Kinder und das Medium Fernsehen - Eine Darstellung der geschlechtsspezifischen und medialen Sozialisation sowie die Geschlechterdarstellung von Kindern


Magisterarbeit, 2003

106 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Mediengeschichte und -gebrauch
2.1 Was sind Medien?
2.2 Entstehungsgeschichte des Medium Fernsehens
2.3 Das Medium Fernsehen innerhalb der Familie
2.4 Zeitverwendung von und Zeitstrukturierung durch Medien
2.5 Programmvorlieben
2.6 Mediennutzung als Haupt- oder Nebentätigkeit
2.7 Einflussfaktoren auf das Medienverhalten

3. Sozialisation
3.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation
3.2 Wahrnehmungsentwicklung bei Kindern
3.3 Mediale Sozialisation

4. Geschlechterrollen
4.1 Geschlechtsstereotypen
4.2 Geschlechtstereotypen in den Medien

5. Kinderprogramme
5.1 Geschichte der Kinderprogramme
5.1.1 Die Anfänge
5.1.2 Die 60er, 70er und 80er Jahre
5.1.3 Die 90er
5.1.4 Die öffentlich- rechtlichen und die privaten Anbieter und ihr Kinderprogramm
5.2 Geschlechterverhältnis in Kinderprogrammen
5.2.1 Männliche Figuren und ihre Darstellung in Kinderprogrammen
5.2.2 Weibliche Figuren und ihre Darstellung in Kinderprogrammen
5.2.3 Der Wandel des Mädchenbildes
5.2.4 Der Wandel des Blickes auf Geschlechter- stereotype am Beispiel der „Teletubbies“
5.3 Geschlechterdarstellung in Kinofilmen für Kinder
5.3.1 Harry Potter
5.3.2 Pippi Langstrumpf
5.3.3 Zusammenfassung
5.4 Geschlechterdarstellung in Zeichentrickfilmen
5.4.1 He-Man
5.4.2 Die Schlümpfe

6. Geschlechtsspezifische Verhaltenskonzepte und Leitbilder für Jungen und Mädchen
6.1 Geschlechtsspezifische Präferenzen und warum Kinder Zeichentrickfilme schauen
6.2 Verschiedene Serienarten
6.2.1 Serien über den „bewegten Alltag“
6.2.2 Serien über die „gerechten Kämpfe“
6.2.3 Serien über „kleine Abenteuer“
6.2.4 Zusammenfassung
6.3 Worauf Mädchen ihren Fokus legen
6.3.1 Die Leitbilder für Mädchen
6.3.1.1 Die Schönheit
6.3.1.2 Die Braut
6.3.1.3 Die Fügsame
6.3.1.4 Die Mütterliche
6.3.1.5 Die Frau
6.4 Worauf Jungen ihren Fokus legen
6.4.1 Die Leitbilder für Jungen
6.4.1.1 Der einsame Wolf
6.4.1.2 Der kleine Gendarm
6.4.1.3 Das edle Phantom
6.4.1.4 Das schlaue Kerlchen
6.4.1.5 Der gute Freund
6.4.1.6 Der kribblige Späher
6.5 Zusammenfassung: Was suchen und finden Mädchen und Jungen in Zeichentrickfilmen?

7. Schlussbemerkung

8. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Entwicklung der abendlichen Fernsehnutzung

Abbildung 2: Am wenigsten verzichten kann ich auf

Abbildung 3: Gibt es eine Figur/Person, für die Du besonders schwärmst?

Abbildung 4: Weibliche und männliche Stereotypen

Abbildung 5: Was suchen Kinder in Cartoons

Abbildung 6: Der „bewegte Alltag“ im Urteil der Altersgruppen

Abbildung 7: Der „bewegte Alltag“ im Urteil der 7- bis 11jährigen

Abbildung 8: Die „gerechten Kämpfe“ im Urteil der Altersgruppen

Abbildung 9: Die „gerechten Kämpfe“ im Urteil der 7- bis 11jährigen

Abbildung 10: Die „kleinen Abenteuer“ im Urteil der Altersgruppen

Abbildung 11: Beliebte und unbeliebte Serientypen

1 Einleitung

Ein Leben ohne Medien ist für uns heutzutage kaum mehr vorstellbar. Angefangen beim Aufwachen durch den Radiowecker begleiten uns Medien durch den ganzen Tag. Sie umgeben uns in Form der morgendlichen Tageszeitung, der Werbeplakate auf dem Weg zur Arbeit, dem Telefon im Büro bis hin zum abendlichen "Abschalten" vor dem Fernseher. Die Bedeutung, die Medien dabei in unserem täglichen Leben einnehmen, ist enorm - und uns ist meistens gar nicht bewusst, wie sehr sie unser Leben beeinflussen. In dem gleichen Maße wie die Vielfalt der unterschiedlichsten Medien zugenommen hat, ist auch das Alter gesunken, indem Kinder zum ersten Mal in Kontakt mit den Medien kommen.

Das Medium Fernsehen hat den Einzug sogar schon bereits bei Grundschulkindern in deren Kinderzimmer geschafft.

