In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich in Europa eine zunehmend stärker
werdende Tendenz, die innereuropäischen Handelshemmnisse in vielen Bereichen des
Wirtschaftslebens abzubauen, um einerseits einen für alle EU- Länder zugänglicheren
gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen und andererseits den Handelsblöcken USA und Asien
wirksamer wirtschaftlich entgegentreten zu können.
Um die Öffnung des gemeinsamen Marktes durch eine wettbewerbsfördernde
Wirtschaftspolitik auch großen mitgliedsstaatlichen Kapitalgesellschaften zugute kommen zu
lassen, verabschiedete die EU am 08.10.2001 die Verordnung (EG) 2157/20011 zur
Schaffung der Rechtsform einer Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Diese Verordnung,
deren Erlass bereits seit 1959 immer wieder angeregt und diskutiert wurde2, soll es nunmehr
kapitalstarken und international ausgerichteten Gesellschaften ermöglichen, ihr
Wirtschaftspotential durch Konzentrations- und Fusionsmaßnahmen länderübergreifend
zusammenzufassen3. Die genaue und detaillierte Kodifizierung der notwendigen rechtlichen
Rahmenbedingungen, vergleichbar einem europäischen Aktienrecht, wurde allerdings im
Verhandlungszeitraum der letzten Jahrzehnte zunehmend abgelehnt, was ein gegenüber den
ersten Entwürfen zur SE-VO im Umfang erheblich geschmälertes Regelwerk zur
Konsequenz hatte. Viele Bereiche des Aktienrechts der SE blieben ungeregelt bzw. wurden
durch Verweise auf die in den jeweiligen Mitgliedsstaaten geltenden Rechtsnormen versucht
abzudecken. Inwieweit dies gelungen ist und in welchen Bereichen europäischer legislativer
Handlungsbedarf besteht, wird sich erst mit den ersten SE-Gründungen bis ins Detail zeigen.
Die vorliegende Arbeit versucht, einen Teilbereich der SE-VO daraufhin zu beleuchten, wie
und nach welchen Vorschriften bestimmte Unternehmensentwicklungen rechtlich zu
behandeln sind und in welchen Punkten gesetzgeberischer Ausfüllungsbedarf besteht.
Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist daher der kaum durch die SE-VO geregelte
Bereich der Beendigung und Umwandlung der SE. Entgegen früherer Entwürfe zur SE-VO
(etwa dem Verordnungsvorschlag von 1991, der ausführliche Vorschriften in den Art. 115 –
130 SE-VOV 1991 vorsah) enthält die aktuelle Fassung nur wenige Bestimmungen, wie in
den genannten Fällen zu verfahren ist;[...]
1 Abgedruckt im Abl.EU, L 294/1, 2001.
2 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rn. 392, m. w. N.
3 Vgl. Abs. II der Einführung zur Verordnung, a.a.O.
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Literaturverzeichnis
- Einleitung
- Die Verweisung auf nationales Recht als Ausgangsproblem der Art. 63 ff SE-VO
- Die Insolvenz der SE
- Bestimmung der maßgeblichen Rechtsvorschriften
- Die Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens, Art. 63 SE-VO, §§ 17 ff InsO
- Rechtsfolgen
- Die zwingende flankierende Vorschrift des Art. 13 SE-VO
- Die Auflösung der SE
- Die ausdrücklichen Auflösungsgründe nach Art. 63f. SE-VO
- Weitere wichtige Auflösungsgründe
- Beschluss der Hauptversammlung
- Insolvenz als Auflösungsgrund, § 262 I Nr. 3 AktG
- Zeitablauf, § 262 I Nr. 1 AktG
- Nichtigkeitsklage, § 275 AktG; Verfügung des Registergerichts wg. Satzungsfehlern, § 262 I Nr. 5 AktG, Löschung, § 141 a, 142, 144 FGG
- Liquidation der Gesellschaft
- Die Rückumwandlung der SE
- Voraussetzungen und Einschränkungen nach Art. 66 SE-VO
- Spaltung einer SE in nationale Aktiengesellschaften
- Verschmelzung der SE mit einer Aktiengesellschaft nationalen Rechts
- Missbrauchsproblematik
- Anforderungen an ein Ausführungsgesetz
- Ergebnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Beendigung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), insbesondere mit den Rechtsfolgen der Auflösung, Insolvenz und Rückumwandlung der SE. Dabei wird untersucht, wie die SE-VO mit nationalem Recht in diesen Bereichen zusammenspielt und welche Herausforderungen sich daraus ergeben.
- Die rechtliche Einordnung der Beendigung einer SE im Kontext der SE-VO und des nationalen Rechts
- Die Anwendung und Interaktion der SE-VO mit den Vorschriften der nationalen Insolvenzordnungen
- Die verschiedenen Formen der Auflösung einer SE, inklusive der rechtlichen Anforderungen und Folgen
- Die Bedingungen und Herausforderungen bei der Rückumwandlung einer SE in eine nationale Aktiengesellschaft
- Die Gestaltung eines Ausführungsgesetzes zur Umsetzung der SE-VO im nationalen Recht
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Fokus der Arbeit auf die Beendigung der SE dar und skizziert die zentrale Fragestellung, welche sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen der SE-VO und nationalem Recht ergibt. Kapitel II beleuchtet die Bedeutung der Verweisung auf nationales Recht im Kontext der SE-VO. Kapitel III behandelt die Insolvenz der SE und untersucht die maßgeblichen Rechtsvorschriften, die Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens, die Rechtsfolgen und die flankierende Vorschrift des Art. 13 SE-VO. Kapitel IV widmet sich der Auflösung der SE und analysiert die ausdrücklichen Auflösungsgründe nach der SE-VO sowie weitere wichtige Auflösungsgründe. Die Liquidation der Gesellschaft wird ebenfalls betrachtet. Kapitel V beschäftigt sich mit der Rückumwandlung der SE und beleuchtet die Voraussetzungen und Einschränkungen nach Art. 66 SE-VO, die Spaltung und Verschmelzung einer SE mit einer nationalen Aktiengesellschaft und die Missbrauchsproblematik.
Die Anforderungen an ein Ausführungsgesetz werden in Kapitel VI erörtert. Schließlich fasst Kapitel VII die Ergebnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Europäische Aktiengesellschaft (SE), SE-VO, Insolvenz, Auflösung, Rückumwandlung, nationales Recht, Insolvenzordnung, Ausführungsgesetz, Spaltung, Verschmelzung, Missbrauchsproblematik.
- Quote paper
- Jörg Böhmer (Author), 2004, Die Europäische Aktiengesellschaft (SE) - Auflösung, Insolvenz und Rückumwandlung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23475