Der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft durch die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) im Juli 1954 in Bern wird in der Retrospektive häufig nicht nur als eine der vielleicht größten sportlichen Sensationen dargestellt, ihm wird auch von vielen Historikern, Journalisten und Politikern eine über den Sport hinausreichende, gesellschaftliche und politische Dimension zugeschrieben. Der Sportjournalist Joachim SCHWEER sieht den WM-Gewinn sogar als eigentliche Geburtsstunde der Bundesrepublik Deutschland (BRD) an:
„Die Bundesrepublik feiert[e] zwar erst 1999 ihren 50. Geburtstag, doch es gibt nicht wenige Menschen, die nur fünf Jahre zuvor ihren 40. fest gestellt haben wollen.“1
In der vorliegenden Studie soll aufgezeigt werden, ob, und wenn ja in welcher Ausprägung sich diese gesellschaftliche und politische Relevanz bereits während der Fußballweltmeisterschaft und in unmittelbarem Anschluss an diese in der Kölner Tagespresse manifestiert. Dies soll mittels einer qualifizierenden Inhaltsanalyse geschehen, die sowohl diagnostisch auf Einstellungen des Kommunikators, als auch reflektorisch auf Bedürfnisse auf Seiten des Rezipienten Rückschlüsse erlauben soll. Somit geht das Analyseverfahren über das von REINERMANN für seine Diplom-Arbeit zum gesellschaftlichen Stellenwert von Fußballweltmeisterschaften gewählte Verfahren einer rein quantifizierenden Inhaltsanalyse hinaus.2 REINERMANN diagnostiziert aufgrund des deutlich gestiegenen Umfangs der Berichterstattung in den von ihm analysierten Untersuchungsobjekten 1998 im Vergleich zu 1954 eine erhöhte gesellschaftliche Bedeutung der Fußball-WM in Deutschland, lässt dabei aber den ebenfalls gestiegenen Gesamtumfang der Untersuchungsobjekte ebenso außer Acht wie die Tatsache, dass sich die Medienlandschaft während dieser Zeitspanne ebenso radikal verändert hat wie die personelle, technische und finanzielle Ausstattung der analysierten Zeitungen. Allerdings legt REINERMANN wohl auch ein anderes Verständnis von ‚gesellschaftlichem Stellenwert‘ zu Grunde, mehr im Sinne von Rezipienteninteresse, denn – wie in dieser Untersuchung angedacht – als identitätsstiftenden Faktor mit konkreten gesellschaftspolitischen Auswirkungen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 2. HISTORISCHE RAHMENBEDINGUNGEN.
- 2.1 POLITIK UND GESELLSCHAFT.
- 2.1.1 Die politische Situation Deutschlands bis zur Gründung der Bundesrepublik (1945-1949)
- 2.1.2 Die Westintegration der Bundesrepublik und der Weg in die Souveränität (1949-1955).
- 2.1.3 Die Sonderrolle des Saarlandes
- 2.1.4 Die wirtschaftliche Konsolidierung der BRD und der Beginn des ,Wirtschaftswunders‘.
- 2.1.5 Die bundesrepublikanischen Lebensumstände Mitte der 50er Jahre
- 2.1.6 Die Einstellung der bundesdeutschen Gesellschaft zu Politik, Staat und Demokratie...
- 2.2 SPORT
- 2.2.1 Der Einfluss der Besatzungsmächte auf die Entwicklung des bundesdeutschen Sports nach dem Zweiten Weltkrieg.
- 2.2.2 Die Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) ...
- 2.2.3 Die Gründung des bundesdeutschen Nationalen Olympischen Komitees (NOK)......
- 2.3 FUBBALL..
- 2.3.1 Erste Initiativen zur Wiederbelebung des Spielbetriebes nach dem Zweiten Weltkrieg..
- 2.3.2 Die Wiedergründung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).
- 2.3.3 Der Weg aus der internationalen Isolation.
- 2.3.4 Die Reintegration des DFB in die FIFA
- 2.4 MEDIEN
- 2.4.1 Die Alliierte Medienpolitik und ihr Einfluss auf die bundesdeutsche Presselandschaft am Beispiel Nordrhein-Westfalen.
- 2.4.2 Der Kölner Stadt-Anzeiger (KSTA).
- 2.4.3 Die Kölnische Rundschau (KR).
- 2.4.4 Die kommunistischen Presse in Nordrhein-Westfalen unter besonderer Berücksichtigung der Volksstimme
- 3. ANALYSE DER BERICHTERSTATTUNG AUSGEWÄHLTER KÖLNER TAGESZEITUNGEN ÜBER DIE FUBBALLWELT-MEISTERSCHAFT 1954 ...
- 3.1 IM VORFELD DER WELTMEISTERSCHAFTSENDRUNDE.
- 3.1.1 Analyseeinheit 1 (24. Mai 1954 – 16. Juni 1954)..............
