Moral und Liebesideal in "La española inglesa" und "La Gitanilla"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

21 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Das neoplatonische Liebesideal
1.1. Die neoplatonische Liebe in „La española inglesa“
1.1.1. Die Erscheinung Isabelas
1.1.2. Ricaredos neoplatonische Entwicklung

2. Tugend, Moral und freier Wille in “La Gitanilla”
2.1. Die Tugendhaftigkeit Preciosas
2.2. Die Moral der Zigeuner
2.3. Die Möglichkeit des freien Willens
2.4. Andrés Caballero und die Rolle des Geldes

3. Eifersucht und körperliche Liebe

4. Zusammenfassung

5. Literatur
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur
5.3. Nachschlagewerke

0. Einleitung

Die novelas ejemplares erschienen erstmals 1913 nach dem ersten Teil von Don Quijote.In der Forschung werden die Novellen Cervantes’ in zwei Hauptgruppen unterschieden[1]:

- novelas idealistas und
- novelas realistas.

Der Hauptunterschied besteht in der exemplarischen Beschreibung eines idealen Geistes- und Seelenlebens oder in der Beschreibung von Gewohnheiten und der Nachzeichnung des realen Lebens. Die Zuordnung der novelas differiert jedoch. So ordnet Julian Apraiz der ersten Gruppe die folgenden novelas zu: „ El amante liberal “, „ La española inglesa “, „ Las dos doncellas “, „ La señora Cornelia “, „ La fuerza de la sangre “ und „ La ilustre fregona”. Zur zweiten Gruppe zählen bei ihm: “La Gitanilla”, “El celoso extremeño”, “El casamiento engañoso “ und „ Rinconete y Cortadillo “. Eine dritte Gruppe besteht aus “El licenciado Vidriera”.[2]

Auf der Homepage Cervantes wird dagegen „La Gitanilla“ zur ersten Gruppe zugeordnet und „El licenciado Vidriera“ sowie „El Coloquio de los perros“ zur zweiten Gruppe.[3] Ohne auf diese Diskussion näher einzugehen, bei der auch die Spuren der italienischen Vorbilder eine entscheidende Rolle spielen, erscheint mir die Einteilung von Valbuena Prat am überzeugendsten. Sie teilt die novelas nach der Abstufung folgend von der idealisierten Form über eine Zwischenform hin zur realistischen Form in drei Gruppen ein. Zur ersten gehören wiederum: „ El amante liberal “, „ Las dos doncellas “, „ La señora Cornelia “, „ La española inglesa “ und „ La fuerza de la sangre “, zur zweiten: „ La gitanilla “, „ La ilustre fregona “ und „ El celoso extremeño “ und zur dritten Gruppe: „ Rinconete y Cortadillo “, „ El licenciado Vidriera “, „ El casamiento engañoso “ und „ El coloquio de los perros “.[4] Diese Abstufung scheint insofern besonders geschickt, da gerade die Zugehörigkeit von „La Gitanilla“ umstritten ist. So findet auch Carlos Javier Morales in seinem Aufsatz einen idealistischen und realistischen Aspekt in dieser novela.[5]

Die Schwierigkeit der Zuordnung dieser novela besteht darin, welchen Aspekt man hervorhebt. Entweder steht die idealistische Liebesgeschichte im Vordergrund oder die realistische Schilderung des Zigeunerlebens. Ob Cervantes tatsächlich seinen Zeitgenossen „por la ingenua mirada del narrador“[6] einen sozialkritischen Spiegel vorhalten wollte oder ob er die Klischees seiner Zeit wiedergegeben hat, muss an dieser Stelle offenbleiben. Hier soll es um die Moral in den novelas gehen.

Ein verbindendes Glied zwischen den novelas ist die Liebe. Praktisch jede der Novellen erzählt eine Liebesgeschichte mit einer bestimmten Intention, einer unterschiedlichen Sichtweise und der damit zusammen hängenden Werteordnung. „For Cervantes and the Neoplatonists of the seventeenth century love was the powerful force which had the potential to draw man from an earthbound vision, in which man’s foibles and weaknesses drain him of spiritual energy, towards a new vision in which the earthly pursuit of love purifies and uplifts him.”[7] Wir können also davon ausgehen, dass das Thema Liebe Cervantes’ eigene Weltanschauung widerspiegelt und sich in der Klassifizierung in idealistisch und realistisch widerspiegeln sollte und damit auch eine Bedeutung für den exemplarischen Gehalt der novelas hat.

