Fokalisierung und Narration in "Inglourious Basterds" (USA 2009, Regie: Q. Tarantino)

Analyse einer Szene


Hausarbeit, 2013

10 Seiten


Leseprobe


Inhalt

1 EINLEITUNG

2 ANALYSE
2.1 Das Kino
2.2 Die Macht

3 FAZIT/AUSBLICK

4 LITERATURVERZEICHNIS

Verzeichnis der szenenrelevanten Besetzung (Hauptrollen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In dieser Arbeit wird die 152. Szene, Kapitel Funf: „Revenge Of The Giant Face“ unter den Aspekten der Narration und Fokalisierung untersucht. Die Szene schlieEt die Strange der Auftrage der Figuren Donnie, Omar, Shosanna, Goebbels und Hitler. Sho- sanna Dreyfuss' Kino wird zur Premiere des Films ,,Stolz Der Nation“ zum Schauplatz der Rache und zum Ort des Untergangs der Antagonisten Goebbels und Hitler. Durch das Verriegeln des Kinosaals in vorherigen Szenen, entsteht aus narrativer Logik und aus theoretischer Sicht ein abgeschlossener Raum. Die Explosion dieses Schauplatzes wirkt symbolisch als Verbrennen des Propaganda-Kinos fur sich. In Anbetracht des historischen judischen Widerstandes und des inszenierten judischen Widerstand soll das Credo „Wie Schafe zur Schlachtbanku[1] als fiktive Offerte an den Zuschauer ver- standen werden. Die Konsequenz fur diese Filmanalyse soll in der Frage „Wie hat es der Regisseur getan?“ als Leitfrage fungieren.

Mit „es“ sei hier die Abstraktion des Tyrannenmordes als politischer Mord an Adolf Hitler bezeichnet.

Die Inszenierung durch die Regie wird als Prozess durch den Akteur Regisseur ver- standen. Da die Regie die Prozesse der Filmproduktion vereint, wirkt hiernach nur die­ser Akteur als Erzahler und ist nach Barthes tot[1] [2].

Die Unterschiede zwischen den Dialogen im Drehbuch[3] und denen im Film zeichnen die Szene auch im intermedialen Kontext als Schlusselszene aus.

Unter dem Apekt der Intermedialitat veroffentlichte der Hauptdarsteller Eli Roth den „Stolz Der Nation“ als eigenstandigen Kurzfilm[4]. Dieser Punkt soll weiter die Bedeu- tung der Szene und des Films im Film betonen.

2 Analyse

Die Analyse soil in der Ausdifferenzierung der Narration und der entsprechenden Nar- rativitat in unterschiedlichen Ebenen Ausdruck finden. Aus diesem Grund sind die Themen in Motive gegliedert.

Die Szene fuhrt Shosanna Dreyfuss' Kino selbes als abgeschlossene narrative Instanz ein. Machtstrukturen finden, soweit Uberschneidungen vorhanden sind, anhand ihrer historischen Bedeutung Darstellung und werden in ihrer raumlichen Referenz analy- siert. Das Ziel der Szene wird in der Betrachtungsweise des diegetischen Raumes Kino als Tyrannenmord und als Rache am deutschen Volk erzahlt. Das Kinopublikum wird als Reprasentation des deutschen Volkes im diegetischen Raum interpretiert. Folgen- des Goebbels-Zitat kann als Umkehrschluss und somit als Vorlage und Zusammenfas- sung der Szene betrachtet werden:

"Moge die helle Flamme unserer Begeisterung niemals zum Erloschen kommen. Sie allein gibt auch der schopferischen Kunst einer modernen politischen Propaganda Licht und Warme. Aus den Tiefen des Volkes stieg sie empor und zu den Tiefen des Volkes muss sie immer wieder hernieder steigen, um dort ihre Wurzeln zu suchen und ihre Kraft zu finden. Es mag gut sein, Macht zu besitzen, die auf Gewehren ruht, besser aber und begluckender ist es, das Herz eines Volkes zu gewinnen und es auch zu behalten."[5]

Wobei in diesem Falle der Regisseur - als der Schopfer von Unterhaltung - „es“ durch das Medium Film tut.

2.1 Das Kino

Shosanna Dreyfuss' Kino zeichnet sich durch ein historisch anmutendes Setting aus. Durch die Halbnahen auf Omar und Donnie wird neben der Kinotoilette das Kino als stilvoller Raum etabliert. Die schnellen Schusse lassen kurze Blicke auf einen Wasser- flacons zu, die so einen zeitlos schonen Charakter ausbilden, obgleich es nur eine Toi­lette ist. Die anschlieftende Fahrt in der Halbnahen auf Donnie etabliert ihn im Raum als Kellner im Smoking, der gemaft der Etikette von der Toilette zur Loge schreitet. Im zwischenliegenden faden, grauen Gang, dekoriert mit Samtkordeln und messingbesetz- ten Wandleuchtern zeichnet sich dieser durch Donnie als etwas Anmutiges aus. Donnie wird so als mogliches Element fruher Pariser Kinos zu einem Theater-ahnlichen Die- ner des Kinos an sich etabliert.

In der Amerikanischen auf Donnie vor Hitlers Loge wirkt der Gang des Kinos mit den roten Rosen auf dem Barocktisch zur Linken und den uniformierten Naziwachtern zur rechten in dieser Gegenuberstellung von den Soldaten besetzt und nahezu korrumpiert. Nachdem Omar das Soldatenblut beim Attentat am Turrahmen verspritzte, folgt nach einem Schnitt die Totale auf den Kinosaal.

Die Leinwand und der Schwarz-Weift-Film sind das Zentrum der Totalen und lassen die Kamera in projektornaher Erhohung uber dem Publikum vermuten. Es scheint ge- radezu, dass eine solche Vermutung die Kamera selbst zum Projektor werden lasst und betont das Intermediale. Der rote Teppich, die Swastika-Banner und die samtenen Lo- genbanner mit goldenen Hakenkreuzen lassen das premierentypische Rot des Besonde- ren zu einer Ubermacht des Blutroten ermatten.

Die Halbtotale auf die Leinwand lasst den roten Vorhang als Rahmen derer erscheinen. ,,Inglorious Basterds“ als Kinofilm betrachtet, spielt so mit dem Moment des Kinos im Kino. Der auch in modernen Kinos ubliche Vorhang konnte so mit dem Vorhang in diesem historisch anmutenden Kino verschmelzen.

Die Halbnahe auf Goebbels und Hitler etabliert hintergrundig erstmals das Licht des Projektors. In dem Wechsel der ursprungs- und wirkraumlosen Lichtstrahlen des Pro- jektors wird die Ganze des Lichtspielhauses verschleiert. Weiterhin zeichnet sich die Position der Antagonisten in Projektornahe im Unterschied zur Totalen als Trennung zwischen Loge und Parkett historisierend fur Kinogeschichte aus.

Die vor dem Schnitt etablierten Lichtstrahlen lassen in der Halbtotalen nun ihren Fo- kus als zentrales Weift im goldenen Schnitt des Bildes erkennen. In den dunkleren Be- reichen des Bildes sind erneut zwei Swastikabanner als Rahmen der beiden Fenster zum Projektorraum erkennbar. Das zweite Fenster lasst eben dort eine zweite Licht- quelle und somit eine zweite Filmquelle vermuten.

Ein Detail auf den Projektor ruckt nun den Blick in der Abfolge von Saal, Leinwand, Lichtstrahlen zur Quelle und Ursache des Kinos vor: zum Material, das in der Ge- schwindigkeit der starren Bilder in Ruckwirkung ein Bewegtbild erscheinen lasst.

Die sanfte Fahrt, in einer aufsichtigen Totalen auf den Projektorraum, fuhrt den Projek­tor als einzig bewegtes Element in die Wahrnehmung und lassen neben den Leichen den Projektor, somit das Kino, als das einzig Unsterbliche erscheinen.

Ein Schuss durch das Projektorfenster lasst einen Blick auf die Leinwand zu und zeigt den Ursprung des groften Bildes im Raum hinter dem kleinen Fenster.

Eine Totale der Leinwand, auf der Shosannas Gesicht monstros lacht, zeigt die gebann- ten Kopfe des Publikums nahe dem unteren Bildrand. Mit einer eingefugten Einstel- lung auf Goebbels sind wir wieder naher am Gesicht von Shosanna. Die Leinwand des Kinos wirkt im Trubel der Menge grofter als zuvor. Im weiteren Wechsel mit Schussen auf Goebbels, Hitler und das Publikum, erscheint, dass das Detail auf die Leinwand, durch die erkennbare Kornung, die Grofte des Bildes entzaubert. Der Gegenschuss im entgegengesetzten Kamerawinkel zeigt einen geheimnisvollen Raum hinter der Lein­wand. Die Leinwand trennt somit den Kinosaal als den Raum der Erwartung des Publi­kums und einen Schattenraum ohne Nazisymbolik. Auch hier wirkt das Filmmatrial, selbes am unteren Bildrand in der Overshoulder erkennbar ist, als basales Element des Raums.

Die Ambivalenz des strukturierten, geordneten Abrollens des Materials im Projektor­raum und des chaotischen Haufens des Materials, der entzundet wird, lenkt den Fokus der Wahrnehmung nahezu automatisch auf die Trennung der Raume durch die Lein­wand. In der Entzundung derer, besiegt die Flamme erst die Leinwand, dann den Vor- hang, die Banner, und im Rauch den gesamten Saal. Der Raum Kino ist innerhalb der Szene in Ganze der Herrschaft der Leinwand uber Licht und Feuer, uber Leben und Untergang symbolisch untergeordnet. In Folge dessen wird, bis zum Ende der Szene, das Kino dekonstruiert. Das Publikum wird niedergeschossen und verschwindet. Das Licht aus dem Projektor verzieht sich im Rauch zur Grimasse. Schlussendlich wird al- les Licht geloscht und keine Letter vom ,,Stolz Der Nation“ wird in der Totalen/Auften von Shosannas Kino, erkennbar sein.

2.2 Die Macht

Unter diesem Punkt soil weitestgehend auf die Analyse der Einstellungen und Kame- rafahrten verzichtet werden, um Macht als Motiv bewegungsunabhangig und von der jeweiligen raumlichen Verortung und von der Wandlung der Positionen der Macht zu betrachten.

Es wird von Macht im auftermoralischen Sinne ausgegangen und mit Nietzsches „Kraft gegen Kraft“(zit. n. Kornig 1999:145) verstanden werden. Die Verortung der Macht soll an den physikalischen Veranderungsmoglichkeiten der Figuren analysiert werden. Macht heiftt im Kino Macht uber das Publikum. Hier ist der Akteur des Regis- seurs innerhalb des Films als Bestimmer der Erzahlzeit wohl auch der Machtigste. Im Fall dieser Szene auftern sich die Machtverhaltnisse in der Trennung zwischen Loge und Parkett, bewaffnete Figur und Unbewaffnete, Nazi und Jude, aber eben auch als Machtiger uber Licht oder Flamme. Unter dem Aspekt der Intermedialitat wird die Machtposition in der Szene auch uber die Grenzen der Leinwand von Shosannas Kino hinweg relevant.

Es werden die Figurenverhaltnisse zweier Rollenpaare ausdifferenziert, da sie in ihrer Ambivalenz als Handlungstrager respektive Fokalisatoren eingefuhrt werden. Erst als Paare erhalten sie intersubjektive Qualitat.

So werden Goebbels und Hitler in Projektornahe als Kontrolleure des Lichts furs Pu­blikum erzahlt, da ihre erhobenen Logenplatze durch zwei bewaffnete Soldaten ge- schutzt werden. Ihre Position im Saal fungiert als Erscheinung der Kontrolle Publi­kum. Die figurliche Einheit wird durch die Uniform unterstutzt.

