Einleitung
1.1 Motivation und Problemstellung „1990 entwickelten Robert Cailliau und Tim Bernes-Lee im europäischen Kernforschungszentrum
bei Genf (CERN) das World Wide Web (WWW), ein auf der Sprache Hypertext basierendes Informations- und Quellensystem mit einer grafischen Benutzeroberfläche.“(1)
Seit dem globalen Siegeszug des Internets(2) sind Begriffe wie Multimedia, Hypermedia, und Hypertext in aller Munde.(3) Das obenstehende Zitat ist ein Beispiel von vielen für die Verbreitung falscher Vorstellungen und Definitionen von Hypertext: Es handelt sich bei dem Untersuchungsgegenstand weder um eine Sprache natürlicher oder formaler Art, noch um ein Software- bzw. Hardwareprodukt. Der Wortbestandteil {text} legt vielmehr die Vermutung nahe, daß es sich bei Hypertext in irgendeiner Art und Weise um ein textuelles Gebilde handle. Dem Nachgehen dieser Vermutung ist der Hauptteil der vorliegenden Arbeit gewidmet.(4) Dabei stellen sich aber teilweise gravierende Probleme:
[...]
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1 Aus dem Artikel Die Geschichte des Internets der Süddeutschen Zeitung vom 24.11.1997 (S. 9).
2 Wenn in den Medien vom globalen Siegeszug des Internets gesprochen wird, so ist der Begriff in den meisten Fällen mit dem World Wide Web (WWW) gleichzusetzen. Dabei handelt es sich bei besagtem WWW nur um einen Teil des Internets, nämlich um den multimedial-orientierten, der ein Hypertext-Informationssystem auf Client/Server-Architektur darstellt. Die in der Sprache HTML (Hypertext Markup
Language) verfaßten Dokumente können Texte, Bilder, Animationen oder Klänge enthalten (Einen aktuellen Einstieg in die Programmiersprache HTML bieten Tolksdorf 1997 und Lemay 1997). Die Dokumentenbeschreibungssprache HTML sowie das Protokoll HTTP (Hyper Text Transfer Protokoll), [...]
3 Eine umfassende Einführung in die Bereiche Multimedia und Hypermedia sowie eine Prognose über die Perspektiven multimedialer Kommunikation geben Glowalla und Schoop in einem von ihnen herausgegebenen Sammelband (Glowalla u. Schoop 1996).
4 Somit befindet sich die gesamte Untersuchung freilich in einer prekären Situation: Sie ist textlinguistisch ausgerichtet, beschäftigt sich also lediglich mit textuellen Gebilden. Sollte der Nachweis erbracht werden, daß Hypertexte keine Texte sind, macht sich die Arbeit selbst überflüssig. Vorausgreifend kann aber schon hier angedeutet werden, daß sich lediglich bestimmte hypertextuelle Besonderheiten einer textlinguistischen Analyse entziehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1 EINLEITUNG
- 1.1 MOTIVATION UND PROBLEMSTELLUNG
- 1.2 ANGABEN ZUM KORPUS, METHODISCHE UND TECHNISCHE EINSCHRÄNKUNG DER UNTERSUCHUNG
- 1.3 ZUR LITERATURLAGE
- 1.3.1 Hypertext
- 1.3.2 Textlinguistik
- 1.3.3 (Text-)Linguistik und Hypertext
- 2 HYPERTEXT: GRUNDSÄTZLICHES ZUR ENTWICKLUNG UND STRUKTUR
- 2.1 UNTERSUCHUNGSGEGENSTAND
- 2.1.1 Herkunft des Terminus' Hypertext
- 2.1.2 Bedeutung von {hyper}
- 2.1.3 Bedeutung von {text}
- 2.1.4 Definition der Sekundärliteratur
- 2.1.5 Intension und Extension
- 2.2 KOMPONENTEN EINES HYPERTEXTES
- 2.2.1 Knoten
- 2.2.1.1 Struktur
- 2.2.1.2 Inhalt und Größe
- 2.2.1.3 Darstellungsform der Knoten
- 2.2.1.4 Knotenarten
- 2.2.2 Verweise
- 2.2.2.1 Allgemeine Eigenschaften
- 2.2.2.2 Formal: Beziehungsverhältnisse zwischen Ausgangs- und Zielpunkt
- 2.2.2.3 Inhaltlich: Organisatorische Verweise vs. Referentielle Verweise
- 2.2.2.3.1 Unterscheidung der beiden Verweisklassen
- 2.2.2.3.2 Referentielle Verweise
- 2.2.2.3.3 Organisatorische Verweise
- 2.2.2.4 Kritik der Verweistypologie
- 2.2.3 Navigations- und Orientierungskomponenten
- 2.2.3.1 Textsequenzierung, Navigation und Browsing
- 2.2.3.2 Orientierungsprobleme und kognitive Mehrbelastung
- 2.2.3.3 Traditionelle Orientierungshilfen
- 2.2.3.3.1 Verzeichnisse
