In seinem Buch „Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ behandelt der Autor Searle das Problem der Objektivität von gesellschaftlicher Wirklichkeit. Besondere Aufmerksamkeit richtet Searle auf die Anteile der Gesellschaft, die nur aufgrund gemeinsamer Absprachen existieren.
Dabei geht er über die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Beschreibung unserer Welt hinaus, indem er vielschichtige Zusammenhänge aufdeckt, die nicht durch die Physik, Chemie und andere Naturwissenschaften eindeutig erklärbar sind. Für Searle ist der Realismus, also die Vorstellung einer real existierenden, von unserem Bewusstsein unabhängigen Welt, sowie die Korrespondenztheorie der Wahrheit eine grundsätzliche Bedingung f ür jede Wissenschaft, insbesondere für jede Philosophie.
In seiner Einführung benennt Searle als einen Ausgangspunkt seiner Untersuchung die Theorie der Sprechakte zur Beantwortung der Grundfrage, wie und in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Teile der Welt ineinander greifen, zueinander stehen.
Searle unterscheidet zwischen der geistigen und der physischen Wirklichkeit. Damit stellt sich für ihn die Frage, wie geistige Phänomene in einer auf physikalischen Begebenheiten beruhenden Welt existieren können. Für die Untersuchung der gesellschaftlichen Wirklichkeit konkretisiert er diese geistigen Phänomene durch gesellschaftliche Begriffe, wie z.B. Staatssysteme, Ehe, Wahlen, etc.
Gliederung
1. Einleitung
2. Bausteine der gesellschaftlichen Wirklichkeit
2.1. Institutionelle Tatsachen und rohe Tatsachen
2.1.1. Wie sieht die Struktur institutioneller Tatsachen aus?
2.1.2. Elementare Eigenschaften der Ontologie
2.1.3. Objektivität und unsere gegenwärtige Weltsicht
2.1.4. Immanente und beobachterrelative Eigenschaften der Welt
2.1.5. Gesellschaftliche Wirklichkeit: Drei Elemente
3. Die Schaffung institutioneller Tatsachen
3.1 Die Selbstbezüglichkeit vieler gesellschaftlicher Begriffe
3.2 Die Verwendung performativer Äußerungen bei der Schaffung institutioneller Tatsachen
3.3 Der logische Vorrang roher Tatsachen gegenüber institutionellen Tatsachen
3.4 Systematische Beziehungen zwischen institutionellen Tatsachen
3.5 Der Primat gesellschaftlicher Handlungen vor gesellschaftliche Gegenständen, von Prozessen vor Produkten
3.6 Die linguistische Komponente vieler institutioneller Tatsachen
4. Schlussbemerkung
1. Einleitung
In seinem Buch „Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ behandelt der Autor Searle das Problem der Objektivität von gesellschaftlicher Wirklichkeit.
Besondere Aufmerksamkeit richtet Searle auf die Anteile der Gesellschaft, die nur aufgrund gemeinsamer Absprachen existieren.
Dabei geht er über die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zur Beschreibung unserer Welt hinaus, indem er vielschichtige Zusammenhänge aufdeckt, die nicht durch die Physik, Chemie und andere Naturwissenschaften eindeutig erklärbar sind.
Für Searle ist der Realismus, also die Vorstellung einer real existierenden, von unserem Bewusstsein unabhängigen Welt, sowie die Korrespondenztheorie der Wahrheit eine grundsätzliche Bedingung für jede Wissenschaft, insbesondere für jede Philosophie.
In seiner Einführung benennt Searle als einen Ausgangspunkt seiner Untersuchung die Theorie der Sprechakte zur Beantwortung der Grundfrage, wie und in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Teile der Welt ineinander greifen, zueinander stehen.
Searle unterscheidet zwischen der geistigen und der physischen Wirklichkeit.
Damit stellt sich für ihn die Frage, wie geistige Phänomene in einer auf physikalischen Begebenheiten beruhenden Welt existieren können.