Da man dem Fernsehen unter anderem eine starke wertevermittelnde und sozialisierende Fähigkeit zuschreibt, stellt sich natürlich auch die Frage, inwieweit dieses Medium Einfluss auf die geschlechtsspezifische und mediale Sozialisation der 3- bis 13jährigen Kinder hat. Interessant hierbei ist auch die Darstellung der Geschlechterrollen aus dem Blickwinkel des Medium Fernsehens.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema “Kinder und Medien“ und stellt sich die Frage: Wie werden Geschlechter in Kindersendungen dargestellt und welche Leitbilder werden den Kindern angeboten? Dabei wird zuerst definiert was Medien sind und inwieweit diese von Familien, insbesondere von Kindern benutzt werden. Die Ausführung über die Entwicklung des Medium Fernsehens ist daher wichtig. Da das Fernsehen eine wichtige Rolle in der Sozialisation der Kinder übernimmt und Jungen und Mädchen schon in sehr jungem Alter manipulieren kann, wird in einer theoretischen Einführung aufgezeigt, was man allgemein unter Sozialisation versteht, und Mediensozialisation im Besonderen bedeutet. Des weiteren wird auf die Bedeutung von Geschlechterrolle und Geschlechterstereotyp im allgemeinen und besonderen eingegangen. Das Medium Fernsehen kann eine traditionelle oder aber schon eine neue veränderte Darstellung von Geschlechterrollen aufzeigen, und somit vermitteln was als typisch „männlich“ und als typisch „weiblich“ angesehen werden soll. Dieses aufgenommene Bild wird vom Rezipienten zurück in die Gesellschaft getragen.

Im Hauptteil dieser Arbeit werden die gewonnenen Erkenntnisse anhand von Beispielen verdeutlicht, wobei sich ausschließlich mit Kinderprogrammen und deren geschlechtsspezifischer Rollendarstellung von Kinder bis zu 14 Jahren spezialisiert wird. In den Fokus genommen werden dabei Jungen und Mädchen in ihren Rollen in Kindersendungen, vor allem inwiefern sie in stereotypischen Charakteren auftreten und somit geschlechtsspezifische Rollenbilder vertreten. Aufgezeigt werden auch die verschiedenen Leitbilder, die die Kinderprogramme jeweils für Jungen und Mädchen anbieten und für welche sich die Kinder entscheiden.

2. Mediengeschichte und -gebrauch

2.1 Was sind Medien?

Medien werden definiert als „ hochentwickelte Informations- und Kommunikationstechnologie[n], die seit den 1980er Jahren Verbreitung finden.1 Sie dienen der Vermittlung von Informationen und sind somit das entscheidende Bindeglied zwischen Sender und Empfänger. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlichster Medien, angefangen bei den ersten Tontafeln und Handschriften der Menschheit über Buch und Zeitungsdruck, Telefon, Schreibmaschine, Film, Rundfunk, Fernsehen bis hin zu Computer und Internet. Alle diese Medien haben gemein, dass sie Informationen über räumliche und zeitliche Instanzen hinweg speichern und übertragen. In besonderem Maße stellen Massenmedien, wie zum Beispiel das Fernsehen, eine Rolle bei der Vermittlung und Verbreitung von Meinungen, Informationen und Kulturgütern an einen möglichst großen Rezipientenkreis dar. Durch ihre Selektions- und Strukturierungsfunktion übernehmen sie zwangsläufig eine große Verantwortung bei der Welt- und Wirklichkeitsvermittlung sowie Meinungsbildung, da sie Geschehnisse filtern und rekonstruieren und diese den Rezipienten als weitgehend wahre Abbilder der Wirklichkeit präsentieren. Sie verhalten sich nicht neutral gegenüber dem was sie vermitteln, sondern sie passen den Inhalt an gesellschaftlich relevante, kulturelle, juristische und politische Normen an.

Während die Alltagskommunikation sich dadurch auszeichnet, dass man aufeinander reagiert und sich zeitgleich wechselseitig beeinflusst, ist die mediale Kommunikation einseitig und in der Regel zeitversetzt. Im offenen Dialog überwiegen spontane und individuelle Äußerungen, wohingegen mediale Kommunikation meist vorbereitet wird und sich an einen großen potentiell unbegrenzten Adressatenkreis richtet. Die beteiligten Rezipienten sind dabei nicht identifizierbar, was dazu führen kann, dass es durch die Einseitigkeit dieser Kommunikation zu Verständigungs-schwierigkeiten zwischen Sender und Empfänger kommt.

Seit mehreren Jahrzehnten ist gerade das Medium Fernsehen eines der beliebtesten Massenmedien und hat dadurch einen ganz besonderen Stellenwert bei der weltweiten Präsentation von Informationen erlangt und wurde zum potentiellen "Meinungsmacher". Im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung wird der Begriff „Medium“ ausschließlich Synonym für jegliche Form von Fernsehen verwendet und schließt andere Medien, wie Rundfunk- und Printmedien aus.2

2.2 Entstehungsgeschichte des Mediums Fernsehen

Die ersten Fernsehsender wurden in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland gegründet und haben seither einen stetigen Zuwachs auf gegenwärtig 35 dauerpräsente Kanäle erfahren. Diese Entwicklung wurde durch den konstanten Anstieg an Fernsehgeräten in deutschen Haushalten ab 1952 ermöglicht und die Vermarktung des Farbfernsehers um 1967 tat Entscheidendes bei dem Eroberungsfeldzug des Mediums Fernsehen bei. In Zahlen bedeutet das, dass zu Beginn der ersten Fernsehausstrahlungen 1952 vom Nordwestdeutschen Rundfunk ungefähr 1.000 deutsche Haushalte ein Fernsehgerät besaßen, 1964 waren es bereits neun Millionen.3 Dies entspricht einem Zuwachs von 9000% in nur 12 Jahren. 1996 waren, der Media Analyse folgend, 97% aller Haushalte im Besitz eines Fernsehgerätes.4 Teilweise befinden sich dabei nicht nur einer, sondern sogar zwei oder noch mehr Geräte pro Haushalt darunter. Begründet werden derartige Anschaffungen mit unterschiedlichen Programmvorlieben der Familienmitglieder. Aber auch die Tatsache, dass der Fernseher als Statusobjekt betrachtet wird, ist dafür ausschlaggebend. Auch wenn er gar nicht oder aber nur sehr selten genutzt wird, erscheint er als unverzichtbares Objekt.

