Auslaufmodell Heim

Innovative Ansätze zwischen ambulanter und stationärer Pflege


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche Grundlagen
2.1 Ambulantisierung
2.2 Deinstitutionalisierung

3 Innovative Lösungsansätze der Deinstitutionalisierung von Pflegeheimen
3.1 Ambulantisierung der Heime
3.2 Umprofessionalisierung und veränderte Strukturen
3.3 Diverse Wohnformen

4 Kritische Betrachtung der Lösungsansätze

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Partner und Engagementformen

Abbildung 2: Öffnung zum Sozialraum

1 Einleitung

Die gesellschaftliche und demographische Entwicklung verdeutlicht, dass eine Weiterentwicklung neuer Wohnalternativen für ältere Menschen notwendig ist (vgl. Renner 2006, S. 5).

Die bis heute typischen Altenheime sind aus der Institution der früheren Siechenheime entstanden. Der Staat beziehungsweise vielmehr die Kirche übernahm das Helfen und Pflegen der Bedürftigen. In diesen kirchlichen Einrichtungen standen als Pflegepersonal Nonnen und Diakonissinnen zur Verfügung.

Im Zuge der Institutionalisierung und Ökonomisierung übernahmen diese Aufgabe speziell ausgebildete Pfleger, sogenannte Profis. Mit Veränderung der Demographie und somit einer Zunahme des Anteils der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung ist diese Aufgabe der Pflege einem Veränderungsprozess unterzogen. Dieses zukunftsfähige Helfen stellt einen Profi - Bürger - Mix dar. Dies bedeutet eine nicht profizentrierte Sicht, sondern eine bürgerzentrierte Sicht, ähnlich wie vor 100 Jahren. Das fordert ein Umdenken in der Gesellschaft (vgl. Dörner 2007 S. 8 f.).

Vor diesem Hintergrund müssen Angebote sich nicht nur den sich verändernden Wohnbedürfnissen anpassen, sondern müssen auch die gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Veränderungen beachten. Der Bedarf an Hilfe im Alltag und auch das Risiko pflegebedürftig zu werden, steigt mit zunehmendem Alter. Um auch die Lebensqualität im höheren Lebensalter aufrechtzuerhalten, kommt dem Wohnumfeld des Menschen eine zentrale Bedeutung zu. Durch die im höheren Lebensjahr einhergehenden körperlichen und geistigen sowie seelischen Veränderungen bedarf es einer Anpassung des Wohnumfeldes, um der individuellen Bewegungs- und Gestaltungsfreiheit der älteren Menschen gerecht zu werden. Neben den traditionellen Wohnformen wie beispielsweise Altenheime, Altenwohnheime oder Pflegeheime, entwickelt sich mehr und mehr eine differenzierte neue häusliche Ambulantisierung der Wohnformen. Hinzu kommt, dass das familiale Pflegepotenzial aufgrund der niedrigen Geburtenrate, der erhöhten Mobilität und der zunehmenden Berufstätigkeit der Frau sowie aufgrund von Scheidungen und Trennungen abnehmen wird. Deshalb werden an die Versorgungssysteme immer größere Anforderungen gestellt, da gleichzeitig die Solidargemeinschaft immer kleiner wird (vgl. Renner 2006, S. 5 f.).

Akteure aus den Bereichen der Kommunalpolitik, des Gesundheitswesens und der Wohnungspolitik müssen sich auf die veränderten Bedingungen einstellen und Alternativen zum traditionellen Wohn - und Betreuungsangebot im Heim ausbauen, wenn die Zahl der älteren hilfe- und pflegebedürftigen Menschen steigt und gleichzeitig die familialen Netzwerke jedoch zurückgehen. In den letzten Jahren entstanden zahlreiche neue Wohnformen für ältere Menschen als Reaktion auf die gesellschaftlichen Veränderungen (vgl. ebd., S.7). Ziel der vorliegenden Hausarbeit ist es, die Vielfalt der neuen alternativen Wohnformen darzustellen und innovative Ansätze zwischen ambulanter und stationärer Pflege aufzuzeigen. Im ersten Kapitel werden zunächst die begrifflichen Grundlagen erläutert. Es folgt im zweiten Kapitel die Vorstellung der innovativen Lösungsansätze der Deinstitutionalisierung von Pflegeheimen. Dabei werden auf die Formen der Ambulantisierung, Umprofessionalisierung und anderen diverse Wohnformen eingegangen. Nachdem im Kapitel vier eine kritische Auseinandersetzung mit den Lösungsansätzen erfolgt, wird im letzen Kapitel ein Fazit gezogen und ein Ausblick der dargestellten Thematik gegeben.

