1. Einleitung
Der Schuleintritt ist für jedes Kind ein einschneidendes Erlebnis. Das Kind muß einen Wechsel seiner Lebenswelten verkraften, vom Kindergarten mit seinen gewohnten elternhausnahen Strukturen, hin zur Schule mit ihrem Bildungsauftrag. Damit sind große Umstellungen und ein bedeutender Schritt in Richtung Loslösung von der Elternbindung verbunden. Wenn dieser Wechsel vom Kind als positiv und angenehm empfunden wird, können sich seine Interessen und Fertigkeiten frei entwickeln. Fühlt sich ein Kind dadurch aber unter Druck gesetzt und überfordert, können Schäden und Defizite in der geistigen und emotionalen Entwicklung entstehen die nur sehr schwer wieder gut zu machen sind. Aufgrund dieser allgemein bekannten Tatsachen sind seit den 50 ´er Jahren verschiedenste Verfahren entwickelt worden, mit welchen entschieden werden soll, ob ein Kind schon „reif“ oder entwickelt genug ist die große Herausforderung Schuleintritt und seine Folgeersche inungen, zu wagen.
Seit den 70´er Jahren gibt es, angeregt durch neue Erkenntnisse der Entwicklungsforschung, eine lebhafte Diskussion zum Thema Schuleingangsdiagnostik. Daraus ergaben sich neuere, sehr unterschiedliche Verfahren zur Beurteilung der Schulfähigkeit, bis hinzu der Forderung Schuleingangsverfahren durchweg abzuschaffen.
Dies alles scheint mir Grund genug, im ersten Teil meiner Arbeit die Entwicklung der Schuleingangsdiagnostik kurz nachzuzeichnen und ein paar dieser Verfahren (ältere wie neue re) einmal näher zu betrachten.
Im Zweite Teil der Arbeit liegt der Schwerpunkt auf einem gezielt ausgewählten Verfahren der Schuleingangsdiagnostik, dem „Kieler Einschulungsverfahren“. Sich mit genau diesem Verfahren zu befassen , lohnt sich besonders deshalb, weil es nach wie vor das neueste Formelle Verfahren der Schuleingangsdiagnostik ist, sich schon mehrfach praktisch bewährt hat und eine relativ breite Anerkennung genießt. Dieses Verfahren soll im Folgenden näher vorgestellt und darüber hinaus kritisch beleuchtet werden.
Die Arbeit stützt sich auf eine Seminarstunde im Mittelseminar: Strukturelle und pädagogische Fragen des Schulanfangs, Thema der Stunde war Schuleingangsdiagnostik. Deshalb sollen die Gruppenarbeiten und das, in der Stunde Erarbeitete berücksichtigt werden, worauf sich besonders der zweite Teil der Arbeit beziehen wird. Dort sollen die Gruppenergenbnisse der Stunde ausgewertet werden. Die Literaturangabe folgen. [...]
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Entwicklung der Schuleingangsdiagnostik
2.1. Traditionelle Testverfahren
2.2 Neuere Testverfahren
2.3. Informelle Verfahren
3. Das Kieler Einschulungsverfahren (KEV)
3.1 Anliegen des Kieler Einschulungsverfahren
3.2. Aufbau des Verfahrens
3.3 Gruppenarbeiten
4. Fazit
5. Literatur
6. Anhang
1. Einleitung
Der Schuleintritt ist für jedes Kind ein einschneidendes Erlebnis. Das Kind muß einen Wechsel seiner Lebenswelten verkraften, vom Kindergarten mit seinen gewohnten elternhaus-nahen Strukturen, hin zur Schule mit ihrem Bildungsauftrag. Damit sind große Umstellungen und ein bedeutender Schritt in Richtung Loslösung von der Elternbindung verbunden. Wenn dieser Wechsel vom Kind als positiv und angenehm empfunden wird, können sich seine Interessen und Fertigkeiten frei entwickeln. Fühlt sich ein Kind dadurch aber unter Druck gesetzt und überfordert, können Schäden und Defizite in der geistigen und emotionalen Entwicklung entstehen die nur sehr schwer wieder gut zu machen sind.
