[...] Mit Chrétiens „Erec et Enide“ (ca. 1170) hat alles
begonnen, einige Jahre später hat Hartmann seinen deutschen „Erec“ (zwischen 1180 und
1190) geschrieben. Auch wenn die Story dieselbe ist, ging Hartmann über die reine Adaption
der Vorlage hinaus. Die Gattung des Romans stand mitten in ihrer Entwicklung.
Darin sehe ich die Stärken einer komparatistischen Arbeit, wie ich sie hier schreibe: Gerade
der Vergleich verwandter Texte aus verschiedenen Zeiten und verschiedenen Kulturkreisen
öffnet Einblicke in die Evolution der Literatur. Zudem ist es spannend Phänomene dieser
Entwicklung dann zu beobachten, wenn literarische Strukturen noch neu und ungefestigt,
gattungsspezifische Normen noch nicht vorhanden oder recht biegsam sind. Wo scheint
diese Gelegenheit besser, als im Vergleich von Chrétiens und Hartmanns Arbeiten, die im
Begriffe sind, die neuen Massstäbe des Romans zu setzen?
In meiner Arbeit richte ich meine Sinne auf die Schlüsse der beiden Romane. In
Übereinstimmung mit Ruberg scheint mir, dass die beiden Schlusspartien, wenn auch nicht
die „hWichtigkeit letzter DingeV“, so doch „analog zum Werkeingang - einen besonders
komplexen Part [bilden] , da sie zu verdeutlichen haben, hwohin ein Werk führtV“1. So
auch in den beiden Erec-Dichtungen: Bildet der Schluss doch zweifellos das Finale für
vorhergegangene „aventiuren“. Belohnung für überstandene Mühen und vollführte
Bewährung stehen dabei im Vordergrund. Das abschliessende Happy-End nach erfolgreicher
Bewährung gehört unweigerlich dazu, wollen die beiden Autoren ihre didaktischen
Anschauungen dem höfischen Publikum weiterhin erfolgreich vermitteln. Unter dieser
Betrachtung scheint es, als hätten Hartmann und Chrétien nicht nur den Roman geschaffen,
sondern zudem Ansätze zur wichtigen Form des Entwicklungsromans geliefert.
Vorgehen werde ich hauptsächlich textanalytisch. Im Umfang dieser Arbeit masse ich es mir
nicht an, dahinter steckende Ideologie und Geschichte aufzuarbeiten, geschweige denn,
sprachwissenschaftliche Exkursionen zu führen. Schwerpunkt der Arbeit bilden die drei
Figuren Erec, Enite/Enide und Artus. Wie sie dargestellt sind, wie sie handeln und in
welcher Beziehung sie zueinander stehen, auf diese Fragen versuche ich Antworten zu
finden. Dabei wird eines jedoch schnell klar: Dass Chrétien und Hartmann ihren Figuren
recht verschiedene Konzeptionen zugrunde legen.
1 Ruberg (1995), S. 69.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1. Hartmanns und Chrétiens Romanschlüsse als Textgegenstand
- 2. Zu den Strukturen der Schlusssequenzen
- 3. Hartmanns Didaktik versus Chrétiens Authentizität
- 4. Die Krönung des Helden Erec
- 5. König Artus - ein vergängliches Ideal
- 6. Enide oder Enite - über die Darstellung des höfischen Frauenbildes
- 7. Abschliessende Bemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert und vergleicht die Schlusssequenzen von Hartmanns „Erec“ und Chrétiens „Erec et Enide“ und untersucht dabei die Entwicklung des arthurischen Romans.
- Die Unterschiede in der Struktur und Gestaltung der beiden Romanschlüsse
- Die unterschiedlichen didaktischen Ansätze von Hartmann und Chrétien
- Die Rolle des Helden Erec und seine Krönung
- Die Darstellung des höfischen Frauenbildes durch Enide/Enite
- Die Bedeutung von König Artus im Kontext der beiden Romane
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die beiden Autoren und ihre Werke vor und beleuchtet die Relevanz der Komparation der Romanschlüsse für das Verständnis der Entwicklung des Romans.
- 1. Hartmanns und Chrétiens Romanschlüsse als Textgegenstand: Dieses Kapitel analysiert die Unterschiede in der Länge und Struktur der Schlusssequenzen, wobei auch die Unterschiede in der Erzählzeit und der erzählten Zeit hervorgehoben werden.
- 2. Zu den Strukturen der Schlüsse: Hier werden die ähnlichen und unterschiedlichen Elemente des Plots in den Schlüssen der beiden Romane untersucht, wobei insbesondere die Konzeptionen der erzählenden Instanzen betrachtet werden.
- 3. Hartmanns Didaktik versus Chrétiens Authentizität: Dieses Kapitel diskutiert die unterschiedlichen didaktischen Ansätze der Autoren und die Art und Weise, wie sie das höfische Ethos in ihren Schlusssequenzen präsentieren.
- 4. Die Krönung des Helden Erec: In diesem Kapitel wird die Krönung Erecs als zentrales Element des Romanschlusses analysiert und in Bezug auf die unterschiedlichen Rollen des Helden in den beiden Werken gesetzt.
- 5. König Artus - ein vergängliches Ideal: Dieser Abschnitt beleuchtet die Rolle von König Artus und seine Bedeutung für die beiden Romane, wobei die unterschiedliche Funktion von Artus in Hartmanns und Chrétiens Werk betrachtet wird.
- 6. Enide oder Enite - über die Darstellung des höfischen Frauenbildes: Dieses Kapitel analysiert die Darstellung des höfischen Frauenbildes durch Enide/Enite und die Unterschiede in ihrer Charakterisierung in den beiden Romanen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselwörter Arthurischer Roman, Romanschluss, Didaktik, höfisches Ethos, Krönung, Erec, Enide/Enite, König Artus, Vergleichende Literaturwissenschaft.
- Arbeit zitieren
- Markus Züger (Autor:in), 1999, EREC - Analyse arthurischer Erzählschlüsse: Vergleich der Romanschlüsse von Hartmann von Aues "Erec" und Chrétien de Troyes "Erec et Enide", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23941