Freimaurerei in Rußland


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anfänge der Freimaurerei seit Peter I.

3. Europäische Einflüsse auf russische Freimaurerei

4. Von der Förderung bis zum Verbot - Haltung der russischen Monarchen gegenüber der Freimaurerei

5. Die Dekabristen und ihr Scheitern

6. Schlußteil

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Geschichte der russischen Freimaurerei (im russischen entweder "wolnyje kamenschiki" oder "masony" genannt) reicht mittlerweile Jahrhunderte zurück. Diese Geschichte besteht aus unzähligen Aufstiegen und Fällen, Suche nach der Wahrheit und Herumirren inmitten von einer Vielfalt gesellschaftlicher und religiöser Einflüsse unterschiedlicher Epochen, aber auch in der Entwicklung der Kultur und der Kunst in Rußland.

Ohne zu übertreiben kann man sagen, daß die Freimaurerei in Rußland seit ihrer Entstehung zur Zeit Peter I. die einzige ideologische Bewegung der russischen Bildungsschicht gewesen ist (Klingt mir eher unwahrscheinlich). Anders als in Westeuropa bot die Freimaurerei die einzige Möglichkeit, sich mit philosophischen Themen und Werten zu beschäftigen. Durch die Freimaurerei konnte sich ja erst eine solche Bildungsschicht entwickeln, aus der viele namhafte Schriftsteller, Künstler, Komponisten oder Wissenschaftler, auf welche im späteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen wird, hervorgegangen sind. (Aber es gab doch auch Gelehrte und Künstler, die keine Freimaurer waren.)

Was für Menschen gehörten der Freimaurerei an? Aus welchen Schichten kamen diese Menschen? Welche Bedeutung hatte die Freimaurerei für Rußland? In dieser Arbeit geht es darum, die Entstehung und Entwicklung der Freimaurerei in Rußland darzustellen. Von ihren Anfängen zur Zeiten Peter I. über verschiedene Einflüsse der westeuropäischen Freimaurerei und der Stellung unter russischen Monarchen bis zum Verbot der Freimaurerei im 19. Jahrhundert soll die komplizierte Lage der russischen Freimaurerei aufgezeigt werden. Sehr wichtig dabei ist auch die Betrachtung der Bewegung der Dekabristen und der freimaurerischen Dichtung Puschkins, die in den Kapiteln 5 und 6 behandelt werden. Die Dekabristen, deren Anführer zum größten Teil Freimaurer waren, haben einen Versuch unternommen, sich gegen den Zaren zu stellen. Diese erste Opposition fand aber ein blutiges Ende. Um das Bild der russischen Freimaurerei zu vervollständigen, wird im Schlußteil kurz auf die Situation der Freimaurer in den Zeiten des Sowjetregimes und des heutigen Rußlands eingegangen.

2. Aufgrund einer ziemlich knappen Literaturgrundlage basiert diese Arbeit auch auf Internetrecherche. Wie auch nicht anders erwartet, tauchten während dieser Recherche zahlreiche Publikationen auf, in denen versucht wurde, die Freimaurerei mit allem Antirussischen und Antikirchlichen gleichzusetzen. Der bekannteste und produktivste Verfasser solcher Publikationen, B. Baschilow, wird im Verlauf der Arbeit als eine Art Gegendarstellung der Antifreimaurer hinzugezogen. Als wichtige Vermittler von Basisinformationen sind K. H. Fricks "Licht und Finsternis" und E. Lennhoffs, O. Posners und D. A. Binders "Internationales Freimaurer Lexikon" hilfreich gewesen.

Anfänge der Freimaurerei seit Peter I.

Laut Legenden soll bereits Peter der Große die Freimaurerei von seinen Europareisen schon im Jahre 1699 mitgebracht haben. Sir Christopher Wren soll Peter in eine Londoner Loge aufgenommen haben. Diese Legenden haben jedoch keinerlei schriftliche Beweise. Viel mehr werden sie als eine Art Legitimation für die russische Freimaurerei gebraucht. Dieser Legitimationsversuch ist aber auf keinen Fall zu weit hergeholt, denn auf eine direkte oder indirekte Weise ähnelten die Ziele der Freimaurer denen Peter des Großen, nämlich Rußland in die Zivilisation zu führen.

