popp et al erhoben 2009 für Mehrzahl der Beschäftigten Österreichs hohe Arbeitszufriedenheit (vgl. Holzinger, 2010, S. 9ff).

Fritz Breuss, Wirtschaftsuniversität Wien, kommentiert dass Ostöffnung 1989 und EU-Erweiterungen 2004 und 2007 Österreich an der Dynamik der osteuropäischen Nachbarländer profitieren ließ. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise bescherte massive Minderung des Wachstumsbooms. Seit 2010 läuft Konjunkturlokomotive Deutschland wieder auf Volldampf, Österreich profitiert wieder vom großen Nachbarn. Negativentwicklungen in europäischen Peripheriestaaten wie Griechenland, Irland und Portugal üben auf Österreichs Wirtschaftswachstum nur geringen Einfluss aus (vgl. bmwfj, 2011, S. 25).

Der produzierende Sektor in Österreich umfasst derzeit rund 25 % der Beschäftigten, welche etwa 30 % der Wertschöpfung erbringen (vgl. Holzinger, 2010, S. 8).

Österreichs Wirtschaft hat die Krise besser als erwartet, besser als die meisten europäischen Länder überstanden, berichtet Karl Aiginger vom österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung. Zum Erfolg verantwortlich zeichnen frühe und große Pakete in der Wirtschaftspolitik und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Österreichs. Unsere Wirtschaftsdynamik liegt höher als im europäischen Schnitt. Am Arbeitsmarkt ist heimische Wirtschaft stetig durch beste und zweitbeste Platzierung im Vergleich zu anderen EU-Ländern führend, Beschäftigungsniveau als zu Vorkrisenzeiten deutlich überschritten (vgl. bmwfj, 2011, S. 24).

Die österreichische Wirtschaft hat die Folgen der Weltwirtschaftskrise kurzfristiger als vermutet bewältigt, kommentiert Bernhard Felderer, Institut für höhere Studien. Kräftige Expansion der Weltwirtschaft und erweiterter Export trugen zu rascher Erholung bei. Verhalten waren private Konsumnachfrage und Anlageinvestitionen. Entwicklung der internationalen Rohstoff- und Energiepreise zeichnete ursächlich für Preissteigerungen verantwortlich (vgl. ebd., S. 26).

4.1.2 Die europäischen Länder

Der jüngste OECD-Wirtschaftsausblick vom Mai 2011 verzeichnet globales Produktivitäts-wachstum von 4,3 %. Im Jahr 2012 werden 4,5 % vermutet. Angel Gurria, Generalsekretär der OECD verweist auf hohe Arbeitslosigkeit in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Knapp 50 Millionen Beschäftigungslose leben in den OECD-Staaten, etwa 13 Millionen als Ergebnis jüngster Weltwirtschaftskrise. Steigende Binnennachfrage und Rohstoffpreise in Schwellenländern wirken global Konjunktur hemmend. Großes Risikopotential ruht in restriktiver Wirtschaftsleistung Chinas, angespannten Haushalten in Japan und den USA, global schwachem Immobilienmarkt und hoher Staatsverschuldung einiger Länder der europäischen Union (vgl. bmwfj, 2011, S. 22).

Rezessionsphasen der 1990er-Jahre und nach der Finanzkrise 2008 führten neben Produktionsverlagerung in Schwellenländer und Osteuropäische Transformationsländer, neuen Informationstechnologien und Produktivitätssteigerung zum Schwinden von Wachstumsraten und Arbeitsplätzen (vgl. Holzinger, 2010, S. 14).

Die Weltwirtschaft hat sich nach der jüngsten Weltwirtschaftskrise erstaunlich rasch erholt. Besonders dynamische Entwicklung erfuhren die Wirtschaften der Schwellenländer China, Indien und Brasilien. Starke Konjunkturerholung erfolgt in den USA, ebenso in den Ländern der Europäischen Union. Deutschlands Wirtschaftsleistung trug zu dieser Entwicklung maßgeblich bei, in der Wachstumsdynamik der weiteren europäischen Beitragsländer herrschte beträchtliche Heterogenität (vgl. bmwfj, 2011, S. 26).

Vorgabe der EU-Kommission bis zum Jahre 2020 ist Beschäftigung von 75 % der 20- bis 64-Jährigen. Veranlassung dazu bildet nicht nur Zwang der Finanzierung sozialstaatlicher Leistungen, sondern ebenso Freude an Beschäftigung und gesellschaftlicher Integration (vgl. Holzinger, 2010, S. 7).