Wichtig für unseren Zusammenhang ist die Frage der Moral, die von der Frage der Liebe schwer zu trennen ist. Daher interessiert uns zuerst das neoplatonische Liebesideal und die Frage, ob es eine vollständige Umsetzung bei Cervantes gibt. Wie gestaltet Cervantes andere Aspekte der Moral in seinen novelas ? Welchen Versuchungen werden seine Protagonisten ausgesetzt? Mit welcher Strafe muss für eine Verletzung der Moral gerechnet werden? Kann man in bezug auf die Moral die Einteilung in realistische und idealistische novelas beibehalten?

Um diese Fragen zu klären soll besonders „ La Gitanilla “,ob ihrer schwierigen Einordenbarkeit betrachtet werden und „ La española inglesa “, da sie als die weitgehendste Umsetzung des neoplatonischen Liebesideals gilt.

1. Das neoplatonische Liebesideal

Das neoplatonische Liebesideal ist gegründet auf der Lehre des Neoplatonismus, die besagt, dass ein höheres Prinzip mit logischer Notwendigkeit und metaphysischer Notwendigkeit die Existenz von etwas Niedrigerem, was sich von dem Prinzip unterscheidet und wofür das Prinzip Prinzip ist, voraussetzt. Auf diese Vorstellung gründet die Lehre von der Welt als einer Emanation des höchsten Prinzips (das Eine oder auch Gott, jedoch handelt es sich nicht um einen personalen Gott)[8]. So ist es dem Menschen möglich, sich stufenweise vom Niedrigsten zum Höchsten emporzuarbeiten und an das höchste Prinzip möglichst nah heranzukommen. Für die Liebe bedeutet das ausgehend von einem körperlichen Begehren zu reiner Seelenliebe zu gelangen. Das heißt nicht zwangsläufig, dass die körperliche Liebe verdammt wird, sondern sie wird erst bedeutungslos und dann überflüssig für die eigentliche ideale Liebe. Auf die Spitze getrieben bedeutet dies, dass der eigentliche Partner überflüssig werden kann für die Umsetzung der idealen Liebe.

Können wir dafür Beispiele bei Cervantes finden?

Für die christliche Beurteilung des sittlichen Lustgenusses ist entscheidend, dass die Lust mit dem Tun, aus dem sie entspringt, eine Einheit bildet. Heilsgeschichtlich gesehen stört zwar der Sündenfall die rechte Ordnung, da durch ihn der Mensch seiner natürlichen Triebhaftigkeit ausgeliefert wird, in abstrakter Beurteilung ist die Lust jedoch indifferent und wird gut oder böse je nach dem Tun, aus dem sie stammt.[9] Es gibt wenige Theologen, die eine keusche – und das bedeutet hier schuldlose – sexuelle Betätigung innerhalb der Ehe verbieten.

1.1. Die neoplatonische Liebe in „La española inglesa“

1.1.1. Die Erscheinung Isabelas

Ausgangspunkt dieser Geschichte ist Isabela, die als siebenjähriges Kind aus ihrer Heimatstadt Cádiz entführt wird, um bei der Familie des englischen Offiziers Clotaldo in dessen Heimat aufzuwachsen. Zum Glück für Isabela ist die englische Familie insgeheim katholisch:

- Quiso la buena suerte que todos los de la casa de Clotaldo eran católicos secretos, aunque en lo público mostraban seguir la opinión de su reina. (N.E., I, 244)[10]

Der Sohn der Familie, Ricaredo, verliebt sich in sie, als sie in das entsprechende Alter gekommen ist. Bevor es jedoch zu einer Hochzeit kommmt, gibt es einen Schicksalsschlag nach dem anderen. Für unseren Zusammenhang besonders interessant ist die Beschreibung und Idealisierung Isabelas:

- Después de haberle enseñado todas las cosas de labor que puede y debe saber una doncella bien nacida, la enseñaron a leer y escribir más que medianamente; pero en lo que tuvo extremo fue en tañer todos los instrumentos que a una mujer son lícitos, y esto con toda perfección de música, acompañándola con una voz que le dio el Cielo tan extremada, que encantaba cuando cantaba. (N.E., I, 244)

Bis hin zu Isabelas Überhöhung als sie das erste mal den Hof der Königin betritt:

- ... y como quedó sola, pareció lo mismo que parece la estrella o exalación que por la región del guego en serena y sosegada noche suele moverse, o bien ansí como rayo del sol que al salir del día por entre dos montañas se descubre. Todo esto pareció, y aun cometa que pronosticó el incendio de más de un alma de los que allí estaban, a quien Amor abrasó con los rayos de los hermosos soles de Isabela, ... (N.E., I, 249)