Für die Untersuchung der gesellschaftlichen Wirklichkeit konkretisiert er diese geistigen Phänomene durch gesellschaftliche Begriffe, wie z.B. Staatssysteme, Ehe, Wahlen, etc.
2. Bausteine der gesellschaftlichen Wirklichkeit
„In gewissem Sinn gibt es Dinge, die nur existieren, weil wir glauben, dass sie existieren.“ [S. 11]
2.1. Institutionelle Tatsachen und rohe Tatsachen
Neben den wirklich objektiven Dingen, wie z.B. der molekularen Zusammensetzung von Wasserstoffatomen, beschreibt Searle die Existenz von Dingen, die nur aufgrund von Absprachen der Menschen untereinander bestehen, also gesellschaftliche Tatsachen wie z.B. Geld, Eigentum, etc.
Diese auf menschlicher Übereinkunft beruhenden Tatsachen nennt Searle institutionelle Tatsachen, wohingegen die nicht-institutionellen Tatsachen, von Searle auch rohe Tatsachen genannt, unabhängig von der menschlichen Meinung bestehen und somit als wirklich objektiv bezeichnet werden können.
Paradigmen wie Berge, Sterne bestehen unabhängig von unserer menschlichen Meinung, während Aktien ohne die Institution Börse nicht mehr als ein Stück Papier wären.
Institutionelle Tatsachen entstehen aus menschlichen Institutionen und sind damit ohne diese nicht existent.
2.1.1. Wie sieht die Struktur institutioneller Tatsachen aus?
Um die Komplexität seiner Untersuchung zu verdeutlichen bemüht Searle ein alltägliches Beispiel aus der Gastronomie: Ein Gast betritt ein Lokal in Paris und bestellt ein Bier, welches der Ober bringt und der Gast trinkt es aus, ohne zu bezahlen.
Anhand dieser Szene zeigt Searle die ihr innewohnende Vielschichtigkeit, die sich auf der oben beschriebenen Ebene nicht mit den Mitteln der Naturwissenschaften in dieser Form wiedergeben lässt. Ebenso versucht er anhand dieses Beispiels die Unmengen von sichtbaren und unsichtbaren Regeln und Normen aufzuzeigen, mit denen wir im gesellschaftlichen Alltag konfrontiert sind. Searle ist außerdem der Auffassung, dass diese Szene bereits in ihrer Beschreibung durch die Wortwahl, und sei sie noch so neutral, immer schon normativ bewertet wird.
Die Vielschichtigkeit institutioneller Tatsachen ist in ihrer Struktur unsichtbar und deswegen vom Menschen überhaupt ertragbar.
Die Struktur institutioneller Tatsachen und der dahinter liegende Sinn werden nach ihren jeweiligen Funktionen erlernt. Eine Abstraktion auf das tatsächliche Material erfolgt in der Regel nicht. Die Abstraktion auf das Einfache wird schwierig, da sie für uns unabhängig von der Funktion steht und damit unnötig erscheint.
Es gibt Dinge, die nur aufgrund ihrer Funktion von uns entwickelt worden sind. Kann man diesen Dingen keine Funktion zuordnen, zeigen sich ihre tatsächlichen Eigenschaften.
Ein Beispiel: Im Telefonbuch einer Stadt steht jeder Bewohner vermerkt, der über einen Telefonanschluss verfügt. Möchte man die entsprechende Telefonnummer wissen, so sucht man nach einer festgelegten Struktur, also dem Alphabet, den Nachnamen und findet in dieser Zeile die zugeordnete Nummer. Jemand, dem dieses System fremd ist, der sogar nicht weiß, was Telefonieren ist, sieht in diesem Buch nur eine Unmenge von Seiten mit Namen und Zahlenreihen.
Eine besondere Schwierigkeit liegt in der Zergliederung der Struktur institutioneller Tatsachen in ihre Einzelbestandteile.
Vom phänomenologischen Betrachtungswinkel aus gesehen fehlt diesen Tatsachen scheinbar die komplexe Struktur; vom behavioristischen Blickwinkel aus sind die wirklich zugrunde liegende Strukturen nicht greifbar, da sie sich nicht direkt aus der Beobachtung des mit den Dingen verbundenen sichtbaren Verhaltens ergeben.