Eine Vielzahl an Prognosen weisen für das Jahr 2050 auf China als weltgrößte Wirtschaftsmacht, als zweitgrößte auf Indien. Mehr als die Hälfte der Indischen Wirtschaftsleistung bestreiten derzeit Dienstleister, Chinas Fabriken mehr als die Hälfte des Bruttosozialproduktes. In Chinas Fabriken werken gegenwärtig etwa 109 Millionen Arbeiter, in den G7-Staaten gesamt 53 Millionen. Indien besetzt etwa die Hälfte des Marktes der IT-Leistungen, China den weltgrößten Exportmarkt. Diese beiden Volkswirtschaften üben global erweitert Unternehmens-Aufkäufe aus. China besitzt derzeit mehr denn 2 Billionen Dollar an Währungsreserven, Europäische Länder kämpfen mit Insolvenz und Euro-Rettungsschirm. Als weitere Konkurrenten treten Russland und Brasilien hinzu, gefolgt von Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Phillipinen, Südkorea, Türkei und Vietnam. Besinnt man sich auf die Alterspyramide mit steigendem Sozialaufwand und erwartetem Informationsverlust durch Fachkräfteschwund, Produktionsfortschritt und schwindende Ressourcenquellen, ist für good old Europe wesentliche Minderung der Teilhabe am, des Einflusses auf das Weltgeschehen, und wirtschaftliche Reduzierung erwartet. Schwerwiegende Defizite sind in Bildung und Ausbildung erwartet, am Beispiel Deutschland wurde im OECD-Bericht 2007 dessen Weltrangposition von 10 auf 22 verschlechtert, einer Erhebung des Deutschen Handels- und Industriekammertags (DIHK) folgend sind bei 25 % der Schulabgänger Kenntnisse in Schreiben und Rechnen nicht ausreichend (vgl. Textor, 2012).

4.1.3 Globale Situation

Wunsch auf weit reichenden und sicheren Blick in künftige Arbeitswelten, das Bestreben, Megatrends und Veränderungen möglichst frühzeitig zu erkennen, ist Gegenstand unzähliger Studien und Trendforschungen. Auf Basis von quantitativer Auswertung von rund 60 Quellen erfolgte Gewichtung von zu erwartenden Themenkomplexen und Trendclustern, deren gegenseitige Vernetzung und Wirkungsebene, dargestellt in folgender Grafik (vgl. Winterfeld, 2011, S. 12f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Quantitative Auswertung unterschiedlicher Trendstudien in Bezug auf die Häufigkeit der Nennungen einzelner Trendcluster, deren Wirkungsebene und Vernetzung

Alliance Capital Management veröffentlichte im November 2003 eine Studie über Beschäftigung im produktiven Sektor der global 20 größten Volkswirtschaften. Ergebnis war Verlust von weltweit 31 Millionen Arbeitsplätzen in Produktion zwischen 1995 und 2002, Produktivität stieg um 4,3 %, weltweite Industrieproduktion steigerte sich um 30 % im gleichen Zeitraum bei globalem Verlust von 16 % der Arbeitsplätze im Produktionsbereich, 11 % in den USA. Die Bevölkerung der Industrienationen in Nordamerika und Europa vermuteten Ursache im Erstarken der Wirtschaftsleistung in den Schwellenländern, vornehmlich in China. Tatsächlich waren Chinas Produktion und Exporte wesentlich gesteigert, wurden jedoch im selben Zeitraum ebenso in China Fabrikarbeitsplätze um 15 Millionen verringert. Minderung des produktiven Arbeitsmarktes Chinas betrug 15 %. Begründet liegt dies in weltweit erfolgender Produktivitätssteigerung, welche auch Unternehmen des chinesischen Marktes zu Mehrproduktion bei Beschäftigungsverlust befähigt (vgl. Rifkin, 2011, S. 20).

