Die Anfänge der modernen Genossenschaften liegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Der große Unterschied zwischen diesen modernen Genossenschaften und bisherigen
kooperativen Vereinigungen, welche vor allem auf ständischer, nachbarschaftlicher oder
sippenmäßiger Verbundenheit beruhten, zeigt sich in der primär wirtschaftlichen Ausrichtung
der modernen Genossenschaften. Die bisherigen kooperativen Zusammenschlüsse
wie z.B. die Zünfte waren dagegen vor allem Wirtschafts- und Lebensgemeinschaften.
1
Das besondere an Genossenschaften ist zudem, dass sie einen 3. Sektor/eine 3. Ordnung
als Weg zwischen Plan- und Marktwirtschaft – also der Gegensatz zwischen privater
und kollektiver Verfügbarkeit – darstellen. In der heutigen Zeit werden Genossenschaften
allerdings eher als Teil des marktwirtschaftlichen System betrachtet, wobei dennoch
der kollektive Charakter der Genossenschaften sie mehr als öffentliche Unternehmen
denn als privatwirtschaftlich-einzelwirtschaftliche Unternehmen innerhalb des Marktwettbewerbs
erscheinen lässt.2
Trotz dieser Sonderstellung innerhalb des ökonomischen Systems unterliegt das Genossenschaftswesen
im westlichen Europa einer tiefen Identitätskrise. Im öffentlichen Bewusstsein
haben die Genossenschaften nur einen geringen Stellenwert. Ähnliches gilt
für die osteuropäischen Länder, in denen die Genossenschaften vielfach als Altlasten
angesehen werden, die als ehemaliges Werkzeug der Planwirtschaft und z.T. als Zufluchtsstätte
für Angehörige der ehemals Herrschenden gelten. 3
Gleichzeitig haben die Genossenschaften eine quantitativ nicht zu vernachlässigende
Bedeutung im Wirtschaftsleben. In der Bundesrepublik Deutschland gab es zum Jahrtausendwechsel
9484 Genossenschaften mit 19,9 Millionen Mitgliedern, die 467.400
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigten und einen Gesamtumsatz von 243 Milliarden
DM erreichten.
[...]
1 Vgl. Todev, Tode; Paulesich, Reinhard; Brazda, Johann: Genossenschaften im Umbruch. Chancen und
Risiken der Genossenschaften in West- und Osteuropa. Forschungsberichte des Instituts für Betriebswirtschaftslehre
der Universität Wien. Wien 1992, S. 1.
2 Vgl. Todev/Paulesich/Brazda, a.a.O., S. 9. Kluthe, Klaus: Genossenschaften und Staat in Deutschland.
Systematische und historische Analysen deutscher Genossenschaftspolitik bezogen auf den Zeitraum
1914 bis zur Gegenwart. Berlin 1985, S. 43 ff.
3 Vgl. Todev/Paulesich/Brazda, a.a.O., im Vorwort ohne Seitenzahl.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Was sind Genossenschaften
- 2.1 Wesen der Genossenschaften
- 2.2 Abgrenzung der Genossenschaften von erwerbswirtschaftlichen Unternehmensformen und von anderen Institutionen mit kooperativen Gedankengut
- 2.3 Rechtlicher Rahmen von Genossenschaften
- 3 Anfänge der Genossenschaftsbewegung in Deutschland
- 3.1 Ausgangslage - Warum kam es zum Genossenschaftsgedanken?
- 3.2 Die Reaktion von Friedrich Wilhelm Raiffeisen auf die beschriebene Ausgangslage im 19. Jahrhundert
- 3.3 Die Reaktion von Hermann Schulze-Delitzsch (und Eduard Pfeiffer) auf die beschriebene Ausgangslage im 19. Jahrhundert
- 4 Wie entwickelte sich das deutsche Genossenschaftswesen (in seinen Grundzügen) bis heute am Beispiel der deutschen Konsumgenossenschaften?
- 5 Die heutige Situation der Genossenschaften
- 5.1 Was ist von der solidarischen Genossenschaftsidee übrig geblieben?
- 5.2 Was sind die heutigen Probleme der Genossenschaften?
- 6 Perspektiven der Genossenschaften
- 7 Zusammenfassung
- 8 Ergänzungen oder durch Fragen aufgeworfene Aspekte in der Diskussion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit bietet eine deskriptive Übersicht über die Anfänge und Entwicklung von Genossenschaften in Deutschland. Analytische Aspekte treten dabei in den Hintergrund. Die Arbeit verfolgt das Ziel, einen umfassenden Überblick über die Geschichte und den aktuellen Stand des Genossenschaftswesens in Deutschland zu geben, ohne dabei eine übergeordnete Forschungsfrage zu beantworten.
- Die Entstehung des Genossenschaftsgedankens in Deutschland im 19. Jahrhundert
- Die Rolle von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch bei der Entwicklung des Genossenschaftswesens
- Die Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens im 20. Jahrhundert
- Die aktuelle Situation und Herausforderungen für Genossenschaften in Deutschland
- Zukünftige Perspektiven für Genossenschaften
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung skizziert die Anfänge der modernen Genossenschaften im 19. Jahrhundert und hebt deren wirtschaftliche Ausrichtung im Gegensatz zu früheren, eher ständisch oder nachbarschaftlich geprägten Kooperationen hervor. Sie betont die besondere Stellung der Genossenschaften als „dritter Sektor“ zwischen Plan- und Marktwirtschaft und weist auf die Identitätskrise hin, unter der das Genossenschaftswesen leidet, trotz seiner quantitativen Bedeutung im Wirtschaftsleben. Die Einleitung nennt beeindruckende Zahlen über Mitglieder, Mitarbeiter und Umsatz der Genossenschaften in Deutschland um die Jahrtausendwende und verweist auf die weltweite Verbreitung der Genossenschaftsidee. Abschließend werden fünf Phasen der genossenschaftlichen Entwicklung in Deutschland umrissen und der deskriptive Charakter der Arbeit betont.
