Neuheidnische Gruppen und Esoterik - Okkultes Denken bei Rechtsextremen


Hausarbeit, 2004

20 Seiten, Note: mit Erfolg


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

0. Einleitung

1. Neo- Paganismus und Neuheidentum- Was ist das?
1.1 Die Suche nach neuer Religiosität
1.2 Das Neuheidentum: Hinwendung zur „alten Kultur“

2. Die Entwicklung historisch-okkulten Denkens
2.1 Die Romantik
2.2 Die Jahrhundertwende: Völkisch-okkultes Denken formiert sich in Gruppierungen
2.3 Antidemokratische Gedanken während einer Zeit der Demokratie: Die Entwicklung völkischen Denkens in der Weimarer Republik
2.4 Völkisches Denken im Nationalsozialismus
2.5 Neuheidnisches Denken nach
2.5.1 Altes Denken in neuem Mantel Neustrukturierung neuheidnischer Gruppen
2.5.2 Die neue Rechte
2.5.3 Hochkonjunktur des Neuheidentums

3. Neo- Paganismus und völkisches Denken heute
3.1 Das Welt- und Menschenbild der Neuheiden
3.2 Esoterik als Instrument rassistischen Denken und Tuns
3.2.1 Die Weltverschwörungstheorien des Jan van Helsing

4. Schlussteil: Neuheidnische Gruppen- Eine ernst zu nehmende Gefahr von rechts?

Literaturverzeichnis

Einleitung: Neuheidentum und Braune Esoterik

Einführung in die Thematik

Ein relativ kleines, aber nicht unwesentliches Element im rechtsextremistischen Spektrum stellen die sogenannten Neuheidnischen Gruppen dar. Ihr primäres Kennzeichen ist der Umstand, dass die teils radikal-rassistischen Auffassungen, die große Kompatibilitäten zur NS-Ideologie aufweisen, mit alteuropäischer Spiritualität verbunden werden.

Stellen derartige Gruppen eine ernst zu nehmende Gefahr dar oder kann man sie als relativ unbedeutende rechtsextremistisch orientierte Gruppen bezeichnen, die keinen großen Einfluss auf unsere Bevölkerung haben?

In der folgenden Arbeit werde ich zunächst die Inhalte völkisch- okkulten Denkens, auf das sich die neonazistischen neuheidnischen Gruppen beziehen, und dessen historische Entwicklung bis zur heutigen Zeit, darlegen. Darauf aufbauend werde ich auf die heutige Situation der offen nazistisch eingestellten Neogermanen samt ihrer Welt- und Menschenbilder eingehen, um dann abschließend über die Gefahren der Anziehungskraft solch eingestellter Gruppen und die Probleme der Resozialisierung ehemaliger Anhänger zu reflektieren:

Besonders als zukünftige Lehrkraft sollte man die Sozialisationsfaktoren politisch extremistischer Gruppierungen analysieren können, um dahingehend an einer möglichen Prävention mitarbeiten zu können.

1.Neo-Paganismus und Neuheidentum - Was ist das?

1.1 Die Suche nach neuer Religiosität

Die Kirchen Deutschlands klagen über einen immer stärker wachsenden Interessenschwund innerhalb der Bevölkerung. Wie wir alle bemerken, findet eine zunehmende Säkularisierung innerhalb unseres Landes statt. Jedoch ist im Gegensatz dazu der Drang nach alternativen Religionen und Weltanschauungen gestiegen. Einen enormen Zulauf konnte in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren vor allem der Bereich der Esoterik vorweisen, der Menschen durch vielfältige Aspekte in den Bann zieht. Zu nennen sei hier das magische Naturbewusstsein, ein Hinwenden zur „göttlichen Natur“, das sich für einen großen Teil der Bevölkerung im Zusammenhang mit der ökologischen Krise zum Lebensinhalt entwickelt hat. Im Zeitalter des Leistungsprinzips und des alltäglichen Stresses bietet die Esoterik Riten und Praktiken uralter Religionen an, die innere Blockaden lösen und zur Selbstheilung beitragen sollen. Das Ziel der esoterischen Welle definiert Andreas Speit wie folgt: „Mit einem neuen Denken, das auch ganzheitliches, holistisches oder organisches Bewusstsein genannt wird, soll der kollektive Sprung in ein >>neues<<, >>goldene(s) Zeitalter<< gelingen“[1].

1.2 Das Neuheidentum: Hinwendung zur „alten Kultur“

Eine Strömung dieses neuen okkulten Denkens ist der Neo-Paganismus, der als Rückgriff auf vorchristlich- naturreligiöse Religionen übersetzt werden kann. Stand Anfang der siebziger Jahre noch primär „die Beschäftigung mit nordamerikanisch- indianischer Naturreligion im Vordergrund“[2], so tauchten bald erste Ansätze auf, die sich mit der Naturreligion des alten Europas beschäftigten. Diese Entwicklung wird in der wissenschaftlicher Literatur häufig als „neuheidnische Renaissance“ bezeichnet, so dass ich im Folgenden die Vertreter dieser Denkrichtung in dieser Hausarbeit weiterhin als Neuheiden bezeichnen werde. Obwohl man in diesem Zusammenhang erwähnen muss, dass Sympathisanten dieser Glaubensrichtung jenen Begriff zumeist ablehnen, da er häufig mit Gottlosigkeit oder Atheismus gleichgesetzt wird. (Diese Assoziation zeigt sich auch zu Beginn meines gehaltenen Referats innerhalb der Studentenschaft). Neuheiden bezeichnen sich allerdings als zutiefst gläubig.