Wachstum schafft Arbeitsplätze. Fehlen diese, sind dem Wachstum Grenzen geboten, welche es durch Innovationen, neue Technologien, Produkte, Dienstleistungen und Märkte zu überwinden gilt (vgl. Nefiodow, 2001, S. 128). Erschließung neuer Arbeitsplätze ist wesentlich mit der Schaffung neuer großer Märkte verbunden. Komplexe und finanzintensive Bedingungen des späten 20. Jahrhunderts gestalten dies zunehmend aufwendiger. Neben Kapital und Know-how sind gesamtgesellschaftliche Veränderungen benötigt, welche auch durch global aktive Konzerne oder große staatliche Institutionen und Regierungsorganisationen alleine nicht zu bewältigen sind. Hauptsächlich führen Innovationen zu Bildung neuer Beschäftigung, fordern jedoch zumeist umfangreiche vorherige Investitionen. Somit ergibt sich ein Dilemma der Korrelation von benötigtem Investitionsvolumen und geschaffener Beschäftigungssituation (vgl. ebd., S. 96f).

Stützendes Investment trägt nur gering zur Unterbindung von Arbeitslosigkeit zu Schaffung von Beschäftigung bei. Entscheidend ist gezielte Mittelverwendung. Kapitaleintrag in stagnierende und schrumpfende Märkte wird ohne positive Effekte und Schaffung von Arbeitsplätzen verbleiben. Steigerung von Beschäftigungsvolumen bedarf Investment in großen, von Basisinnovationen geschaffenen Wachstumsmärkten (vgl. ebd., S. 97).

Nefiodow berichtet vom Mangel ausreichender Basisinvestitionen des sechsten Konratieffzyklus in den 1990er-Jahren in Deutschland und Japan. Gesamtwirtschaftlich betrachtet sogar geringer als in Vorperioden. Primäre Problemstellung war und ist Widmung des Großteiles der Mittel für Rationalisierung und Verbesserung an existierenden Produktions- und Verfahrensbereichen. Für Zukunftsorientierung benötigte Investitionsmittel fehlen, Konsequenz dieses Mangels sind reduziertes Arbeitsvolumen und Anstieg von Arbeitslosigkeit (vgl. ebd., S. 97).

Neben geforderten Investitionen bedarf es wissenschaftlicher, technischer, organisatorischer und ökonomischer Innovationen. Im Weiteren ist Einflussnahme auf soziale und ethnische, auf juristische und geistige Aspekte bedingt, um Bemühungen in Basisinnovationsmärkten zu Erfolgen zu verwandeln (vgl. Nefiodow, 2001, S 128f).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Der Zusammenhang zwischen Investitionen und Arbeitsplätzen

Zum Ende des zweiten Jahrtausends waren in der Informationstechnologie keine weiteren Wachstumsimpulse der Arbeitsmärkte zu erwarten. Neu geschaffene Beschäftigung wird durch gesamtwirtschaftlichen Rationalisierungseffekt weitgehend aufgezehrt. So führt zum Beispiel elektronischer Handel als neuer Markt erst durch das World-Wide-Web seit dessen Nutzung ermöglicht zu Beschäftigungsverlusten im konventionellen Handel. Direkter Kontakt von Anbietern zu Nachfragern, elektronischer Zahlungsverkehr und Lieferlogistik vernichten die Aufgabenstellung des Zwischenhandels als Berater, Vermittler und Bereitsteller der Handelsobjekte. Mühewaltung zwischen Kunden und Herstellern wird als Beschäftigungsgrundlage gegenstandslos (vgl. ebd., S. 97).

Alles entscheidend ist Erkennen von Basisinnovationen. Märkte und gesellschaftliche Entwicklungen bieten Nachsuchenden ausreichende Hinweise. Einen ersten Indikator bieten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen. Aufgezeigt werden Tempo und Ausrichtung der Innovationsprozesse. Die Dynamik der Märkte bildet den zweiten Indikator. Zukunftsträchtige Innovationen weisen durch im Vergleich höhere Dynamik auf künftige Ausrichtung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tendenzen hin. Als dritter Indikator dient finanzielles Volumen. Markt- und Umsatzentwicklung einer Basisinnovation führen rasch zu Markt bestimmender Dimension an die Spitze der Entwicklung. Überdurchschnittliche Wachstumsraten und Finanzvolumen üben gesamtwirtschaftlich stimulierenden Effekt aus. Wirtschaftsleistung wächst und führt zu prosperierenden Volkswirtschaften. Schumpeter bezeichnete diese Auswirkung als „Band-waggon-Effekt“, bei dem die Basisinnovation als Lokomotive der Entwicklung fungiert, die Waggons erfolgreich in Innovationsrichtung mitgezogen werden (vgl. Nefiodow, 2001, S. 83).

