Der Bundespräsident


Seminararbeit, 2002

16 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Der Bundespräsident als Reservemacht
2.1 Funktionen
2.2 Kompetenzbereich und Einflussmöglichkeiten
2.2.1 Regierungsbildung
2.2.2 Regierungskrisen
2.2.3 Außenpolitik
2.2.4 Gesetzgebung

3 Der Bundespräsident als integrativ-repräsentative Gewalt
3.1 Funktionen
3.2 Kompetenzbereich und Einflussmöglichkeiten
3.2.1 Präsidiale Rede
3.2.2 Politische Symbolik

4 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Problemstellung

Der Bundespräsident nimmt die Stellung des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland ein.

Seine Wahl, welche in Artikel 54 GG ihre Regelung findet, erfolgt nach dem repräsentativen und dem föderalistischen Prinzip:[1] Vorgeschlagen von Mitgliedern der Bundesversammlung, die sich aus den Abgeordneten des Bundestages sowie einer gleichen Anzahl von gewählten Vertretern der Landesparlamente zusammensetzt, wird er von dieser auf fünf Jahre geheim und ohne vorherige Aussprache gewählt, wobei eine einmalige Wiederwahl möglich ist. Vereinigt ein Kandidat während des ersten und zweiten Wahlganges nicht die in ihnen entscheidende absolute Stimmenmehrheit auf sich, so bestimmt in einem dritten Wahlgang die relative Mehrheit, welcher Kandidat das Amt antritt.

Das Ziel des parlamentarischen Regierungssystems, Handlungsfähigkeit und effektive Kontrolle miteinander zu verknüpfen, bildet die Basis der Aufgabenstellung des Bundespräsidenten, nämlich durch Artikulation von Verfassungskonsens und durch Unterstützung der Arbeitsfähigkeit des Regierungssystems stabilisierend zu wirken. Inwieweit er diese Aufgabe zweckmäßig erfüllen kann, hängt dabei weitgehend von seinen politischen Einflussmöglichkeiten bzw. den politischen Konsequenzen seiner Handlungen ab.[2]

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik wurde der Kompetenzbereich des Bundespräsidenten im Vergleich zum damaligen Reichspräsidenten, welcher eine beträchtliche Machtfülle besaß, drastisch eingeschränkt.[3] Kennzeichnend für das Bundespräsidentenamt sind nunmehr die drei folgenden Prinzipien: Minimale Entscheidungskompetenz, politische Unverantwortlichkeit sowie Überparteilichkeit.[4] Nachdem das Staatsoberhaupt nur noch geringfügige materielle Entscheidungskompetenz in seiner Funktion als Reservemacht in Krisensituationen inne hält, ist er im Alltäglichen auf die Ausübung seiner sogenannten soft power in seiner repräsentativ-integrativen Funktion angewiesen, welche ihm einen indirekten, nicht klar definierten Kompetenzbereich eröffnet.[5]

Es liegt die These nahe, dass die Möglichkeit der politischen Einflussnahme des Bundespräsidenten so gering ist, dass er seiner Aufgabe als Stabilisator des Regierungssystems nicht gerecht werden kann.

Um diese Aussage zu überprüfen, werden in der vorliegenden Arbeit explizit die politischen Einflussmöglichkeiten bzw. die Möglichkeiten der politischen Mitgestaltung des Staatsoberhauptes in seinen Rollen als Reservemacht und integrativ-repräsentative Gewalt untersucht.

2 Der Bundespräsident als Reservemacht

In diesem Kapitel werden die politischen Funktion des Bundespräsidenten als Reservemacht aufgezeigt, um danach aus dem verfassungsrechtlichen Kompetenzbereich die konkreten Einflussmöglichkeiten des Bundespräsidenten abzuleiten.