Innerhalb des Neuheidentums gibt es unterschiedliche Gruppierungen, die allerhand inhaltlicher Gemeinsamkeiten aufweisen, sich teilweise aber auch gezielt voneinander abgrenzen wollen. Zu nennen sind hier die feministischen Hexenströmungen (Wicca-Gruppen), die Druiden oder Schamanen, Neokelten und die Neogermanen. Alle diese Strömungen weisen sowohl nationalistisch-völkisches Teilgruppierungen auf, als auch antifaschistisch oder gänzlich unpolitisch orientierte.

Folgende Merkmale teilen allerdings alle Neuheiden:

- Sie glauben daran, dass das Neuheidentum durch die gezielte Hinwendung zu alten Naturreligionen der Selbstverwirklichung diene
- In allen Gruppierungen ist man gegen das Christentum eingestellt. Man möchte erreichen, „die ursprüngliche, vom Christentum gewaltsam unterdrückte Religion zu erwecken“[3]
- Man bekennt sich zu einem Polytheismus und verehrt die alten heidnischen Göttinnen und Göttern. Deutlich wird die Ablehnung eines christlichen Gottesbildes im folgenden Zitat: „Wer sich mit heidnischen Göttern beschäftigt, muß sich von Vorstellungen über Göttlichkeit, wie sie das Christentum lehrt, gründlich befreien. Ein Gott im Heidentum ist kein abstraktes, jenseitiges, ewiges, allmächtiges Wesen, das über der Welt schwebt und sie von außen regiert, kein "reiner Geist" und keine moralische Instanz, die ausschließlich das sogenannte Gute verkörpert, (...), sondern das Göttliche in der Natur, nicht "ganz anders", sondern eins mit der Welt.[4]
- Uralte nordische Riten werden von Neuheiden zelebriert. Dies erfolgt zumeist an für die Protagonisten bedeutsamen Orten. Ein Beispiel ist das Fest der Sommersonnenwende am 21.Juni an den Externsteinen im Teutoburger Wald. “In der Schlacht am Teutoburger Wald im Jahre 9 drängten die Germanen die Römer von der Elbe an den Rhein zurück.“[5] (Kratz) Kratz erläutert des Weiteren, dass es bis heute allerdings nicht bewiesen sei, dass es sich bei dem Gebirgszug, „dessen Teil die Externsteine sind“, wirklich um den Ort handelt, an dem sich jene Schlacht zugetragen habe. Er verschafft uns in seinem Buch Die Götter des New Age einen intensiven Überblick über die Magie und Anziehungskraft dieser „germanischen Kultstätte“[6].
- Neuheiden sind grundsätzlich ökologisch orientiert und geben dem Christentum, „das sich die Natur angeblich zum Untertan gemacht hat“, die Schuld für die existenzielle Umweltkrise. Die Natur ist für sie das Göttliche und Heilige. Die rechtsextreme Artgemeinschaft äußert sich diesbezüglich in ihrem für alle Mitglieder geltenden Artbekenntnis wie folgt: „Wir bekennen uns zu einem Leben im Einklang mit den Naturgesetzen, sei es, daß wir sie aus einer Instinktsicherheit heraus unbewußt befolgen, sei es, daß wir sie bewußt erkennen und dann nach ihnen handeln. Wir lernen die Lehren des Lebens. Auch wenn im Einzelfall das naturgesetzliche Handeln zu Härten führen mag: wir richten unser Leben nach der natürlichen Lebensordnung aus. Die Gesetze des Lebens sind uns heilig.[7]
- Neuheiden respektieren die Frau und propagieren die „durch die Frau verkörperten Eigenschaften und Werte[8]“. Diese Gedanken gehen soweit, die Frau sei für die Reproduktion der arischen Rasse zuständig.

Die neonazistisch orientierten Gruppierungen stellen eher die Ausnahme im neuheidnischen Spektrum dar und werden von anders gesinnten Neuheiden zumeist abgelehnt. Der bekennend antifaschistische Rabenclan legt in seiner Präambel grundsätzlich fest: „ (...) Wir respektieren das persönliche Recht des Einzelnen auf freie Religionsausübung, die verschiedenen Strömungen innerhalb des Heidentums sind gleichberechtigt. (...) Wir lehnen Gruppierungen und Einzelpersonen ab, welche die Freiheit und Würde des Menschen missachten.[9]

Daher sollte es vermieden werden, Neuheiden als schier fremdenfeindlich und antidemokratisch zu bezeichnen. Die meisten Neuheiden sind eher unpolitisch orientiert; andere haben eine absolut antifaschistische Grundhaltung. Im Zusammenhang mit der Thematik des Tutoriums wird es in dieser Arbeit aber um die neonazistische Interpretation dieses Phänomens gehen.

