„Schweig still!
Wir wissen, daß du deine Seherkunst verstehst. Aber wir brauchen keine Prophetie: Hier nicht !“ (VL, 17)
Kassandra, die Seherin: Sie ‘sieht’ die Zukunft, weil sie die Gegenwart schmerzhaft deutlich wahrnimmt und die Vergangenheit kennt. Vor den Toren Mykenes erinnert sie sich ihres Lebens, in den Stunden vor ihrem Tode will sie ihr Vermächtnis hinterlassen: Erinnern. Doch Erinnern ist ein gefährliches Unternehmen und das Gedächtnis ein schwankender Boden. Sich Erinnern - dies ist das Motiv der Erzählerinnen in den Werken Christa Wolfs, die ich untersuchen möchte: ″Kassandra″ , ″Kindheitsmuster ″, ″Nachdenken über Christa T.″ und die Erzählung ″Unter den Linden″ . Vier Frauen versuchen, zu ihrem ICH zu finden, ihre Identität zu entdecken. Sie sind getrieben von dem Willen, ja, Zwang, sich zu erinnern, zu deuten, zu berichten. Sie benennen ihre Erfahrungen. Sie geben ihre Geschichte weiter, um so im Gedächtnis erhalten zu bleiben, vielleicht sogar, um ‘unsterblich’ 1 zu werden.
Sie alle wollen Zeuge sein, und sie alle müssen lernen, daß das Erinnern ein schwieriger, waghalsiger Versuch ist, der Verantwortung fordert, aber auch die Fähigkeit, Zweifel zu ertragen. Ich möchte diesen Prozeß nachzeichnen, die verschiedenen Werke Christa Wolfs vergleichen, Spuren und Muster in ihnen entdecken.
Mein Hauptaugenmerk soll dabei einem Motiv gelten, das eng mit der Figur der Kassandra verbunden ist und sich durch alle genannten Werke zieht: Ich möchte das Motiv des Traumes untersuchen, das mir eine wichtige, wenn auch beim ersten Lesen schwer einzuordnende Funktion zu haben scheint.
Kassandra, die Seherin , die die Zukunft aus Träumen liest, die Erzählerin in Kindheitsmuster, die versucht, sich dem Kind zu nähern, das sie einmal gewesen ist, die Freundin der Christa T. , die die Verstorbene im Gedächtnis weiterleben lassen will und die junge Studentin, die in einem Traum zu sich selber findet, sie alle werden begleitet von ihren Träumen. Ich möchte versuchen, der Funktion dieser Träume auf die Spur zu kommen, sie einzubetten in Muster, die die Texte durchziehen .
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Kassandra: Vier Vorlesungen und eine Erzählung
- 2.1 "Kassandra": Vier Vorlesungen und eine Erzählung
- 2.2 Die Seherin: Kassandras Prophezeiungen
- 2.3 Die Traumdeuterin: Funktion und Deutungen der Träume in “Kassandra”
- 2.4 “Vorlesungen I-IV”: Vorarbeit zur Erzählung
- 2.5 Erzähltechniken und die Funktion der Traumsequenzen
- 3 "Kindheitsmuster": Träume, und Bezüge zu "Kassandra"
- 3.1 Einführende Überlegungen zu Fragestellungen und Problemen
- 3.2 Traumsequenzen und Deutungsvorschläge
- 3.2.1 Thema: Schwierigkeiten mit dem Erinnerungsprozeß
- 3.2.2 Thema: Tabuverletzungen
- 3.2.3 Thema: Glauben und Nichtglauben
- 4 "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden"
- 4.1 Vorstellung der Christa T.: Eine Prophezeiung
- 4.2 "Nachdenken ...": Die Träume und mögliche Deutungen
- 4.3 "Unter den Linden": Eine Traumerzählung
- 5 Der Traum als Arbeitstechnik bei Christa Wolf im Vergleich der untersuchten Texte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit untersucht das Motiv des Traumes in ausgewählten Werken Christa Wolfs ("Kassandra", "Kindheitsmuster", "Nachdenken über Christa T.", "Unter den Linden"). Ziel ist es, die Funktion der Träume in diesen Texten zu analysieren und ihre Bedeutung im Kontext des Erinnerungsprozesses und der Identitätsfindung der weiblichen Protagonistinnen zu beleuchten. Der Vergleich der verschiedenen Werke soll Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Verwendung des Traummotivs aufzeigen.
- Der Traum als Instrument des Erinnerns und der Selbstfindung
- Die Funktion von Prophezeiung und Deutung in den Träumen
- Das Verhältnis von Traum und Realität in Christa Wolfs Werk
- Die Rolle des Traumes als literarische Technik
- Vergleichende Analyse des Traummotivs in den verschiedenen Texten
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung stellt die zentrale Forschungsfrage nach der Funktion des Traummotivs in den ausgewählten Werken Christa Wolfs vor. Sie skizziert den Ansatz der Arbeit, der darin besteht, die Träume in den verschiedenen Texten zu analysieren und im Kontext der jeweiligen Erzählung zu interpretieren. Die Einleitung begründet die Relevanz des Themas und gibt einen Ausblick auf den Aufbau der Arbeit.
2 Kassandra: Vier Vorlesungen und eine Erzählung: Dieses Kapitel befasst sich mit Christa Wolfs Interpretation des Kassandra-Mythos. Es analysiert die Rolle der Träume in der Erzählung und den Vorlesungen, insbesondere den Traum von Kassandras Begegnung mit Apollon. Der Fokus liegt auf der Deutung des Traumes als Schlüssel zum Verständnis von Kassandras Sehergabe und ihrer tragischen Situation. Die Analyse beleuchtet die Verbindung zwischen Traum, Prophezeiung und dem schwierigen Akt des Erinnerns.
