Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wertvorstellungen Rudolfs im Barlaam und Josaphat
3. Die Königslehre als Beispiel für die Bewährung in der Welt
4. Das Verhalten des Josaphat bei der Weltflucht und der Gegensatz zwischen Eremitenideal und Herrscherpflichten
5. Schlussbetrachtung
6. Bibliographie
1. Einleitung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese am Ende des Barlaam und Josaphat stehenden Verse 16118-16122 veranlassen laut Schnell den Leser dazu, den Gehalt des Werkes in seiner belehrenden Vorbildlichkeit eventuell einzuschränken und lassen „ganz deutlich die innere Distanz des Dichters zu seinem Werk erkennen“ (Schnell 1968: 113). Dieser Frage nach der Vorbildlichkeit von Josaphats Verhalten, speziell bei seiner konkreten Weltflucht, und deren Bewertung durch Rudolf von Ems versucht diese Hausarbeit nachzugehen. Weiterhin soll der Gegensatz zwischen Herrscherpflichten und dem Streben Josaphats nach dem Eremitendasein aufgezeigt werden.
Mit diesen Zielsetzungen möchte ich zunächst einen Blick auf Rudolfs eigene Wertvorstellungen innerhalb des Barlaam und Josaphat werfen. Hierzu eignet sich besonders gut ein Vergleich mit dem Laubacher Barlaam des Bischofs Otto II. von Freising, welcher der selben lateinischen Vorlage folgt. Danach sollen anhand der Königslehre (14785-14860) die Eigenschaften eines idealen Herrschers dargestellt werden. Auf der Grundlage dieser Betrachtungen wird dann die obige Frage eingehend untersucht sowie der benannte Gegensatz aufgezeigt.
Die Frage nach der Vorbildlichkeit des Josaphat beinhaltet zwei Aspekte. Hier soll untersucht werden, ob Josaphats Verhalten bei der konkreten Weltflucht gerechtfertigt ist. Ebenso kann man fragen, in wieweit Rudolf den Leser zum Nachahmen des Eremitendaseins anregen wollte. Während die ältere Forschung den Barlaam und Josaphat aufgrund des Endes noch als Contemptus-mundi-Dichtung deutete (Walliczek 1991: 331), haben Rupp (1959), sowie auch von Ertzdorff (1967: 350-352) die These aufgestellt, dass das zentrale Thema des Werkes Josaphats Bewährung in der Welt sei. Dieser These folgt die vorliegende Arbeit und versucht dafür Belege im Text zu finden. Brackert (1968: 218) und Schnell (1968: 90-92) schließlich haben argumentiert, dass Rudolf keine persönliche Bekenntnis mit dem Werk verbinden wollte und Josaphats Eremitendasein auch nicht nachgeahmt werden soll.
Da zu der Fragestellung dieser Hausarbeit nur wenig Sekundärliteratur verfügbar ist, werde ich relativ viele Stellen aus dem Barlaam und Josaphat zitieren.
2. Wertvorstellungen Rudolfs im Barlaam und Josphat
Im Barlaam und Josaphat des Rudolf wird die Wichtigkeit der Evangelien innerhalb der christlichen Lehre besonders hervorgehoben. Am Ende der ersten Unterweisung Josaphats durch Barlaam heißt es über die Evangelien:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wir sollen also den Lehren der vier Evangelisten folgen, dies ist uns von Gott so befohlen. In den Evangelien wird über das Leben Christi und vor allem über seine Taten in der Welt berichtet. Im Unterschied etwa zu Buddha ist Jesus somit nicht weltabgewandt, sondern tut seinen Mitmenschen Gutes und bewährt sich in der Welt. Die Betonung liegt bei Jesus besonders auf dem ‚tun’, vollbringt er doch zahlreiche Wunder, etwa zahlreiche Krankenheilungen oder die Speisung der Fünftausend. Diese Zentralstellung der Evangelien findet sich im Laubacher Barlaam nicht (Laub. 2996-3049). Auch hier erklärt Barlaam zwar, wer die Evangelisten sind, jedoch fehlt ein wertender Kommentar wie bei Rudolf, der ihre Wichtigkeit innerhalb der christlichen Lehre betont.
Seinen Mitmenschen Gutes zu tun, das Gebot der Nächstenliebe, ist ebenfalls ein zentrales Thema innerhalb des Barlaam und Josaphat. Im Unterschied zum Laubacher Barlaam (Schnell 1968: 86-87) wird dieses Gebot bei Rudolf zusammen mit der Gottesliebe zum wichtigsten christlichen Gebot erhoben. In einer weiteren Unterweisung Josaphats über Gottes Lehre finden sich die Worte:
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