Dieser Vergleich spiegelt den Grundgedanken des Neoplatonismus wider: Die Welt geht durch Emanation des Ur-Einen hervor, wobei ein stufenweise aufgebauter Kosmos entsteht, aus welchem zunächst der Geist wie die Wärme und das Licht der Sonne ausstrahlt. Selbst die Königin wird von dieser Ausstrahlung ergriffen:

- Estúvola la reina mirando por un buen espacio, sin hablarle palabra, pareciéndole, como después dijo a su camarera, que tenía delante un cielo estrellado, cuyas estrellas eran las muchas perlas y diamantes que Isbela traía, su bello rostro, y sus ojos el sol y la luna, y toda ella una nueva maravilla de hermosura. (N.E., I, 249)[11]

Dasselbe Thema wird bei “La Gitanilla” wiederkehren, deren Protagonistin Preciosa – wie schon der Name sagt -, nicht nur wunderschön, sondern auch außerordentlich intellektuell und musisch begabt ist:[12] „If the Cervantine heroines possess beauty it is almost always the externalization of their spiritual being and is synonymous with virtue.”[13]

1.1.2. Ricaredos neoplatonische Entwicklung

Ricaredo durchläuft scheinbar mehrere Stufen der neoplatonischen Liebeskonzeption. Am Anfang bewundert er Isabela:

- ...amándola como si fuera su hermana, sin que sus deseos saliesen de los términos honrados y virtuosos. (N.E., I, 244)

Obendrein soll er nach dem Willen seiner Eltern eine reiche Schottin heiraten, sodass Ricaredo für sich keinerlei Möglichkeit sieht, eine Umsetzung seiner eigenen Wünsche zu erreichen. Sein Verlangen wächst jedoch:

- Pero como fue creciendo Isabel, que ya cuando Ricaredo ardía tenía doce años, aquella benevolencia primera y aquella complacencia y agrado de mirarla se volvió en ardentísimos deseos de gozarla y de poseerla: no porque aspirase a esto por otros medios que por los de ser su esposo, pues de la incomparable honestidad de Isabela – que así la llamaban ellos – no se podía esperar otra cosa, ni aun él quisiera esperarla aunque pudiera, porque la noble condición suya y la estimación en que a Isabela tenía no consentían que ningún mal pensamiento echase raíces en su alma. (N.E., I, 244, 245)

Ricaredos brüderliche Liebe verwandelt sich also in ein körperliches Begehren, dem nur durch Isabelas Tugendhaftigkeit Einhalt geboten wird. Obendrein wird er durch die Liebe zu ihr insofern geläutert, dass seine Bewunderung für sie ihn nicht auf falsche Gedanken kommen lässt. Hier kann man durchaus eine untere Entwicklungsstufe von der körperlichen zur reinen Seelenliebe sehen, denn obwohl Ricaredos Streben auf eine Heirat zielen würde, ist ihm dieser Weg offiziell verwehrt, sodass ihm nur diese Form der Liebe bleibt.

Auch Preciosa in “La Gitanilla” ist ein Musterbeispiel an Tugendhaftigkeit.

Ricaredo wird jedoch durch die Ungewissheit, ob Isabela seine Gefühle erwidert oder nicht, krank, was – meiner Meinung nach - gegen eine neoplatonische Form der Liebe spricht.

- …desde luego, como verdadero y católico cristiano, de ser tuyo; que puesto que no llegue a gozarte, como no llegaré, hasta que con bendición de la Iglesia y de mis padres sea, aquel imaginar que con seguridad eres mía será bastante a darme salud y a mantenerme hasta que llegue el feliz punto que deseo. (N.E., I, 245/246)

Ricaredo unterwirft sich den gegebenen Konditionen der Kirche und seiner Eltern, sein eigentlicher Wunsch jedoch, Isabela in irgendeiner Art und Weise zu besitzen, bleibt bestehen und für sich braucht er die Gewissheit, dass Isabela, ebenfalls vorausgesetzt der Zustimmung durch Kirche und Eltern, einwilligt. Nachdem die Eltern durch die Krankheit ihres Sohnes auf die Situation aufmerksam geworden sind, willigen sie in eine Heirat ein, die allerdings durch die Königin bestätigt werden muss. Wie vorher schon erwähnt, ist die Königin derart von Isabelas Erscheinung geblendet, dass auch sie Besitzansprüche anmeldet: „esta prenda“ (N.E., I, 250) muss von Ricaredo erst erkämpft werden. Dieselbe Symbolik kehrt wieder, nachdem Ricaredo zurückgekehrt ist:

- Si vos habéis guardado las joyas de la nave para mí, yo os he guardado la joya vuestra para vos. (N.E., 260)

