Methodische Möglichkeiten der Hilfe bei Leseschwierigkeiten


Seminararbeit, 1998

25 Seiten, Note: 2


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1) EINLEITUNG

2) LESEN
2.1) Was ist Lesen?
2.2) Die verschiedenen Arten der Leseschwierigkeiten (Leseversagen)
2.3) Ursachen der Leseschwierigkeiten

3) MÖGLICHE FÖRDERMAßNAHMEN BEI LESESCHWIERIGKEITEN

4) MATERIALIEN ZUR LESEFÖRDERUNG
Tisch Baum Hinten
Fenster Garten Blume Mücke
4.1) Texte zur Leseförderung
4.2) Spiele zur Leseförderung

5) SCHLUßBETRACHTUNG

6) LITERATURVERZEICHNIS

1) Einleitung

Des Lesens kundig zu sein, gehört in der heutigen Zeit genau wie Schreiben zu den Kulturtechniken, deren Beherrschung bei jedem vorausgesetzt werden. Laut Umberto Eco sind die Menschen im medialen Zeitalter zu einer „alphabetischen Kultur” zurückgekehrt, da fast alles über Computertexte und Internet abläuft. Seiner Meinung nach werden diejenigen, die in der Lage sind, die Computertexte zu entschlüsseln, die Herrscher über diejenigen sein, die nur Bilder im Fernsehen betrachten können (vgl. Naegele, 1995, S. 149).

Da aber trotz Schulpflicht und der Möglichkeit des kostenlosen Schulbesuches immer noch viele Kinder Schwierigkeiten beim Lesenlernen haben und manche nie lesen lernen, soll es in dieser Hausarbeit um mögliche Hilfen und Fördermaßnahmen wie Übungen und Spiele bei Leseschwierigkeiten gehen. Dies bezieht sich sowohl auf Fördermaßnahmen für Grundschüler als auch für Schüler der Sekundarstufe 1.

Zunächst wird jedoch allgemein das Thema Lesen, später kurz die verschiedenen Arten der Leseschwierigkeiten und wie sie sich darstellen, behandelt.

Anschließend werden sowohl die Ursachen der Leseschwierigkeiten als auch mögliche Fördermaßnahmen erörtert. Zum Schluß werden Materialien zur Leseförderung dargestellt und die Hausarbeit mit einer Schlußbetrachtung des Themas beendet.

2) Lesen

2.1) Was ist Lesen?

Befragt man Menschen unterschiedlichen Alters, was sie unter Lesen verstehen, so erhält man vielfältige Antworten. Franz Biglmaier führte 1964 eine Umfrage zu diesem Thema durch und bekam unter anderem von einem 9jährigen Jungen die Antwort, Lesen sei, wenn er ein Buch nähme und lese, was da darin stünde. Für einen Kontrolleur der öffentlichen Verkehrsmittel bedeutet Lesen darüber hinaus, die geschriebenen Anweisungen, wie z.B. „Hinten aussteigen” zur Kenntnis zu nehmen und zu befolgen. Für Polizisten gehört zum Lesen das Lesen und Befolgen der Verkehrsschilder. Ein zum Thema Lesen befragter Schriftsteller führte desweiteren den Begriff des Korrekturlesens an, wobei es sich um das genaue, fehlersuchende Lesen handelt. Zudem gibt es noch das überfliegende Lesen, bei dem nicht Wort für Wort genau und einzeln gelesen wird, sondern der Text, wie der Ausdruck schon sagt, nur überflogen wird (vgl. Biglmaier, 1964, S. 9f.).

Sicherlich gibt es noch andere Arten des Lesens, auf die alle jedoch einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Es zeigt sich jedoch, daß Lesen und Lesen sehr unterschiedlich sein kann.

Biglmaier gibt in seinem Text eine Definition des Begriffes Lesen von Kainz wieder. Laut Kainz ist Lesen ,,... das verstehende Aufnehmen von schriftlich fixierten Sprachgefügen, somit die auf Grund der erworbenen Kenntnis der Schriftzeichen vollzogene Tätigkeit des Sinnerfassens graphisch niedergelegter Gedankengänge.” (ebd. S.12f.).