4.2 Der veränderte Arbeitsmarkt

In letzten 6 Generationen erfolgte mehr Wandel als in 5.000 Jahren zuvor. Zwischen 1760 und 1830 fand in nur vier Generationen völlige Veränderung von einschränkender Handarbeit zu industrieller Orientierung statt (vgl. Gratton, 2012, S. 19). Wie rasch nun und in Zukunft?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Die Entwicklung der Beschäftigung in den Industrienationen

Ein in Vergangenheit üblicher Arbeitstag mit Mühewaltung 9-to-5 wurde bereits ab dem aktuellen Jahrtausendwechsel verändert. Personal Computer ermöglichen uneingeschränkte, und von Beschäftigungsstandorten losgelöste Arbeitszeiten. Email füllt unseren elektronischen Briefkasten zunehmend, Mobiltelefone diktieren jederzeitige Erreichbarkeit, Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verwischen, sind aufgehoben (vgl. ebd., S. 66).

Technologischer Fortschritt brachte neben dem Segen erleichterter Arbeitsmethodik und Zuwachs an Freizeit auch den Fluch negativer Veränderungen, dem Preis für so manche Verbesserung.

Michael Jungblut setzte sich 1985 noch mit einem Plädoyer für eine 35-Stunden-Woche als Forderung entgegen der 48-Stunden-Woche der Vätergeneration oder 60-Stunden-Woche um 1900 auseinander. Grundsatzgedanke war Arbeitsplatzschaffung durch Ressourcenverteilung. Korrekt gedacht, wären dabei nicht weitere beeinflussende Faktoren zu beachten. Neben anderen Faktoren bewirkt technologischer Fortschritt raschere Fertigungsmöglichkeiten, Produktivitätssteigerung und verbesserte Logistik. Diverse Einflussnahmen kippen die Eingangs schlüssige Gleichung (vgl. Jungblut, 1985, S. 24f). Das Ergebnis erweist sich als nicht wunschgemäß, wie an der gegenwärtigen Beschäftigungssituation erkennbar ist.

Wurde 1984 in einer Untersuchung des Münchener Ifo-Institutes für Wirtschaftsforschung noch bis 1988 ein jährlicher industrieller Produktivitätsfortschritt von 3,7 % prognostiziert, jedoch nur 2,2 % Produktivitätszuwachs. So ergab diese Berechnung einen zu erwartenden Verlust von 350.000 westdeutschen Arbeitsplätzen (vgl. ebd., S. 25). Diese Problematik erwies sich bereits in den wirtschaftskräftigen Nachkriegsjahren, umso umfangreicher sind Veränderungen des zukünftigen Arbeitsmarktes zu erwarten.

Bei Beschäftigung in historischen 60-Stunden-Wochen wären die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben von lediglich 2/3 der Bevölkerung vollbracht. Nur ein Mix von kontinuierlicher Kürzung der Arbeitszeiten, orientiert an technischem Fortschritt und Wirtschaftswachstum sichert die Beschäftigungssituation (vgl. ebd., S. 25).

Jungblut nahm bereits 1985 den Gedanken von Arbeitszeitverkürzungsmodellen auf. Nahe liegender, jedoch wenig sinnvoller Ansatz wäre eine tägliche Kürzung um wenige Minuten, dadurch wäre keine zusätzliche Arbeitsplatzschaffung zu erreichen. Kürzung zum Wochenende hin am Freitag brächte höher verwertbare Freizeit, jedoch ineffizientere Nutzung von Technik und Baulichkeiten, Reduktion von Verkaufs- und Öffnungszeiten, Minderung von Servicequalität und Kundendienst. Der vormalige Werktätige befände sich in erkämpfter Freizeit nun in Kundenposition vor verschlossenen Türen. Ein Lösungsansatz verwies auf Arbeitskonten, auf flexible Arbeitszeiten in definierten Rahmenvereinbarungen, unter Bedachtnahme auf konsenspolitische sozialpartnerschaftliche Bedürfnisse, konjunkturelle und saisonale Einflüsse (vgl. ebd., S. 10ff).

Die globale Wirtschaft verläuft zunehmend turbulenter, bringt neue Branchen hervor, welche florieren oder sich wieder auflösen, Geldumschlag erfolgt rascher, Kapital bewegt sich von einem Ort zum nächsten, wo Profite zu erzielen oder Verluste zu erwarten sind, oder Währungen schwanken. Robert Reich verweist auf eine Prognose John Maynard Keynes aus dem Weltwirtschaftskrisenjahr 1930, in der dieser die britische Wirtschaft in 100 Jahren achtfach so stark vermutete. Aufgrund der erfolgten hohen Befriedigung materieller Bedürfnisse würde die Wochenarbeitszeit auf 15 Stunden vermindert, der Wert des Geldes ungemein geringer geschätzt (vgl. Reich, 2002, S.14f).

