Gewerkschaften und Verbände in der Globalisierung


Seminararbeit, 2003

14 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Exogene Faktoren der Verbandssystemkrise
2.1. Die Fragmentierung der Gewerkschaften und Verbände
2.2. Die Auflösung institutioneller Arrangements
2.3. Die Denationalisierung

3. Endogene Faktoren der Verbandssystemkrise
3.1. Positive/ negative Globalisten
3.2. Industrieverbände
3.3. Arbeitgeberverbände
3.4. Gewerkschaften

4. Resümee

5. Abkürzungsverzeichnis

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es ist offensichtlich, dass sich Gewerkschaften und Verbände in der Bundesrepublik Deutschland aktuell in großen Schwierigkeiten befinden. Die Krise dieser intermediären Instanzen wird in den Medien nahezu täglich ausgerufen. Als Gründe lassen sich gravierende Strukturprobleme identifizieren. Betrachtet man die Entwicklung der Mitgliederzahlen in der Vergangenheit, wird deutlich, dass es keineswegs übertrieben ist, von einer Strukturkrise zu sprechen. Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerverbände sind davon gleichermaßen betroffen. Beide Seiten haben bei ihren Mitgliedern zunehmend an Akzeptanz und damit auch an Einfluss verloren. Wenn man Einschätzungen von Verbands- und Gewerkschaftsfunktionären hört, wird meist ein sehr negatives Bild der derzeitigen Lage gezeichnet. Bei der Analyse der Probleme werden häufig monokausale Erklärungsversuche zu Rate gezogen. Erklärungen verstecken sich oftmals hinter dem schwer fassbaren Stichwort Globalisierung.

In der vorliegenden Arbeit sollen die Auswirkungen der Globalisierungsprozesse auf Gewerkschaften und Verbände differenziert betrachtet werden. Das heißt, es wird einerseits der Frage nachgegangen, inwieweit sich die Globalisierung für die beschriebene Strukturkrise verantwortlich zeigt, auf der anderen Seite wird auch analysiert werden, welche intern generierten Problemfaktoren zur heutigen Situation beigetragen haben. Sind also eher die externen Umwälzungsprozesse für die Krise verantwortlich oder sind die Probleme durch Fehler in der Binnenstruktur der Organisationen entstanden? Wie bedingen sie einander?

Im ersten Teil der Arbeit findet die Auseinandersetzung mit den exogenen Faktoren statt, während im zweiten auf die endogenen Faktoren eingegangen wird. Da man bereits vorwegnehmen kann, dass beide Dimensionen für die negative Entwicklung des Verbandswesens mit verantwortlich gemacht werden können, also eine alleinige Verantwortung der Globalisierungsprozesse eindeutig negiert werden kann, wird in diesem Zusammenhang auch die Frage Eingang finden, welche positiven Effekte und Chancen sich im Zuge der Globalisierung für die einzelnen Organisationen ergeben können.

2. Exogene Faktoren der Verbandssystemkrise

2.1. Die Fragmentierung der Gewerkschaften und Verbände

In den westlichen Industrienationen ist gegenwärtig ein Zerfallsprozess der Gewerkschaften und Verbände zu beobachten. Das Hauptproblem sind die stetig sinkenden Mitgliederzahlen. Am Beispiel Deutschlands ist diese Entwicklung zu belegen. Seit der Wiedervereinigung sind die Mitgliederzahlen in Gewerkschaften und Verbänden der Bundesrepublik insgesamt um ca. 10 % zurückgegangen1, mit der Folge, dass heute weniger als ein Drittel der abhängig Beschäftigten noch gewerkschaftlich organisiert sind. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte in der Zeit von 1994- 1997 eine Million Austritte zu verzeichnen.2 Die Mitgliederzahl der im DGB zusammengefassten Einzelgewerkschaften ist von 11,8 Millionen im Jahr 1991 auf 7,7 Millionen bis Ende 2002 gesunken.3 Innerhalb des DGB verhältnismäûig stark betroffen war die IG- Metall, welche im Zeitraum von 1990- 2000 ca. eine Million Austritte zu beklagen hatte, bei gegenwärtig noch ungefähr drei Millionen Mitgliedern insgesamt.4 Das Beispiel der IG- Metall, der also in zehn Jahren ein Viertel ihrer Mitglieder abhanden kam, macht die katastrophale Situation deutlich, in der sich die Interessenorganisationen befinden. Von dieser negativen Entwicklung waren alle acht Einzelgewerkschaften des DGB betroffen. Ein Vergleich der Mitgliedschaften von Ende des Jahres 2001 mit denen Ende 2002 belegt dies eindrucksvoll. (Ver.di -2,4%, IG-Metall -2,4%, IG-BCE -3,3%, IG Bauen-AgrarUmwelt -3,9%, Transnet -2,8%, GEW -1,2%, NGG -2,2%, GdP -0,2%)5

Im Verlauf dieses Prozesses hat sich auch die Struktur der Gewerkschaftsmitglieder verändert. Hier ist ein eindeutiger Trend zur Überalterung auszumachen, da sich der Anteil der jungen Mitglieder beinahe halbiert hat.6 Der Rückgang der Mitgliedschaften ist auf die Umwälzung der traditionellen Beschäftigungsmuster zurückzuführen. Der Anteil der Beschäftigten in der produzierenden Industrie ist

gesunken, während es heute weit mehr angestellte Beschäftigungsverhältnisse gibt als noch vor einigen Jahren. Auûerdem hat der, durch die Globalisierung verursachte Wettbewerb mit Niedriglohnländern zum Verschwinden von gering bezahlten und arbeitsintensiven Jobs geführt. Bedenkt man, dass früher die Gewerkschaftsmitglieder mehrheitlich aus eben diesen niedrig bezahlten, arbeitsintensiven Industriebranchen kamen, ist hier also ein kausaler Zusammenhang gegeben. Die Abnahme bestimmter Kategorien von Arbeitsplätzen bedingt demzufolge den Mitgliederschwund. Hinzu kommt auch das Entstehen neuer Kategorien von Beschäftigten, die schwer einheitlich zu organisieren sind, da eine Interessenbündelung sich hier nahezu unmöglich gestaltet.

