Das Verhältnis von Politik und Moral bei Machiavelli


Hausarbeit, 2001

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG

1. MACHIAVELLI METHODE
1.1. Sein Anspruch an eine realistische Aufklärung

2. DIE ANTHROPOLOGIE MACHIAVELLI ALS GRUNDLAGE SEINER RATSCHLÄGE
2.1. Das Menschenbild Machiavelli
2.3. Die notwendigen Mittel einer Herrschaft und erforderlichen Charaktereigenschaften eines Herrschers

3. DIE RELATIVITÄT VON MORAL INNERHALB MACHIAVELLIS POLITISCHER VORSTELLUNGEN
3.1. Die Rolle der Religion
3.2. Der Einfluss der politischen und ökonomischen Krise Italiens

SCHLUSS: KRITIK DES „PRINCIPE“ UNTER MORALISCH-ETHISCHEN GESICHTSPUNKTEN

Einleitung

Das Machiavelli-Bild ist vor allem durch den „Principe" bestimmt, der bereits bald nach seinem Erscheinen für überwiegend negative Kritik sorgte.1 Sie richtete sich insbesondere gegen Machiavellis Methodik und seine Auffassung von Politik, in der man einen Verstoss gegen religiöse und moralische Überzeugungen sah. Aufgrund seiner Trennung von Politik und Moral sowie der Annahme, dass der Mensch von Natur aus schlecht sei, schien sich Machiavelli gegen vorherrschende Ideale zu richten. Zu deutlich wandte er sich von der antiken aristotelischen Vorstellung ab, dass die Natur des Menschen teleologisch bestimmt sei, dieser also schon von Natur aus ein politisches Lebewesen sei. Im Gegensatz zu dieser, zu Machiavellis Zeiten noch bestehenden Auffassung, machte Machiavelli deutlich, dass für ihn eine Politik, die sich nur an einem solchen umfassenden Sittlichkeitsbegriff der Antike orientiert und sich als Tugend- und Gerechtigkeitslehre versteht, zum Scheitern verurteilt ist.2 Der Principe wurde auf den Index gesetzt - trotzdem wurde er Weltliteratur. Obwohl sich im Laufe der Geschichte die Rezeption seines Werks differenzierter dargestellt hat, blieb der Name Machiavelli weithin negativ behaftet. Auch in neuerer Zeit wird Machiavelli gemeinhin „als Ursprung allen Übels in der Politik" und seine Texte oft als Basis aller anti-ethischen politischen Theorie gesehen.3 Mit „Machiavellismus" verbindet man heute gemeinhin skrupellose Machtpolitik - eine Staatsführung, die nur nach dem eigenen Interesse ausgerichtet ist und sich dabei über sämtliche Gesetze der Religion und Moral hinwegsetzt.4 Besonders aus dem „Principe" meinten seine Gegner eine „Ablehnung aller moralischen Bindungen"5 herauslesen zu können. Im Gegensatz dazu spricht Zorn in Bezug auf solche Kritik vom „Unrecht einer Verfemung"6

Dieser moralisch-ethische Aspekt, einer der Hauptkritikpunkte an Machiavellis Werk soll im Folgenden näher untersucht werden. Dabei soll anhand des „Principe" unter Hinzunahme von Aussagen in den „Discorsi", in denen Machiavelli auf der Grundlage der ersten zehn Bücher des Livius auf Probleme der Politik eingeht, ein Überblick über seine Methodik, sein Menschenbild und seine Auffassung von einer erfolgreichen Herrschaft gegeben werden.

1. Machiavellis Methode

1.1. Sein Anspruch an eine realistische Aufklärung

Für Machiavelli ist jedes historische Ereignis grundsätzlich analytisch „verwertbar", denn aus geschichtlichen Konstellationen lassen sich für ihn allgemeingültige Schlüsse ziehen, die als Handlungsleitfaden für Gegenwart und Zukunft gelten können. Es kommt ihm dabei auf die politischen Einzelsituationen und geschichtlichen Abläufe an, deren Analyse er generalisierende Aussagen - seine Lehre entnimmt. In vergleichbaren Situationen sollen einmal erfolgreiche Handlungen wieder angewendet werden. So empfiehlt er, dass „sich ein Herrscher mit der Geschichte vertraut machen und hierbei die Taten bedeutender Männer studieren"7 soll.