2. Die historische Entwicklung völkisch- okkulten Denkens

Schon lange vor dem NS-Regime und vor Erscheinen von Mein Kampf waren Termini wie Rasse, Arier oder Deutschtum in der deutschen Gesellschaft gebräuchlich. Völkisches Denken in Kombination mit okkulten oder esoterischen Elemente geht bis in das 19.Jahrhundert zurück.

2.1 Die Romantik

Im Zuge eines allgemein aufkommenden Nationalgefühls sowie einem bewussten Hang zu einem mystischen Naturerleben, wurde der Weg zu einem braunen Okkultismus geebnet. Wegweisend dafür war die von Helena P. Blavatsky (1831-1891) entwickelte Theosophie, eine Lehre, die östlich-spirituelle Elemente letztendlich mit einer Rassentheorie verband. Blavatsky geht in ihrer Geheimlehre (1888) von einer hierarchischen Ordnung sogenannter „Wurzelrassen“ aus, an deren Spitze der Arier stehe. Sie schreibt, dass das Judentum „ein Glaube des Hasses und des Übelwollens“[10] sei. Dadurch sei das karmisch bedingte Schicksal der Juden ihre Vernichtung.

Hinzu kamen besonders ab 1871 starke Einflüsse des Sozialdarwinismus oder des Pangermanismus (dem Bestreben einer territorialen Ausbreitung der Deutschen), die zu einer patriotischen Neuorientierung innerhalb der deutschen Bevölkerung führte.

2.2 Die Jahrhundertwende: Völkisch-okkultes Denken formiert sich in Gruppierungen

Um die Jahrhundertwende formierte sich eine Vielzahl Gruppen um die Lehren von Helena P. Blavatsky, Guido von List (1848-1919)und Lanz von Liebenfels (1887-1954). Van Lists Ariosophie, „die Lehre von den Ariern[11]“ kann als Weiterentwicklung von Blavatskys Theosophie angesehen werden: Er wies der nordeuropäischen arischen Rasse, den „Ario-Germanen“ einen noch höheren Stellenwert zu als seine Vorgängerin. Sie seien der „Ausgang- und Endpunkt göttlich-kulturschöpferischer Entwicklung[12]“. Mit dieser Ideologie als Grundlage gründete er die Guido von List- Gesellschaft.

In diesem Zusammenhang sei auch noch Lanz von Liebenfels zu nennen, der die vorangegangenen Konzepte durch eine Idee der gesellschaftlichen Zweiteilung der Menschheit erweiterte. Auf der einen Seite stünden die „blonde(n), kulturschaffende(n) Ario-Heroen, auf der anderen Seite dunkle, kulturzerstörende Äfflinge“[13].

Alle Gruppen, die jene ideologisierenden Lehren internalisierten, hatten eines gemein: Sie waren radikal antisemitisch, sozialdarwinistisch und nationalistisch geprägt und sahen im deutschen Volk die Personifikation des Göttlichen.

[...]


[1] Matthias Pöhlmann, http:// www.naturreligion.de/texte/naturundneu.htm vom 21.11.2003, Evangelische Zentrale für Weltanschauungsfragen, Berlin, http://www.ezw-berlin.de

[2] Matthias Pöhlmann, a.a.O.

[3] Matthias Pöhlmann, a.a.O.

[4] http://www.nd-b.com/oikrach/gott17.php

[5] Peter Kratz, Die Götter des New Age- Im Schnittpunkt von >>Neuem Denken<<, Faschismus und Romantik, 2. Auflage, Berlin 1994, S.12

[6] Peter Kratz, a.a.O. S.11

[7] http://www.asatru.de/lp_bekenntnis.htm, vom 20.01.2004

[8] Dr.Matthias Pöhlmann, a.a.O.

[9] http://www.rabenclan.de/praeambel.htm vom 15.01.2004

[10] Andreas Speit, Esoterik und Neoheidentum, Historische Allianzen und aktuelle Tendenzen, in: Mecklenburg, Jens (Hrsg.): Handbuch des deutschen Rechtsextremismus, Berlin 1996 S.712

[11] http://lexikon.idgr.de/a/a_r/ariosophie/ariosophie.php vom 15.01.2004

[12] Andreas Speit, a.a.O. S.713

[13] Speit, Esoterik und Neoheidentum, a.a.O. S.713

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Neuheidnische Gruppen und Esoterik - Okkultes Denken bei Rechtsextremen
Hochschule
Universität zu Köln  (Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Seminar für Sozialwissenschaften, Abteilung für Politikwissenschaften)
Veranstaltung
EInführung in die Politikwissenschaft II
Note
mit Erfolg
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V25412
ISBN (eBook)
9783638280440
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuheidnische, Gruppen, Esoterik, Okkultes, Denken, Rechtsextremen, EInführung, Politikwissenschaft
Arbeit zitieren
Berit Schmaul (Autor:in), 2004, Neuheidnische Gruppen und Esoterik - Okkultes Denken bei Rechtsextremen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25412

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