Aufgrund dieser allgemein bekannten Tatsachen sind seit den 50 ´er Jahren verschiedenste Verfahren entwickelt worden, mit welchen entschieden werden soll, ob ein Kind schon „reif“ oder entwickelt genug ist die große Herausforderung Schuleintritt und seine Folge-erscheinungen, zu wagen.
Seit den 70´er Jahren gibt es, angeregt durch neue Erkenntnisse der Entwicklungsforschung, eine lebhafte Diskussion zum Thema Schuleingangsdiagnostik. Daraus ergaben sich neuere, sehr unterschiedliche Verfahren zur Beurteilung der Schulfähigkeit, bis hinzu der Forderung Schuleingangsverfahren durchweg abzuschaffen.
Dies alles scheint mir Grund genug, im ersten Teil meiner Arbeit die Entwicklung der Schuleingangsdiagnostik kurz nachzuzeichnen und ein paar dieser Verfahren (ältere wie neuere) einmal näher zu betrachten.
Im Zweite Teil der Arbeit liegt der Schwerpunkt auf einem gezielt ausgewählten Verfahren der Schuleingangsdiagnostik, dem „Kieler Einschulungsverfahren“. Sich mit genau diesem Verfahren zu befassen , lohnt sich besonders deshalb, weil es nach wie vor das neueste Formelle Verfahren der Schuleingangsdiagnostik ist, sich schon mehrfach praktisch bewährt hat und eine relativ breite Anerkennung genießt. Dieses Verfahren soll im Folgenden näher vorgestellt und darüber hinaus kritisch beleuchtet werden.
Die Arbeit stützt sich auf eine Seminarstunde im Mittelseminar: Strukturelle und pädago-gische Fragen des Schulanfangs, Thema der Stunde war Schuleingangsdiagnostik. Deshalb sollen die Gruppenarbeiten und das, in der Stunde Erarbeitete berücksichtigt werden, worauf sich besonders der zweite Teil der Arbeit beziehen wird. Dort sollen die Gruppenergenbnisse der Stunde ausgewertet werden.
Literaturangaben und ein Anhang folgen, im Anhang ist das Vorgabenblatt für die Sitzung eine Skizze zur näheren Erläuterung der ökologischen Diagnostik sowie der Auswertungsbogen des Kieler Einschulungsverfahren beigelegt.
2. Die Entwicklung der Schuleingangsdiagnostik
2.1. Traditionelle Testverfahren
Der erste, der einen richtungsweisenden, praxisbezogenen Test zur Erkennung der Schulfähigkeit veröffentlichte war Otto Kern. Dieser hatte 1951 seine Reifungstheorie entwickelt. Darin ging er davon aus, dass die Entwicklung der physischen und der geistigen Fähigkeiten eines Kindes weitestgehend parallel zu einander verlaufen würden. So wäre von einem Merkmal auf alle anderen zu schließen[1].Auf der Basis dieser Theorie entwickelte Kern den Grundleistungstest (GLT). Dieser basierte auf einem Selektionsprozess. So wurden alle zukünftigen Grundschüler auf ihren Entwicklungstand bei der visuellen Gliederungsfähigkeit geprüft. Kinder die den erforderlichen Entwicklungstand erreicht hatten wurden eingeschult, alle anderen wurden als nicht schul“reif“ zurückgestellt. Der GLT wurde bis 1968 regulär durchgeführt und an vielen Kinder erprobt.[2]
Der GLT war auch die Grundlage für viele folgende Testverfahren wie dem Duisburger Vor- und Einschulungstest (DVET) oder dem Frankfurter Schulreifetest (FST). Diese Weiterentwicklungen prüften nun vor allem kognitive Fähigkeiten der Kinder wie Gliederungsfähigkeit, Gedächtnis und Konzentration und gaben Punkte auf den jeweils erzielten Erfolg. Die Ergebnisse wurden addiert und mit einer Normtabelle verglichen. Darauf hin wurde über den Reifungsgrad der Kinder entschieden.
