`Er brauchte die Poesie nicht zu Liebesklagen allein, er lobte, er tadelte, er lehrete. Er lobte erhaben, er tadelte fein und er lehrete moralisch.` 1 Mit Walther von der Vogelweide beginnt die politische Dichtung in deutscher Sprache. Walthers Spruchdichtung stellt eine erstmalige Nutzung von Literatur zur gezielten Vermittlung politischer Informationen dar. Er begründete die höfische Form der Spruchdichtung, indem er seine Sprüche an den Minnesang anglich und damit erstmalig adelige und bürgerliche Lyrik vereinigte. Walther hob die Spruchdichtung auf das künstlerisch beachtliche Niveau des Minnesangs und erweiterte dadurch den Themenbereich von der Ethik und der Lehre, so dass seine Versdichtung auch zeitgenössische politische Probleme erörterte. Jedoch liegt die Bedeutung von Walthers Spruchdichtung nicht in der geistigen Selbständigkeit der politischen Gedanken, sondern in der Art, wie Politik in Dichtung umgesetzt wird, wie mit poetischen Instrumenten politische Wirkung erzielt wird. Dieser unmöglich erscheinende Spagat zwischen propagandistischer Auftragsdichtung und einem stark ausgeprägtem künstlerische m Selbstbewußtsein bildet die thematische Grundlage dieser Arbeit. Walther von der Vogelweide gehört neben Goethe und Schiller zu den bekanntesten deutschsprachigen Dichtern. 500 Strophen - davon 140 Sprüche - sind von Walther in mehr als 25 Handschriften überliefert. Walthers Werk ist 800 Jahre alt und seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts sind Walthers Lieder und Sprüche Gegenstand wissenschaftlicher Forschung. Heute ist die Rubrik `Walther von der Vogelweide` eine der umfangreichsten im Mittelalterteil der Bibliographien. Dennoch steht eine große wissenschaftliche Gesamtdarstellung, welche die Walther-Forschung der vergangenen 200 Jahre zusammenfaßt, noch aus. Einen Durchbruch in der Walther-Forschung stellte die erste Walther-Abhandlung von den Schweizern Bodmer und Breitinger 2 Mitte des 18. Jahrhunderts dar. Das erste anspruchsvolle Porträt Walthers veröffentlichte Ludwig Uhland 3 1822 und die erste grundlegende historisch-kritische Ausgabe wurde 1827 von Karl Lachmann 4 publiziert. Als gute zeitgenössischen wissenschaftlichen Abhandlungen sind die Monographien von Kurt Herbert Halbach 5 (1983), Gerhard Hahn 6 [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Der erste `politische Dichter`.
- Walther von der Vogelweide und seine Zeit
- Leben und Werk.
- Literarische und gesellschaftliche Bedingungen
- Walthers politische Spruchdichtung
- Im Umfeld Philipps von Schwaben.
- Im Dienste Ottos IV. und seinen Anhängern
- Im Dienste Friedrichs II.
- Ausblick: Walthers Dichtung als Versinnlichung seiner Selbst
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, Walther von der Vogelweide als politischen Dichter im Kontext seiner Zeit zu untersuchen. Sie analysiert, wie er politische Inhalte in seine Lyrik einbringt, welche Rolle Propaganda in seinem Werk spielt und inwieweit er dabei ein künstlerisches Selbstverständnis bewahrt.
- Politische Spruchdichtung im Mittelalter
- Die Rolle von Propaganda in Walthers Werk
- Die Verbindung von politischer Botschaft und künstlerischer Gestaltung
- Walthers Verhältnis zu den Herrschern Philipp von Schwaben, Otto IV. und Friedrich II.
- Die Entwicklung von Walthers politischem Selbstverständnis
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit dem Begriff des "politischen Dichters" und stellt Walther von der Vogelweide als seinen ersten Vertreter in deutscher Sprache vor. Es wird die Bedeutung seiner Spruchdichtung für die Weiterentwicklung der höfischen Lyrik sowie der politischen Kommunikation im Mittelalter beleuchtet. Das zweite Kapitel widmet sich dem Leben und Werk Walthers sowie dem historischen und gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die literarischen und sozialen Bedingungen gelegt, die die Entstehung von politischer Dichtung ermöglichten. In Kapitel drei wird Walthers politische Spruchdichtung im Detail analysiert. Es werden seine Sprüche im Umfeld Philipps von Schwaben, Ottos IV. und Friedrichs II. untersucht, sowie die Fragen nach Datierung, Personenbezug und historischem Kontext der Texte erörtert. Abschließend wird in Kapitel vier Walthers Dichtung als Ausdruck seines Selbstverständnisses und seiner Rolle in der damaligen Gesellschaft betrachtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Themen wie politische Spruchdichtung, Propaganda, höfische Lyrik, Minnesang, mittelalterliche Gesellschaft, Staufer, Welfen, Philipp von Schwaben, Otto IV., Friedrich II., Walther von der Vogelweide, Kunst, Selbstverständnis, politische Kommunikation, historische Forschung.
- Quote paper
- Julia Hermanns (Author), 2003, WALTHER VON DER VOGELWEIDE - Ein politischer Dichter zwischen Propaganda und künstlerischem Selbstverständnis, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25307