An dieser Entwicklung kann man sehr gut erkennen, dass das Medium Fernsehen einen immer höheren Stellenwert in der Gesellschaft zugesprochen bekam und gegenwärtig noch immer eine steigende Tendenz aufweist. Auch innerhalb der Familie zeigt sich deutlich, dass das Medium einen hohen Stellenwert besitzt.

2.3 Das Medium Fernsehen innerhalb der Familie

Der elterliche Umgang mit Medien spielt eine große Rolle bei der Art und Weise, wie häufig Kinder und Jugendliche diese nutzen. Die Programmwahl wird durch die Rollenverteilung der Gesellschaft beeinflusst, so setzen sich Männer gegenüber Frauen, ältere gegenüber jüngeren Kindern und Väter gegenüber Müttern und Kindern durch. Tendenziell scheinen sich Eltern jedoch zunehmend den Wünschen der Kinder zu fügen. Bei häufiger Mediennutzung werden innerhalb der Familie bestimmte „Medienrituale“ entwickelt, so z.B. das gemeinsame Abendessen vor dem Fernseher, das Mitraten bei Quizsendungen oder das sich Verbrüdern von Vater und Sohn bei Sportsendungen.5 Durch die heutige Lebens- und Wohnsituation - Kleinfamilie und Trennung von Wohn- und Arbeitsraum - kann man immer häufiger feststellen, dass Kinder relativ oft allein sind. Der Fernseher wird hier zum elektronischen „Babysitter“, indem er als Medium von den Eltern bewusst eingesetzt wird, um das Kind zu beschäftigen oder sogar von den Kindern selbst, um ihre Verlassenheitsängste zu mildern.6

Mit dem Einzug des Fernsehers in die Kinderzimmer verliert das Fernsehen seinen Stellenwert als „Familienmedium“, da man es nicht mehr als Familie gemeinsam und zur selben Zeit nutzt. Befindet sich ein Fernsehgerät erst einmal im eigenen Kinderzimmer, steigt automatisch die Nutzung und auch die elterliche Kontrolle wird umgangen. Die Eltern verlieren den Überblick darüber oder den Einfluss darauf, welche Sendungen angeschaut werden und wie stark der Fernsehkonsum ihrer Kinder ansteigt.7 Dadurch werden die Datenmengen unreflektiert von den Kindern aufgenommen. Das entstehende Problem dabei ist, dass sie bis zu einem bestimmten Alter noch nicht zwischen Medienfiguren und Menschen aus ihrem Umfeld unterscheiden können. In der Kindheit sind die Trennungslinien zwischen Alltagswelt und Fernsehwelt sehr fließend. Die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Fiktion und Realität entwickelt sich erst noch. Daher ist es notwendig, dass eine Kommunikation zwischen Eltern und ihren Kindern entsteht, um diesen Unterschied verdeutlichen zu können. Diese Entwicklung der Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität wird im späteren Verlauf dieser Ausführung noch erläutert.8 Wichtig hierfür ist zu wissen, dass die elterliche Fernsehnutzung auch das Verhalten der Kinder beeinflusst. Die Dauer und die Häufigkeit des Fernsehkonsums der Kinder richten sich häufig nach dem elterlichen Fernsehverhalten.

2.4 Zeitverwendung von und Zeitstrukturierung durch Medien

Der Tagesablauf wie auch die Mediennutzung passt sich an standardisierte Schemata an. Die Fernsehnutzung bei Kindern und Jugendlichen beginnt erst nach 14 Uhr. Dabei liegt der Höhepunkt des Fernsehkonsums erst gegen 20 Uhr und endet mit der Bettgehzeit um 22 Uhr, dies lässt sich in Abbildung 1 erkennen. Im Durchschnitt schauen jeden Tag 5,48 Millionen 3- bis 13- Jährige mindestens eine Stunde fern.9

Abbildung 1: Entwicklung der abendlichen Fernsehnutzung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In einer Untersuchung von Thomas Windgasse und Walter Klinger von 1998 wurde festgestellt, dass im ersten Halbjahr 1997 die 3- bis 5jährigen eine durchschnittliche Sehdauer von 78 Minuten haben. Die 6- bis 9jährigen schauten 92 Minuten und die Sehdauer der 10- bis 13jährigen betrug bereits 114 Minuten.10

Eltern und Freunde beeinflussen die Häufigkeit der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen. Man hat festgestellt, dass es eine starke Korrelation zwischen der Sehdauer von Kindern und der Sehdauer ihrer Eltern besteht.11

Man darf die Mediennutzung aber nicht unabhängig von der Einbindung dieser in den Alltag der Kinder betrachten. Denn das Fernsehen ist heutzutage nicht mehr aus dem Alltag der Kinder weg zu denken. Nach der KIM Studie 2000 können drei Viertel der befragten Kinder auf dieses Medium am wenigsten verzichten.

Abbildung 2: Am wenigsten verzichten kann ich auf …

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2001, S.17

Abbildung 2 zeigt, dass insgesamt 75% der Befragten auf das Fernsehen nicht gern verzichten. Interessant ist dabei, dass es mehr Mädchen sind, nämlich 77 % im Gegensatz zu 73% der Jungen.12 Daraus lässt sich schließen, dass die meisten Jungen und Mädchen heutzutage nicht mehr ohne Fernsehen auskommen. Beeinflusst wird dieses Verhalten durch die Vielfalt der angebotenen Sendungen der Fernsehanstalten. Jungen und Mädchen wollen auf ihre Lieblingssendungen nicht mehr verzichten. Dabei liegt der Schwerpunkt bei Jungen als bei Mädchen in unterschiedlichen Genres.