2.2. Die Auflösung institutioneller Arrangements

Ein weiteres Problem des Verbandswesens ist die Erosion institutioneller Arrangements. Gemeint ist die Kooperation zwischen staatlichen Akteuren, Verbandsakteuren und Unternehmern. Der institutionalisierte Dialog zwischen diesen Partnern findet zunehmend seltener statt. Grund dafür ist das Aufkommen transnationaler Konzerne, der sogenannten global players. Die Interessenvermittlung findet aufgrund dieser Entwicklung nicht mehr zwischen Unternehmen und Nationalstaat statt, vielmehr versuchen heute Nationalstaaten zusammen mit Gewerkschaften und auch Arbeitgeber- und Industrieverbänden Koalitionen zu bilden, um die global players ins Land zu holen. Diese Zweckkoalitionen verfolgen das Ziel über Investitionen der TNKs im eigenen Land Ressourcen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze entstehen zu lassen, die dann wiederum Wohlstandseffekte für den eigenen Standort generieren sollen.7 Die Macht der global players besteht darin, dass sie territorial ungebunden agieren und sich dadurch weitestgehend steuerlichen, sowie sozialpolitischen Regulierungsmaûnahmen entziehen können.8 Sie sind unabhängig von nationalen Arbeitsmärkten und errichten Produktionsstätten an Orten, an denen der Faktor ´Arbeit´ billig ist. Sie treffen ihre Standortwahl allein nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Das bedeutet, ihr Augenmerk liegt auf niedrigen Steuersätzen, billigen Produktionsfaktoren und günstigen

Investitionsbedingungen. Global players sind also generell an schwachen Institutionen interessiert, sowie an deregulierten und liberalisierten Märkten.9 Diese Tatsache macht es Standorten wie Deutschland wegen der vorherrschenden Regelungsdichte schwer, ein freundliches Investitionsklima zu schaffen. Die global players wollen sich nicht in Abhängigkeit von Nationalstaaten begeben bzw. wollen sich aus logischen Gründen nicht deren regulativen Maûnahmen unterwerfen.

2.3. Die Denationalisierung

Der Transfer staatlicher Regulierungskompetenzen auf die supranationale Ebene hatte auch die Schwächung nationaler intermediärer Instanzen als Konsequenz. Am Beispiel Deutschlands meint dies die Abgabe von Kompetenzen des Bundes an die Europäische Union.

Nach dem Scheitern der nationalen Arrangements und Bemühungen kam die Hoffnung auf, durch verstärktes supranationales Engagement der Interessenorganisationen einen Ausweg zu finden, um die Situation zu verbessern.10 Im Zuge dessen wurden entsprechende Organisationen etabliert, wie zum Beispiel der Europäische Gewerkschaftsbund oder der Europäische Betriebsrat.11 Diese haben jedoch keine Entscheidungen hervorgebracht, die einer europäischen Tarifpartnerschaft den Weg hätten ebnen können. Sozial- und Tarifpolitik sind nach wie vor nationale Angelegenheiten, ein für die EU geltender Flächentarifvertrag ist kurz- und mittelfristig unrealistisch, da die institutionellen Voraussetzungen fehlen und auch rechtliche Voraussetzungen erst noch durch politische Grundsatzentscheidungen geschaffen werden müssen. Experten beurteilen eine Integration der nationalen Arbeitsmarktpolitiken in eine einheitlich europäische als illusorisch. Zukünftig wird eher von einer Koexistenz der verschiedenen nationalen Systeme ausgegangen. Zur Begründung dieser Einschätzung wird unter anderem angeführt, dass die historisch gewachsenen Unterschiede in den einzelnen nationalen Systemen nahezu unüberwindbare Schwierigkeiten darstellten. Zusammenfassend ist zu sagen, dass Probleme, die im nationalen Verbandswesen nicht einmal gelöst werden können, sich auf supranationaler Ebene wohl eher noch verstärken dürften.

[...]


1 Vgl. Stefan Zimmer, Verbände in der Globalisierung, Exogene und endogene Faktoren intermediärer Instanzen, 1999, S. 9

2 Vgl. ebd. S. 9

3 Vgl. www.dgb.de

4 Vgl. Zimmer, 1999, S. 10

5 www.tagesthemen.de

6 Vgl. Zimmer, 1999, S. 10

7 Vgl. Zimmer, 1999, S. 18

8 Vgl. ebd. S. 17

9 Vgl. ebd. S. 17

10 Vgl. Zimmer, 1999, S. 23

11 Vgl. ebd. S. 23

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Gewerkschaften und Verbände in der Globalisierung
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
2,5
Autor
Jahr
2003
Seiten
14
Katalognummer
V24194
ISBN (eBook)
9783638271202
Dateigröße
468 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewerkschaften, Verbände, Globalisierung
Arbeit zitieren
Benjamin Siegert (Autor:in), 2003, Gewerkschaften und Verbände in der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24194

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