Mehr Steuerautonomie durch weniger Verbund - Die Gemeinschaftsteuern auf dem Prüfstand


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die deutsche Finanzverfassung – Ein Verbundsystem?
2.1 Definition Verbundsystem
2.2 Die Entwicklung in Richtung Verbundsystem
2.3 Status Quo der Ertrags- und Gesetzgebungskompetenzen

3 Die deutsche Reformdebatte zwischen ungebundenem Trennsystem und Status Quo
3.1 Pro und Kontra des Status Quo
3.1.1 Allokative Aspekte
3.1.2 Finanzbedarf zwischen Bund und Ländern und Stabilitätspolitik
3.1.3 Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse und Distribution
3.2 Auswirkungen eines Steuerwettbewerbs

4 Alternativen zum bisherigen System
4.1 Rückkehr zum Trennsystem als Alternative?
4.2 Ausgestaltung eines Zuschlagsystems
4.3 Konsequenzen eines Zuschlagsmodells

5 Zusammenfassung

6 Abbildungen

Abbildung 1: Der Übergang vom Trenn- zum Verbundsystem

Abbildung 2: Verteilung des Steueraufkommens nach Ebenen 2002

Abbildung 3: Aufteilung Ertragshoheit 2002

Abbildung 4: Kassenmäßige Steuereinnahmen des Bundes der Länder und Gemeinden (in Mio. DM)

Abbildung 5: Die prozentuale Steuerverteilung im Neuverschlag nach Lenk/Schneider

7 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Der deutsche Föderalismus ist in den letzten Jahren vermehrt Gegenstand sowohl politischer als auch wissenschaftlicher Auseinandersetzungen geworden. Während die Diskussionen um die Neugliederung der Länder oder die Abschaffung des Bundesrates so schnell wieder verschwanden, wie sie in der Öffentlichkeit aufgeflammt waren, reißen Forderungen nach einer grundlegenden Reform der Finanzverfassung jedoch nicht ab. Die Kritik richtet sich hier vor allem gegen die zunehmende Verflechtung von Ausgaben- und Einnahmekompetenzen von Bund und Ländern sowie gegen die geringen Möglichkeiten der Länder, eine eigenständige Finanzpolitik zu betreiben. Gemeinschaftsteuern, Mischfinanzierungen und Länderfinanzausgleich machen Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern nahezu unmöglich und lassen Deutschland im Vergleich zu anderen föderalistischen Staaten als einen „Pseudoföderalismus“[1] erscheinen. Im Mittelpunkt der Reformdebatte steht deshalb die Forderung, den ‚cooperative federalism’ durch das Konzept des ‚competitive federalism’ abzulösen.

Voraussetzung für mehr Wettbewerb zwischen den einzelnen Ländern sind mehr Kompetenzen sowohl bei den Ausgaben als auch bei den Einnahmen. Gerade bei letzterem wird den Ländern jedoch fast jede Möglichkeit genommen, eine eigene Steuerpolitik zu betreiben. Die wichtigen Steuern sind mittlerweile alle zu Verbundsteuern geworden und bis auf die Gewerbe- und Grundsteuer gibt es in Deutschland kaum regionale Unterschiede, da nahezu alle Steuern bundeseinheitlich geregelt sind. Mit der Frage nach mehr Wettbewerb zwischen den Ländern ist deshalb eine Auseinandersetzung um eigene Besteuerungsrechte der Länder unausweichlich. „Angesichts der im Verhältnis zu den großen Verbundsteuern untergeordneten quantitativen Bedeutung der reinen Landessteuern wird aber wohl eine Steuerautonomie der Länder erst dann ein substantielles Ausmaß aufweisen, wenn sie die Umsatzsteuer oder die Einkommensteuer mit einbezieht.“[2] Letztlich geht es also darum, das bestehende System der Gemeinschaftsteuern einer kritischen Betrachtung zu unterziehen und mögliche Alternativen zu diesem Verbundsystem aufzuzeigen.

Inhalt der folgenden Ausführungen soll es deshalb sein, die bestehende Finanzverfassung im Kontext des Verbundsystems herauszustellen (2). Im Anschluss daran werden sowohl Vorteile als auch Defizite der bestehenden Gemeinschaftsteuern aufgezeigt (3.2) sowie Auswirkungen eines Steuerwettbewerbs erläutert. Im vierten Kapitel sollen schließlich Alternativen zum bestehenden System dargestellt werden. Besonderer Aufmerksamkeit soll hier dem Zuschlagsystem geschenkt werden. Abschließend sollen die gewonnen Erkenntnisse im fünften Kapitel zusammengefasst werden.

2 Die deutsche Finanzverfassung – Ein Verbundsystem?

2.1 Definition Verbundsystem

Zur Aufgabe eines Staates gehört die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Entgegen privaten Gütern erfolgt ihre Finanzierung jedoch nicht über ein dem Marktpreis entsprechendes Entgelt, sondern wird entweder durch Steuern oder andere Abgabenarten (Gebühren, Beiträge) finanziert. Wo die Güter bereitgestellt werden, hängt nun davon ab, wie ein Staat aufgebaut ist. In seiner extremen Form können die Leistungen auf einer einzigen zentralen Ebene angeboten werden. In einem föderalen Staat wie der Bundesrepublik Deutschland werden die Aufgaben sowohl auf der zentralen Ebene (Bund) als auch auf den dezentralen Ebenen (Bundesländer) wahrgenommen.

