Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
0 Einleitung
1 Der Mythos der Geburt des Herakles
2 Die Umsetzung des Stoffes
2.1 Die Handlung
2.2 Der Prolog
2.3 Der Zusatzcharakter Cléanthis
3 Die Charakterisierung der Hauptakteure
3.1 Amphitryon
3.2 Alkmene
3.3 Sosie
3.4 Jupiter
3.5 Merkur
4 Ergebnis
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
Sekundär- und Tertiärliteratur
0 Einleitung
Jean Baptiste Molières erfolgreiches Theaterstück Amphitryon wurde im Jahr 1668 uraufgeführt. Molière verfasste es während seiner Tätigkeit als Hofdichter des Königs Louis XIV. Das Stück wird zwar noch in die – vor allem politische Stücke umfassende – mittlere Phase von Molières Schaffen eingeordnet, weist aber bereits eine erkennbare Nähe zu den Ballettkomödien seiner späten Phase auf.[1]
Amphitryon geht vor allem auf zwei Vorlagen zurück: Les sosies von Rotrou, welches 1636 uraufgeführt wurde und somit zu Molières Zeiten noch relativ aktuell war, und Amphitruo, verfasst vom römischen Schriftsteller Titus Macchius Plautus, wahrscheinlich zwischen 190 und 184 vor Christus.[2]
Diese Arbeit untersucht, welche Änderungen Molière an der Vorlage von Plautus vorgenommen hat und versucht die Gründe für diese Änderungen aufzuzeigen. Um dies zu erreichen, soll zunächst die mythologische Grundlage beider Stücke, der griechische Mythos von der Geburt des Herakles, zusammengefasst werden. Anschließend werden markante Unterschiede in der Umsetzung dieses Stoffes vorgestellt. Danach wird näher auf die unterschiedliche Charakterisierung der einzelnen Akteure eingegangen, um zuletzt allgemeinere Erkenntnisse aus den gemachten Beobachtungen zu ziehen.
1 Der Mythos der Geburt des Herakles
Die Stücke von Plautus und Molière greifen den ursprünglich griechischen Mythos der Geburt des Herakles auf, auch wenn Plautus die Namen der handelnden Götter bereits an die ihm als römischem Staatsbürger näher stehende römische Götterwelt angepasst hat.
In der griechischen Götterwelt war Zeus (römisch: Jupiter) der Herrscher unter den Göttern. Mit seiner Frau Hera (römisch: Juno), welche gleichzeitig seine Schwester war, hatte er drei Kinder. Zeus war jedoch seiner Frau häufig untreu und zeugte mit 17 anderen Frauen – einige davon Göttinnen, andere Menschen – 22 weitere Kinder, darunter auch Hermes (römisch: Merkur), und Herakles (römisch: Herkules).[3]
Mutter des Herakles war Alkmene, welche mit Amphitryon, dem König von Tiryns, verheiratet war. Sie weigerte sich jedoch die Ehe zu vollziehen, bis Amphitryon den Mord an ihren Brüdern gerächt hatte. Als Amphitryon deshalb in den Krieg zog, nutzte Zeus seine Abwesenheit und näherte sich Alkmene in der Gestalt ihres Ehemannes. Nach Amphitryons Rückkehr war Alkmene davon überzeugt bereits mit ihm geschlafen zu haben woraufhin dieser Ehebruch vermutete und versuchte seine scheinbar untreue Frau auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen. Zeus rettete sie indem er einen Regenschauer herab sandte und so das Feuer löschte. Amphitryon entschied sich einen Seher zu befragen, welcher ihm offenbarte, dass Alkmene mit Zeus einen Sohn gezeugt hatte. Daraufhin vergab Amphitryon seiner Frau und zeugte seinerseits einen Sohn. Somit gebar Alkmene Zwillinge – Herakles, Sohn des Zeus, und Iphikles, Sohn des Amphitryon.
Hera war über die erneute Untreue ihres Mannes so verärgert, dass sie zwei Schlangen in der Wiege der Zwillinge aussetzte. Herakles erwürgte jedoch beide mit seiner übermenschlichen Kraft.[4]
Über die Motivation des Zeus zur Zeugung des Herakles existieren mehrere Theorien. Arthur Cotterell ist der Ansicht, dass Zeus einen sterblichen Sohn zeugte, der die Götter im Kampf gegen die Titanen unterstützen sollte.[5] Lucius Rogers Shero legt hingegen nahe, dass Herakles gezeugt wurde, um der Menschheit Gutes zu tun.[6] So befreite er die Welt im Rahmen der ihm gestellten 12 Aufgaben von einigen der schrecklichsten Monstren.
Mit Blick auf die Theaterstücke bleibt anzumerken, dass Hermes bzw. Merkur in der ursprünglichen mythologischen Erzählung keine Rolle spielt.
2 Die Umsetzung des Stoffes
Trotz einer gemeinsamen Grundlage unterscheiden sich die Stücke von Plautus und Molière in einigen Punkten signifikant. Die wichtigsten Unterschiede sollen hier aufgezeigt und begründet werden.
2.1 Die Handlung
Obwohl Molière gemeinhin attestiert wird, dass er sich bei seiner Umsetzung des Amphitryon -Stoffes eng an seinem Vorgänger Plautus orientiert hat[7], finden sich deutliche Unterschiede zwischen beiden Stücken, besonders in der Auslassung von bei Plautus noch vorhandenen Bestandteilen des griechischen Geburtsmythos.
[...]
[1] Einordnung nach Grimm, Jürgen: Molière, Stuttgart, 1984.
[2] Dieser Zeitraum wird angegeben in Shero, Lucius Rogers: Alcmena and Amphitruo in Ancient and Modern Drama, In: Transactions and Proceedings of the American Philological Association, 1956, S.192-238.
[3] Für eine vollständige Auflistung der Geliebten des Zeus und der aus diesen Affären hervorgegangenen Kinder siehe Bellinger, Gerhard J.: Knaurs Lexikon der Mythologie, München, 1999³[1989].
[4] Vgl. Cotterell, Arthur: Die Enzyklopädie der Mythologie, Reichelsheim, 2000.
[5] Ebd.
[6] Vgl. Shero, L. R.: Alcmena and Amphitruo in Ancient and Modern Drama, S.218.
[7] So zum Beispiel in Forehand, Walter E: Adaptation and comic intent in Plautus’ Amphitruo and Molière’s Amphitryon, In: Comparative Literature Studies Vol. 11, N. 3, Urbana, 1974, S.204-217.