Machiavelli verwendet vor allem die jüngste italienische Geschichte zur Geschichtsbetrachtung im „Principe", während er seine Beispiele für richtiges politisches Handeln in den „Discorsi" aus der Antike, vorwiegend der römischen Geschichte, entnimmt. Dabei bildet für ihn das korrupte Italien seiner Gegenwart immer einen negativen Kontrast zum alten Rom8. Die „Kenntnis der Taten grosser Männer"9 und „lange Erfahrung mit den Verhältnissen unserer Zeit"10 bilden dabei den Schlüssel seiner Handlungsanweisungen, auf deren Grundlage er einen Herrscher politisch klug handeln sieht. Seine Vorgehensweise, sämtliche Ratschläge aus der Geschichte herzuleiten, stützt sich auf zwei Überlegungen:

Der Auffassung von der Geschichte als einer auf Ursache und Wirkung beruhenden Ereigniskette sowie der Annahme, dass Menschen „stets die gleichen Leidenschaften haben oder gehabt haben."11 So hält er es auch nicht nur für möglich, sondern sogar für erforderlich, aus geschichtlichen Taten zu lernen.

Durch seine Methodik, die Ratschläge direkt aus der Geschichte „abzulesen", erhebt er für sich den Anspruch, die darin liegenden Lernchancen wahrzunehmen. Er kritisiert, „dass Unzählige, die sich mit der Geschichte befassen, nur Vergnügen daran finden, etwas von der Mannigfaltigkeit der geschichtlichen Ereignisse zu erfahren, ohne dass sie daran denken, diese nachzuahmen"12 und dass Vorbilder so wenig berücksichtigt würden , „dass bei uns von jener alten Tüchtigkeit nichts mehr zu spüren ist".13

Mit dieser Überzeugung steht Machiavelli im Gegensatz zur Sichtweise des christlichen Mittelalters, die den Geschichtsverlauf einer göttlichen Lenkung unterworfen sah. Seine Auffassung von der „Geschichte als Lehrmeisterin" weicht stark vom Glauben an göttliche Vorhersehung ab, der menschlichem Handeln eine Regelmässigkeit in Bezug auf die Wirkungen absprach.

Machiavelli erhebt im Principe die Forderung, den Menschen so zu sehen, wie er wirklich ist und nicht einem Idealbild anzuhängen, wenn er betont, lieber „dem wirklichen Wesen der Dinge nachzugehen als deren Phantasiebild".14 Im Folgenden soll näher darauf eingegangen werden, wie Machiavelli die „wirkliche" Natur des Menschen einschätzt, da dies grundlegende Bedeutung für das Verständnis seines politischen Denkens hat.15

2. Die Anthropologie Machiavelli als Grundlage seiner Ratschläge

2.1. Das Menschenbild Machiavelli

Machiavelli Menschenbild trägt im Ganzen deutlich negative Züge, eine Grundtendenz, die er auch explizit formuliert: „Von den Menschen kann man im Allgemeinen sagen, dass sie undankbar, wankelmütig, verlogen, heuchlerisch, ängstlich und raffgierig sind."16 Dabei hat für ihn selbst ein scheinbarer Mangel an „Schlechtigkeit"17 letztendlich nur eine „verborgene Ursache, die nicht eher erkannt wird, als bis die Schlechtigkeit zum Ausbruch gekommen ist."18 Besonders aussagekräftig ist in diesem Zusammenhang die „Ambizione" - für Machiavelli der Inbegriff für die unersättlichen Bedürfnisse der Menschen und damit die Hauptursache für den deutlich negativen Zug der menschlichen Natur; eine Begierde, die dem Menschen angeboren ist und die für Machiavelli weitaus extremere Züge beinhaltet als es eine Übersetzung des Wortes mit Ehrgeiz widergibt. Denn weil „die Natur die Menschen so geschaffen hat, dass sie zwar alles begehren, aber nicht alles erreichen können"19 verlangen die Menschen letztendlich immer mehr als unmittelbar erreichbar ist - ein Wesenszug mit fatalen Folgen: „Denn die Menschen handeln [...] oft wie gewisse kleine Raubvögel, die die Beute, zu der die Natur sie treibt, mit solcher Gier verfolgen, dass sie den grösseren Vogel nicht gewahren, der über ihnen schwebt, um sie zu zerfleischen".20

Trotz dieser pessimistischen Tendenzen kann Machiavellis Anthropologie dennoch nicht nur auf eine absolut negative Sichtweise reduziert werden, denn immer wieder werden auch einschränkende Momente deutlich. So lassen seine Aussagen zum Beispiel auch erkennen, dass für ihn eine Beurteilung der Menschen prinzipiell nicht einfach nach einem „Gut/Schlecht-Schema" erfolgen kann, denn er ist der Meinung, „dass die Menschen weder verstehen in Ehren böse noch mit Vollkommenheit gut zu sein"21. Auch lässt sein Glauben an ein Erziehungspotential des Menschen Machiavelli der richtigen Ordnung einer Herrschaft grosse Bedeutung beimessen.Sie ist grundlegend, weil die Form einer Herrschaft seiner Meinung nach direkt mit der Ausprägung von guten bzw. schlechten Eigenschaften der Menschen zusammenhängt, da der Mensch letztenendes zum Guten gezwungen werden müsse.

Im Ganzen kann also durchaus von einer relativ pessimistischen Sichtweise Machiavellis in Bezug auf die menschliche Natur ausgegangen werden. Dieser „anthropologische Pessimismus"22 hat bei Machiavelli insofern politische Konsequenzen zur Folge, als „der, welcher einem Staatswesen Verfassung und Gesetze gibt, davon ausgehen muss, dass all]e Menschen schlecht sind und dass sie stets ihren bösen Neigungen folgen, sobald sie Gelegenheit dazu haben".23 Ausgehend von diesem pessimistischen Menschenbild Machiavellis spricht Münkler von einer „Legitimation staatlicher Repression"24. In dieser Formulierung kommt zum Ausdruck, dass Machiavelli eine Disziplinierung der Menschen im Sinne herrscherisch „erfolgreichen" Handelns für unverzichtbar hält, seine negative Sichtweise der menschlichen Natur also als Voraussetzung für die kompromisslose Art seiner Handlungsanleitungen gesehen werden kann. Demgegenüber bemerkt aber Kersting, dass die Intention des Principe nicht politische Theorie im modernen Sinne ist, die auf eine Legitimation des Staates abzielen würde25. Machiavelli geht es stattdessen um praktisch umsetzbare Regeln26. Die Notwendigkeit einer Herrschaft als solcher setzt er dabei mehr oder weniger voraus. In diesem Sinne sind Machiavellis Vorstellungen von Herrschaft und der damit verbundenen Mittel eine logische Entspechung seines Menschenbildes, die für ihn keine Legitimation erfordern.

[...]


1 Buck, Machiavelli, 1985, S.130

2 Vgl. Kersting, Niccolo Machiavelli, Grosse Denker, 1988, S.33

3 Vgl. Schmölz, Franz-Martin: Machiavelli. Die Trennung von Ethik und Politik, in: Zeitschrift für Politik, Bd 10 (1963), S. 131

4 Vgl. Zorn, Rudolf, Einleitung zu Machiavelli: Der Fürst, S. XLIV

5 Zorn, Rudolf, Einleitung zu Machiavelli: Discorsi, S.LIV

6 Zorn, Rudolf, Einleitung zu Machiavelli: Discorsi, S.XLVIII

7 P, Kap. XIV, S.62

8 Vgl. Freyer, Machiavelli, 1986, S. 62

9 P, Vorwort, S.1

10 P, Vorwort, S.1

11 D, Buch III, Kap. 43, S.396

12 D, Vorw., S.5

13 D, Vorw., S.5

14 P, Kap. XV, S.63

15 Vgl. Buck, Machiavelli, 1985, S.37

16 P, Kap. XVII, S.68

18 D, Buch I, Kap. 3, S.17

19 D, Buch I, Kap. 37, S.100

20 D, Buch I, Kap. 40, S.115

21 D, Buch I, Kap. 27, S.80

22 Münkler, Machiavelli. Die Begründung des politischen Denkens..., 1984, S.263

23 D, Buch I, Kap. 3, S.17

25 Vgl. Kersting, Niccolo Machiavelli, Grosse Denker, 1988, S.49

26 Vgl. P, Widmung, S.2: Machiavelli selbst spricht von „Regeln"

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis von Politik und Moral bei Machiavelli
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Geschwister-Scholl-Institut für Politische Wissenschaften)
Note
1,7
Autor
Jahr
2001
Seiten
20
Katalognummer
V2370
ISBN (eBook)
9783638114479
Dateigröße
551 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verhältnis, Politik, Moral, Machiavelli
Arbeit zitieren
Anja Rössner (Autor:in), 2001, Das Verhältnis von Politik und Moral bei Machiavelli, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2370

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