Andere Definitionen des Lesens besagen, Lesen sei „Geistiges aus sinnlich Wahrgenommenem zu erwecken.” oder „eine besondere Form der Sinnentnahme, die wir an gedruckten oder geschriebenen Symbolen vollziehen.” (ebd. S. 12).

Gemäß Ritz-Fröhlich (1971) ist „Lesen ..für den geübten Leser, aufgrund seiner geschulten Wahrnehmung, weitgehend ein Wiedererkennen und Reproduzieren bekannter, im Gedächtnis gespeicherter Wortgruppen und ihrer Signalqualitäten.“ (Ritz-Fröhlich, 1971, S. 31).

So unterschiedlich die einzelnen Definitionen des Lesens auch sein mögen, so haben sie doch alle gemeinsam, daß Lesen das Entziffern schriftlich codierter Informationen verkörpert. Menschen mit Leseschwierigkeiten gelingt dieses Decodieren der Informationen nicht oder nur mühsam.

2.2) Die verschiedenen Arten der Leseschwierigkeiten (Leseversagen)

Vielmals werden Kinder, die unter Leseversagen1 leiden, gleich als Legastheniker angesehen, da Schwächen im Lesen zwangsläufig auch Ausfälle im Schreiben mit sich bringen. Untersuchungen mittels diagnostischer Lesetests von 2000 Kindern des zweiten Schuljahres durch den Wiener Schulpsychologischen Dienst bewiesen jedoch, daß in den meisten Fällen des Leseversagens keine Legasthenie vorliegt. So kam heraus, daß 78% der untersuchten Kinder keine legasthenen Symptome zeigten, 18% leichte Störungen aufwiesen und nur 4% als schwere Legastheniker anzusehen waren.

Hier soll deswegen Bleidicks Ansicht zugrunde gelegt werden, daß Leseversagen als das einfache nicht Erlernen des Lesens bezeichnet, vom englischen Begriff „reading-disabilities“ (Leseunfähigkeit) stammend. Je nach Ausprägung und Grund des Leseversagens (organisch oder nicht-organisch bedingt) kann es sich beim Leseversagen um Alexie, Dyslexie oder Legasthenie handeln. Es sei nur am Rande erwähnt, daß Bleidick zufolge Legasthenie nur als Leseschwäche und nicht wie allgemein definiert, als Lese-Rechtschreibschwäche anzusehen ist (vgl., Bleidick, 1967, S. 28ff.).

Allerdings soll im Folgenden wie meist in der Literatur definiert, Legasthenie wie folgt verstanden werden: Legasthenie liegt vor, „wenn ein Kind in normalen Schulverhältnissen und trotz aller Bemühungen der Erwachsenen, nicht aber aufgrund einer Debilität, Schwierigkeiten mit dem Erlernen des Lesens, mit Sprache und Rechtschreibung hat, während es doch bei anderen Fächern keine entsprechenden Schwierigkeiten erfährt.“ (Biglmaier, 1964, S. 41).

Typisch für Legastheniker ist das erratende Lesen, langsames Lesen, mühevolle Analyse und Synthese, schlechte Orthographieleistungen usw. Liegt die Lese- oder Rechtschreibschwäche jedoch an organischen Fehlern, mangelnder Intelligenz, ungünstigen Umweltverhältnissen oder an sonstigen äußeren Einflüssen, so kann von Legasthenie keine Rede sein (vgl. ebd. S. 41f.).