Searle sieht auch nicht die Möglichkeit diese Strukturen über die Kognitionswissenschaft und Linguistik sichtbar zu machen, denn diese Ansätze gehen von unbewussten Strukturabfolgen aus und sind nach seiner Auffassung damit auch nicht bewusst beschreibbar.
Searle sucht nach einer stimmigen Methode, einem Handwerkszeug, um die Strukturen der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu beschreiben und zu erfassen.
2.1.2. Elementare Eigenschaften der Ontologie
Wie passt die gesellschaftliche Wirklichkeit mit der tatsächlichen Wirklichkeit zusammen?
Voraussetzung für die Annäherung an diese Frage ist die Untersuchung, inwiefern die gesellschaftliche Wirklichkeit in der tatsächlichen Wirklichkeit verankert ist.
Wie ist die tatsächliche Wirklichkeit überhaupt beschaffen?
Searle greift auf die aktuellen Erkenntnisse der Naturwissenschaften zurück, um eine grundlegende, gegenwärtige Auffassung von Wirklichkeit zu erhalten. Er hebt zwei Theorien als notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund hervor: Die Atomtheorie der Materie und die Evolutionstheorie.
„Wir leben in einer Welt, die vollständig aus physischen Teilchen in Kraftfeldern besteht. Einige von ihnen sind in Systemen organisiert. Einige dieser Systeme sind lebende Systeme, und einige dieser lebenden Systeme haben Bewusstsein entwickelt.“ [S. 17]
Besondere Aufmerksamkeit richtet Searle auf den Begriff Bewusstsein und der damit verbundenen Intentionalität.
„Mit Bewusstsein einher geht Intentionalität, die Fähigkeit des Organismus, sich Gegenstände und Sachverhalte in der Welt zu repräsentieren“ [S.17].
Searle definiert Intentionalität als „[…] die Fähigkeit des Geistes, sich Gegenstände und Sachverhalte in der von ihm unterschiedenen Welt vorzustellen.“ [S. 16/17] Intentionalität bleibt für Searle ein technischer Ausdruck, um die Eigenschaften von Erscheinungen zu benennen, durch welche sie von etwas handeln oder sich auf etwas richten.
Die Beziehung zwischen den Begriffen Bewusstsein und Intentionalität ist nicht unbedingt von einander abhängig. Trotzdem gibt es eine notwendige und wichtige Verbindung zwischen beiden: „Ein unbewusster intentionaler Zustand muss prinzipiell dem Bewusstsein zugänglich sein.“ [S.17]
Der Inhalt unserer Wahrnehmung ist reichhaltiger als die Meinung über unsere Wahrnehmung.
2.1.3. Objektivität und unsere gegenwärtige Weltsicht
Da sich unsere Weltsicht nach Searles Auffassung im Großen und Ganzen auf unserem Begriff von Objektivität und dem Gegensatz von Objektivität und Subjektivität aufbaut, ist es notwendig die beiden Begriffe näher zu untersuchen und einzugrenzen.
Zwei unterschiedliche Begriffsauffassungen sind für seine Überlegungen wichtig: Der Unterschied zwischen objektiv und subjektiv im epistemischen und im ontologischen Sinn.
Im epistemischen Sinn ist die Unterscheidung zwischen Subjektivität und Objektivität, die Frage danach, inwiefern die Beurteilung einer Tatsache unabhängig von den Gefühlen und Einstellungen einzelner Menschen ist.
Im ontologischen Sinn wird die Unterscheidung von subjektiv und objektiv durch die Zuordnung bestimmt, d.h. betrachtet wird, inwiefern die Art der Existenz eines Gegenstandes unabhängig von einem geistigen Zustand ist.
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- Arbeit zitieren
- Volker Weiss (Autor:in), 2004, Zu: John R. Searle - Die Konstruktion der gesellschaftlichen Wirklichkeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24306
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