2.5 Programmvorlieben

Programmvorlieben lassen sich insbesondere im Bezug auf Geschlecht und Alter unterscheiden. Bei Kindern sind in der Regel die privaten Veranstalter am beliebtesten, wie z.B. Pro7 und RTL, sowie VIVA und MTV. In der Quantität des Fernsehkonsums unterscheiden sich Jungen nicht von Mädchen. Nur in Bezug auf den Inhalt gibt es verschiedene Präferenzen.13 Bevorzugte Sendungen der 6- bis 8 jährigen sind spezielle Kindersendungen, auch alle Arten von Zeichentrickserien. Die 12- bis 14- jährigen bevorzugen eher Comedy, Krimis und alle Arten von sonstigen Serien. Dabei lässt sich feststellen, dass Jungen eher Actionserien und Mädchen eher Daily Soaps bevorzugen. Comedy ist allerdings bei Mädchen wie Jungen sehr beliebt. Spielfilme, vor allem Abenteuerfilme sowie Unterhaltungssendungen, werden vorwiegend von der ganzen Familie geschaut.14 Zeichentrick ist bei den Jungen und Mädchen vor allen anderen Genre stark bevorzugt, was auch die Vielfalt an angebotenen Zeichentrickfilmen widerspiegelt.15

Auf die geschlechtsspezifischen Tendenzen wird im Hauptteil der Ausarbeitung noch ausführlich eingegangen.

2.6 Mediennutzung als Haupt- oder Nebentätigkeit

Normalerweise werden während des Fernsehens Arbeiten im Haushalt verrichtet, es wird gelesen, geredet, gegessen, telefoniert, herumspaziert oder gar geschlafen - auch Kinder spielen nebenher, ohne dem Fernsehgeschehen Aufmerksamkeit zu schenken - eher selten wird ausschließlich ferngesehen. Das alltägliche Familienleben verläuft in der Regel unabhängig von an- oder ausgeschaltetem Fernsehgerät.

Auf die Frage, warum Kinder gerne fernsehen, wurde in einer Umfrage von 1997 Angaben gemacht, wie z.B.: um die Zeit zu füllen oder Gesellschaft zu haben. Auch gelernt wird während des Fernsehens, vor allem aber wird dieses Medium zur Ablenkung, Flucht aus dem Alltag, aus Langeweile und als Grundlage zu Diskussionen mit Freunden genutzt.16

Diese Nutzung des Mediums zeigt, dass nicht nur ausschließlich ferngesehen wird, sondern andere Tätigkeiten nebenher verrichtet werden. Das Medium wird nur als Begleiter im Tagesablauf genutzt. Die Mediennutzung ist aber stark von anderen Faktoren abhängig, wie im folgenden Abschnitt näher beleuchtet wird.

2.7 Einflussfaktoren auf das Medienverhalten

Das Medienverhalten in Familien wird durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Die wichtigsten sind hierbei Schicht und Milieu, Alter und Geschlecht. Je geringer der soziale Status, die Bildung und das Einkommen von Erwachsenen, desto höher ist tendenziell der Fernsehkonsum. Die Fernsehinhalte werden hier generell weniger hinterfragt, der Fernseher läuft oft "nebenher". Über einen eigenen Fernseher verfügen auch häufiger Kinder aus Familien mit einem niedrigen Bildungsniveau.17

Der Umgang von Medien wird auch vom Lebensalter beziehungsweise den Lebensphasen beeinflusst. Während im Alter von 12 bis 15 Jahren mehr ferngesehen wird, nimmt der Fernsehkonsum ab 16 Jahren ab. Ab 25 Jahren findet wieder eine größere Fernsehnutzung statt, was mit dem Berufseinstieg und der Familiengründung in Zusammenhang gebracht wird. Es wird in diesem Alter immer noch mehr Radio gehört als ferngesehen. Unter erschwerten Lebenssituationen wie Arbeitslosigkeit oder allein erziehendes Elternteil verändert sich auch der Umgang mit Medien. Es findet ein verstärkter Medienkonsum statt. Dabei spielt vor allem das Bedürfnis nach Unterhaltung, Zerstreuung und Fluchten aus dem Alltag eine wesentliche Rolle.18

Die elterliche Erziehung hat großen Einfluss auf die Mediennutzung der Kinder, ist aber nicht die einzige Sozialisationsinstanz, die die Kinder prägt. Auch das Medium Fernsehen hat eine sozialisierende Wirkung.

3. Sozialisation

Der aus der Soziologie stammende Begriff „Sozialisation“ oder auch Vergesellschaftung genannt, ist eine Bezeichnung für den Prozess, durch den ein Individuum in eine soziale Gruppe eingegliedert wird, indem es die in dieser Gruppe geltenden sozialen Normen, insbesondere die an das Individuum als Inhaber bestimmter Position gerichteter Rollenerwartungen, die zur Erfüllung dieser Normen und Erwartungen erforderlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie die zur Kultur der Gruppe geh ö renden Werte, Ü berzeugungen usw. erlernt und in sich aufnimmt.19

Alle gesellschaftlichen Einrichtungen, die bewusst oder unbewusst Sozialisationsprozesse steuern und der Vermittlung von bestimmten Normen und Wertvorstellungen, Ziele und Verhaltensformen dienen, sind Instanzen der Sozialisation. In der Familie, in der wichtige Persönlichkeitsmerkmale wie Sprache, Denken, Fühlen und Handeln ausgeformt werden, findet die Primäre Sozialisation statt. Gelernt wird neues soziales Rollenverhalten. Diese Einflüsse der Erziehung wirken unterstützend, aber auch entgegenwirkend, auf den Sozialisationsprozess. Der Sozialisationsbegriff meint zum einen die Anpassung des Individuums an die gesellschaftlichen Rollen- und Verhaltensanforderungen, zum anderen die Entwicklung des Menschen zur autonomen, gefestigten Persönlichkeit. Als Sozialisationsinstanzen werden Schule, Universität, berufliche Ausbildungsstätte, Arbeitsstätte, Kirche, Militär, traditionelle Vereine usw. angesehen. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede zwischen Unterschicht- und Mittelschichtan-gehörigen im Sozialisationsablauf und -erfolg. Eine Reproduktion der sozialen Schichtungen und der damit verbundenen sozialen Ungleichheit findet dadurch ständig statt.20 Sozialisation bezeichnet somit den Prozess des Erwachsenwerdens unter Anleitung von Familie und besonderen Einrichtungen, sie findet jedoch immer auf Hinblick geschlechtsspezifischer Erziehung statt.