- 2.2.3.3.2 Metainformationen
- 2.2.3.3.3 Typographische Auszeichnungen
- 2.2.3.4 Hypertextspezifische Orientierungs- und Navigationshilfen
- 2.2.3.4.1 Browsersoftware
- 2.2.3.4.2 Backtracking, Historie, Lesezeichen, Verweismarkierung
- 2.2.3.4.3 Grafische Übersichten: Browser und Fish-Eye-Views
- 2.2.3.4.4 Anfrage- bzw. Suchmechanismen: Information Retrieval
- 2.2.3.4.5 Guided Tours
- 2.3 ZUSAMMENFASSUNG: DER BEGRIFF HYPERTEXT UND DIE EIGENSCHAFTEN EXISTIERENDER HYPERTEXTE
- 3 TEXTLINGUISTIK: GRUNDSÄTZLICHES ZUR METHODIK
- 3.1 UNTERSUCHUNGSGEBIETE DER TEXTLINGUISTIK, EIN ALLGEMEINER TEXTBEGRIFF
- 3.2 UNTERSUCHUNGSKRITERIEN
- 3.2.1 Kriterien der Textualität
- 3.2.2 Textthema: Makrostrukturanalyse
- 3.2.3 Textstruktur, Textfunktion und Textsorten
- 3.2.3.1 Textstruktur
- 3.2.3.2 Textfunktion
- 3.2.3.3 Textsorten
- 3.2.3.4 Exkurs: Textsorten als Prototypen für die Texterkennung
- 3.2.4 Referenzbeziehungen in Texten
- 3.3 ZUSAMMENFASSUNG: ANALYSESTRATEGIE
- 4 HYPERTEXT: EINE LINGUISTISCHE ANALYSE
- 4.1 KRITERIEN DER TEXTUALITÄT
- 4.1.1 Intertextualität: Text, Hypertext und Textgrenzen
- 4.1.2 Lokale Kohäsion/Kohärenz vs. Kontext
- 4.1.3 Intentionalität, Informativität, Situationalität und Aktzeptabilität
- 4.2 MAKROSTRUKTURANALYSE
- 4.3 TEXTFUNKTION UND TEXTSTRUKTUR
- 4.3.1 Kontextanalyse
- 4.3.2 Analyse der Textfunktion
- 4.3.3 Analyse der thematischen Textstruktur
- 4.4 REFERENZSTRUKTUREN IN HYPERTEXTEN
- 4.4.1 Modell der referentiellen Bewegung
- 4.4.2 Referentielle Bewegung in Hypertexten
- 4.4.3 Bedeutung der Quaestio für Kohärenzphänomene zwischen einzelnen Knoten
- 4.5 HYPERTEXT ALS TEXTSORTE?
- Begriff und Entwicklung von Hypertext
- Strukturelle Komponenten von Hypertexten (Knoten, Verweise, Navigations- und Orientierungskomponenten)
- Anwendbarkeit textlinguistischer Analysemethoden auf Hypertext
- Referenzstrukturen und Kohärenzphänomene in Hypertexten
- Eignung von Hypertext als eigenständige Textsorte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der textlinguistischen Untersuchung von Hypertext. Ziel ist es, die strukturellen und inhaltlichen Eigenschaften von Hypertexten zu analysieren und deren Relevanz für die Textlinguistik zu beleuchten. Dabei soll geklärt werden, ob und inwiefern Hypertext als eigenständige Textsorte verstanden werden kann.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt das Thema Hypertext vor und beleuchtet die Motivation sowie die Problemstellung der Untersuchung. Es werden außerdem die methodischen und technischen Rahmenbedingungen sowie die relevanten Forschungsarbeiten zum Thema erläutert.
Kapitel 2 befasst sich mit den grundlegenden Entwicklungen und Strukturen von Hypertext. Es werden die verschiedenen Komponenten eines Hypertextes, wie Knoten und Verweise, sowie die Herausforderungen der Navigation und Orientierung in komplexen Hypertextstrukturen besprochen.
Kapitel 3 bietet einen Überblick über die Grundprinzipien der Textlinguistik und erläutert die wichtigsten Analysemethoden, die in der Arbeit zum Einsatz kommen. Dabei werden die Kriterien der Textualität sowie die Analyse von Textthema, Textstruktur und Textfunktion beleuchtet.
Kapitel 4 wendet die textlinguistischen Analysemethoden auf Hypertext an und untersucht die spezifischen Eigenschaften von Hypertexten im Hinblick auf die Kriterien der Textualität, die Makrostruktur, die Textfunktion, die Textstruktur und die Referenzstrukturen.
Schlüsselwörter
Hypertext, Textlinguistik, Textualität, Makrostruktur, Textfunktion, Textstruktur, Referenzstrukturen, Textsorte, Kohärenz, Intertextualität, Navigation, Orientierung, Browsing, Knoten, Verweise, WWW, Internet, Multimedia, Hypermedia.
- Quote paper
- Oliver Huber (Author), 1998, Hypertext - Eine textlinguistische Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24