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text die männliche Sprachform gewählt. Es sind jedoch stets beide Geschlechter gemeint.

2 Begriffliche Grundlagen

In der aktuellen fachlichen Literatur gibt es keine klare bzw. einheitliche Definition von „Ambulantisierung“ und „Deinstitutionalisierung“. Deshalb werden in der vorliegenden Ausarbeitung für das weitere Verständnis zunächst die Begriffe Ambulantisierung und Deinstitutionalisierung näher bestimmt.

2.1 Ambulantisierung

Der Begriff der Ambulantisierung bezeichnet einen Prozess der Auslagerung sozialer und gesundheitlicher Versorgungsleistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich. Das bedeutet, dass es vorrangig um eine Akzentverschiebung in Richtung ambulanter Versorgung im Gesundheitswesen und in der Pflege geht (vgl. Schaeffer, Ewers 2001, S. 13).

2.2 Deinstitutionalisierung

Der Begriff der Deinstitutionalisierung ist nach der Auffassung von Dörner (2006) mit einer Umprofessionalisierung gleich zu setzten. Allerdings sieht Dörner keine Entprofessionalisierung, sondern eine Deinstitutionalisierung, die in zwei Komplexe gegliedert ist. Zum einen die Umprofessionalisierung der Pflegenden und zum anderen die Umprofessionalisierung der Ärzte (vgl. Dörner 2007 S. 169 ff.).

Dörner schreibt „das Heim in die Wohnung holen […] nicht mehr den Menschen zur Hilfe, sondern wieder Hilfe zum Menschen bringen.“ (vgl. ebd., S. 36). Hilfe ist somit im Sozialraum, in der Kommune, im Quartier zu leisten. Die Deinstituitionalisierung ist nicht auf höherer Ebene, sondern in der Nachbarschaft anzutreffen (vgl. ebd., S.173).

3 Innovative Lösungsansätze der Deinstitutionalisierung von Pflegeheimen

Der Anteil der hochaltrigen Menschen wird zwar, und das ist unbestritten, in naher Zukunft steigen, jedoch ist damit nicht automatisch verbunden, dass die hochaltrigen Menschen auch mehr Pflege benötigen. Der zusätzliche Bau von Heimen ist also nicht zwangsläufig erforderlich. Es bedarf vielmehr eines breit ausdifferenzierten Angebotsspektrums vom altersgerechten Individualwohnen in den eigenen vier Wänden bis hin zu diversen Formen des Gruppenwohnens (vgl. Wallrafen-Dreisow 2006, S. 24). Diese Thematik wird im folgenden Kapitel aufgegriffen und näher beschrieben.

Im Zeitverlauf durchläuft eine Person in ihrem Alterungsprozess in der Regel mehrere Versorgungsstationen. Zunächst werden ältere Menschen im Privathaushalt durch Angehörige versorgt. Sobald die dortigen Ressourcen erschöpft sind, steht häufig ein Heimeinzug an. Allerdings hat sich der Heimeintritt in den letzten Jahren kontinuierlich nach hinten verschoben. Aus diesem Grund weisen Heime eine Bewohnerstruktur mit einem sehr hohen Eintrittsalter und hohen Betreuungsbedarf auf (vgl. Hämel 2010, S. 2). Somit kommt es in den Institutionen zu einer Verdichtung der Problemlagen. Es besteht eine Tendenz für Heime zu „Sterbehäusern“ zu werden, da viele Bewohner nur noch wenige Monate vor ihrem Tod verweilen (vgl. Alber, Schöllkopf 1999, S. 114). Aufgrund der wachsenden Bedeutung dementer Erkrankungen sind Heime jedoch auf dauerhafte Wohnalternativen angewiesen (vgl. Hämel 2010, S. 2).

Die Ambulantisierung von Heimen bedeutet nicht gleich das „Aus“ für diese Art von stationären Einrichtungen. Vielmehr bietet dieser Trend für Heime neue Chancen für eine konsequente Neuausrichtung. Hier besteht die Notwendigkeit für Heime sich in ein vernetztes System aus Gesundheits- und Pflegeleistungen zu integrieren. Dazu müssen Heime jedoch vorerst von den Konzepten der ambulanten Leistungserbringern lernen und sich deren Organisationsstrukturen zu Eigen machen, welches ebenso eine Verbesserung der Lebensqualität der Bewohner und deren Angehörigen mit sich bringt. Daher sollte eine Ambulantisierung der Pflege von Heimen in Richtung flexibler pflegerischer Versorgungszentren genutzt werden. Dies bedeutet eine Neustrukturierung der Aufgabenfelder und Geschäftsbereiche einer vollstationären Einrichtung (vgl. Gennrich 2006, S. 16).

Es besteht der Wunsch von älteren Menschen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu verbleiben und dort zu sterben und nicht im Heim oder im Krankenhaus. Dies gelingt jedoch nur 30% der Betroffenen. Der Gedanke der älteren Menschen, der jüngeren Generation nicht zur Last fallen zu wollen, birgt in sich, dass die Mehrheit dennoch in ein Heim einzieht. Der Heimeintritt geht mit einer Ausgrenzung und „Unsichtbarmachung“ des Alterns und Sterbens einher (vgl. Dörner 2007, S. 7). Das bedeutet, dass durch die Institution Heim die Menschen „nach ihrer zeitgemäßen Brauchbarkeit sortiert und lebenslänglich unsichtbar“ sind und dadurch das Altern und Sterben der alten Generation für die Gesellschaft nicht sichtbar wird (vgl. ebd., S. 24.) Um einer „Unsichtbarmachung“ entgegenzuwirken werden gemeinsam mit öffentlichen Einrichtungen, wie beispielsweise Wohnbaugesellschaften, Angebote entwickelt, einen Generationendialog herzustellen (vgl. Hämel 2010, S. 303).

Es ist also keine Neuerkenntnis, dass es für die Zukunft der stationären Pflege bedeutsam ist, sich den häuslichen Bedingungen anzupassen. Die Entwicklung verläuft dahingehend, dass die traditionellen Strukturen in Altenpflegeheime langfristig abgeschafft bzw. modernisiert oder in Häuser des Wohnens mit Serviceleistungen umgewandelt werden müssen. „Das Altenpflegeheim der Zukunft ist ein Haus des selbstbestimmten Wohnens mit wählbarer Pflege“, so Wallrafen-Dreisow (2006). Dabei geht es nicht primär darum Altenheime abzureißen oder komplett umzubauen. Vielmehr sollten Veränderungsprozesse neue Wohn- und Arbeitsformen schaffen (vgl. Wallrafen-Dreisow 2006, S. 22). Klassische Heime würden dann nur für Spezialfälle wie Wachkomapatienten existieren (vgl. Schrader 2006, S. 21). Motive, die dafür sprechen die alten Heimstrukturen zu durchbrechen, sind Aspekte, die eine Verbesserung des Wohlbefindens für die Bewohner, eine Normalisierung und Alltagsorientierung des Lebens im Heim sowie eine Öffnung der Einrichtung in das Gemeinwesen und somit auch ein positives Image beinhalten (vgl. Hämel 2010, S. 313).

Unter „Öffnung“ von Institutionen ist eine Öffnung der professioneller Hilfesysteme dahingehend zu verstehen, dass diese bereit sind, Leistungsbeiträge von engagierten Bürgern, von Angehörigen und von Familienmitgliedern anzunehmen (vgl. ebd., S. 309). Ein Beispiel für eine Ambulantisierung bzw. Öffnung von Heimen wäre die Übernahme der Versorgung der Heimbewohner durch einen kooperierenden Pflegedienst, sodass nur noch die Leitungskräfte stationsintern angestellt sind (vgl. Schrader 2006, S.19).