Diese Tests wurden bis in die 70´er Jahre deutschlandweit eingesetzt. Jedoch, konnte man sie bis in die 90´er Jahren noch vereinzelt in Bayern finden.[3]
2.2. Neuere Testverfahren ( seit 1975)
Seit den Siebziger Jahren gilt die Reifungstheorie und die auf ihr aufbauenden Testverfahren als überholt. Als Kernproblem erwies sich die Tatsache, das geistige Fähigkeiten nicht, wie von Kern angenommen, konstante Persönlichkeitsmerkmale sind, sondern förderbar und durch Trainig beeinflußt werden können[4]. So haben Studien ergeben das 66% aller als nicht „schulreif“ eingestuften Kinder, das erste Schuljahr trotzdem problemlos bewältigen konnten.[5] So wandelte sich der Begriff „schulreif“ in den Begriff „schulfähig“, der zum Ausdruck bringen soll, dass Schulfähigkeit zu keine festgesetzten Zeitpunkt erreicht wird, sondern individuell unterschiedlich ist. Ziel war nun keine Selektion mehr zu betreiben sondern eine größtmögliche, frühzeitige Förderung von in der Entwicklung zurück-gebliebenen Kinder anzustreben.
In der Zeit zwischen 1975 und 1980 bewegte sich die pädagogische Disskussion um die Schuleingangsdiagnostik hauptsächlich in der Erörterung und Erforschung von theoretischen Grundsatzfragen
Ein weiterer Durchbruch in der Schulfähigkeitsdebatte gelang H. Nickel. Er entwickelte ab 1981 sein ökologisch- systemisches Schulfähigkeitsmodell, eine noch heute anerkannte Sichtweise von Schulfähigkeit. Nickel betrachtete Schulfähigkeit als „interaktionistisches Konstrukt“[6], in dem er davon ausging , dass das Kind sich in einem sozialkulturellem Makrosystem verschiedener Ökosysteme (Schule/Elternhaus/Kindergarten) bewegt ( siehe Skizze: Anhang A). Um den Entwicklungsstand eines Kindes also genau zu messen, muß sich der Blickwinkel auf diese drei Systeme und ihre wechselseitigen Beziehungen untereinander ausdehnen. Auch sieht Nickel die Schulfähigkeit als „ Sonderfall eines ökologischen Übergangs“[7], und weißt darauf hin, das Schulfähigkeit vorrangig eine Entwicklungsaufgabe ist, auf deren Basis die Vermeidung von Rückstellungen und die Schaffung eines integrativen Schulanfangs unabdingbar sind.[8]
Der erste bedeutende Versuch einer Umsetzung dieser Forderungen und Erkenntnisse ist das 1986 von Sigrun Fröse, Ruth Mölders und Wiebke Wallrodt entwickelte Kieler Einschulungsverfahren ( KEV ), auf das später noch näher eingegangen werden soll.
1993 entwickelte R. Käser die, leider noch sehr theoretische, Ökosystemische Individual Diagnostik (ÖSID), die versucht Nickels Forderungen in die Praxis zu übertragen. ÖSID geht zwar vom Kind aus, stellt also eine Individualisierung von Nickels Konzept dar, betont aber auch die Bedeutung des soziokulturellen Umfeldes. So nimmt ÖSID das Wissen ebenfalls aus verschiedenen Bezugsquellen ( Testsituationen, die leicht den Eindruck vom Kind und dessen Fähigkeiten verfälschen können, sind also nur ein Teil des Verfahrens). Außerdem möchte ÖSID die subjektiven Einschätzungen und Erfahrungen der Lehrkräfte für das Verfahren nutzen.[9]
Seit den 90 ´er Jahren hat man erkannt, dass Schulfähigkeit Entwicklungsaufgabe ist. So sind eine Reihe neuester Verfahren entstanden in welchen ein Diagnoseprogramm zur Früherkennung von Schwächen in den Vorläuferfähigkeiten mit einem anschließenden Trainingsprogramm verknüpft werden kann.