Die erste offizielle Überlieferung zur Gründung der Freimaurerei in Rußland ist auf den 24. Juni 1731 datiert, also erst sechs Jahre nach dem Tod des Zaren. Der englische Kapitän John Phillips wird von der Großloge von England als erster Provinzialgroßmeister von Rußland eingesetzt.[1] Sein Nachfolger wird 1740 James Keith, preußischer General in Diensten des russischen Heeres. In dieser Zeit treten verstärkt viele russische Adelige der Freimaurerei bei, anders als zur Gründungszeiten, in denen die meisten Mitglieder englische, deutsche oder holländische Kaufleute waren. Daher gilt Keith als der eigentliche Begründer der russischen Freimaurerei.[2]

Am Anfang ihrer Existenz schien die Freimaurerei eine Modeerscheinung aus dem westlichen Europa zu sein. Baschilow verglich die anfängliche Freimaurerei mit einem Spielzeug, mit dem die "oberflächlich europäisierte russische Gesellschaft zu spielen pflegte". Die ersten Versammlungen waren mit gewöhnlichen Herrenclubs vergleichbar: Billard, Kartenspiele und amüsante Abendessen waren laut Baschilow ihr wesentlicher Bestandteil.[3] Abgesehen davon daß Baschilow ein erklärter Antifreimaurer gewesen ist (ist ?), war es in der Tat die äußere Fassade der Freimaurerei, die das Interesse der Menschen weckte, ihre Symbole und Rituale. Ebenso die wichtig klingende Titel, Zeremonien oder das Gefühl, irgendwelche geheime Gemeinsamkeiten mit den Mächtigen der damaligen Welt zu haben, all das waren die Gründe um Freimaurer zu werden.[4]

Seit 1760 hat beinahe jede Adelsfamilie einen der ihren in den Reihen der Freimaurer. Nach dem Wilhelmsbader Konvent zählte man zwischen 1/6 und 1/3 aller Beamten und Adligen zu den Mitgliedern der Freimaurerlogen.[5]

Eine eigentlich russische Erscheinung wurde die Maurerei damit erst während der Regierungszeit Katharina II., als die überwiegende Mehrzahl aller Ordensbrüder in den Logen dann auch Russen waren.

Der hobbyartiger Umgang wurde von dem Willen der ernsthaften Beschäftigung mit der Freimaurerei zurückgedrängt und bald bildeten sich für einen russischen Freimaurer charakteristische Aufnahmekriterien: Der Interessent mußte auf jeden Fall einer der christlichen Religionen angehören, beim Eintritt in das Schwedische System (wie kam dies nach Russland? Ah ja, kommt unten) mußte ein Beweis erbracht werden, daß man "weder Mauren noch Juden" in der Familie hatte. Neben Frömmigkeit waren auch Verschwiegenheit, Bescheidenheit, Vertrauen, Liebe zu den anderen Brüdern und Altruismus von größter Bedeutung. Ein russischer Freimaurer sollte bereit sein, als ein Teil der bürgerlichen Gesellschaft an der Entwicklung eines ethischen Systems mitzuwirken.[6]

Aber nicht nur im zivilen Leben breiteten sich Mitglieder der Freimaurerlogen aus. Die Freimaurerei war seit ihrer Einführung durch englische Offiziere Keith und Phillips aufs engste mit der russischen Armee verbunden. In den Logen fanden sich nicht nur einfache Offiziere, sondern auch sehr viele hochstehende Befehlshaber der Armee und der Flotte. Die bekanntesten unter ihnen waren der Generalissimus A. W. Suworow, der Feldmarschall M. I. Kutusow und der Admiral A. S. Schischkow.[7] In mehreren während der Kriege gegründeten Logen (Marsloge 1772, Minervaloge 1776 oder Neptunloge 1779) entstand eine Art von organisierter militärischer Opposition, Dienstgrade wurden durch das Wort "Bruder" ersetzt und der Freimaurereid höher eingestuft als der Zareneid.[8]

Viele dieser Offiziere gingen später als Dekabristen in die Geschichte Rußlands ein, auf die schon in der Einleitung hingewiesen worden ist.

Ohne zu viel vorweg zu nehmen, muß an dieser Stelle natürlich erwähnt werden, daß mit dem Verbot der Maurerei durch den Zar Alexander I. am 06. August 1822 die offizielle Freimaurerei in Rußland nicht mehr existierte.