2 Was sind Genossenschaften: Dieses Kapitel beschreibt das Wesen von Genossenschaften, grenzt sie von anderen Unternehmensformen und kooperativen Institutionen ab und beleuchtet den rechtlichen Rahmen, in dem sie operieren. Es legt den Fokus auf die zentralen Merkmale und Prinzipien der Genossenschaften und klärt deren Position im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.
3 Anfänge der Genossenschaftsbewegung in Deutschland: Dieses Kapitel untersucht die Ausgangslage im 19. Jahrhundert, die zur Entstehung des Genossenschaftsgedankens führte. Es analysiert die Reaktionen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch (sowie Eduard Pfeiffer) auf die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit und vergleicht deren unterschiedliche Ansätze zur Gründung und Organisation von Genossenschaften. Der Fokus liegt auf den historischen Kontext und den individuellen Beiträgen dieser wichtigen Persönlichkeiten zur Entwicklung des Genossenschaftswesens.
4 Wie entwickelte sich das deutsche Genossenschaftswesen (in seinen Grundzügen) bis heute am Beispiel der deutschen Konsumgenossenschaften?: Dieses Kapitel beschreibt die Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens bis zur Gegenwart. Es verwendet die deutschen Konsumgenossenschaften als Beispiel, um die wesentlichen Entwicklungsphasen und -trends aufzuzeigen, von den Anfängen bis in die moderne Zeit, inklusive der Einflüsse der Arbeiterbewegung und der Nachkriegszeit. Die Darstellung deckt die verschiedenen Phasen ab und hebt wichtige Meilensteine und Veränderungen hervor.
5 Die heutige Situation der Genossenschaften: Dieses Kapitel befasst sich mit der aktuellen Situation von Genossenschaften in Deutschland. Es untersucht, was von der ursprünglichen solidarischen Idee übrig geblieben ist und welche Probleme die Genossenschaften heute bewältigen müssen. Es bietet einen aktuellen Einblick in die Herausforderungen und Chancen für Genossenschaften im 21. Jahrhundert.
Schlüsselwörter
Genossenschaften, Deutschland, Raiffeisen, Schulze-Delitzsch, Solidarische Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte, Kooperationen, Marktwirtschaft, Identitätskrise, Konsumgenossenschaften, Entwicklungsphasen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Entwicklung der Genossenschaften in Deutschland
Was ist der Inhalt dieses Dokuments?
Dieses Dokument bietet einen umfassenden Überblick über die Geschichte und den aktuellen Stand des Genossenschaftswesens in Deutschland. Es enthält ein Inhaltsverzeichnis, eine Beschreibung der Zielsetzung und Themenschwerpunkte, Kapitelzusammenfassungen und Schlüsselwörter. Der Fokus liegt auf der deskriptiven Darstellung der Entwicklung, ohne eine übergeordnete Forschungsfrage zu beantworten.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entstehung des Genossenschaftsgedankens im 19. Jahrhundert, die Rolle von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch, die Entwicklung des Genossenschaftswesens im 20. Jahrhundert, die heutige Situation und Herausforderungen sowie zukünftige Perspektiven für Genossenschaften in Deutschland. Besonderes Augenmerk liegt auf den deutschen Konsumgenossenschaften als Beispiel für die Entwicklung.
Wer waren Raiffeisen und Schulze-Delitzsch?
Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch waren Schlüsselfiguren bei der Entwicklung des Genossenschaftswesens in Deutschland im 19. Jahrhundert. Sie entwickelten unterschiedliche Ansätze zur Gründung und Organisation von Genossenschaften, die in der Arbeit verglichen werden.
Was sind die zentralen Merkmale von Genossenschaften?
Das Dokument beschreibt das Wesen von Genossenschaften, grenzt sie von anderen Unternehmensformen und kooperativen Institutionen ab und beleuchtet den rechtlichen Rahmen. Es konzentriert sich auf die zentralen Merkmale und Prinzipien und klärt deren Position im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem.
Wie hat sich das deutsche Genossenschaftswesen entwickelt?
Die Arbeit beschreibt die Entwicklung des deutschen Genossenschaftswesens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, unter Verwendung der Konsumgenossenschaften als Beispiel. Sie umfasst die verschiedenen Entwicklungsphasen, einschließlich der Einflüsse der Arbeiterbewegung und der Nachkriegszeit.
Welche Probleme haben Genossenschaften heute?
Das Dokument untersucht die aktuelle Situation der Genossenschaften und analysiert, was von der ursprünglichen solidarischen Idee übrig geblieben ist und welche Probleme sie heute bewältigen müssen. Es bietet einen aktuellen Einblick in die Herausforderungen und Chancen im 21. Jahrhundert.
Welche Perspektiven haben Genossenschaften?
Die Arbeit beleuchtet die zukünftigen Perspektiven für Genossenschaften in Deutschland. Dies beinhaltet eine Betrachtung der Herausforderungen und Chancen im sich verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt?
Schlüsselwörter sind: Genossenschaften, Deutschland, Raiffeisen, Schulze-Delitzsch, Solidarische Ökonomie, Wirtschaftsgeschichte, Kooperationen, Marktwirtschaft, Identitätskrise, Konsumgenossenschaften, Entwicklungsphasen.
- Quote paper
- Sven Kusserow (Author), 2003, Genossenschaften in Deutschland - Anfänge, Entwicklung, Perspektiven, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25037