3.1 Geschlechtsspezifische Sozialisation

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat die Wissenschaft versucht, Unterschiede zwischen den Geschlechtern nachzuweisen, wobei die Wissenschaftler sich weitestgehend mit einer Darstellung der geschlechtsspezifischen Unterschiede befassten, die sie mit einer Überlegenheit des männlichen Geschlechts begründeten und aufrecht erhielten. Erst zu Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts mit dem Aufkommen der neuen Frauenforschung begannen einige Forscherinnen, Untersuchungen aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, indem sie versuchten, nicht nur Ergebnisse darzustellen, in denen Unterschiede zwischen den Geschlechtern sichtbar wurden, sondern auch eine Vielzahl von Daten veröffentlichten, in denen kein Geschlechtsunterschied erkennbar war. Bis dahin gab es auch noch keine ausgeprägte Theorie der geschlechtsspezifischen Sozialisation. In Untersuchungen hat sich nun herausgebildet, dass die Geschlechterdifferenzen nicht von der patriarchalen Gesellschaftsstruktur zu trennen sind, wobei auch eindeutig eine Hierarchie im Geschlechterverhältnis festgestellt werden kann.21 Zwischen den Geschlechtern sind viele Unterschiede nicht biologisch bedingt, daher ist die Unterscheidung zwischen ,,sexus", was sich auf die körperlichen Unterschiede bezieht, und ,,genus", das die psychischen, sozialen und kulturellen Unterschiede bezeichnet, sehr wichtig.22

Schon in den ersten Lebensjahren beginnt die Sozialisation und somit auch die geschlechtsspezifische Behandlung von Jungen und Mädchen. Die Kinder internalisieren die unterschiedliche Rollenverteilung, allerdings erfolgt noch keine stereotype Zuweisung zum jeweiligen Geschlecht. Die Kinder orientieren sich lediglich an den Unterschieden zwischen Erwachsenen und Kindern, also den Kleinen und den Großen, den Lehrenden und den Lernenden, sowie zwischen den Mächtigen und den Abhängigen.23 Bis zum 6. Lebensjahr sind sich Kinder bewusst, welchem Geschlecht sie angehören, dass es zwei verschiedene Geschlechter gibt und dass diese durch verschiedene Genitalien gekennzeichnet sind. Außerdem können sie den Geschlechtern verschiedene Merkmale, wie z.B. Aussehen und Namen zuordnen und sie wissen, dass die Geschlechter unveränderbar sind. Bei den Verhaltensweisen wurden je nach Untersuchung bis hin zum 6. Lebensjahr noch keine oder nur geringe spezifische Unterschiede festgestellt.24

Normen und Werte werden offensichtlich unterschiedlich an die nächste Generation weitergegeben, wobei die Reaktionen der Kinder auf die unterschiedliche Behandlung durch die Erwachsenen lange Zeit als Imitations- oder Identifikationslernen der jeweiligen Geschlechterrolle beschrieben wurde. Simone de Beauvoir hat mit ihrem Ausspruch: ,,Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es!"25 einen Denkanstoß für die frauenfeindliche Sozialisation im Patriarchat gegeben. Denn wir übernehmen eine Identität, die in unserer Gesellschaft durch Mitmenschen definiert und vorgelebt wird. Schon Babys werden von Erwachsenen völlig unterschiedlich behandelt, je nach dem ob es sich um einen Jungen oder ein Mädchen handelt. Ergebnis von Experimenten war, dass ein Baby, das einmal als Junge und einmal als Mädchen ausgegeben wurde, dementsprechend von den Erwachsenen behandelt wurde. Das vermeintlich weibliche Baby wurde als „süß“ und „zart“, das vermeintlich männliche Baby als „stark“ und kräftig“ bezeichnet.26 Kleine Kinder lernen schon sehr früh, auch schon auf der nonverbalen Ebene die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erkennen und beginnen bald, die Unterschiede ihres Verhaltens sowie des Verhaltens zueinander zu erkennen. Selbst wenn Eltern sehr bemüht sind, ihre Kinder geschlechtsneutral zu erziehen, so stoßen sie bald an von außen gesetzte Grenzen, da sie einerseits unbewusst ihre Vorstellungen weitergeben und andererseits auch die Einflüsse der Umwelt nicht umgehen können.27 In Kinderbüchern und Filmen werden seit einiger Zeit doch verstärkt Mädchen dargestellt, die Abenteuer erleben und außerhäuslichen Tätigkeiten nachgehen. Aber nach wie vor werden kaum Jungen dargestellt, die häusliche Tätigkeiten verrichten. Auch Spielzeug wird nach wie vor stark geschlechtsspezifisch angeboten und beworben. Peer- Groups verstärken das bis dahin erlernte geschlechtsspezifische Verhalten im Allgemeinen noch. In der Pubertät müssen Jungen, besonders solche der Unterschicht, sich davor hüten, „weibisches Verhalten" zu zeigen, um nicht als verweichlicht oder gar homosexuell zu gelten. Mädchen sind in dieser Zeit einem besonderen Druck ausgesetzt, die weibliche Rolle zu übernehmen. Einfluss auf das Verhalten der Kinder hat auch in nicht geringem Maße das Spielzeug, das ihnen zur Verfügung steht. Mädchen werden hierbei typisch weibliche Spielzeuge, wie z.B. Puppen und Kinderwagen zugeordnet und Jungen typisch männliche, wie z.B. Autos und Baukästen. Mädchen allerdings wird von ihren Eltern die Freiheit gegeben auch mit typisch männlichem Spielzeug zu spielen. Im Gegensatz dazu wird von Jungen rollenkonformes Verhalten gefordert.