2.1 Funktionen

In seiner Rolle als Reservemacht wirkt der Bundespräsident als Nothelfer in bestimmten Krisensituationen sowie als rechts- und verfassungswahrende Kontrollinstanz. Konkret umfassen seine politischen Reservefunktionen die Mitwirkung bei der Regierungsbildung, die Mithilfe bei der Bewältigung von Regierungskrisen und die Mitgestaltung auf dem Gebiet der politischen Zielbildung.[6]

Sie sollen der Erhaltung der Stabilität des Regierungssystems dienen. Inwieweit dieses Ziel verwirklicht wird, soll im Folgenden deutlich werden.

2.2 Kompetenzbereich und Einflussmöglichkeiten

Die folgenden Abschnitte setzen es sich zum Ziel, die politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Bundespräsidenten bei der Regierungsbildung, bei der Beherrschung von Regierungskrisen, bei der Bestimmung außenpolitischer Angelegenheiten und bei der Bundesgesetzgebung vor dem Hintergrund seines verfassungsrechtlichen Kompetenzbereichs zu untersuchen.

2.2.1 Regierungsbildung

Gemäß Artikel 63 GG schlägt der Bundespräsident einen Bundeskanzlerkandidaten vor, welcher die absolute Stimmenmehrheit der Bundestagsabgeordneten auf sich vereinigen muss, um daraufhin vom Bundespräsidenten ernannt zu werden .

Die Einflussmöglichkeit des Staatsoberhauptes in dieser Prozedur hängt von den vorherrschenden Situationsbedingungen im Bundestag ab. Ist dort eine Fraktionsmehrheit oder Koalition vertreten, die sich bereits auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt hat, so hat der Bundespräsident keine Möglichkeit, einen anderen vorzuschlagen und diesen auch durchzusetzen. In solch einer Situation würde der Bundestag den Vorschlag des Bundespräsidenten ablehnen und nach Artikel 63 (3) GG selbst den Mehrheitskandidaten vorschlagen, um für diesen im folgenden Wahlgang zu stimmen.

Besteht demgegenüber keine Einigung im Bundestag über einen Kanzlerkandidaten, sondern vielmehr die Schwierigkeit einer Regierungs- und Mehrheitsbildung, so eröffnet sich ein gewisses Aktionsmoment für den Bundespräsidenten: Diesem obliegt es hier, in Verhandlungsgesprächen „vermittelnd, ausgleichend und mäßigend“ zu wirken und so die Entscheidungsfindung zu erleichtern.[7] Das Ausmaß der Einflussnahme hängt dabei stark davon ab, inwieweit der Bundespräsident in seiner bisherigen Amtsperiode dem Prinzip der Überparteilichkeit gerecht geworden ist und das Vertrauen aller Parteien genießt. Nach seinem persönlichen Interesse kann der Bundespräsident kaum Regierungsmehrheiten durchsetzen; seine Wirkungsmöglichkeit liegt allein darin, bereits unterschwellig vorhandene Mehrheiten ans Licht zu bringen.[8]

Um die Einigung beschleunigen zu können, dient Artikel 63 (4) GG als Sanktionsmittel des Bundespräsidenten: Gemäß diesem liegt es nach zwei gescheiterten Wahlgängen in dessen Ermessen, nach einem ebenfalls gescheiterten dritten und letzten Wahlgang den Kanzlerkandidaten, der die relative Stimmenmehrheit auf sich vereinigt, zum Kanzler zu ernennen (Minderheitskanzler) oder den Bundestag aufzulösen. Die spezifische politische Ausgangssituation determiniert die Regierungsfähigkeit eines durch die Entscheidung des Bundespräsidenten entstehenden Minderheitskabinetts.[9] Der Bundespräsident muss in diesem Fall also die politischen Frontierungen im Vorfeld richtig einschätzen, um eine angemessene Entscheidung zu treffen. In der Praxis hat bisher diese Art der Krisensituation bei der Regierungsbildung noch keine Relevanz erlangt.