In einem mehrstufigen System stellt sich nun die Frage, wie die jeweiligen Aufgaben finanziert, d.h. auf welche Weise Steuern erhoben werden. Die Wissenschaft unterscheidet zwei extreme Formen von Steuersystemen: das Trennsystem und das Verbundsystem. In einem Trennsystem werden den einzelnen Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) jeweils eigene Steuern zugesprochen. Am radikalsten ist hier ein ungebundenes Trennsystem. Es bedeutet, „dass jedes Bundesland nach eigenem Belieben Steuern erheben dürfte, selbst solche, die schon auf der Bundesebene existieren“[3], während in einem gebundenen Trennsystem die Besteuerung verschiedener Bemessungsgrundlagen ausgeschlossen und eindeutig einer Ebene zugewiesen ist. Im Gegensatz dazu werden in einem Verbundsystem „die von Wirtschaft und Bürgern zu zahlenden Steuern «in einen Topf geworfen» und dann auf Bund, Länder und Gemeinden nach einem bestimmten Schlüssel verteilt.“[4]

Zwischen diesen beiden Formen existieren nun natürlich auch Mischformen, die sowohl Elemente des Verbundsystems als auch Elemente des Trennsystems enthalten. Aufbauend auf diesen Ausführungen soll deshalb eine Einordnung der deutschen Finanzverfassung erfolgen.

2.2 Die Entwicklung in Richtung Verbundsystem

Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im finanziellen Bereich wird in den Artikeln 104a bis 108 des Grundgesetzes geregelt. Sie bilden die so genannte Finanzverfassung und damit einen der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung.[5] Seit ihrem in Kraft treten 1949 ist die Finanzverfassung mehrmals überarbeitet worden und hat so ihr ursprüngliches Gesicht in wesentlichen Punkten verloren. Das Grundgesetz von 1949 sah bei den öffentlichen Einnahmen eine klare Trennung zwischen Bundes- und Landessteuern vor (Art. 105, 106 GG a. F.). Bundessteuern waren insbesondere die örtlich nicht zurechenbaren Steuern wie Umsatz-, Verbrauchsteuern und Zölle. Einkommen- und Körperschaftsteuer standen exklusiv den Ländern zu.[6] Damit ließ sich die damalige Finanzverfassung als gebundenes Trennsystem[7] definieren und war weitgehend auf Steuerautonomie ausgerichtet. (vgl. Abb. 1)

Die durch den Druck der Alliierten zustande gekommene Trennung der Steuerquellen war jedoch von Anfang an so konstruiert, dass das Trennsystem nicht von Dauer sein konnte. Zum einen schöpfte der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungshoheit im Bereich der Steuern voll aus und zum anderen wurde sehr bald auf die Möglichkeit zurückgegriffen, mittels zustimmungspflichtigem Gesetz einen Teil des Länderaufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung der Bundesausgaben zu beanspruchen. Damit war zwar formal ein steuerliches Trennsystem errichtet, de facto wurde aber von Anfang an ein Verbundsystem begründet.[8] Mit der Finanzreform von 1969 wurde schließlich auch die Umsatzsteuer den Gemeinschaftssteuern zugeführt, was zur Realisierung des „großen Steuerverbundes“ führte und die Finanzverfassung maßgeblich verändert hat.

2.3 Status Quo der Ertrags- und Gesetzgebungskompetenzen

Allgemein wird die Verteilung des Steueraufkommens in Deutschland als Mischsystem bezeichnet, da es sowohl Elemente des Trennsystems (Art. 106 Abs. 1 und 2 GG) als auch Elemente des Verbundsystems (Art. 106 Abs. 3-7 GG) enthält. Wie Abbildung 3 jedoch verdeutlicht, besteht in diesem System eine klare Asymmetrie zugunsten des Verbundsystems. Fast drei Viertel des Steueraufkommens werden zunächst einem globalen Etat zugeordnet und dann entsprechend festgelegter Quoten auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Die ergiebigsten deutschen Steuern, die gleichzeitig auch zu den Gemeinschaftsteuern gehören, sind die Lohn- und Einkommensteuer sowie die Umsatzsteuer. Sie bildeten im Jahr 2002 über 60% des Steueraufkommens (vgl. Abb. 2). Nur für etwa ein Viertel der Steuern gilt heute das Trennsystem, wobei das Aufkommen bei den reinen Landessteuern[9] lediglich 4% des Gesamtsteueraufkommens beträgt.

Des Weiteren werden alle Steuern mit Ausnahme der landesgesetzlich geregelten Spielbankabgabe durch Bundesgesetze geregelt. Für die Grund- und Gewerbesteuer legen die Gemeinden lediglich die Hebesätze fest. Der Bund hat also weitgehend von der Möglichkeit der konkurrierenden Gesetzgebung Gebrauch gemacht und den Ländern ist damit kein Raum für eine eigene Steuergesetzgebung geblieben (Art. 105 Abs. 2 GG).