Durch technologischen Fortschritt bedingte Erfolge verleiteten Mitte des 20. Jahrhunderts eine Vielzahl von Philosophen und Schriftsteller zu günstigen Prognosen, sahen für die Menschheit ein goldenes Zeitalter voraus.

Eine Gesellschaft mit Wohlstand prognostizierte 1949 Jean Fourastié, sah der französische Sozialwissenschaftler ein Leben voller Annehmlichkeiten für alle. Der Sozialphilosoph André Gorz beschrieb in den 1970er-Jahren in seinem Werk „Wege ins Paradies“ eine durch positive Entwicklung der Mikrotechnologie herbeigeführte ausreichende Lohn-Lebensarbeitszeit von 20.000 Stunden. Einem Zeitraum von etwa zehn Jahren Vollerwerbsarbeit. Der US-Ökonom Jeremy Rifkin vermittelt in seinem 1995 erschienen Werk „Das Ende der Arbeit“ seine Überlegungen zu elementarer Verringerung von Arbeitsangeboten durch technologischen Fortschritt und gesteigerte Produktivität. Er verglich das Ende der Sklaverei in den USA, herbeigeführt durch das Industriezeitalter, mit dem Ende massenhafter Lohnarbeit durch das Informationszeitalter. Verlust von Erwerbsmöglichkeit führt zu gesteigertem Angebot an Freizeit (vgl. Dohmen, Caspar, in: Beise, 2012, S. 232f).

Sind technologische Errungenschaften der Auslöser dieser gravierenden Veränderungen?

Solarbetriebene Pflegeroboter in der Altenbetreuung, vollautomatische Kassensysteme in den Supermärkten, intelligente Bilderkennungssoftware zur Beurteilung von Röntgenbildern in der Medizin oder Bildinhalten in der Medienwirtschaft (vgl. ebd., S. 233). Einige futuristisch wirkende, jedoch schon gegenwärtig praktikable Anwendungen, welche letztendlich zur Vernichtung von humanen Beschäftigungsangeboten führen.

„Zukunft der Arbeit – welcher Arbeit?“ lautet eine 1999 von Willy Bierter und Uta von Winterfeld vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie formulierte nachdenkliche und herausfordernde Fragestellung als Titel einer Arbeit, welche auf mögliches Zukunftsszenario hindeutet (vgl. Holzinger, 2010, S. 15).

4.2.1 Beschäftigungsangebote

Zu Beginn der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts bewirkte rasante Entwicklung in Informations- und Kommunikationstechnologien in der Arbeitswelt tief greifende Umgestaltung. Stetig zunehmende Leistungsfähigkeit technologischer Hilfsmittel und Vernetzung von Prozessen ließ Produktivität aufquellen. In gleichen Zeiteinheiten ist zunehmend vermehrte Aktivität zu verrichten gefordert. Beschäftigungsformen wie Sekretärin, Telefonistin, für Ablage und Archivierung wurden gegenstandslos und wegrationalisiert. Neben dem Entfall von Beschäftigungsangeboten führt Übersättigung von Märkten mit unzähligen gleichwertig austauschbaren Produkten neben der Gefahr von mangelnder Qualitätsunterscheidung auch mit daraus folgernder Absatzminderung zu weiterer Anspannung des Arbeitsmarktes (vgl. Zellmann, 2010, S. 96). Als Konsequenz führen neben Produktivitätssteigerungen, technologischen Fortschritten und zunehmender Marktsättigung noch eine Vielzahl weiterer Faktoren zu geringerer Nachfrage an Beschäftigung als Angebote bestehen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 129 Seiten

Details

Titel
"Zukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft"
Untertitel
Quo vadis, Druckindustrie?
Hochschule
Body & Health Academy
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
129
Katalognummer
V233039
ISBN (eBook)
9783656489382
ISBN (Buch)
9783656491514
Dateigröße
3253 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
zukunft, arbeit, druckindustrie
Arbeit zitieren
MBA Werner W. Vuk (Autor:in), 2012, "Zukunft der Arbeit - Arbeit der Zukunft", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233039

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