Weiterhin ernennt der Bundespräsident gemäß Artikel 64 GG die Bundesminister auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Diese Formulierung eröffnet einen Interpretationsspielraum, dessen extensive Ausnutzung dem Staatsoberhaupt in dem Sinne ein materielles personelles Prüfungsrecht zugestehen würde, dass er politischen Einfluss nehmen und einen Vorschlag ablehnen könne. Solch eine Interpretation steht allerdings im Widerspruch zum sogenannten Kanzlerprinzip, welches dem Bundeskanzler gemäß Artikel 65 GG die Richtlinienkompetenz der Politik zuspricht, was eine eigenständige Kabinettsbildung impliziert. Der Bundespräsident könne demzufolge zwar Einwände gegen einen Ministervorschlag äußern, sei aber zu einer Ernennung verpflichtet.[10] Die Möglichkeit, Bedenken zu äußern, ist hierbei nicht zu unterschätzen. Eine potenzielle öffentliche Diskussion löst einen beidseitigen Zwang des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten zum antizipativen Schließen aus, wie sich solche auf das jeweilige Ansehen und die jeweilige Stellung auswirken könnte. Insofern stellt das sogenannte Gesetz der antizipativen Reaktionen eine Warnfunktion dar, die dem Bundespräsidenten politischen Einfluss bei der Kabinettsbildung einräumt.[11]

In der Praxis soll es einige Male vorgekommen sein, dass sich ein Bundespräsident gegen eine Ernennung bestimmter Minister gewehrt hat. Diese Präzedenzfälle sind allerdings sehr spekulativer Natur, welches ihnen ihre Relevanz abspricht.[12]

2.2.2 Regierungskrisen

Neben der zuvor beschriebenen Mitwirkung bei der Regierungsbildung, soll nun erörtert werden, inwieweit der Bundespräsident seine Aufgabe als Stabilisator dahingehend erfüllen kann, zur Überwindung von eventuellen Regierungskrisen beizutragen.

Zum Einen kann eine Regierungskrise dann entstehen, wenn der Bundestag dem Bundeskanzler das Vertrauen entzieht: Sollte der Bundestag das konstruktive Misstrauensvotum gemäß Artikel 67 GG anwenden und mehrheitlich einen neuen Kanzler wählen, so muss der Bundespräsident diesen ernennen. Dementsprechend kann er keine Einflussmöglichkeiten auf die Regierungsumbildung innerhalb einer Legislaturperiode geltend machen, es sei denn, der Bundeskanzler tritt zurück und schafft Ausgangsbedingungen wie sie nach Neuwahlen vorliegen.[13]

[...]


[1] Vgl. Plötzsch, H., Die deutsche Demokratie, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, S. 80.

[2] Vgl. Kaltefleiter, W., Die Funktionen des Staatsoberhauptes in der parlamentarischen Demokratie, Köln und Opladen 1970, S. 210.

[3] Vgl. Winkler, W., Der Bundespräsident: Repräsentant oder Politiker?, Opladen 1967, S. 10ff.

[4] Vgl. Kaltefleiter, W., a.a.O., S. 201.

[5] Vgl. Hesselberger, D., Das Grundgesetz, Kommentar für politische Bildung, 11. überarbeitete Auflage, Neuwied 1999, S. 256.

[6] Vgl. Kaltefleiter, W., a.a.O., S. 208.

[7] Vgl. Kaltefleiter, W., a.a.O., S. 216ff.

[8] Vgl. ebda., S. 216f.

[9] Vgl. ebda., S. 219.

[10] Vgl. Kaltefleiter, W., ebda., S. 225.

[11] Vgl. ebda., S. 231ff.

[12] Vgl. ebda., S. 226.

[13] Vgl. Kaltefleiter, W., a.a.O., S. 239ff.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Der Bundespräsident
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Comparative Government I: Das Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V23906
ISBN (eBook)
9783638269193
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bundespräsident, Comparative, Government, Regierungssystem, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Andrea Philipp (Autor:in), 2002, Der Bundespräsident, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23906

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Bundespräsident



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden