Der folgende Aufsatz beschäftigt sich mit den Erzählstrategien Hermann
Hesses in dessen Prosatexten. Hierzu werde ich die 1905 erschienene
Erzählung Der Lateinschüler1 näher betrachten. Neben den
Besonderheiten in der Erzählweise möchte ich außerdem auf den Aspekt
des Außenseitertums interpretatorisch eingehen. Dabei spielt
insbesondere der Zeitraum von 1890 bis 1892 in Hermann Hesses Leben
eine wichtige Rolle. In diesen Jahren kommt es zu seiner ersten großen
persönlichen Krise. Diese prägt Hesses literarisches Schaffen nachhaltig.
So kehren in den frühen Romanen Peter Camenzind (1904) und Unterm
Rad (1906) unter anderem die Motive der unliebsamen Schule sowie der
verschmähten Liebe zu einem jungen Mädchen immer wieder. Im
Lateinschüler ist diese autobiographische Tendenz ebenfalls deutlich zu
sehen. Auch hier verschmelzen die Erlebnisse von Göppingen, Maulbronn
und Bad Boll2 in einer Erzählung. [...]
1 Hesse, Hermann: Der Lateinschüler. In: Hermann Hesse. Erzählungen. Band 1, 2.
Auflage, Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag 1979, S. 105-142
2 Vgl. Böttger, Fritz (Hrsg.): Hermann Hesse. Leben. Werk. Zeit, 4. Auflage, Berlin: Verlag
der Nation 1980, S. 33-49; Zeller, Bernd: Hermann Hesse, 32. Auflage, Reinbek bei
Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1997, S. 20-28
Inhaltsverzeichnis
- Zeit- und Raumdarstellung
- Auktoriale Erzählweise
- Der Aspekt des Außenseitertums
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Aufsatz befasst sich mit den Erzählstrategien Hermann Hesses in seinen Prosatexten, insbesondere am Beispiel der Erzählung "Der Lateinschüler". Neben der Analyse der Erzählweise wird auch auf den Aspekt des Außenseitertums eingegangen und dabei der autobiographische Hintergrund der Geschichte beleuchtet.
- Analyse der Zeit- und Raumdarstellung in "Der Lateinschüler"
- Untersuchung der auktorialen Erzählweise und der Rolle des Erzählers
- Interpretation des Außenseitertums und der Lebenserfahrungen des Protagonisten Karl Bauer
- Bedeutung von Hesses autobiographischen Erlebnissen für die Gestaltung der Geschichte
- Verbindungen zu Hesses literarischem Schaffen und dem Thema der Jugendkrise
Zusammenfassung der Kapitel
Zeit- und Raumdarstellung
Die Erzählung "Der Lateinschüler" umfasst zeitlich etwa ein Jahr und zeigt durch Zeitraffungen und -sprünge, die durch die Nennung von Monaten und Jahreszeiten sowie die Beschreibung des Wetters gekennzeichnet sind, nur die für die Handlung wichtigen Ereignisse. Der Raum wird in der Erzählung aperspektivisch dargestellt, wobei der auktoriale Erzähler bereits wertende Kommentare und Interpretationen in die Beschreibungen einbringt.
Auktoriale Erzählweise
Die Erzählung wird von einem auktorialen Erzähler erzählt, der nicht neutral über Karl Bauer berichtet, sondern kommentiert und in die innere Gefühlswelt des Protagonisten Einblicke gibt. Diese Technik wird als "Psycho-Narration" bezeichnet, wobei der Erzähler die Gedanken und Gefühle von Karl Bauer, der als sechzehnjähriger Schüler dargestellt wird, ausdrückt und dem Leser durch belehrende Einmischung die Entwicklung des Protagonisten deutlich macht.
Der Aspekt des Außenseitertums
Die Erzählung zeigt Karl Bauer als Außenseiter, sowohl in seiner Beziehung zu seiner Pensionsmutter als auch in der Jungferngesellschaft, die er mit Hilfe seiner Geschichtenerzählkunst für sich gewinnt. Durch die Begegnung mit den Mägden, die trotz ihres niedrigen sozialen Status ein echtes Lebensgefühl besitzen, erfährt Karl eine neue Perspektive auf die Welt und entdeckt die Tragik des Einzelnen im Schicksal.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter der Arbeit sind: Hermann Hesse, Erzählstrategien, "Der Lateinschüler", Außenseitertum, Jugendkrise, autobiographische Tendenz, auktoriale Erzählweise, Psycho-Narration, Zeit- und Raumdarstellung, aperspektivische Darstellung.
- Arbeit zitieren
- Michael Münch (Autor:in), 2002, Erzählstrategien bei Hermann Hesse am Beispiel "Der Lateinschüler", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25553