Nicht mit dem „richtigen“ Spielzeug spielen wird bei Jungen stärker sanktioniert. Mädchen- Spielzeug hat im Gegensatz zu Jungen- Spielzeug einen geringeren Stellenwert.28 Mädchen werden schon früh mit ihrer zukünftigen Rolle als Mutter vertraut gemacht, indem man ihnen Puppen und Kinderwagen schenkt beziehungsweise indem ihnen die zukünftige Rolle durch Werbung für geschlechtsspezifisches Spielzeug in den Medien zugewiesen wird.29

Laut einer Untersuchung von Monika Weiderer und Annegret Komorek- Magin wird Jungen in ihrer Erziehung mehr Freiheit und Selbständigkeit zugestanden. Mädchen dagegen werden für nicht-stereotypes Verhalten eher sanktioniert und nach dem traditionellen Frauenbild sozialisiert.30 Es gibt verschiedene Theorien, die geschlechtsspezifischen Sozialisation versuchen zu erklären. Die Ähnlichkeitshypothese geht z.B. davon aus, dass Kinder Geschlechterrollen durch Interpretation des geschlechtsspezifischen Verhaltens der Eltern erwerben. Sie orientieren sich jeweils an denen ihnen ähnlicher erscheinenden Rollen und übernehmen dieses Verhalten. Die Aneignung von Weiblichkeit und Männlichkeit läuft nach der psychoanalytischen Theorie über die Identifikation an den Eltern. Die Kinder richten ihr Verhalten am gleichgeschlechtlichen Elternteil aus, und werden dementsprechend die von der Mutter und vom Vater vorgelebten weiblichen und männlichen Rollen übernehmen.

Aus lerntheoretischer Sicht sind diese angebotenen und vorgelebten Geschlechterrollen die Vorbilder für Kinder. Diese Modelle von weiblich und männlich werden nachgeahmt. Diese Nachahmung wird von der Umwelt verstärkt, indem Kinder für bestimmte Verhaltensweisen gelobt oder getadelt werden, wie zum Beispiel ein Junge soll nicht weinen.31

Die Notwendigkeit der Darstellung von Geschlechtszugehörigkeit betont die konstruktivistische Theorie. Sie bezeichnet sie als „doing gender“, d.h. es reicht nicht aus, Geschlecht nur zu haben, sondern es muss auch von außen dokumentiert werden.32

Alle Theorien gehen davon aus, dass „Geschlecht“/“gender“ nicht angeboren, sondern erlernt wird. Man wird zwar als „Mann“ oder „Frau“ geboren, aber die Eigenschaften und Verhaltensweisen werden erst im Laufe der Sozialisation erlernt und gefestigt. Man ist also nicht „Mann“ oder „Frau“, sondern wird dazu gemacht.

In der Sozialisation ist die Orientierung an den Eltern also sehr wichtig für die Orientierung und Ausprägung des eigenen Geschlechts. Doch vor allem den Jungen fehlt in der Sozialisation häufig der Vater, der durch seine Arbeit meist nicht zu Hause ist, und sie keine Möglichkeit haben sich an ihm zu orientieren. Die männlichen Leitbilder holen sich die Kinder dann meist aus realitätsfernen Erzählungen, Märchengestalten und Fernsehhelden.33 Diese Heldenrollen spielen in der Sozialisation von Kindern eine zentrale Funktion, d.h. dass sie sich an dem vorgelebten Handeln der starken und mutigen Figuren in den Kinderprogrammen sowie auch an Personen in ihrem Umkreis orientieren und dieses sich auch auf das Handeln der Kinder auswirkt. Die Medienhelden liefern den Kindern Identifikationsmöglichkeiten und sind eine Projektionsfläche für eigene Wünsche und Ängste. Diese Vorbilder und Orientierungshilfen, die meist eine Ambivalenz von Stärke und Schwäche, Größe und Kleinheit, von Allmacht und Ohnmacht kennzeichnen, sind wichtig für die kindliche Identifikationsfindung.34

Geschlechtspezifische Sozialisation legt den Grundstein für die weitere Entwicklung von Jungen und Mädchen. Sie werden schon früh sozialisiert, was „männlich“ und was „weiblich“ sein bedeutet. Kleine Kinder jedoch unterscheiden noch nicht unter geschlechtsspezifischen Aspekten, diese Unterscheidung erlernen sie erst im Laufe ihrer Entwicklung.