3. Europäische Einflüsse auf russische Freimaurerei

Die Einflüsse verschiedener europäischer Richtungen werden im Internationalen Freimaurer Lexikon von Lennhoff, Posner und Binder zu recht als Streit der Systeme bezeichnet.[9] Die Anhänger der englischen, deutschen und schwedischen Lehrarten versuchten, ihre Macht auf die russische, oder genauer gesagt auf die St. Petersburger Freimaurerei auszubreiten.[10] Die englische Lehrart erreichte St. Petersburg bereits mit James Keith und war zunächst die dominierende Richtung der Freimaurerei. Ende der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts gelangen die Schriften der Florentiner Rosenkreuzer nach St. Petersburg. Lorenz Natter, Kupferstecher und Steinschneider aus Schwaben, übergab diese Schriften an einen rosenkreuzerischen Zirkel, aus dem später ein neues rosenkreuzerisch-templerisches System unter der Leitung des Generals Petrow Melissino entstand. Durch Johann August Starck konnte die Strikte Observanz ihren Fuß in Rußland fassen. Das Schwedische System Zinnendorfscher Lehrart wurde in St. Petersburg durch den Prinzenhofmeister von Braunschweig und späteren "Direktor der Wissenschaften" des Petersburger Kadettenkorps von Reichell seit 1770 repräsentiert.[11] In den fünfziger bis achtziger Jahren fanden so alle in Europa gängigen Systeme nach und nach ihren Weg nach Rußland. Es ist daher wenig erstaunlich, daß die unterschiedlichen Riten, die Strikte Observanz, die Rosenkreuzer, die Templer, das Schwedische System und die englische Lehrart sich bald in einem Streit um die Vorherrschaft auf dem russischen Boden befanden.[12] Zum offenen Konkurrenzkampf kam es nach 1770, also zu dem Zeitpunkt, als sich die russische Freimaurerei vollständig herausgebildet hatte.[13] Iwan Jelagin, der von London zum ersten Provinzial-Großmeister ernannt wurde, gründete die Loge "Zur vollkommenen Einigkeit". Jelagin, der sich zu einem der bedeutendsten russischen Freimaurern entwickelt hatte, soll aus rein oberflächlichen Gründen der Freimaurerei beigetreten haben, nämlich Neugier und Geltungssucht.[14] Reichell reagierte darauf mit der Gründung der Loge "Apollo" nach Zinnendorfscher Lehrart.[15] Durch die Aktivitäten Reichells, der es nicht versäumt hatte, auch in anderen Städten Logen zu gründen, wurde die Strikte Observanz vorerst aus dem Machtkampf gedrängt. Jelagin blieb währenddessen auch nicht untätig. Als Vertrauter der Zarin Katharina II. hatte er ziemlich große Handlungsfreiheit und gründete weiter Logen der englischen Lehrart in St. Petersburg, Moskau und Jassy.[16] Auf der Suche nach dem "Wahren System" schlug Reichell Jelagin die Vereinigung der beiden führenden Richtungen vor. 1776 erfolgte die vorgesehene Vereinigung mit der Gründung der neuen Großen Provinzialloge. Jelagin übernahm das Zinnendorfsche System und wurde Provinzial-Großmeister. Sein Stellvertreter wurde der damalige Leiter der Außenpolitik Rußlands und eine lange Zeit Gesandter in Schweden, Graf Peter Panin. Panins Machstellung in Rußland war enorm: mit seiner Hilfe gelang es Katharina II. eine Allianz mit König Friedrich II. von Preußen zu bilden und russischen Einfluß in Polen zu verstärken.[17]

[...]


[1] Lennhoff, E., Posner, O., Binder, D. A.: Internationales Freimaurer Lexikon, München 2000, S. 728.

[2] http://www.geocities.com/Athens/Academy/4388/mas_who.html#masons who are they

[3] Baschilow, B.: Istoria russkogo masonstwa, Moskwa, 2003, S. 25ff.

[4] Ponamarewa, W., Choroschilowa, L.: Moskowskoje masonstwo poslednej tschetwerti XVIII weka. Auf: http://www.tellur.ru/~historia/archive/01/_mason.htm

[5] Arschanuchin, S. B.: Litschnost masona epochi Ekateriny II. Auf: http://ideashistory.org.ru/almanacs/alm00/alm00_06.htm

[6] Arschanuchin, S. B.: Litschnost masona epochi Ekateriny II.

[7] Sacharow, W. I.: Masonstwo w russkoj armii, 2000. Auf: http://masonry.2u.ru/articles/armymasons.htm

[8] Sacharow, W. I.: Masonstwo w russkoj armii, 2000.

[9] Lennhoff, E., Posner, O., Binder, D. A. (2000): S. 728.

[10] In Moskau verlief die Entwicklung der Freimaurerei relativ ruhig. Hier gelang es den Gold- und Rosenkreuzern eine Vormachtstellung auszubauen. Moskauer Freimaurerei gewann erst nach dem Abflachen der Aktivitäten des Schwedischen Systems an Bedeutung.

[11] Frick, K. H.: Licht und Finsternis. Gnostisch-theoretische und freimaurerisch-okkulte Gesellschaften bis an die Wende zum 20. Jahrhundert. Wege in die Gegenwart. Teil 2: Geschichte ihrer Lehren, Rituale und Organisationen, Graz 1978, S. 438ff.

[12] Lennhoff, E., Posner, O., Binder, D. A (2000): S. 728.

[13] Danilov, A. V.: Geschichte der Freimaurerei in Rußland. Auf: http://www.geocities.com/Vienna/Choir/5481/Geschichte.htm

[14] http://www.geocities.com/Athens/Academy/4388/mas_who.html#masons who are they

[15] Lennhoff, E., Posner, O., Binder, D. A. (2000): S. 728.

[16] Frick, K. H. (1978): S. 440.

[17] Danilov, A. V.: Geschichte der Freimaurerei in Rußland.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Freimaurerei in Rußland
Hochschule
Universität Osnabrück  (Geschichte)
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V23928
ISBN (eBook)
9783638269322
ISBN (Buch)
9783638747813
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freimaurerei, Rußland
Arbeit zitieren
Wladimir Danilow (Autor:in), 2004, Freimaurerei in Rußland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23928

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