Ahnlich verhalt es sich bei Donnie und Omar, deren Smokings eine dem Uniformier- ten entgegengesetzte Form geben. Mit dem Wandel der Bewaffnung, zu Beginn ver- steckte Assasinpistolen, beim wahllosen Abschuss des Publikums dann die Maschinen- gewehre, wandelt sich auch ihre Position vom gezielten Attentater, zum wahnsinnigen Morder. Unterstutzt werden diese Momente durch eine entschleunigte Einstellung von Omars Attacke auf den Soldaten, selbe im Unterschied zu den anderen Einstellungen der Szene mit Musik unterlegt ist. Donnies Hinrichtungen vom Logenplatz zeigen dem Zuschauer eine weitere entschleunigte Einstellung, die ausschlieftlich die Maschinen- gewehrsalven wahrnehmen lasst.

Die besonderen Machtpositionen liegen in den Gegensatzen aus Mann und Frau, hell- und dunkelhautig, die sich aus Rache und Liebe fur den Martyrertod und das Verges-

sen entscheiden. Wir erkennen in oben genannter Einstellung im Projektorraum, dass Shosanna bereits tot neben Frederick Zoller liegt, mit den Worten an Marcel „Burn it down“, die im Kinosaal zu horen sind, bleibt mit dem Fall der Zigarette Marcels Schicksal als einziges Schicksal im Dunkeln. Wenn selbst brennende Opfer aus den Fenstern des Kinos fallen, so kann man nur annehmen, dass Marcel einen Notausgang genutzt hat oder sich doch fur den Freitod aus Liebe entschied.

3 Fazit I Ausblick

Der Regisseur nimmt die filmimmanente Position der Macht uber den filmischen Raum und die Zeit ein und bannt den Zuschauer in ein fiktionales Geschehen.

Die Resonanz des Zitats „Schafe zur Schlachtbank“ kann im Falle der „Inglourious Basterds“ keinen Widerhall finden. Der Ursprung von Shosannas Racheakt ist in der ersten Szene des Films gezeichnet. So konnte das Credo der Figur in Verbindung mit dem Credo des realen judischen Widerstandes und Hans Landas „Ratten“-Analogie wie folgt lauten: Wie Ratten im Kino.

4 Literaturverzeichnis

Primarquellen

Kornig, Stephan. 1999. Perspektivitat und Unbestimmtheit in Nietzsches Lehre vom Widen zur Macht: eine vergleichende Studie zu Hegel, Nietzsche und Luhmann. Tubingen [u.a.]: Francke

[...]


[1] Vgl. Link: http://books.google.de/books?id=DHaziny_uJAC&pg=PA76#v=onepage&q&f=true (07.04.2013, 18:27 Uhr)

[2] Vgl. Link: http://www.teaching.schule.at/kulturpaedagogik/Downloads/laengsschnitte_09/Barthes_Tod_Autor- s.PDF, S. 6 (07.04., 20:05): Im Verhaltnis von Autor als schreibendes Ich, soll der Regisseur als in- szenierendes Ich verglichen werden.

[3] Vgl. Link: http://www.mediafire.com/download.php?oue65fjz34ogm4y, S. 154 (es wird darum ge- beten, auf „Download“ zu klicken, da eine genaue URL nicht eruiert werden konnte, 07.04.2013, 18:33 Uhr)

[4] Link: http://wiki.tarantino.info/index.php/Stolz_der_Nation (08.04., 11:39 Uhr)

[5] Vgl. Link: http://youtu.be/dSieDHOhuWQ (07.04.2013, 23:08)

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Details

Titel
Fokalisierung und Narration in "Inglourious Basterds" (USA 2009, Regie: Q. Tarantino)
Untertitel
Analyse einer Szene
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar  (Fakultät Medien)
Veranstaltung
Seminar
Autor
Jahr
2013
Seiten
10
Katalognummer
V233300
ISBN (eBook)
9783656500384
ISBN (Buch)
9783656501701
Dateigröße
395 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fokalisierung, narration, inglourious, basterds, regie, tarantino, analyse, szene
Arbeit zitieren
Michael Krämer (Autor:in), 2013, Fokalisierung und Narration in "Inglourious Basterds" (USA 2009, Regie: Q. Tarantino), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233300

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