3.2 Wahrnehmungsentwicklung bei Kindern

Kinder müssen erst erlernen die im Fernsehen dargestellten Sendungen im Ganzen und als Fiktion zu sehen. Man muss nämlich beachten, dass Kinder zwischen 3 und 5 Jahren sich einen Film nicht als Ganzes wahrnehmen können, sondern dass sie sich Einzelheiten aus diesem herauspicken. Das liegt unter anderem daran, dass ihre Konzentrationsfähigkeit noch begrenzt ist und sie während des Fernsehens auch Umgebungsreize wahrnehmen. Ob das Gesehene im Fernsehen real oder fiktiv ist, können Kinder in diesem Alter noch nicht unterscheiden. Zeitraffer, Zeitblenden und Rückblenden sowie Ortswechsel sind für Kinder bis zum Alter von 6 Jahren schwer zu erfassen. Sie richten sich noch hauptsächlich an Einzelheiten im Film aus, und sind der Meinung, dass das Gesehene Bestandteil ihrer eigenen Erfahrungswelt ist. Die Fähigkeit, einen „roten Faden“ und somit die Handlungsabläufe des Films zu erkennen, entwickeln sie allmählich ab dem 5. Lebensjahr. Unterscheiden zwischen Fiktion und Realität können die Kinder dann allmählich ab dem Grundschulalter. Sie fangen an, nicht mehr alles zu glauben, was sie in den Filmen sehen. Erst ab dem 7. Lebensjahr beginnen Kinder Zusammenhänge zu begreifen und zu differenzieren. Das Abstraktionsvermögen zum „formalen“ Denken erhalten die Kinder erst ab dem 10. Lebensjahr.35 Der Medienumgang und die Medienrezeption stellen dadurch ein aktives Handeln dar, denn die Familienmitglieder setzen die Medienangebote mit ihrer eigenen Lebenssituation und den Erfahrungen, die sie im „realen“ Leben gemacht haben, in Beziehung. Allerdings bieten Medien keine realen Lösungsmöglichkeiten für Probleme, sie können nur auf der symbolischen Ebene Erfahrungen vermitteln.36 Eltern sollten gemeinsam mit ihren Kindern fernsehen und das Gesehene mit ihnen besprechen, da das Fernsehen auch eine wichtige Rolle in der Sozialisation der Kinder übernimmt.

3.3 Mediale Sozialisation

Mediensozialisation bedeutet Sozialisation durch Massenmedien. Für Kinder und Jugendliche spielen die Medien in der Sozialisation eine große Rolle. Vor allem das Fernsehen ist in dieser Zeit durch seine große Verbreitung und hohe Glaubwürdigkeit eines der größten beeinflussenden Massenmedien.37

Kinder, deren Eltern den Medienkonsum einschränken oder verbieten, werden in der Schule als „Medienmuffel“ und somit als Außenseiter abgestempelt. Viele Erziehungsberechtigte sehen in Zugeständnissen im Medienkonsum im Vergleich zur Außenseiterrolle ihres Kindes das kleinere Übel.38 Die Familie ist der erste Ort der Medienerfahrung, weshalb der richtige Umgang mit Medien wichtig ist für die Entwicklung der Kinder. Das Fernsehen stellt heute bei der jüngeren Generation eine Sozialisationsinstanz mit prägendem Einfluss durch die Vermittlung von Informationen, Einstellungen und Unterhaltung dar. Viele Kinder und Jugendliche sehen im Fernsehen ein Bindeglied zwischen Realität und der eigenen alltäglichen Umsetzung von lebensweltlichem Verständnis. Somit dient es als wichtigste Sozialisationsinstanz neben der Familie und den Peer- Groups.39

Kinder sind heute im Vergleich zu früher durch den Medienverbund und die Allgegenwart der Medien in die Welt der Erwachsenen mit einbezogen. Sie wissen mehr von der Erwachsenenwelt und kennen alles schon durch die Medien, ehe sie es selbst erleben. Dadurch, dass Kinder nicht nur Kindersendungen sehen, sondern auch Sendungen die nicht explizit als Kindersendungen ausgeschrieben sind, insbesondere bei Eigenbesitz eines Fernsehers, hat das Fernsehen alle Taburäume, die bisher für das Kinderalter bestanden, aufgehoben. Medien beziehungsweise Medienwelten verändern auf diese Weise auch die elterliche Autorität. Durch das Fernsehen werden Kinder mit Meinungen konfrontiert, die denen der Eltern widersprechen können. Sie lernen Erwachsene kennen, die anders leben und andere moralische und ethische Vorstellungen haben. Das führt dazu, dass Medien von Kindern und Jugendlichen als Mittel zur Abgrenzung und Selbstbehauptung gegenüber den Erwachsenen genutzt werden können.40 Medien spielen also bei den kulturellen Orientierungs- und Selbstfindungsprozessen eine wichtige Rolle. Sie zeigen ganz unterschiedliche Jugendkulturen und -stile auf, die den heutigen Jugendlichen zur Verfügung stehen, und propagieren dadurch die Möglichkeit, sich seinen Lebensstil selbst zusammen zu basteln und auszuwählen. Dadurch schaffen sie zeitgenössische Jugendbilder, wie ein Jugendlicher auszusehen und wie er sich zu verhalten hat.41 Dementsprechend ändern sich die Programmvorlieben mit dem Aufwachsen der Kinder. Während die jüngsten am liebsten vermenschlichte Tiere sehen, suchen sich Schulkinder vermehrt Helden aus, die ihnen als Vorbild für ihre Sozialisation dienen können. Kinder zwischen 3 und 5 Jahren bevorzugen vermenschlichte Tiere, wie z.B. Benjamin Blümchen oder die Akteure aus „der Sesamstrasse“, da sie in Geschichten auftreten, die kurz und abwechslungsreich sind und die eine zuverlässige Begleitfigur, wie z.B. die Maus in „Der Sendung mit der Maus“, haben. Ältere Kinder jedoch bevorzugen komplexere und spannungsreichere Handlungen, die sie meist auch im Vorabendprogramm finden. Ab dem Grundschulalter bevorzugen Jungen Sendungen, in denen ein starker, mutiger und auch manchmal gewalttätiger Held dargestellt wird, mit dem sie sich identifizieren können und dieses Verhalten auch als typisch männliche Eigenschaft interpretieren. Mädchen dagegen schauen lieber Sendungen, in denen Familie und der Freundeskreis eine Rolle spielen. Je älter die Kinder werden, je mehr trennen sich auch die Vorlieben der Jungen und Mädchen. Sie richten sich jeweils an das für sie passende Programm.42 Dies lässt sich auch aus der KIM-Studie 2000 erklären, in der der medienpädagogische Forschungsverbund Südwest herausfindet, dass Kinder vor allem für Personen und Figuren schwärmen, die sie aus TV/Video und Kino kennen.

Abbildung 3: Gibt es eine Figur/Person, für die Du besonders schwärmst?