Unter Alexie, einfach bezeichnet als Leseunfähigkeit, versteht man einen geistigen Defekt, der eine Art Wortblindheit oder ,besser gesagt, Leseblind- oder -unfähigkeit mit sich bringt. Alexie kann sowohl auf organischen Hirnschäden als auch auf vererbten Schäden beruhen. Genau wie bei der Leseschwäche (Legasthenie) kommt auch die Alexie in verschiedenen Schweregraden vor. Im gravierendsten Fall werden nicht mal mehr Buchstaben als solche erkannt, in weniger schlimmen Fällen können noch Einzelworte gelesen werden. Allerdings leidet die Mehrheit der Kinder mit Lesestörungen nicht an Alexie, also unter organischen Hirnschäden, sondern an Legasthenie, der Leseschwäche (vgl. ebd. S. 42f.).

Als letztes ist noch die leichtere Form der Alexie, die Dyslexie anzuführen. Hierbei zeigen sich die gleichen Symptome wie bei der Alexie, allerdings in einfacherer Form, wobei kein vollständiges Leseunvermögen besteht, sondern nur das Lesen schwerfällt (vgl. Bleidick, 1967, S.31).

Dänische Pädagogen definieren Dyslexie genau wie Legasthenie als eine gestörte Lesefunktion bei Normalbegabung, wobei die vererbte Dyslexie als „konstitutionelle Dyslexie“ bezeichnet wird (vgl. Tordup, 1970, S12). Aufgrund der in der Literatur unterschiedlich verwendeten Terminologien der einzelnen Leseschwierigkeiten fällt eine konkrete Begriffsbestimmung und -zuordnung schwer und soll hierbei belassen werden.

Zuzüglich zu den krankheitsbedingten Formen des Leseversagens gibt es noch durch äußere Umstände, die im nächsten Kapitel dargestellt werden sollen, hervorgerufene Leseschwierigkeiten. Allerdings ist es äußerst schwierig, Leseversagen und Leseschwierigkeiten abzugrenzen, da in der Literatur diese Begriffe fast fließend ineinanderübergreifen. Im folgenden soll nur noch von Leseschwierigkeiten die Rede sein, da dies erstens Thema der Hausarbeit ist und zweitens Leseversagen als schwere Form der Leseschwierigkeiten einschließt.

Bleidick (1967) zufolge können Leseschwierigkeiten in drei verschiedene Gruppen unterteilt werden, wobei die Unterteilung anhand ihres Zeitpunktes des Auftretens stattfindet.

Die erste Gruppe umfaßt solche Fälle, bei denen die Schwierigkeiten sich bereits in der ersten Klasse beim Lesenlernen zeigen. Hier bestehen noch gute Chancen durch Wiederholen der ersten Klasse oder intensive Förderung, die Schwierigkeiten zu beheben.

In der zweiten Gruppe kommen die Kinder bis zum Ende der ersten oder bis zur Mitte der zweiten Klasse gut mit, beherrschen alle Buchstaben vollständig, haben jedoch auf einmal Schwierigkeiten beim Zusammenschleifen der Buchst]aben zu Wörtern. Da zu Anfang keine Probleme bestanden haben, werden die Probleme oft nicht als Leseschwierigkeiten erkannt, sondern auf Unfähigkeit des Lehrers oder Faulheit des Kindes geschoben. Die Symptome werden durch intensives Üben oberflächlich behoben, andererseits entstehen unbewußt Schulunlust, Angst und u.a. Störungen, die im Endeffekt alles noch verschlimmern.

Am schlimmsten betroffen ist die dritte Gruppe, bei der sich die Schwierigkeiten erst zum Ende der Grundschule oder in der weiterführenden Schule zeigen. Die Schwierigkeiten waren zwar immer unterschwellig vorhanden, treten jedoch erst jetzt zutage, da in den ersten beiden Klassen die Leseschwäche durch intensives Üben einigermaßen abgefangen werden konnte. Den höheren Leistungsforderungen der dritten und vierten Klasse sind die Schüler nun nicht mehr gewachsen, und sie versagen. Es macht sich bemerkbar, daß der Sinn des Gelesenen nicht mehr erfaßt werden kann und die Entwicklung des Lesenlernens stehenbleibt. Bei derart schwerwiegenden Leseschwierigkeiten werden die Betroffenen meist in die Sonderschule „abgeschoben“, da weder Lehrer noch Eltern überblicken, daß hinter den Leseschwierigkeiten kein Intelligenzmangel, sondern eine Krankheit steht (vgl. Bleidick, 1967, S.34f.).