Im Schriftspracherwerb wäre da der „ Rundgang durch Hörhausen“ zu nennen. 2001 von S. Martschinke u.a. entwickelt, handelt es sich hier um eine Test , der die phonologische Bewußtheit im weiteren und engeren Sinn untersucht, eine der wichtigsten Vorläufer-fähigkeiten des Schriftspacherwerb Der „Rundgang durch Hörhausen“ spürt „Risikokinder“ auf spielerische und den Kindern ganz unbewußte Weise auf. Der Test ist für den Anfang der ersten Klasse angelegt und kann anschließend mit dem Trainigsprogramm „ „ Leichter lesen und Lernen mit der Hexe Susi “, ebenfalls von S. Martschinke konzipiert , verknüpft werden. Das Programm zeigt sehr gute Ergebnisse und es bleibt zu hoffen das es in nächster Zeit häufig zum Einsatz kommt.[10]
Auch in Mathematik sind die Vorkenntisse der Schulanfänger sehr unterschiedlich, so ist es auch hier angebracht ein Testverfahren zu entwickeln mit dem „Risikokinder“ entdeckt und gefördert werden können. Hier wäre der „Osnabrücker Test zur Zahlbegriffsentwicklung“ (OTZ) zu nennen, der mit einem für den Kindergarten konzipierten Training, den Addtional Early Mathemathics (AEM) verbunden werden könnte. Leider ist der OTZ, der aus dem Utrechter Zahlbegriffstest hervorgegangen ist noch nicht an deutsche Standarts angepasst, der AEM liegt noch gar nicht in deutscher Sprache vor. Trotzdem sind beide, meiner Meinung nach gute Ansätze für eine genaue Früherkennung und – Förderung von „Risikokindern“[11].
2.3. Informelle Verfahren
Aufgrund der wenigen vernünftigen Alternativen, die es zwischen den , als überholt geltenden Schulreifetests, dem Kieler Einschulungsverfahren und den neueren Programmen wie die von Matschinke gab haben viele Lehrer eigene Testmethoden entwickelt. Diese Verfahren „von Praktikern für Praktiker“[12] werden auf informellen Wegen weitergegeben und werden von etwa der Hälfte aller Erstklasslehrkräfte benutzt.[13] Viele dieser Tests orientieren sich an formellen Verfahren, aus welchen sich die Lehrkräfte die für sie wichtigen Punkte heraussuchen. Andere sind wiederum gänzlich in Eigenarbeit konzipiert.
Die Frage nach der Wirksamkeit Informeller Verfahren, lässt sich schwer beantworten, da es keine Studien oder Untersuchungen darüber gibt. Fest steht, dass sicher sehr gute Ansätze dabei sind, denn viele dieser Test werden schon seit Jahren mit Erfolg angewandt.
[...]
[1] Vgl dazu:Kammermeyer, A.: Schulfähigkeit, In:Faust Siehl G./ Speck-Hamdan A. (Hrg.): Schulanfang ohne Umwege – Mehr Flexibilität im Bildungswesen, Frankfurt 2001. S.96/97.
[2] Kammermeyer, A.: Schuleingangsdiagnostik, In:Faust Siehl G./ Speck-Hamdan A. (Hrg.):
Schulanfang ohne Umwege – Mehr Flexibilität im Bildungswesen, Frankfurt 2001.S.120
[3] Kormann A./Storath R./ u.a.:Anspruch und Realität der Schuleingangsdiagnostik. In : Trost G./ Ingenkamp K./ Jäger R.-S. (Hrsg.):Tests und Trends 10. Weihnheim 1993, S.93
[4] Kammermeyer, A.: Schulfähigkeit, S 98.
[5] Krapp A./Mandl, H.: Wer sich auf Schulreifetests verlässt ist verlassen, In: Bayerische Schule 26 Jg,1973,
S. 210
[6] Kammermeyer, A.: Schuleingangsdiagnostik, S 99.
[7] Vgl. dazu: ebd: S.101.
[8] Vgl. dazu: ebd: S.102.
[9] Vgl. dazu: ebd. S 138/139.
[10] Vgl. dazu: Kammermeyer, A.: Schuleingangsdiagnostik, S 129 – 134.
[11] Vgl. dazu: ebd. S 135 – 137.
[12] Ebd. S.: 122.
[13] Vgl. dazu: Kormann A./Storath R./ u.a.:Anspruch und Realität der Schuleingangsdiagnostik, S.89.
- Quote paper
- Anja Rein (Author), 2002, Schuleingangsdiagnostik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24209