Die Übersetzung deutscher Spasslyrik ins Spanische

Kriterien bei der Textauswahl für eine aussagefähige Anthologiebildung


Essay, 2013

12 Seiten


Leseprobe


Zusammenfassung

Wenn schon über der Lyrikübersetzung im Allgemeinen das bekannte Verdikt des traduttore – traditore stets schwebt wie ein Damoklesschwert, so scheint die Schlimmeres verhindernde Haltekraft des zugehörigen Pferdehaars im Bereich der Spaßlyrik endgültig überfordert zu sein. Lassen sich die in der übrigen Lyrik zum Ausdruck gebrachten „großen Gefühle“ mit etwas Geschick und eventuellen idiomatisch naheliegenden Modifikationen in der Metrik und/oder Metaphorik grosso modo auch ästhetisch halbwegs befriedigend in die Zielsprache hinüberretten, so basiert die Komik mancher Spaßlyrikerzeugnisse häufig in der Vertextung einer zufällig lustigen Koinzidenz bestimmter Aussageelemente in der Ausgangssprache, für die sich in der Zielsprache womöglich definitiv kein adäquater Ausdruck findet (z.B. Heinz Erhardt: „Lasst uns den Abend genießen. Genossen – wir doch selten einen so schönen...“) oder denken wir an Jandels Gedicht „Ottos Mops kotzt“, bei dem sich wohl weniger die Frage stellt, wie es in eine bestimmte Sprache zu übersetzen sei als vielmehr die, in welcher der verbleibenden Sprachen der Welt sich dieses kleine Juwel der Nonsenslyrik überhaupt ohne Totalverlust seines komischen Gehalts wiedergeben lässt. Man könnte nun einfach den Schluss ziehen, diese Literaturuntergattung kategorisch aus dem Kanon potenzieller Übersetzungsgegenstände auszugrenzen, wenn dabei nicht allerhand an interkultureller Verständigung preisgegeben würde. Robert Gernhardt, selbst einer der bedeutendsten Vertreter der angesprochenen Zunft, hat deutlich gemacht, dass die nahezu sprichwörtliche Humorlosigkeit der Deutschen, zwar durch das weitgehende Fehlen komischer Werke im Bereich der großen Literaturgenres (Theater, Prosa) scheinbar bestätigt sei, dass dieser Eindruck aber durch eine in kaum einer Nachbarsprache erreichte, überbordende Spaßlyrikproduktion hinreichend konterkariert sei. Für eine differenziertere interkulturelle Kommunikation ergibt sich daraus die Aufgabe, zumindest exemplarisch Kostproben dieses unvermuteten deutschen Wesenszugs zu übermitteln. Da die angedeuteten Schwierigkeiten durch guten Willen allein nicht aus der Welt zu schaffen sind, scheint es uns angeraten, ein paar grundsätzliche Kriterien für Übersetzungstauglichkeit bzw. Untauglichkeit von Spaßlyriktexten herauszuarbeiten und dementsprechend auch den einen oder anderen Übersetzungsvorschlag zur Debatte zu stellen.

1. Vorbemerkungen

Über Wert und Unwert literarischer Übersetzung wurde und wird allerortens munter gestritten. Ohne hier tiefer in diese Debatten eingreifen zu wollen, lässt sich indes mit dem zeitgemäßen Begriff der Interkulturellen Kommunikation ein wesentlicher, überindividueller Vorzug dieser polemischen Aktivität hervorheben: Besagte Völkerverständigung würde nämlich ohne übersetzerische Tätigkeit nur noch als Marginalie stattfinden. Gemäßigte Übersetzungskritiker würden an dieser Stelle einlenken und für den Prosabereich eine Freigabe erteilen und diese gegebenenfalls noch eingeschränkt auf lyrische Erzeugnisse ausdehnen, aber komische Lyrik? – Da hört der Spaß auf! Die Einwände liegen auf der Hand und klingen auf den ersten Blick auch einleuchtend: Während im Prosa- wie im “ernsten” Lyrikbereich davon auszugehen ist, dass die darin verarbeiteten Themen, Gefühle, etc. zumindest auch in zwar anderssprachigen abernicht komplett fernen Kulturen über affine sprachliche Ausdrucksmittel verfügen, die sich mit etwas Geschick häufig, nicht immer, auch in formale Äquivalenzen bringen lassen, scheint der Bereich der Spaßlyrik derartig untrennbar mit den idiomatischen Bedingungen der Ausgangssprache verwoben zu sein, dass entweder Form oder Inhalt beim Übersetzen verloren gehen. Oft ist es wohl sogar so, dass das Unterdrücken eines Kriteriums das andere gleich mitliquidiert.[1] Also besser gleich davon Abstand nehmen? Heroischer Verzicht soll manchmal nobler sein als kleinkarierte Insistenz. Wenn nicht damit allerhand auf dem Spiel stünde, wie Robert Gernhardt, selbst einer der größten Vertreter des Genres in der jüngeren Vergangenheit, in seinem mit Zehrer gemeinsam herausgegebenen Sammelband zu500 Jahren deutscher Spaßlyrik zu Bedenken gibt (Gernhardt/Zehrer, 2004: 14). Er spricht gleich von einem “deutschen Sonderweg zur Hochkomik”, “geeignet”:

… den düsteren Vorwurf fehlender deutscher epischer oder dramatischer Komik zu überstrahlen und das finstere Bild vom humorlosen, ja zum Humor unfähigen Deutschen […] für alle Zeiten aufzuhellen.

Der Deutsche ein humorloser Klotz – fürwahr ein ernster Affront, dem man eigentlich nur durch Spaß begegnen kann. Wenn den allerdings keiner versteht, dann hilft wohl doch nur übersetzen. Aber wie? Die scheinbare Absolution Kollers (1992: 178) kann uns nicht wirklich trösten:

In gleicher Weise, wie das Verstehen eines Textes nie absolut sein kann, sondern immer nur relativ und veränderlich, ist auch die Übersetzbarkeit eines Textes immer relativ.”

[...]


[1] Wenn wir an späterer Stelle die zwangsläufig interlineale spanische Deglossierung von Erhardts “Kabeljau” betrachten, so stellt sich in der Tat die Frage, was daran witzig sein soll.

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Details

Titel
Die Übersetzung deutscher Spasslyrik ins Spanische
Untertitel
Kriterien bei der Textauswahl für eine aussagefähige Anthologiebildung
Veranstaltung
Hispanistik/Germanistik
Autor
Jahr
2013
Seiten
12
Katalognummer
V233045
ISBN (eBook)
9783656496564
ISBN (Buch)
9783656497332
Dateigröße
500 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Printversion eines Vortrags anlässlich des Internationalen Übersetzerkongresses in Trujillo/Spanien 2012
Schlagworte
übersetzung, spasslyrik, spanische, kriterien, textauswahl, anthologiebildung
Arbeit zitieren
Doktor Kurt Rüdinger (Autor:in), 2013, Die Übersetzung deutscher Spasslyrik ins Spanische, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233045

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