Es bleibt also festzuhalten, dass sowohl die Ertrags- als auch die Gesetzgebungskompetenzen bei den Ländern sehr stark eingeschränkt sind. Die Einflussmöglichkeiten beschränken sich größtenteils auf die Beteiligung im Bundesrat. Von einer Steuerautonomie und damit Wettbewerb zwischen den Ländern kann damit nicht die Rede sein. Weiterhin wird deutlich, dass eine Neuorientierung in Richtung ‚competitive federalism’ nicht ohne Veränderungen bei den Gemeinschaftssteuern zu machen ist, da die quantitative Bedeutung der reinen Landessteuern zu gering ist. Letztlich stellt sich also zunächst die Frage, welche Argumente für eine Ausweitung des Trennsystems (weniger Verbundsteuern, mehr Steuerautonomie für die Länder) und welche für eine Beibehaltung des bisherigen Systems sprechen.

3 Die deutsche Reformdebatte zwischen ungebundenem Trennsystem und Status Quo

3.1 Pro und Kontra des Status Quo

Wie ein Steuersystem ausgestaltet ist, hängt in erster Linie davon ab, welche Ziele ein Staat verfolgt. Nach der klassischen Dreiteilung von Musgrave spielen hier vornehmlich allokationspolitische, distributionspolitische und stabilitätspolitische Aspekte eine Rolle.[10] Für die deutsche Finanzverfassung ist dabei entscheidend, dass das Grundgesetz die Eigenstaatlichkeit der Länder mit eigenen Aufgaben und einer entsprechenden Finanzausstattung garantiert. Dieser grundsätzlichen Autonomie wirkt jedoch die Erforderlichkeitsklausel, welche die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sichern soll, entgegen (Art. 72 Abs. 2 GG). Nachfolgend soll deshalb gezeigt werden, welche Aspekte für ein Trennsystem und welche für ein Verbundsystem sprechen.

[...]


[1] Baretti et. al. (2000): Der deutsche Föderalismus auf dem Prüfstand: Vorschläge zu einer effizienteren Gestaltung. In: ifo Schnelldienst 28-29/2000, 53. Jahrgang, S. 26.

[2] Büttner, Thiess/ Schwager, Robert: Länderautonomie in der Einkommensteuer: Konsequenzen eines Zuschlagsmodells, ZEW- Discussion Paper 00-50, Oktober 2000, S. 3.

[3] Büttner/ Schwager (2000), S. 3.

[4] Arndt, Hans-Wolfgang: Wege zur Stärkung der Finanzkraft von Ländern und Kommunen. Arbeitspapier Nr. 40/200, Konrad-Adenauer-Stiftung (Hrsg.), Sankt Augustin 2001, S. 15.

[5] Vgl. Henneke, Hans-Günter: Öffentliches Finanzwesen, Finanzverfassung : ein systematische Darstellung, 2.Auflage, Heidelberg: Müller, 2000, S. 11f.

[6] vgl. Blankart, Charles B.: Öffentliche Finanzen in der Demokratie: eine Einführung in die Finanzwissenschaft, 3. Auflage – München : Vahlen, 1998, S. 549.

[7] Es handelt sich um ein gebundenes Trennsystem, da eine konkurrierende Inanspruchnahme der gleichen Bemessungsgrundlage durch verschiedene Ebenen ausgeschlossen wird. Vgl. Blankart, Charles B.: Die schleichende Zentralisierung der Staatstätigkeit: Ein Fallstudie, Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften 119, S. 334.

[8] Tatsächlich musste der Bund bereits 1951 27% des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer für sich beanspruchen. Vgl. Kommission für die Finanzreform: Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1966, S. 57.

[9] Zu ihnen zählen die Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer, Feuerschutzsteuer und Biersteuer.

[10] Vgl. Musgrave, R. A./ Musgrave, P. B./ Kullmer, L. (1990): Die öffentlichen Finanzen in Theorie und Praxis, Bd. 1, 6. Auflage, Tübingen,1994, S. 5 ff.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Mehr Steuerautonomie durch weniger Verbund - Die Gemeinschaftsteuern auf dem Prüfstand
Hochschule
Universität Potsdam  (Lehrstuhl für Finanzwissenschaft)
Veranstaltung
Aktuelle Fragen der Steuerpolitik
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
21
Katalognummer
V24933
ISBN (eBook)
9783638276924
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit "Mehr Steuerautonomie durch weniger Verbund - Die Gemeinschaftsteuern auf dem Prüfstand" wurde im Rahmen des Seminars "Aktuelle Fragen der Steuerpolitik" angefertigt und verdeutlicht sehr gut die aktuelle Diskussion um mehr Steuerwettbewerb zwischen den deutschen Ländern.
Schlagworte
Mehr, Steurautonomie, Verbund, Gemeinschaftsteuern, Prüfstand
Arbeit zitieren
Ronny Kay (Autor:in), 2004, Mehr Steuerautonomie durch weniger Verbund - Die Gemeinschaftsteuern auf dem Prüfstand, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/24933

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