In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind die westlichen Demokratien zunehmend unter Druck geraten. Vom scheinbaren Sieg der Demokratie über den Kommunismus am Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, der den US-amerikanischen Politologen Francis Fukuyama dazu verführte das „Ende der Geschichte“ 1 auszurufen, scheint nicht viel übrig geblieben zu sein. Denn die Hoffung, dass die Demokratie nach dem Ende des Ost-West-Konflikts in eine „neue, glanzvolle Epoche“ 2 eintreten werde, hat sich nicht erfüllt. Sie ist der Besorgnis gewichen, dass die Gefahr nicht in der Abschaffung der Demokratie durch ihre Gegner, sondern eher in einer Aushöhlung durch „anonyme soziale Prozesse und strukturelle Verschiebungen“ 3 liegt. 4 Daher sehen einige Autoren die Demokratie am „Wendepunkt“ 5 oder gar in der „Krise“ 6 .
Dabei werden vor allem folgende Aspekte für die „krisenhaften Gefährdungen“ 7 der Demokratie gesehen:
1. Die Gefahren für die Demokratie zeichnen sich durch eine geräuschlose, schleichende Auszehrung von innen aus. Es herrschen eine wachsende Distanz der Bürger 8 zum Staat und schwindende soziale Bindungen in der Gesellschaft. Einher gehen damit ein wachsender Vertrauensverfall gegenüber den Institutionen und das Zurückziehen in das Private wie in einen Kokon. 9
2. Die Probleme, mit denen die Demokratie und damit der Bürger konfrontiert werden, werden komplexer, die Handlungsspielräume enger sowie die Abhängigkeiten größer. Die Politik reagiert darauf nur umzureichend. Es herrschen Entscheidungsscheu, Abwarten und das Vermeiden von konfliktträchtigen Kontroversen. Als Folge nimmt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik in allen westlichen Demokratien ab. 10
3. Durch die Globalisierung entziehen sich immer mehr Aufgaben und Heraus-forderungen den Instanzen der (nationalstaatlichen) Demokratien. Hiermit haben sich wesentliche Existenzbedingungen der Demokratie verändert. Es wird immer schwieriger, den Ort der demokratischen Verantwortung zu bestimmen, zumal es noch nicht gelingt, die internationale Ebene nach den Prinzipien der Demokratie zu gestalten. 11
Sich diesen existenzbedrohenden Herausforderungen zu stellen, wird die Aufgabe der Demokratie für die nächsten Jahre oder gar Jahrzehnte sein.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ursachen für die aktuelle Diskussion um die Bürgerrolle
- Demokratiegefährdende Probleme
- Abfallendes Sozialkapital in den westlichen Demokratien
- Zunehmende Distanzierung der Jugend von der Politik
- Erhöhte Anforderungen an den Bürger im Rahmen einer Bürgergesellschaft
- Beurteilung der dargestellten Aspekte für die aktuelle Rolle des Bürgers
- Die aktuelle Rolle des Bürgers in realistisch-empirischen und normativen Demokratietheorien
- Realistisch-empirische Demokratietheorien
- Diagnose der Probleme und der Anforderungen der westlichen Demokratien aus der Sicht der realistisch-empirischen Demokratietheorien
- Lösungsvorschläge der realistisch-empirischen Demokratietheorien
- Bürgerbilder der realistisch-empirischen Demokratietheorien
- Zusammenfassung
- Normative Demokratietheorien
- Diagnose der Probleme und der Anforderungen der westlichen Demokratien aus der Sicht der normativen Demokratietheorien
- Lösungsvorschläge der normativen Demokratietheorien
- Bürgerbilder der normativen Demokratietheorien
- Zusammenfassung
- Vergleichende Bewertung der realistisch-empirischen Demokratietheorien und der normativen Demokratietheorien
- Der Bürger als Zentrum der politischen Bildung und der Demokratie
- Aufgaben und Ziele der politischen Bildung in der Demokratie
- Theoretisch-normative Grundlagen der politischen Bildung
- Die Anforderungen der politischen Bildung an den Bürger
- Aktuelle Bürgerbilder in der politischen Bildung
- Die Desinteressierten
- Die reflektierten Zuschauer
- Die interventionsfähigen Bürger
- Die Aktivbürger
- Zusammenfassung und Beurteilung der aktuellen Rolle des Bürgers in der politischen Bildung
- Schule als zentrale Institution der politischen Bildung
- Zur aktuellen Situation des (jugendlichen) Bürgers in der Schule
- Anforderungen an die Schule als der zentralen Institution der politischen Bildung
- Möglichkeiten der Schule
- Kritische Beurteilung der dargestellten Ansätze
- Vorschläge für Reformansätze hinsichtlich eines "Demokratie-Lernens" in der Schule
- Zusammenfassung und Beurteilung der aktuellen und einer möglichen zukünftigen Rolle des Bürgers in der Schule
- Zusammenfassung und Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit analysiert die aktuelle Rolle des Bürgers im Kontext von Demokratietheorie, Schule und politischer Bildung. Der Fokus liegt auf den Herausforderungen, die die Demokratie im 21. Jahrhundert durch den Wandel der Bürgerrolle und die zunehmende Distanzierung der Bürger von der Politik erlebt.
- Die Bedeutung des Bürgers in der Demokratie
- Die Ursachen für die aktuelle Diskussion um die Bürgerrolle
- Die Rolle des Bürgers in realistisch-empirischen und normativen Demokratietheorien
- Die Bedeutung der politischen Bildung für die Bürgerbeteiligung
- Die Rolle der Schule als zentrale Institution der politischen Bildung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die „krisenhaften Gefährdungen“ der Demokratie im 21. Jahrhundert und untersucht die Ursachen dieser Entwicklung. Kapitel 2 analysiert die Rolle des Bürgers in realistisch-empirischen und normativen Demokratietheorien. Dabei werden die unterschiedlichen Diagnoseverfahren und Lösungsansätze der Theorien beleuchtet und die jeweiligen Bürgerbilder analysiert. Kapitel 3 widmet sich dem Bürger als Zentrum der politischen Bildung und untersucht die Aufgaben und Ziele der politischen Bildung sowie die Anforderungen an den Bürger. Die aktuelle Rolle des Bürgers in der politischen Bildung wird anhand verschiedener Bürgerbilder analysiert. Das vierte Kapitel befasst sich mit der Schule als zentrale Institution der politischen Bildung. Es beleuchtet die aktuelle Situation des jugendlichen Bürgers in der Schule, die Anforderungen an die Schule als Institution der politischen Bildung sowie die Möglichkeiten und Grenzen der Schule.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit Themen wie Bürgerrolle, Demokratie, politische Bildung, Schule, Bürgergesellschaft, realistisch-empirische und normative Demokratietheorien, Bürgerbilder, Partizipation, politisches Engagement.
- Arbeit zitieren
- Sven Kusserow (Autor:in), 2002, Die aktuelle Rolle des Bürgers in Demokratietheorie, Schule und politischer Bildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25049