Je länger eine Auseinandersetzung dauert, desto experimenteller scheinen die Mittel
zu sein, derer man sich bedient, um den Sieg davonzutragen. Sind die eigenen militärischen
Mittel zu groß, um gänzlich unterzugehen, aber auch zu klein, um den Streit zu seinen
Gunsten zu entscheiden, kommt eine heilige Jungfrau, eine Magd Gottes, ein
Bauernmädchen mit religiösen Offenbarungen gerade recht, um die Frage zu klären, wer
der legitime Herrscher Frankreichs sei. Ganz so aussichtslos oder absurd, wie es für heutige
Ohren klingt, war dies im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, zu jener Zeit, als Jeanne
d´Arc ihrem König, Karl VII. von Frankreich, zu Hilfe kam, nicht. In einer Zeit, in der
Könige als geheiligte Personen angesehen wurden1 und ihre Wundertätigkeit
gewissermaßen eine „Erfahrungstatsache“ war2, konnte jemand, der direkten Kontakt mit
Engeln, mit der Heiligen Katharina, der Heiligen Margarete und dem Heiligen Michael
hatte, ein entscheidender Trumpf sein – insbesondere dann, wenn es gelang dieses Kontakt
kirchlich feststellen und anerkennen zu lassen. Dass dies freilich kein leichtes Unterfangen
war angesichts der machtpolitischen Konstellationen und Konflikte auch innerhalb der
Kirche, die ja keineswegs als monolithischer Block vorzustellen ist, liegt auf der Hand.
Wenn in dieser Arbeit das mittelalterliche Königtum und Jeanne d´Arc thematisiert
werden, wenn also Politik und Religion, Herrschaft und Heiligkeit, Macht und
Wundertätigkeit zur Darstellung kommen, so ist dies dem Umstand geschuldet, dass in der
symbolischen Dimension eine im weiteren Verlauf zu präzisierende Auffassung der
höchsten politischen Gewalt ihren Ausdruck findet.3 Auch die sich um Jeanne d´Arc
entfaltende Geschichte gehört in jenen „Fundus halb religiöser, halb politischer Lehren“4,
von dem Marc Bloch in Bezug auf das mittelalterliche Königtum spricht.
1 Bloch, Marc: Die wundertätigen Könige, München 1998, S. 199: „Aber die Könige waren keine Menschen
wie alle anderen; sie galten als geheiligte Wesen“.
2 Ebd., S. 55, vgl. dazu: ebd., S. 59: „[...] und die Idee des wundertätigen und geheiligten Königtums war in
ganz Westeuropa verbreitet“.
3 Ebd., S. 87.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Jeanne d'Arc und das mittelalterliche Königtum
- Quellen und Literatur
- Aufbau der Arbeit
- Umkämpfte Legitimität: Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg
- Jeannes „Mission“: Die Herstellung der Legitimität Karls VII.
- Die ,,Religion von Reims“: Die Säulen der Legitimität
- Die Wiederherstellung des Königreichs Frankreich
- Die (nationale?) Stoßrichtung gegen England
- Die Krönung und Salbung des Dauphin in Reims
- Dauphin
- Reims
- Krönung und Salbung
- Der legitime König: Königliches Blut und die Dynastie
- Die Prozesse der Jeanne d'Arc: Verhandlungen über königliche Legitimität und semantische Pflege königlicher Herrschaft
- Heilige und wunderbare Zeichen: Die Manifestation von Legitimität
- Legitimität im Spannungsfeld politisch-religiöser Prozesse
- Die Prozesse der Jeanne d'Arc
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Rolle Jeanne d'Arcs in der Herstellung der Legitimität Karls VII. von Frankreich im Kontext des Hundertjährigen Krieges. Sie untersucht, wie Jeanne d'Arcs Auftreten und Handeln auf mittelalterliche Vorstellungen von Königtum und Heiligkeit Bezug nahmen und welche Bedeutung diese für die Durchsetzung der Herrschaft des französischen Königs hatten.
- Das mittelalterliche Königtum als mystischer Leib und politischer Körper
- Die Legitimität von Herrschaft im Spätmittelalter
- Die Rolle Jeanne d'Arcs in der Herstellung der Legitimität Karls VII.
- Die Bedeutung der Religion von Reims für das französische Königtum
- Die Prozesse der Jeanne d'Arc als Spiegelbild des Spannungsverhältnisses zwischen politischer und religiöser Macht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentrale Frage der Arbeit vor: Inwiefern trug Jeanne d'Arc zur Herstellung der Legitimität Karls VII. von Frankreich bei? Sie definiert den historischen Kontext, skizziert die wichtigsten Quellen und den Aufbau der Arbeit. Kapitel II behandelt den Konflikt zwischen Frankreich und England im Hundertjährigen Krieg. Kapitel III rekonstruiert Jeannes „Mission“, die sie als Versuch darstellte, die Legitimität Karls VII. zu erlangen. Das Kernstück der Arbeit bildet Kapitel IV, das sich mit der „Religion von Reims“ befasst. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Säulen der Legitimität mittelalterlicher Könige analysiert, darunter die besondere Bedeutung des Königreichs Frankreich, die nationale Stoßrichtung gegen England, die Krönung und Salbung in Reims, die Bedeutung der Dynastie und die Rolle von Wundern und heiligen Zeichen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit dem mittelalterlichen Königtum, der Legitimität von Herrschaft, Jeanne d'Arc, dem Hundertjährigen Krieg, der Religion von Reims, der Krönung und Salbung in Reims, dem französischen Königtum und den Prozessen der Jeanne d'Arc.
- Quote paper
- Timo Luks (Author), 2002, Jeanne d' Arc und das mittelalterliche Königtum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23377