Zwei Reime heiß' ich viermal kehren wieder
Und stelle sie, geteilt, in gleiche Reihen,
Dass hier und dort zwei, eingefasst von zweien,
Im Doppelchore schweben auf und nieder. Dann schlingt des Gleichlauts Kette durch zwei Glieder
Sich freier wechselnd, jegliches von dreien.
In solcher Ordnung, solcher Zahl gedeihen
Die zartesten und stolzesten der Lieder.
(Auszug aus August Wilhelm Schlegels Gedicht ‚Das Sonett’, Z. 1-8) In seinem Sonett über das Sonett nennt August Wilhelm Schlegel die wichtigsten Strukturmerkmale dieser lyrischen Gattung: Das Sonett besteht aus 14 Versen, die in Oktave und Sextett unterteilt sind. Die Oktave ist in zwei Quartette untergliedert, deren Verse jeweils meist umarmend reimen. Somit ergibt sich für die Oktave die idealtypische Reimstruktur von a b b a - a b b a. Das Sextett ist in zwei Terzette untergliedert, die Reimordnung ist variabler als in der Oktave. Mit der formalen Zweiheit von Oktave und Terzett geht nach Walter Mönch (Mönch 1955: 33) eine inhaltliche Zweigliedrigkeit einher. Sie ist das „wesentlichste innere Gesetz des Sonetts“, Oktave und Sextett sind als Aufgesang und Abgesang zu verstehen, die im Verhältnis von Erwartung und Erfüllung, Spannung und Entspannung, Voraussetzung und Folgerung, Behauptung und Beweis stehen (Mönch 1955: 33). Diese formale Beschreibung des Sonetts gilt für die Literaturen der meisten europäischen Länder einschließlich der deutschen. Eine Sonderform der Strophengliederung hat das Sonett in England angenommen: Die 14 Verse des englischen Sonetts (alternativ: Shakespeare-Sonett) gliedern sich in drei Quartette mit je eigenen alternierenden Reimen und ein abschließendes Verspaar, das couplet (wiedergegeben nach Schlütter 1979: 4).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Interpretation des Sonetts "Abend" von Andreas Gryphius
- Interpretation von Shakespeares "Sonnet 17"
- Zusammenfassender Vergleich der Sonette
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse und dem Vergleich zweier Sonette aus der frühen Neuzeit, "Abend" von Andreas Gryphius und "Sonnet 17" von William Shakespeare. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der Unterschiede in der Gedankenführung, die sich aus den abweichenden Strukturen der deutschen und englischen Sonette ergeben. Im Mittelpunkt steht der Argumentationsgang der Gedichte, wobei auch die Reimstrukturen betrachtet werden. Ziel der Arbeit ist es, ein tieferes Verständnis für die spezifischen Merkmale der jeweiligen Sonettformen und ihre Auswirkungen auf die Gestaltung der gedanklichen Entwicklung zu gewinnen.
- Vergleich der Reimstrukturen von deutschen und englischen Sonetten
- Analyse des Argumentationsgangs in beiden Sonetten
- Identifizierung der zentralen Themen und Motive in den Gedichten
- Untersuchung der spezifischen Gestaltungsmittel und ihrer Bedeutung
- Zusammenfassende Analyse der Unterschiede in der Gedankenführung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und erläutert die Besonderheiten der deutschen und englischen Sonettform. Sie führt zudem die beiden zu analysierenden Sonette, "Abend" von Andreas Gryphius und "Sonnet 17" von William Shakespeare, vor.
- Das zweite Kapitel widmet sich der Interpretation des Gryphiusschen Sonetts "Abend". Es wird die symbolische Bedeutung des Abends als Übergangsbereich zwischen Tag und Nacht, Leben und Tod beleuchtet. Des Weiteren wird der Argumentationsgang des Gedichts analysiert, wobei besondere Aufmerksamkeit den Topoi der Vergänglichkeit und der Einsamkeit gewidmet wird.
- Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Interpretation von Shakespeares "Sonnet 17". Es wird der Aufbau und die Reimstruktur des englischen Sonetts erläutert. Die Analyse konzentriert sich auf den Argumentationsgang des Gedichts und die Rolle der einzelnen Strophen in der Gesamtaussage.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Sonnet, Reimstruktur, Gedankenführung, Argumentationsgang, Vergänglichkeit, Einsamkeit, frühe Neuzeit, Andreas Gryphius, William Shakespeare, "Abend", "Sonnet 17", deutsche und englische Literatur.
- Arbeit zitieren
- Martin Lehmannn (Autor:in), 2004, Gryphius' "Abend" vs. Shakespeares "Sonnet 17": Der Aufbau der Gedankenführung im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24128