3 "Kindheitsmuster": Träume, und Bezüge zu "Kassandra": Das Kapitel untersucht die Traumsequenzen in "Kindheitsmuster" und deren Bezug zu "Kassandra". Es analysiert, wie die Träume die Schwierigkeiten der Erzählerin beim Erinnern an ihre Kindheit und die damit verbundenen Tabus und Konflikte verdeutlichen. Die Kapitel untersuchen verschiedene Themenkomplexe innerhalb der Träume und deren Bedeutung im Gesamtkontext des Romans. Der Vergleich mit "Kassandra" hebt Parallelen und Unterschiede in der Verwendung des Traummotivs hervor.
4 "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden": Dieses Kapitel widmet sich der Analyse der Träume in "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden". Es untersucht, wie die Träume die Beziehung zwischen den Figuren und den Erinnerungen an die verstorbene Christa T. gestalten. Die Kapitel analysieren die Funktion der Träume bei der Verarbeitung von Trauer und Verlust und beleuchten die Verknüpfung mit dem Thema Erinnerung. Der Bezug zu "Kassandra" wird im Hinblick auf die kontinuierliche Beschäftigung mit dem Thema Sehen, Wissen und Erinnern hergestellt.
5 Der Traum als Arbeitstechnik bei Christa Wolf im Vergleich der untersuchten Texte: Dieses Kapitel fasst die Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel zusammen und betrachtet das Traummotiv als eine spezifische Arbeitstechnik Christa Wolfs. Es analysiert die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Funktion der Träume in den verschiedenen Texten und erarbeitet eine umfassende Interpretation des Motivs im Gesamtwerk der Autorin.
Schlüsselwörter
Christa Wolf, Traum, Erinnerung, Kassandra, Prophezeiung, Identität, Selbstfindung, Erinnerungsprozess, Mythos, literarische Technik, Frauenliteratur, Identitätsfindung.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse des Traummotivs in ausgewählten Werken Christa Wolfs
Was ist der Gegenstand dieser Seminararbeit?
Diese Seminararbeit analysiert das Motiv des Traumes in vier ausgewählten Werken Christa Wolfs: "Kassandra", "Kindheitsmuster", "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden". Der Fokus liegt auf der Funktion der Träume im Kontext des Erinnerungsprozesses und der Identitätsfindung der weiblichen Protagonistinnen.
Welche Ziele verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Funktion der Träume in den genannten Texten, beleuchtet deren Bedeutung im Kontext von Erinnerung und Identitätsfindung und vergleicht die Verwendung des Traummotivs in den verschiedenen Werken, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt den Traum als Instrument des Erinnerns und der Selbstfindung, die Funktion von Prophezeiung und Deutung in den Träumen, das Verhältnis von Traum und Realität in Christa Wolfs Werk, die Rolle des Traumes als literarische Technik und eine vergleichende Analyse des Traummotivs in den verschiedenen Texten.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel zu "Kassandra", eines zu "Kindheitsmuster", eines zu "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden", und abschließend ein Kapitel, das den Traum als Arbeitstechnik bei Christa Wolf vergleicht und zusammenfasst.
Was wird im Kapitel zu "Kassandra" analysiert?
Das Kapitel analysiert die Rolle der Träume in Christa Wolfs Interpretation des Kassandra-Mythos, insbesondere den Traum von Kassandras Begegnung mit Apollon. Es untersucht die Deutung des Traumes als Schlüssel zum Verständnis von Kassandras Sehergabe und ihrer tragischen Situation und die Verbindung zwischen Traum, Prophezeiung und dem Erinnern.
Worauf konzentriert sich die Analyse von "Kindheitsmuster"?
Das Kapitel zu "Kindheitsmuster" untersucht die Traumsequenzen und deren Bezug zu "Kassandra". Es analysiert, wie die Träume die Schwierigkeiten der Erzählerin beim Erinnern an ihre Kindheit und die damit verbundenen Tabus und Konflikte verdeutlichen. Verschiedene Themenkomplexe innerhalb der Träume werden untersucht und mit "Kassandra" verglichen.
Wie werden "Nachdenken über Christa T." und "Unter den Linden" behandelt?
Dieses Kapitel analysiert die Träume in beiden Werken und untersucht, wie sie die Beziehung zwischen den Figuren und den Erinnerungen an Christa T. gestalten. Die Funktion der Träume bei der Verarbeitung von Trauer und Verlust und deren Verknüpfung mit dem Thema Erinnerung werden beleuchtet. Der Bezug zu "Kassandra" im Hinblick auf Sehen, Wissen und Erinnern wird hergestellt.
Was ist das Fazit der Arbeit?
Das letzte Kapitel fasst die Ergebnisse zusammen und betrachtet das Traummotiv als spezifische Arbeitstechnik Christa Wolfs. Es analysiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Funktion der Träume in den verschiedenen Texten und liefert eine umfassende Interpretation des Motivs im Gesamtwerk der Autorin.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Christa Wolf, Traum, Erinnerung, Kassandra, Prophezeiung, Identität, Selbstfindung, Erinnerungsprozess, Mythos, literarische Technik, Frauenliteratur, Identitätsfindung.
- Arbeit zitieren
- Michael Obenaus (Autor:in), 1997, Das Motiv des Traums bei Christa Wolf in: Kassandra, Kindheitsmuster, Nachdenken über Christa T. und Unter den Linden., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23534