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

44% der Mädchen und 42% der Jungen (siehe Abbildung 3) der befragten Kinder gaben an, dass die Person oder Figur für die sie schwärmen aus dem Bereich TV/Video und Kino kommt. Untersuchungsergebnis war auch, dass Jungen ihre Vorbilder und Idole aus den Bereichen Sport und Comic, und Mädchen ihre Idole oder Vorbilder eher im Bereich Musikstars und Bands angeben.43

Medien und ihre Inhalte stehen mit bestimmten Lebensthemen von Familien in einem Zusammenhang. Aus diesem Grund kann das Fernsehen eine Möglichkeit zur Bearbeitung von Problemen sein. Es kann zur Lebensbewältigung beitragen, indem durch das Fernsehen im Alltag erlebte Ängste abgebaut werden. Ferner können Jugendliche aktuelle Lebensthemen wie Probleme in der Pubertät verarbeiten. Während einerseits das Fernsehen eine Nische zur Erholung, der Rückzug von der Familie, Ablenkung, Entspannung und Unterhaltung bieten kann, ermöglicht das Fernsehen auch sprachlos und ohne Streit zusammen zu sein und gemeinsame Bezugspunkte mit ihren Eltern oder Freunden zu finden.44

Kinder schauen am liebsten Serien, in denen ihre Gefühle und Ängste angesprochen werden, und sie somit Anknüpfungspunkte zu ihrem alltäglichen Leben, ihren Träumen und ihren Phantasien finden. Diese Themen werden mit ihren kindspezifischen Problemen verknüpft, wie z.B. Großwerden, Angst vorm Verlassenwerden, gut und böse sein und auch Junge oder Mädchen sein. Die Gefühle, die hierbei entwickelt werden, und das Verständnis für das jeweilige Programm hängen sehr stark von den aktuellen Lebensverhältnissen, dem Alter, dem Geschlecht und dem geistigseelischen Entwicklungsstand des Kindes ab.

Die Sozialisation der Kinder ist wichtig für ihre Entwicklung. In dieser Zeit werden ihnen die bestehenden Werte, Ideale und Vorstellungen der Eltern und der Gesellschaft vermittelt. Die geschlechtsspezifische Sozialisation wird vor allem durch die bestehenden Ansichten über „Geschlechterrollen“ und „Geschlechterstereotypen“ beeinflusst.

[...]


1 Fuchs- Heinritz, Werner 1995, S. 426

2 vgl. Neumann- Braun, Klaus 2000, S. 29ff

3 vgl. Heidtmann, Horst 1992, S. 76

4 vgl. Weiler, Stefan1999, S.110ff

5 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 387f.

6 vgl. Wilhelm, Peter u.a. 1997, S. 35

7 vgl. Friedrichsen, Mike 1995, S. 111

8 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 387

9 vgl. Weiler, Stefan 1999, S. 199

10 vgl. Krüger, Heinz- Hermann 2002, S. 645

11 vgl. Wilhelm, Peter u.a. 1997, S.116

12 vgl. Medienpädagogischer Forschungsverband Südwest 2001, S. 17

13 vgl. Wilhelm, Peter u.a. 1997, S. 34

14 vgl. Weiler, Stefan 1999, S. 201

15 vgl. Schwanebeck, Axel 2000, S. 59

16 vgl. Wilhelm, Peter u.a. 1997, S. 34

17 vgl. Backes, Margitta 1999, S. 47ff

18 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 388f

19 Fuchs-Heinritz, Werner 1994, S. 615

20 vgl. Krüger, Heinz- Hermann 2002, S. 84ff.

21 vgl. Brück, Brigitte etc. 1997, S. 76ff.

22 vgl. Giddens, Anthony 1995, S. 178

23 vgl. Kürthy, Tamás 1978, S. 5

24 vgl. Hagemann-White 1984; S.84f.

25 Beauvoir, Simone de 1968, S.281

26 vgl. Feldmann, Klaus 2001, S. 168

27 Brück, Brigitte etc. 1997, S. 81f.

28 vgl. Feldmann, Klaus 2001, S. 168

29 vgl. Brück, Brigitte etc. 1997, S. 83f.

30 vgl. Weiderer, Monika; Komorek-Magin, Annegret 1994; S.34

31 vgl. Fromme, Johannes 1999, S. 63 ff.

32 vgl. Brück, Brigitte etc. 1997, S. 72

33 vgl. Kürthy, Tamás 1978, S. 8

34 vgl. Fromme, Johannes 1999, S. 163

35 vgl. Volkmann- Raue, Sybille 1993, S. 83ff.

36 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 388f

37 vgl. Weiderer, Monika; Komorek-Magin, Annegret 1994, S. 31

38 vgl. Glogauer, Werner 1991, S. 68

39 vgl. Weiler, Stefan 1999, S. 184

40 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 383ff.

41 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 385

42 vgl. BMFSFJ 1999, S. 16ff.

43 vgl. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2001, S. 13

44 vgl. Deutsches Jugendinstitut 1988, S. 388f

Ende der Leseprobe aus 106 Seiten

Details

Titel
Kinder und das Medium Fernsehen - Eine Darstellung der geschlechtsspezifischen und medialen Sozialisation sowie die Geschlechterdarstellung von Kindern
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Erziehungswissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
106
Katalognummer
V23817
ISBN (eBook)
9783638268547
ISBN (Buch)
9783638935166
Dateigröße
719 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kinder, Medium, Fernsehen, Eine, Darstellung, Sozialisation, Geschlechterdarstellung, Kindern
Arbeit zitieren
Stefanie Meyer (Autor:in), 2003, Kinder und das Medium Fernsehen - Eine Darstellung der geschlechtsspezifischen und medialen Sozialisation sowie die Geschlechterdarstellung von Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23817

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