Der Kosovo-Krieg 1999 markiert eine Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland: Erstmals seit dem 2. Weltkrieg waren deutsche Soldaten an einem Kampfeinsatz beteiligt. Die Kohl-Regierung hatte 1991 eine militärische Beteiligung am Krieg gegen Irak noch mit der Begründung abgelehnt, das Grundgesetz erlaube den Einsatz der Bundeswehr nur zur Landes- und Bündnisverteidigung. Ausgerechnet die frisch gewählte Bundesregierung aus SPD und Grünen führte nun deutsche Soldaten mit der NATO in einen Angriff auf den souveränen Staat Jugoslawien, und das auf völkerrechtlich äußerst umstrittener Grundlage. In den Medien rieb man sich verwundert die Augen angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der ein halbes Jahrhundert gewaltferner Außenpolitik überwunden wurde und ein gesellschaftlicher Pazifismus, den man gerade im rot-grünen Spektrum tief verwurzelt glaubte. Wie war diese Entwicklung möglich, und welche Konsequenzen hatte sie?
Die Arbeit beantwortet diese Fragen mit Hilfe der politischen Kulturforschung. Nach John S. Duffield war die politische Kultur der Bundesrepublik nach 1945 in außenpolitischer Hinsicht durch "Antimilitarismus" und "Multilateralismus" gekennzeichnet. Aufgrund der Erfahrungen mit Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg lehnte demnach der Großteil der Deutschen Militäreinsätze grundsätzlich ab und verlangte bei der Wahrnehmung außenpolitischer Interessen strikt nach multilateraler Einbindung und Kooperation. Die Befürworter eines Kriegs gegen Jugoslawien (v. a. Schröder, Scharping und Fischer) machten sich beides geschickt und erfolgreich zunutze, wie in der ausführlichen Darstellung und Analyse ihrer Argumente deutlich wird. "Antimilitarismus" und "Multilateralismus" sind hier omnipräsent, werden jedoch zum Teil völlig neu interpretiert. Die linke Vergangenheit der Regierungsvertreter stärkte dabei noch ihre Überzeugungskraft. Die deutsche Beteiligung am Kosovo-Krieg und ihre rot-grüne Begründung knüpften an die politische Kultur der Bundesrepublik an - und veränderten diese nachhaltig.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Der Kosovo-Einsatz – Eine Zäsur bundesdeutscher Außenpolitik
- Politische Kulturforschung und die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland
- Weichenstellungen: Bundeswehreinsätze im Ausland in den 1990er Jahren
- Kontinuität und Verantwortung – Rot-grün und die Diskussion um den Kosovo-Einsatz
- „Nie wieder Krieg“ oder „Nie wieder Auschwitz“? Der „Antimilitarismus“ in der Kosovo-Debatte
- Europa, die NATO und das fehlende UN-Mandat – Der,,Multilateralismus“ in der Kosovo-Debatte
- Fazit: Der Kosovo-Einsatz und die politische Kultur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Rolle der politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland im Kontext des Kosovo-Kriegs und der deutschen Beteiligung an den NATO-Bombardements 1999. Das Ziel ist es, die Kontinuitäten und Veränderungen innerhalb der deutschen politischen Kultur im Hinblick auf die Akzeptanz von Militäreinsätzen im Ausland zu beleuchten.
- Der Wandel von einer defensiven Außenpolitik hin zu einer aktiven Rolle Deutschlands in internationalen Konflikten
- Die Bedeutung des „Antimilitarismus“ und des „Multilateralismus“ in der deutschen politischen Kultur
- Die Rolle der rot-grünen Regierung in der Debatte um den Kosovo-Einsatz
- Die Relevanz der historischen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg
- Die Nutzung und die mögliche Veränderung der politischen Kultur in der Argumentation für den Kosovo-Einsatz
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den Kosovo-Einsatz als Zäsur in der bundesdeutschen Außenpolitik dar und beleuchtet die Rolle der Rot-Grünen Regierung in der Entscheidung zur Beteiligung am NATO-Bombardement. Kapitel 2 führt in die politische Kulturforschung ein und erläutert traditionelle Charakteristika der deutschen politischen Kultur, insbesondere in Bezug auf die Außenpolitik. Kapitel 3 skizziert die Entwicklung von Bundeswehreinsätzen im Ausland in den 1990er Jahren. Das Zentrum der Arbeit bilden die Kapitel 4a und 4b, die sich mit den Argumentationen von Befürwortern und Verantwortlichen des Kosovo-Einsatzes beschäftigen. Dabei werden die beiden Themenkomplexe „Antimilitarismus“ und „Multilateralismus“ im Kontext der Kosovo-Debatte analysiert.
Schlüsselwörter
Politische Kultur, Außenpolitik, Kosovo-Krieg, NATO, Bundeswehr, Antimilitarismus, Multilateralismus, Rot-Grün, Deutschland, Geschichte, Wandel, Kontinuität, Bundesrepublikanische Außenpolitik
- Arbeit zitieren
- Jan Jansen (Autor:in), 2001, Rot-grün im Kosovo-Krieg: Wandel und Kontinuität politischer Kultur in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25686