Diese Szene hat durchaus den Charakter eines Konkurrenzkampfes um die Liebe und den Besitz (in Ricaredos Fall des körperlichen) von Isabela zwischen Königin und Ricaredo. Dabei wird von Königin und Ricaredo jedoch nicht dasselbe Ideal in Isabela verehrt, wie eigentlich anzunehmen wäre, wenn die Figur Isabelas als Liebesideal angelegt wäre; die Königin liebt Isabela „como si fuese mi hija“. (N.E., I, 250)

Nachdem Ricaredo nun bewiesen hat, dass er Isabelas würdig ist, wird seine Liebe auf eine harte Probe gestellt: Isabela wird vergiftet, überlebt jedoch den Anschlag:

- Finalmente, Isabela no perdió la vida, que el quedar con ella la naturaleza lo co[n]mutó en dejarla sin cejas, pestañas y sin cabello, el rostro hinchado, la tez perdida, los cueros levantados y los ojos lagrimosos. Finalmente quedó tan fea, que como hasta allí había parecido un milagro de hermosura, entonces parecía un monstruo de fealdad.” (N.E., 269)

Ricaredo hält jedoch an seiner Liebe fest und nimmt die Stufe zur reinen Seelenliebe:

- Con todo esto, Ricaredo se la pidió a la reina, y le suplicó se la dejase llevar a su casa, porque el amor que la tenía pasaba del cuerpo al alma, y que si Isabela había perdido su belleza, no podía haber perdido sus infinitas virtudes. (N.E., 269)

Auch eine Konfrontation mit der schönen Schottin, die seine Eltern nun wieder für eine Heirat für ihn bestimmt haben, lässt ihn nicht an seiner Liebe zweifeln. Auch sein sexuelles Begehren hat sich gewandelt:

- Yo, Isabela, desde el punto que te quise fue con otro amor de aquel que tiene su fin y paradero en el cumplimiento del sensual apetito: que puesto que tu corporal hermosura me cautivó los sentidos, tus infinitas virtudes me aprisionaron el alma, de manera que si hermosa te quise, fea te adoro; y para confirmar esta verdad, dame esa mano. [...] y por el verdadero Dios que nos está oyendo, te prometo, ¡oh Isabela, mitad de mi alma!, de ser tu esposo, y lo soy desde luego si tú quieres levantarme a la alteza de ser tuyo. (N.E., I, 270/271)

Doch handelt es sich hier tatsächlich um das neoplatonische Liebesideal? Ricaredo wird durch die Liebe zu Isabela zwar erhöht, doch sein eigentliches Ziel ist nach wie vor der christliche Bund der Ehe. Und die Keuschheit ist ebenso eine christliche Tugend. Wenn María Esformes sagt, dass „Both Isabela, and Ricaredo recogize that their love elevates them to the highest virtue, and that the pursuit of their relationship is the pursuit of their fullest spiritual realization on earth.”[14], gilt das nur für Ricaredo. Er beschreitet den neoplatonischen Weg, Isabela ist von Anfang an tugendhaft und wird auch keinen Versuchungen ausgesetzt. Auch wird durch die Beschreibung Cervantes keineswegs erhellt, was die beiden tatsächlich miteinander verbindet, wenn es nicht die äußerliche Anmut ist. Sie sind zwar zusammen groß geworden, aber es gibt keine Beispiele für besonders verbindende Gespräche zwischen ihnen, die die großen Lücken füllen könnten, die die Jahre, die sie aufeinander warten müssen, reißen.

So vollkommen wie Isabela, wird uns auch Ricaredo beschrieben.

- Era Ricaredo alto de cuerpo, gentil hombre y bien proporcionado. (N.E., 259)

Zusätzlich ist er tapfer und ehrenhaft, zeigt also ein sehr ritterliches Verhalten. Wie Esformes feststellt, ist „The baroque and romantic concepts of internal beauty in spite of external ugliness [was] not possible for Renaissance man.”[15] Dem widerspricht nun scheinbar die Entstellung Isabelas, die jedoch am Ende der novela aufgehoben wird und Ricaredo für sein Verhalten mit der Wiederherstellung der Schönheit Isabelas – und vermutlich seinem körperlichen Begehren- belohnt wird.

Hier ist jedoch auch eine christliche Deutung möglich. Wie im Buch Hiob, wird Ricaredo Schicksalsschlägen ausgesetzt, um seine Liebe zu Gott zu verlieren und am Ende für seine Beharrlichkeit belohnt. Auf dem Weg zu seinem Glück liegt symbolischerweise eine Pilgerreise nach Rom und auch Isabela sucht Zuflucht in einem Kloster. Am Ende steht jedoch nicht die Vereinigung mit Gott, sondern die Vereinigung in der Ehe, sodass hier ein christlicher Hintergrund näherliegt, als ein neoplatonischer. Ebenso, wenn am Ende der novela „beauty and virtue are inseparable“[16], gilt für Ricaredo, dass er dem Ideal nicht näher gekommen ist.

