Die zentrale Frage der Arbeit ist bereits im Titel formuliert: es soll um zwei unterschiedliche
Lesarten einer Systemtheorie der modernen (bürgerlichen) Gesellschaft gehen – eine kritische
und eine zustimmende Variante. Das erscheint zumindest auf den ersten Blick. Bevor es um
die Feinheiten und Einzelheiten der Theorie gehen soll und wie diese im Zusammenhang interpretiert
werden können, müssen zunächst grundsätzliche Fragen im Mittelpunkt stehen:
Was qualifiziert eine Systemtheorie zu einer eben solchen? Was beinhaltet dieser Vergleich?
Warum gerade Michel FOUCAULT und Niklas LUHMANN? Die Beantwortung dieser Frage ist nicht so einfach wie es scheint, denn es sind mehrere Punkte
und Dimensionen zu beachten. Vorab zunächst einige Bemerkungen zu Systemtheorien und
dem Systembegriff im Allgemeinen.
Die soziologischen Systemtheorien erklären das Verhalten von Einzelnen aus dem jeweiligen
Systemzusammenhang. Sie betrachten elementare soziale Einheiten wie soziale Handlungen,
Kommunikationen, Interaktionen etc. nicht isoliert, sondern stellen sie in den strukturellen
und funktionalen Rahmen eines Systemzusammenhangs. Es sind also die sozialen Systeme,
wie Gesellschaften, Familien, Vereine, Betriebe, Glaubensgemeinschaften etc., die die Gemeinsamkeit
des Handelns organisieren und so sozialen Prozessen eine Gestalt, eine Struktur
geben (vgl. Kneer/Nassehi 1993, S.29-30). Dies gilt natürlich nicht nur für die soziologischen
Systemtheorien, sondern auch für die Systemtheorien der Gesellschaft im weiteren, hier verstandenen
Sinne.
Es geht bei der Rekonstruktion einer Systemtheorie der Gesellschaft noch um eine zusätzliche
Vertiefung, denn dort werden Fragen zu Handlungen und Verhalten eines Einzelnen aus dem
Gesamtzusammenhang des Gesamtsystems „Gesellschaft“ beantwortet. Dieses System muss
als umfassend begriffen werden, da es sonst den Anspruch verliert, die Gesellschaft als ein
Gesamtsystem rekonstruieren zu können. Das ist zugleich der Ausgangspunkt dieser Arbeit,
die Annahme das die Grundfiguren des systemtheoretischen Denkens (...)1 nicht nur bei der einzig wirklich ausformulierten Systemtheorie
(LUHMANN) zu finden sind, sondern sich bei anderen Theorien gleichermaßen identifizieren lassen. [...]
1 Vgl. dazu auch Kiss 1989, S.89-107 – der Autor stellt in diesem Abschnitt die „Evolution“ des soziologischen
Grundbegriffs System ausführlich dar und verwendet dabei die Bezeichnungen geschlossen, offen und autopoietisch
zur Kennzeichnung der Paradigmenwechsel.
Inhaltsverzeichnis
- I. EINFÜHRUNG
- 1.1. WAS MACHT EINE SYSTEMTHEORIE AUS?
- 1.2. WAS BEINHALTET DIESER VERGLEICH?
- 1.3. WARUM FOUCAULT UND LUHMANN?
- II. WAS IST KRITISCH AN FOUCAULTS THEORETISCHEN ÜBERLEGUNGEN ZUR GESELLSCHAFT?
- III. WAS IST DANKBAR AN LUHMANNS THEORETISCHEN REFLEXIONEN AUF DIE GESELLSCHAFT?
- IV. EIN VERGLEICH!
- 4.1. SYSTEMVERSTÄNDNIS
- 4.2. STRUKTURVERSTÄNDNIS
- 4.3. GESELLSCHAFTSVERSTÄNDNIS
- 4.4. SUBJEKTVERSTÄNDNIS
- 4.5. SELBSTVERSTÄNDNIS
- V. SCHLUSSBETRACHTUNG UND RESÜMEE
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit zwei unterschiedlichen Lesarten einer Systemtheorie der modernen (bürgerlichen) Gesellschaft – einer kritischen und einer zustimmenden Variante. Sie untersucht, wie Michel Foucault und Niklas Luhmann die Systemtheorie der Gesellschaft verstehen und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen ihren Ansätzen bestehen.
- Systembegriff und Systemtheorie: Definition und Merkmale
- Kritik an Foucaults systematischer Reflexion der Ordnung der Dinge und Diskurse
- Luhmanns Theorie sozialer Systeme: Selbstreferentialität, System/Umwelt-Beziehung
- Vergleich der Systemverständnisse von Foucault und Luhmann
- Stellung des Subjekts in den jeweiligen Theorien
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einführung:
Die Einleitung stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor: den Vergleich zwischen Foucaults kritischer und Luhmanns zustimmender Lesart einer Systemtheorie der Gesellschaft. Sie definiert den Begriff Systemtheorie und erläutert die Bedeutung des Vergleichs zwischen den beiden Denkern.
II. Was ist kritisch an Foucaults theoretischen Überlegungen zur Gesellschaft?
Dieses Kapitel beleuchtet die kritischen Aspekte von Foucaults systematischer Reflexion der Ordnung der Dinge und Diskurse. Es untersucht, wie Foucault die Gesellschaft als ein System begreift und welche Kritikpunkte er an dieser Sichtweise anbringt.
III. Was ist dankbar an Luhmanns theoretischen Reflexionen auf die Gesellschaft?
Das Kapitel widmet sich den positiven Aspekten von Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Es analysiert die zentralen Elemente seiner Theorie, wie Selbstreferentialität, System/Umwelt-Beziehung und die Rolle von Sinn in der Gesellschaft.
IV. Ein Vergleich!
Dieser Abschnitt führt einen detaillierten Vergleich zwischen Foucaults und Luhmanns Ansätzen durch. Er beleuchtet die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrer System-, Struktur-, Gesellschafts-, Subjekt- und Selbstverständnis.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen der Systemtheorie, wie Selbstreferentialität, System/Umwelt-Beziehung, Sinn, Diskurse, Macht und Ordnung. Sie analysiert die kritischen und zustimmende Lesarten einer Systemtheorie der Gesellschaft bei Michel Foucault und Niklas Luhmann. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen im Vergleich der beiden Denker in Bezug auf ihre Systemverständnisse, ihre Analyse der Gesellschaft und die Rolle des Subjekts in ihren Theorien.
- Quote paper
- Jens Klinkicht (Author), 2003, Luhmanns Theorie sozialer Systeme vs. Foucaults systematische Reflexion der Ordnung der Dinge und Diskurse - ein Vergleich zwischen zwei Lesarten einer Systemtheorie der Gesellschaft?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24005