Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika


Seminararbeit, 2002

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition der weiblichen Genitalverstümmelung

3. Die historische Entwicklung der weiblichen Genitalverstümmelung
3.1 Die Herkunft des Rituals
3.2 Die Rolle der Religion
3.3 Geschichte der weiblichen Genitalverstümmelung in der westlichen Welt
3.4 Fazit

4. Genitale Verstümmelung der Frauen in Afrika heute
4.1 Geografische Verteilung
4.2 Beschneidungsarten

5. Die Prozedur
5.1 Verschiedene Gründe sprechen für eine frühzeitige Beschneidung
5.2 Die Ausführung

6. Der Versuch einer Erklärung - Gründe der Beschneidung
6.1 Die Bedeutung der Klitoris in diesem Zusammenhang
6.2 Weitere Gründe, die für die Beschneidung afrikanischer Frauen
aufgeführt werden
6.3 Fazit

7. Die körperlichen und psychischen Probleme nach der Genitalverstümmelung
7.1 Die körperlichen Probleme
7.2 Die psychischen Probleme

8. Die Entschädigung

9. Die Beschneidung und das Gesetz

10. Der Ausblick

11. Der Anhang

12 Literaturhinweise

1. Einleitung

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt es weltweit zwischen 85 und 115 Millionen Mädchen und Frauen deren Genitalien verstümmelt wurden. Jährlich droht weiteren zwei Millionen Mädchen ein solcher Eingriff.[1]

Diese Praktik, deren Konsequenzen oft verheerend, manchmal sogar tödlich sind wird hauptsächlich in Afrika praktiziert, aber auch in Teilen Asiens, im Nahen und Mittleren Osten, sowie auch bei Immigrantenfamilien in Europa, Kanada und den USA.[2]

Nach Schätzungen von TERRE DES FEMMES leben in Deutschland circa 20.000 betroffene Migrantinnen.[3]

Die Beschneidung gehört zum Leben vieler afrikanischer Gemeinschaften wie bei uns die Kommunion oder Konfirmation. Obwohl das Thema ein großes Tabu ist, sehnen viele Mädchen den Tag ihrer Beschneidung herbei und sind danach stolz darauf endlich zu der Gemeinschaft dazu zu gehören.[4]

Lange Zeit war auch bei uns dieses Thema ein Tabu. Aus Bequemlichkeit, sich mit dieser grausamen Praxis nicht auseinandersetzen zu müssen, wurde es meistens mit der Begründung „ Genitalverstümmelungen sind traditionelle und kulturelle Praktiken, über die wir uns kein Urteil erlauben können und in die wir uns mit unserem europäischen Blick besser nicht einmischen sollten“[5] abgetan. Erst in den letzten Jahren änderte sich diese Einstellung grundlegend. Mittlerweile werden Genitalverstümmelungen als Politikum verstanden und als Menschenrechtsverletzung und Gewalt gegen Frauen definiert.[6] Wer sich in der Bundesrepublik Deutschland an der Verstümmelung weiblicher Genitalien beteiligt, macht sich nach den §§ 223 ff des Strafgesetzbuches strafbar und muss damit rechnen, wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstraffe bis zu fünf Jahren verurteilt zu werden[7].

Das Ziel unserer Arbeit ist es durch Vermittlung von Grundlagenkenntnissen einen Überblick über die weibliche Genitalverstümmelung zu verschaffen, vor allem für diejenigen, die noch keine Möglichkeit hatten, sich mit diesem Thema auseinander zusetzen.

Im Folgenden beginne ich mit Erläuterung der Definition der genitalen Verstümmelung dann komme ich zu der historischen Entwicklung dieses Brauches. Damit möchte ich dem Leser einen Einstieg in das Thema bieten und eine Grundlage für ein besseres Verständnis dieses Rituals geben. Von dem historischen Hintergrund komme ich zu der Situation heute und so werde ich in diesem Teil meiner Arbeit die geografische Verteilung dieses Rituals darstellen und die unterschiedlichen Beschneidungsarten nennen und erläutern (Kapitel 1- 4).

Für den weiteren Teil der Hausarbeit ist meine Kollegin Dagmar Gapski zuständig (Kapitel 5- 11). Hier erläutert sie die Prozedur, nennt deren Gründe und weist auf die körperlichen und psychischen Probleme hin.