Meist zeigen sich Leseschwierigkeiten durch Lesefehler und unnatürlich langsames, mühsames Lesen. Biglmaier (1964) unterscheidet zwischen folgenden verschiedenen Lesefehlerarten:

„Vokalfehler (V), z.B. Kwnde - Kind Konsonantenfehler (K), z.B. den - der

Umstellungsfehler (U), wenn die Reihenfolge der Buchstaben verändert ist, auch wenn ein Buchstabe spiegelbildlich gelesen wird: d-b, p-q, n-u, z.B. Kunde - Knabe, un-na = U + V, d-b

= U

Hinzufügungsfehler (H), z.B. ein - eine

Auslassungsfehler (A), z.B. betrat - betat

Ersetzung (E), wenn kein Laut des Vorgelesenen mit dem zu lesenden Text gemeinsam ist, z.B.: ist - war, so - da

Wiederholung (W), wenn ein Wort oder Wortteil wiederholt wird. Korrektur zählt nicht. Hinzufügung eines Wortes (Hw)

Auslassung eines Wortes (Aw)

Umstellung von Wörtern (UW), wenn Wörter in ihrer Reihenfolge umgestellt wurden.” (Biglmaier, 1964, S. 36).

Desweiteren treten Dehnungen und Kürzungen bei Vokalen und Stockungen nach Buchstaben, Silben und Wörtern auf.

Als andere Fehlerkategorisierung führt Biglmaier optische-, lautmotorische-, Gedanken- und Grammatikfehler an, wobei optische Fehler durch eine Beeinträchtigung der visuellen Auffassung des Wortes entstehen, lautmotorische Fehler einer Störung der auditiv­motorischen Abläufe entstammen ( auch als Sprechfehler bezeichnet), Gedankenfehler durch eigenmächtiges Hineinprojizieren subjektiver Gedanken in den zu lesenden Sachverhalt, wodurch eine Sinnesänderung bewirkt wird und letztlich Grammatikfehler, die sich als Kasus- und Tempusfehler darstellen (vgl. ebd. S. 36f.).

Abschließend ist zum Thema Leseschwierigkeiten zu bemerken, daß „...in den angelsächsischen Ländern (bes. England, USA, aber auch Dänemark und Schweden) ...der Prozentsatz des Leseversagens höher“ ist als in anderen Ländern (Bleidick, 1967, S. 29).

Die Divergenz der Laut- und Schriftsprache erschwert das Lesenlernen. Auch die Deutsche Laut- und Schriftsprache weist eine große Inkongruenz auf. Dies bringt auch für Kinder Komplikationen beim Lesenlernen mit sich.

[...]


1 Hier soll der Begriff ‘Leseversagen’ anstatt Leseschwierigkeiten verwendet werden, da auch Bleidick (1967) diesen Begriff anwendet.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Methodische Möglichkeiten der Hilfe bei Leseschwierigkeiten
Hochschule
Europa-Universität Flensburg (ehem. Universität Flensburg)  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Seminar Informationsgewinnung aus Sachtexten und deren Weiterverwendung
Note
2
Autor
Jahr
1998
Seiten
25
Katalognummer
V2367
ISBN (eBook)
9783638114448
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Viele Vorschläge zur Verbesserung der Lesefähigkeit, gute Grundlagenbeschreibung der Legasthenie und der Leseschwierigkeiten.
Schlagworte
Methodische, Möglichkeiten, Hilfe, Leseschwierigkeiten, Seminar, Informationsgewinnung, Sachtexten, Weiterverwendung
Arbeit zitieren
Natalie Taepel (Autor:in), 1998, Methodische Möglichkeiten der Hilfe bei Leseschwierigkeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2367

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