Das Exemplarische dieser Novelle liegt meiner Meinung nach nicht in dem Entwurf einer neoplatonischen Liebesbziehung, sondern in der Liebe zwischen zwei Personen, die eigentlich Feinde sein müßten, da Ricaredo der Sohn des Entführers Isabelas ist. Dies ist nicht dank dem neoplatonischen Liebesideal möglich, sondern dank moralischer, christlich geprägter Verhaltensnormen.

2. Tugend, Moral und freier Wille in “La Gitanilla”

2.1. Die Tugendhaftigkeit Preciosas

Auch in “La Gitanilla” geht es um eine gesellschaftlich unmögliche Liebe. Wie sich in “La española inglesa “ Sohn des Entführers und Entführte sowie katholische und protestantische Welt gegenüberstehen, obwohl sich herausstellt, dass auch die Entführer insgeheim Katholiken sind, stehen sich in „ La Gitanilla “ die Welt der Zigeuner und die Welt des spanischen Adels gegenüber. Wiederum wird der Leser mit der Verkörperung des neoplatonischen Ideals durch Preciosa konfrontiert: “In „La Gitanilla“ for example, Cervantes situates Preciosa, who is the embodidment of Platonic purity, truth and beauty, in a realistic setting of gypsies and thieves. The polarity between these two worlds is extreme but, as we shall see, it is love which unifies the two worlds and enables other characters to understand the concept of truth and beauty emboddied in Preciosa.”[17]

Ist das wirklich Liebe, was hier diese zwei Welten vereint, oder stehen die beiden Protagonisten tatsächlich jenseits ihres jeweiligen Umkreises?

Mehr noch als bei Isabela wird bei Preciosa ihre natürliche Anmut und ihre Musikalität betont. Esformes betont, dass zum Neoplatonischen Konzept der Harmonie des Kosmos die Musik dazugehört und dass in Preciosas Tanz der Tanz der Sterne und Planeten um die Sonne ausgedrückt wird[18]:

- Preciosa, la más única bailadora que se hallaba en todo el gitanismo, y la más hermosa y discreta que pudiera hallarse, no entre los gitanos, sino entre cuantas hermosas y discretas pudiera pregonar la fama. [...] salió Preciosa rica de villancicos, de coplas, seguidillas y zarabandas, y de otros versos, especialmente de romances. (N.E., I, 61/62)

[...]


[1] Anm.: Novellentheorie und die Einordnung der Novellen Cervantes’ sollen hier nicht behandelt werden.

[2] nach Esformes, María, The theme of neoplatonic love in the novels of Miguel de Cervantes, 69/70

[3] vgl. Cervantes’ Prosawerke.htm

[4] nach Esformes, María, 70

[5] vgl. Morales, Carlos Javier, La crítica social en La Gitanilla de Cervantes

[6] Morales, Carlos Javier, 75

[7] Esformes, María, 71

[8] vgl. phillex.htm Stichwort: Neoplatonismus

[9] vgl. christl. Morallexikon htm. Stichwort: Eros

[10] Anm.: Auf das Thema der Religion werde ich im nächsten Kapitel näher eingehen.

[11] Anm.: Juwelen und Schmuck spielen eine große Rolle bei Cervantes’ Beschreibungen von Schönheit.

[12] Anm.: Die Genderzuschreibung, die Cervantes hierbei vornimmt soll in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden.

[13] Esformes, 75

[14] Esformes, 77

[15] Esformes, 80

[16] Esformes, 77

[17] Esformes, 73

[18] vgl. Esformes, 82

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Moral und Liebesideal in "La española inglesa" und "La Gitanilla"
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Romanistik-Institut)
Veranstaltung
"Die novelas ejemplares" von Cervantes
Note
2,3
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V24468
ISBN (eBook)
9783638273398
ISBN (Buch)
9783656903703
Dateigröße
737 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Anhand von zwei ausgesuchten Novelas untersucht diese Arbeit die Gestaltung der Moralvorstellungen und den Einfluss des neoplatonischen Liebesideals auf die Exemplarität der Novellen.
Schlagworte
Moral, Liebesideal, Gitanilla, Cervantes
Arbeit zitieren
Daniela Hendel (Autor:in), 2001, Moral und Liebesideal in "La española inglesa" und "La Gitanilla", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24468

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