2. Definition der weiblichen Genitalverstümmelung

Der Begriff weibliche Genitalverstümmelung (englische Entsprechung: „Female Genital Mutilation“ FGM) bezeichnet die teilweise oder vollständige Entfernung der weiblichen Genitalien[8].

Auf Forderung afrikanischer Aktivistinnen hat sich der Begriff „weibliche Genitalverstümmelung“ bzw. die englische Entsprechung „FGM“ anstelle von„ weiblicher Beschneidung“ etabliert. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass die „weibliche Beschneidung“ ungleich schwerwiegender ist, als die (Vorhaut) Beschneidung bei Männern (das anatomische Äquivalent zu „weiblichen Beschneidung “wäre die teilweise oder komplette Amputation des Penis und nicht der Vorhaut!).[9]

3. Die historische Entwicklung der weiblichen Genitalverstümmelung

Im Folgenden werde ich auf die geschichtliche Entwicklung von FGM eingehen und dessen möglichen Ursprünge nennen. Als nächstes beschäftige ich mich mit der Rolle der Religion im Bezug auf dieses Ritual, um dann letztendlich auf die Geschichte der Genitalverstümmelung in der westlichen Welt einzugehen. Hiermit möchte ich mögliche Parallelen zu der weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika überprüfen.

3.1 Die Herkunft des Rituals

Historisch gesehen ist es schwer nachzuvollziehen seit wann das Ritual der weiblichen Genitalverstümmelung existiert. Vermutlich liegen seine Ursprünge schon Tausende Jahre zurück, sogar bis zu frühen Beginn der Menschheitsgeschichte, wo die Menschenopfer als Mittel zu Besänftigung feindlicher Mächte und Geister dienten. Später sollte dieser alte Brauch mit dem Brauch der islamisch-arabischen Kultur verschmelzen. Hier wird die Praktik der weiblichen Genitalverstümmelung aus Besessenheit auf Keuschheit und Jungfräulichkeit durchgeführt. Daneben existieren auch zahlreiche historische Zeugnisse, die auf dem Brauch der weiblichen Genitalverstümmelung hinweisen.

Im Ägyptischen Museum in London gibt es eine Papyrusrolle, die auf 163 Jahre vor Christus datiert ist, in dem aber auch die Praxis der Genitalverstümmelung erwähnt wird.

Ein weiteres Zeugnis ist ein Bericht eines bekannten Historikers Herodot, der von dieser Praxis im Ägypten des fünften Jahrhunderts vor Christus berichtet. Hier im Ägypten in dem Ursprungsland der weiblichen Genitalverstümmelung sollte sich dieser Brauch entlang des Nils mit dem Verkauf der Sklavenmädchen weiterverbreiten. Während in Ägypten selbst dieser Brauch für Frauen vorgesehen war, die einen hohen sozialen Rang einnahmen und der hier als vorehelicher Ritus diente, sollte er bei den Sklavenmädchen die Schwangerschaften verhindern und somit einen hohen Preis auf dem Sklavenmarkt sichern. Somit verbreitete sich die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung mit großer Wahrscheinlichkeit vom Niltal bis zu den an der Küste des Roten Meeres lebenden Stämmen arabischer Händler und von dort in den östlichen Sudan.[10] Was aber als sicher gilt ist, dass im alten Ägypten sowohl Männer, wie auch Frauen beschnitten worden sind, aus Glauben heraus, einen Anteil der männlichen Seele der Frau in der Klitoris und die weibliche Seele des Mannes in der Vorhaut lokalisiert wären und nur durch ihre Entfernung ist eine vollkommene Erreichung von gesellschaftlicher, wie auch geschlechtlicher Reife möglich.

Die Praxis der Genitalverstümmelung begrenzt sich keinesfalls nur auf die außer- abendländische Welt.[11] In der englischsprechenden Welt des neunzehnten Jahrhunderts glaubte man z. B., dass die Klitorisbeschneidung das „Hauptübel“ Masturbation beseitigen würde.[12]

Auf die Geschichte der weiblichen Genitalverstümmelung in Europa des neunzehnten Jahrhunderts und der westlichen Welt werde ich ausführlicher im Kapitel 3.3 eingehen.

3.1 Die Rolle der Religion

Weder die Bibel noch der Koran verlangen die weibliche Genitalverstümmelung. In Saudi- Arabien, der Wiege des Islams, ist diese Praxis völlig unbekannt ! Somit scheint der Brauch der weiblichen Beschneidung nicht im Islam seinen Ursprung zu haben, wurde jedoch von dieser Religion akzeptiert.