- 3.1.1.1 Die Beurteilung der Erfolgsaussichten des bundesdeutschen Teams
- 3.1.1.2 Die Berücksichtigung ausländischer Mannschaften
- 3.1.1.3 Die Auseinandersetzung mit dem Austragungsmodus..
- 3.1.2 Zusammenfassung..
- 3.2 DIE VORRUNDE
- 3.2.1 Analyseeinheit 2 (17. Juni 1954 - 24. Juni 1954).
- 3.2.1.1 Der Weltmeisterschaftsauftakt.
- 3.2.1.2 BR Deutschland - Türkei.
- 3.2.1.3 BR Deutschland - Ungarn..
- 3.2.1.4 Das Foul Liebrichs an Puskas
- 3.2.1.5 BR Deutschland – Türkei (Entscheidungsspiel)
- 3.2.2 Zusammenfassung.
- 3.3 DIE FINALSPIELE
- 3.3.1 Analyseeinheit 3 (25. Juni 1954 - 05. Juli 1954).
- 3.3.1.1 Vor dem Viertelfinale gegen Jugoslawien
- 3.3.1.2 BR Deutschland - Jugoslawien....
- 3.3.1.3 Das Skandalspiel Ungarn – Brasilien.
- 3.3.1.4 Vor dem Halbfinale gegen Österreich.
- 3.3.1.5 Das Halbfinale BRD - Österreich
- 3.3.1.6 Vor dem Endspiel gegen Ungarn.
- 3.3.1.7 Das Endspiel BR Deutschland – Ungarn
- 3.3.2 Zusammenfassung....
- 3.4 DIE EREIGNISSE NACH DER WM-ENDRUNDE.
- 3.4.1 Analyseeinheit 4 (06. Juli 1954-20. Juli 1954)
- 3.4.1.1 Die Rede des DFB-Präsidenten Bauwens im Löwenbräukeller........
- 3.4.1.2 Die Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die bundesdeutsche Mannschaft durch Bundespräsident Heuss in Berlin
- 3.4.1.3 Der Film „Fußballweltmeisterschaft 1954“
- 3.4.1.4 Die Ausschreitungen in Budapest bei der Rückkehr der ungarischen Nationalmannschaft..
- 3.4.2 Zusammenfassung..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit analysiert die Berichterstattung der Kölner Tagespresse über den Fußball-WM-Sieg der deutschen Mannschaft im Jahr 1954 und untersucht, ob und in welcher Ausprägung sich die gesellschaftliche und politische Relevanz des Ereignisses in den Medien widerspiegelt. Die Untersuchung soll aufzeigen, wie die Kölner Zeitungen den Sieg aus unterschiedlichen politischen Perspektiven interpretierten und ob sich eine Vermischung von Politik und Sport in der Berichterstattung feststellen lässt.
- Die gesellschaftspolitische Dimension des WM-Sieges 1954
- Die Rolle der Kölner Tagespresse in der Berichterstattung
- Politische und gesellschaftliche Interpretationen des Ereignisses
- Die Vermischung von Politik und Sport in der Berichterstattung
- Unterschiede in der Berichterstattung aufgrund politischer Grundhaltungen
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Relevanz des Themas und den Forschungsansatz erläutert. Kapitel 2 bietet einen historischen Kontext, indem es die politische und gesellschaftliche Situation in Deutschland, die Entwicklung des bundesdeutschen Sports und die Situation des Fußballs im Nachkriegsdeutschland beleuchtet. Kapitel 3 analysiert die Berichterstattung ausgewählter Kölner Tageszeitungen über die WM 1954, wobei die verschiedenen Phasen des Turniers (Vorfeld, Vorrunde, Finalspiele und Nachwirkungen) betrachtet werden. Die Kapitel 2 und 3 konzentrieren sich auf die Darstellung der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sowie der Medienlandschaft in Deutschland und Köln. Sie beleuchten auch den Einfluss der Besatzungsmächte auf den Sport und die Medien sowie die Entwicklung des Fußballs in Deutschland. Die Analyse der Berichterstattung der Kölner Zeitungen über die WM 1954 soll Aufschluss darüber geben, wie das Ereignis von verschiedenen politischen Perspektiven aus interpretiert wurde und ob sich eine Vermischung von Politik und Sport in der Berichterstattung erkennen lässt.
Schlüsselwörter
Fußballweltmeisterschaft 1954, Kölner Tagespresse, Inhaltsanalyse, Politik, Sport, Gesellschaft, Westintegration, Medienlandschaft, politische Grundhaltungen, Vermischung von Politik und Sport, propagandistische Tendenzen, Gemeinschaftsgefühl.
- Arbeit zitieren
- Paul Fürhoff (Autor:in), 2002, Die gesellschaftspolitische Dimension des bundesdeutschen Fußball-WM-Sieges 1954: Eine Analyse der Kölner Tagespresse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24238