Die Orientierung der Fastnachtspiele des 15. Jahrhunderts auf die Themen Sexualität, Ehe und Liebeswerbung, verbunden mit einer auffällig obszönen und oft auch gewaltbetonten Metaphorisierung der geschlechtlichen Körper, lenkt den Blick auf den Zusammenhang von Geschlechterkonzeptionen und ihren sprachlichen Inszenierungen. Diese Arbeit befasst sich mit den sprachlichen Inszenierungen der Geschlechter im Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts und ihren Prozessen performativer Konstruktion. Die Texte der Fastnachtspiele, wie sie überliefert sind, stellen Vorlagen für theatrale Inszenierungen dar. In diesen Aufführungen werden die sprachlichen Inszenierungen der Geschlechter aus den Texten der Fastnachtspiele ausagiert, sie werden an Körpern sichtbar im Spiel. Der Körper als Produkt und Zeichen von Geschlecht bildet den Nexus zwischen der sprachlichen Inszenierung und der performativen Konstruktion der Geschlechter. ‘Sprachliche Inszenierung‘ meint dabei, dass das gesamte Spiel und seine Figuren in den überlieferten Texten ausschließlich in Figurenreden codiert sind, die auf diese Weise Männer und Frauen durch Sprache ‘in Szene setzen‘. ‘Performative Konstruktion‘ bezieht sich auf das Phänomen, dass Geschlecht in diesen Spielen in und durch Sprache erzeugt wird, dass also durch sprachlich-performative Prozesse geschlechtlich markierte Figuren konstruiert werden.
Die Materialgrundlage dieser Untersuchungen bildet eine Auswahl von Fastnachtspielen aus der Nürnberger Tradition, die Geschlechter, Ehe und Sexualität thematisieren. Ich stütze mich auf die Fastnachtspielsammlung Adelbert von Kellers bzw. auf die kritische Ausgabe Dieter Wuttkes bei denjenigen Spielen, die dort Eingang gefunden haben. Die Textauswahl orientiert sich an vier Spieltypen, die nach der jeweiligen Dramaturgie ihrer Geschlechterinszenierungen unterschieden werden: Hochzeitsspiele, Gerichtsspiele, Narrenrevuen und Rügespiele. Diese Spieltypen sollen in Kapitel 4 zunächst in ihren unterschiedlichen Logiken dargestellt werden. Danach sollen in Kapitel 5 Bezüge dieser Spiele zu Geschlechterdiskursen verschiedener Provenienz beschrieben werden, um so den diskursiven und sozialen Kontext der Fastnachtspiele in den Blick zu bekommen. Zuletzt werden in Kapitel 6 drei Spiele detailliert auf die sprachlichen Prozesse ihrer performativen Konstruktion der Geschlechter untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Theoretische Grundlagen
- 1. Fastnachtspiel und Karneval
- 2. Geschlecht und Körper
- 3. Performativität und Sprache
- II. Analysen
- 4. Inszenierungslogiken der Geschlechter
- 4.1 Hochzeitsspiele
- 4.2 Gerichtsspiele
- 4.3 Narrenrevuen
- 4.4 Rügespiele
- 4.5 Zusammenfassung
- 5. Geschlechterdiskurse und ihre Aneignung im Fastnachtspiel
- 5.1 Literarische Traditionen
- 5.2 Ehe- und Geschlechterdiskurse
- 5.3 Brauchtum
- 5.4 Narrenkultur und Fastnachtsdiskurs
- 6. Sprachliche Performativität der Geschlechter-Konstruktion
- 6.1 W 7 “Bauernheirat“: Die performative Konstruktion des Körpers
- 6.2 K 4 “Ein paurenspil mit einem posem altem weib“: Integration und Verkehrung
- 6.3 K 31 “Ein hubsch vasnachtspil“: Die Gewalt der Sprache
- III. Auswertung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die sprachlichen Inszenierungen der Geschlechter im Fastnachtspiel des 15. Jahrhunderts und untersucht die Prozesse ihrer performativen Konstruktion. Die Arbeit konzentriert sich auf die Texte der Fastnachtspiele als Vorlagen für theatrale Inszenierungen, die Geschlechterrollen in Form von Figurenreden codieren. Sie beleuchtet den Nexus zwischen der sprachlichen Inszenierung und der performativen Konstruktion der Geschlechter, wobei der Körper als Produkt und Zeichen von Geschlecht, als Träger der Geschlechterinszenierungen und als sexualisierte Projektionsfläche sozialer Verhandlungen im Kontext des Karnevals im Mittelpunkt steht.