Es wird vermutet, dass die Klitorisbeschneidung bei der Eroberung Ägyptens im Jahre 742 vom Islam übernommen wurde und eine afrikanische Erfindung sei.

Die strenge Betonung des Islams auf Keuschheit und Jungfräulichkeit sollte noch einen zusätzlichen Nährboden dafür bereiten, dass sich noch extremere Beschneidungsformen herausgebildet haben. („Beschneidungsarten“, siehe Kapitel 4.2).

Die Lehren der christlichen Missionare im sechzehnten Jahrhundert, die versucht haben dieses grausame Ritual zu beseitigen, scheiterten oft. Als sie versuchten, diesen Brauch bei ihren Konvertiten in Äthiopien abzuschaffen, weigerten sich die Männer Mädchen zu heiraten, die nicht beschnitten waren.

Ein ähnliches Beispiel sind in Kenia lebende Stämme, die zwar zum Christentum übergetreten sind aber trotzdem die Klitorisbeschneidung praktizieren. Hier unterwerfen sich vor allem die pupertierenden Mädchen dieser Praxis, im Glaube, wenn sie es nicht täten, wären sie zum ewigen Höllenfeuer verdammt.

Die weibliche Genitalverstümmelung ist aber keinesfalls nur im Islam zu finden. Auch andere religiöse Gruppen, wie Animisten, afrikanische koptische Christen und eine kleine Sekte äthiopischer Juden, die Fallashas praktizieren diesen Brauch.[13]

3.3 Geschichte der weiblichen Genitalverstümmelung in der westlichen Welt

Die Afrikaner weisen uns zu Recht hin, in dem sie sagen, dass Beschneidung und Infibulation keineswegs einzigartig für Afrika sei.

Die Geschichte der Praxis reicht bis in das neunzehnte Jahrhundert zurück, wo hier in der englischsprechender Welt Klitorisbeschneidungen extensiv durchgeführt wurden. Einer der fähigsten und bekanntesten Gynäkologen dieser Zeit war der Engländer Isac Baker Brown (1812- 1873). Er praktizierte die Klitorisbeschneidung mit der Überzeugung dies würde das „ Hauptübel“ dieser Zeit die Masturbation beseitigen.

In den Vereinigten Staaten gingen die amerikanischen Ärzte noch weiter und entfernten zusätzlich die Eierstöcke.

Nach 1880 wurde zwar die kombinierte Klitoris- Eierstock- Entfernung nicht länger praktiziert, doch die Klitorisbeschneidungen wurden bei lesbischen Neigungen, Aversion gegen Männer sowie auch bei „weiblichen Geisteskrankheiten“, wie Hypersexualität, Hysterie und Nervosität durchgeführt.

Zu den anderen Praktiken, die in den Vereinigten Staaten durchgeführt worden sind um die Masturbation zu verhindern und die bis etwa 1905 angewandt worden sind, zählt das Zunähen der Schamlippen.

Im Jahre 1897 behauptete ein Bostoner Chirurg, dass im Gegensatz zu Männern liege die Sexualität nicht in den Sexualorganen. Daher vertrat er die Meinung, Orgasmen bei Frauen wären ein Gebrechen somit müsste die Klitoris als erektiles Organ entfernt werden.

Ebenfalls praktizierte man die Klitorisentfernung um Epilepsie, Katalepsie, Hysterie, Melancholie und sogar Kleptomanie zu behandeln. Bis 1935 wurden solche Operationen in psychiatrischen Krankenhäusern durchgeführt.

In den achtziger Jahren (!) sollte eine amerikanische Sonntagszeitung „New National Black Monitor“ vorgeschlagen haben, Klitorisbeschneidung und Infibulation in den Vereinigten Staaten einzuführen, um voreheliche sexuelle Aktivitäten von Frauen im Teenager- Alter zu verhindern !

Auch Berichte aus Deutschland lassen darauf schließen, dass es auch hier Fälle von FGM gibt. Nach einem Bericht eines deutschen Gynäkologen sollte ihn eine seiner Patientinnen gebeten haben, sie zu beschneiden um bessere sexuelle Beziehungen zu ihrem Mann zu haben. Der Arzt weigerte sich und als er seine Patientin zwei Jahre später erneut untersuchte, stellte er fest, dass ihre Klitoris und ihre inneren Schamlippen beschnitten waren.