3.1 Ambulantisierung der Heime

Für die Zukunft der Heime ist es notwendig, die Leistungserbringungsstrukturen zu hinterfragen. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass dem Prinzip ambulant vor stationär nur Rechnung getragen wird aufgrund ökonomischer Vorteile. Eine ausschließliche ökonomische Orientierung der Umsetzung des Grundsatzes ambulant vor stationär ist hier also fehl am Platz und wäre kontraproduktiv. Ambulant ist nicht in jedem Fall günstiger. Es kommt auf die Höhe des Pflegebedarfs an. Vor allem, wenn die familiale Unterstützung nicht verfügbar ist. Bei einer vergleichbaren Heimpflege wären durch den Zukauf notwendiger Betreuungs- und Pflegeleistungen die Kosten schnell überschritten (vgl. Gennrich 2006, S. 16).

Die in den Einrichtungen relevante Wirtschaftlichkeit sollte jedoch keinesfalls überbewertet werden. Dennoch ist es wichtig, das Heim als Wirtschaftsbetrieb anzusehen und eine sozialunternehmerische Orientierung zu stärken. Daher ist es notwendig, unternehmerische Kompetenzen mit einer fachlich sozialen Leitungsebene zu vereinen und als eine zentrale Stelle des Hybridmodells anzusehen. Hybridmodell meint hier eine Art Mix aus sozialen und wirtschaftlichen Interessen. Um diese Vorstellung zu realisieren und um das Engagement zu stärken, könnten Anreize gesetzt werden, indem den Einrichtungen mehr Autonomie gewährt wird, wie beispielsweise ein frei verfügbareres Budget eigenständig sozialunternehmerisch einzusetzen (vgl. Hämel 2010, S. 300).

Allerdings sollte das Hauptaugenmerk dieser Arbeit nicht darin liegen die finanziellen Aspekte zu betrachten oder Ressourcen in den Einrichtungen vollständig darzustellen, sondern mögliche Ansätze, die mit einer Öffnung der Einrichtungen in den Sozialraum verbunden sind, aufzuzeigen.

Im Hinblick auf die Ambulantisierung der Heime ist eine Veränderung der Organisationsstruktur also zwangsläufig notwendig. Kritisch zu sehen sind vor allem die starren und anstaltsähnlichen Strukturen der Heime, die sich dahingehend kundenorientierter gestalten sollten. D.h. das Pflege und Betreuung an einer ambulanten Pflege ausgerichtet und organisiert werden sollte, sodass das Pflegeheim zum Wohnhaus für Pflegebedürftige wird, die Pflegedienstleistung zur Einsatzleistung für die Fachpflege und die sozialen Dienste der Verwaltung zum Alltagsbegleiter oder Casemanager der Bewohner werden. Demzufolge könnte eine Ambulantisierung bei der Veränderung von Organisationsstrukturen ansetzen und aus einer Anstalt ein barrierefreies Wohnhaus gestalten, bei dem die Bewohner rund um die Uhr betreut werden. Hierfür könnte der Träger Tochtergesellschaften gründen, um die ambulante Pflege im Heim zu erbringen oder aber auch außerhalb der Wohnanlage im häuslichen Umfeld. Bei einer derartigen Wohnanlage gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen ambulanter und vollstationärer Pflege (vgl. Gennrich 2006, S. 17). Im Interesse einer Ausdehnung neuer Marktsequenzen werden z.B. Geschäftspartnerschaften mit Wohnbaugesellschaften angestrebt, um gemeinsam unterschiedliche Modelle des „Betreuten Wohnens“ anzubieten.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Auslaufmodell Heim
Untertitel
Innovative Ansätze zwischen ambulanter und stationärer Pflege
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts- und Verbraucherforschung)
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
20
Katalognummer
V233079
ISBN (eBook)
9783656500407
ISBN (Buch)
9783656500605
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
auslaufmodell, heim, innovative, ansätze, pflege
Arbeit zitieren
M.sc Kira Knechtel (Autor:in), 2012, Auslaufmodell Heim, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233079

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