- Die Inszenierungslogiken der Geschlechter in verschiedenen Spieltypen (Hochzeitsspiele, Gerichtsspiele, Narrenrevuen, Rügespiele).
- Die Beziehung zwischen den Fastnachtspielen und Geschlechterdiskursen aus verschiedenen Traditionen (literarische Traditionen, Ehe- und Geschlechterdiskurse, Brauchtum, Narrenkultur).
- Die sprachlichen Prozesse der performativen Konstruktion der Geschlechter in ausgewählten Spielen.
- Die Bedeutung des Körpers als Medium der Geschlechterinszenierung und als Projektionsfläche sozialer Verhandlungen.
- Die Analyse der Texte der Fastnachtspiele als Vorlagen für theatrale Inszenierungen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Erörterung der theoretischen Grundlagen, die für das Verständnis des Fastnachtspiels und des mittelalterlichen Karnevals relevant sind. Sie beleuchtet verschiedene Ansätze zur Interpretation der Spielform, stellt den “Geschlechter‘-Begriff vor und definiert den Arbeitsbegriff der ‘Performanz' bzw. sprachlichen ‘Performativität' als die systematische Schnittstelle zwischen Fragestellung und Material.
Im zweiten Teil werden die verschiedenen Inszenierungslogiken der Geschlechter in vier Spieltypen untersucht. Hier werden die Hochzeitsspiele, die Gerichtsspiele, die Narrenrevuen und die Rügespiele vorgestellt und auf ihre spezifischen Logiken der Geschlechterinszenierung analysiert. Die unterschiedlichen Inszenierungsformen werden im Hinblick auf die Darstellung von Verhandlungen zwischen Männern über eine Heirat, Verletzungen von Normen und deren Sanktionen, Liebesnarren und Versagen gegenüber Normen und Idealen sowie soziale Sanktionen der Männer gegen Frauen betrachtet.
Im dritten Teil werden die Bezüge der Spiele zu Geschlechterdiskursen aus verschiedenen Traditionen dargestellt, um den diskursiven und sozialen Kontext der Fastnachtspiele zu beleuchten. Dieser Abschnitt analysiert die literarischen Traditionen, die Ehe- und Geschlechterdiskurse, das Brauchtum und die Narrenkultur, die die Inszenierungen der Geschlechter im Fastnachtspiel beeinflussen.
Im letzten Teil werden drei Spiele detailliert auf die sprachlichen Prozesse ihrer performativen Konstruktion der Geschlechter untersucht. Hierbei geht es darum zu zeigen, wie die Geschlechter in diesen Spielen durch Sprache erzeugt und konstruiert werden.
Schlüsselwörter
Fastnachtspiel, Karneval, Geschlecht, Körper, Performativität, Sprache, Inszenierung, Geschlechterdiskurse, Ehe, Sexualität, Mittelalter, Sprachliche Inszenierung, Performative Konstruktion, Hochzeitsspiele, Gerichtsspiele, Narrenrevuen, Rügespiele, Nürnberger Fastnachtspiele.
- Arbeit zitieren
- Michael Obenaus (Autor:in), 2001, Körper-Sprache und Rede-Gewalt - Zur sprachlichen Inszenierung der Geschlechter im Fastnachtspiel des späten Mittelalters, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23524