Die Parallelen in Prozeduren zu der weiblichen Genitalverstümmelung hat aber auch die immer noch routinemäßig in den Vereinigten Staaten praktizierte männliche Beschneidung.[14] Hier werden jährlich sechzig Prozent aller neugeborenen Knaben beschnitten. Dies geschieht meistens auf Wunsch der Eltern, in den ersten zwei Lebenstagen. Fast alle diese Beschneidungen werden nicht aus medizinischen Gründen sondern aus gesellschaftlicher Tradition vorgenommen.

Somit sind die Gründe, die für die weibliche Beschneidung in Afrika und für routinemäßig durchgeführte männliche Beschneidung in den Vereinigten Staaten im wesentlichen dieselben. Beide versprechen fälschlich die positive Gesundheitsauswirkung, sowie größere Attraktivität und Akzeptanz der Geschlechtorgane.

„Die betroffenen Individuen in beiden Kulturen sind dazu übergegangen, diese Prozeduren als etwas zu betrachten, das etwas für sie getan, und nicht als etwas, das ihnen angetan wurde.“[15]

Auch sind uns Frauen unnötige chirurgische Eingriffe nicht fremd. Die Zahl der durchgeführten Gebärmutterentfernungen, Eierstockentfernungen und Kaiserschnitte steigt jedes Jahr, ohne dass ihre Notwendigkeit endgültig nachgewiesen worden wäre.

3.4 Fazit

Die weibliche Genitalverstümmelung ist ein Jahrtausende altes Ritual. Warum und wo es genau entstanden ist, weiß man nicht.

Es wird vermutet, dass dieser Brauch ihren Ursprung in Ägypten hat. Hier wurde es durch Sklavenhandeln entlang des Nils nach Afrika verbreitet. Obwohl die Praktiken von keiner der großen Religionen ausdrücklich verlangt werden, wird die FGM vom Islam akzeptiert.

Die Praxis des neunzehnten Jahrhunderts in Europa, heutige Praxis der männlichen Beschneidung, sowie auch die steigenden Zahlen der Gebärmutterentfernungen, wie auch der Eierstöcke zeigen, dass dies kein afrikanisches Phänomen ist, sondern eine Praktik, die sich durch alle ethnischen und kulturellen Bereiche der Welt zieht.

[...]


[1] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend S. 7

[2] Internet: htpp://www.fh-koeln.de/~danny/beschneidung/besch.htm

[3] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.)

[4] Internet : http://www.arte.de/science/excision/dtext/

[5] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.) S. 107

[6] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.) S. 109

[7] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend S. 23

[8] Internet : http://www.arte.de/science/excision/dtext/

[9] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.) S. 15

[10] Lightfoot-Klein S. 43-44

[11] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.) S. 24

[12] Lightfoot-Klein S. 214

[13] Lightfoot-Klein S. 59-60

[14] Lightfoot-Klein S. 218

[15] Schnüll/TERRE DES FEMMES (Hrsg.) S. 242-243

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika
Hochschule
Fachhochschule Dortmund  (Fachbereich Sozialpädagogik)
Veranstaltung
Seminar Frauen und Macht
Note
1,0
Autoren
Jahr
2002
Seiten
34
Katalognummer
V2530
ISBN (eBook)
9783638115353
Dateigröße
866 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Ziel unserer Arbeit ist es, durch Vermittlung von Grundlagenkenntnissen einen Überblick über die weibliche Genitalverstümmelung zu verschaffen, vor allem für diejenigen, die noch keine Möglichkeit hatten, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Schlagworte
Genitalverstümmelung, Verstümmelung, Frauen, Beschneidung, Afrika
Arbeit zitieren
Dorota Gräbel (Autor:in)Dagmar Gapski (Autor:in), 2002, Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2530

Kommentare

  • Gast am 27.1.2010

    Hallo,
    ich bin zur Zeit dabei ene Facharbeit über das Thema "Beschneidung afrikanischer Mädchen" zu verfassen und würde mich freuen wenn sie mir einige Informationen oder Quellen zukommen lassen könnten.
    Meine Emailadresse befindet sich in meinem Profil, danke.
    Mit freundlichen Grüßen, T. Schröder

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Titel: Weibliche Genitalverstümmelung in Afrika



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