Nach Abschluss der Urabstimmung über eine Lockerung der Trennung von Parteiamt und Parlamentsmandat am 23. Mai 2003 haben die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen1 mit knapp 67% der abgegebenen Stimmen eines ihrer letzten basisdemokratischen Prinzipien entschärft. Damit endete eine mehr als ein Jahrzehnt andauernde Kontroverse zwischen der reformorientierten Realo-Strömung und der konservativen Fundi-Strömung über die Billigung einer Personalunion von Mandatsträger und Abgeordnetem. Auf die 23jährige Geschichte der Partei bezogen, stellt die neueste Satzungsänderung jedoch nur eine Einzelsequenz in einer Abfolge umfassender Modifikationen und Revisionen der basisdemokratischen Elemente dar. Diese Elemente wurden unter Punkt V.1.3 des Bundesprogramms für die Binnenorganisation der Grünen festgelegt und umfassten Trennung von Amt und Mandat, Rotation des politischen Personals, imperatives Mandat für Abgeordnete, Öffentlichkeit der parlamentarischen Arbeit sowie die Prinzipien der Konsensfindung und der Ehrenamtlichkeit aller Funktionäre.
Als erschwerend sowohl für die binnenstrukturelle Einbindung der Basisdemokratie als auch für eine fundierte Bewertung über sie hat sich das Fehlen einer ganzheitlichen sozialwissenschaftlichen Theorie gezeigt. Konstruktive kritische Auseinandersetzungen mit dieser spezifischen Ausprägung innerparteilicher Demokratie wurden bisher allenfalls im Rahmen von Untersuchungen über die gesamte Partei versucht, wobei tief greifende Fokussierungen auf die gesamte Basisdemokratie nicht stattfanden und zumeist nur einzelne, stark umstrittene Prinzipien betrachtet wurden (vgl. Vandamme 2000: 27f.).
An die Stelle des Bundesprogramms von 1980, in dessen Präambel die Grünen sich selbst als „eine Parteiorganisation neuen Typs […], deren Grundstrukturen in basisdemokratischer und dezentraler Art verfasst sind“ (Die Grünen: Bundesprogramm, Präambel) definierten, wurde 2002 ein Grundsatzprogramm gesetzt, das den ehemals hohen Stellenwert der Basisdemokratie weniger deutlich herausstellt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Ursprünge der basisdemokratischen Prinzipien
- Die Entwicklung der Basisdemokratie - Ziele, Folgen, Modifikationen
- Das Konsensprinzip
- Das Öffentlichkeitsprinzip
- Das Prinzip der Ehrenamtlichkeit
- Das imperative Mandat
- Das Rotationsprinzip
- Die Trennung von Amt und Mandat
- Das Parteikonzept der Realos
- Die Binnenorganisation der Grünen heute
- Das Grundsatzprogramm 2002
- Heutige Elemente alternativer Organisation
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Basisdemokratie innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Sie analysiert, inwiefern die heutige Binnenorganisation der Partei noch auf den ursprünglichen Prinzipien der Basisdemokratie beruht, die von den Gründern in den 1980er Jahren übernommen wurden.
- Ursprünge der basisdemokratischen Prinzipien und deren Übernahme aus den Neuen sozialen Bewegungen
- Entwicklung der Basisdemokratie innerhalb der Grünen und die Auswirkungen auf die Partei
- Analyse der einzelnen basisdemokratischen Prinzipien und ihrer Modifikationen
- Vergleich der heutigen Binnenorganisation der Grünen mit den ursprünglichen Gründungsidealen
- Bewertung der Kontinuität oder Abkehr von der Basisdemokratie im Kontext der Etablierung der Grünen im Parteiensystem
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit stellt die aktuelle Debatte um die Basisdemokratie innerhalb der Grünen dar und leitet die Forschungsfrage ein. Sie erläutert die Bedeutung der Basisdemokratie für die Grünen und die Bedeutung der Analyse ihrer Entwicklung.
Die Ursprünge der basisdemokratischen Prinzipien: Dieses Kapitel beleuchtet die Wurzeln der basisdemokratischen Prinzipien innerhalb der Grünen. Es geht auf die Verbindung zu den Neuen sozialen Bewegungen der 1970er Jahre ein, die als Ursprung des Parteiensystems der Grünen gelten. Die Arbeit beschreibt die Prinzipien der Basisdemokratie, die von den Bewegungen übernommen wurden, und stellt die Erwartungen an die Reformierung des parlamentarischen Systems dar.
Die Entwicklung der Basisdemokratie - Ziele, Folgen, Modifikationen: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der konkreten Umsetzung der Basisdemokratie innerhalb der Grünen. Es untersucht die einzelnen Prinzipien wie das Konsensprinzip, das Öffentlichkeitsprinzip, die Ehrenamtlichkeit, das imperative Mandat, das Rotationsprinzip und die Trennung von Amt und Mandat. Die Arbeit betrachtet die ursprünglichen Ziele dieser Prinzipien, die Auswirkungen auf die Parteiarbeit und die Modifikationen, die im Laufe der Zeit erfolgten.
Das Parteikonzept der Realos: Dieses Kapitel beleuchtet die Rolle der reformorientierten „Realos“ innerhalb der Grünen. Es beschreibt die Veränderungen im Parteikonzept, die mit der Etablierung der Grünen im politischen System einhergingen. Die Arbeit untersucht, wie die Realos die Basisdemokratie beeinflussten und welche Auswirkungen dies auf die Binnenorganisation der Grünen hatte.
Die Binnenorganisation der Grünen heute: Dieses Kapitel analysiert die heutige Binnenorganisation der Grünen. Es betrachtet die Rolle des Grundsatzprogramms von 2002 und die noch vorhandenen Elemente der alternativen Organisation. Die Arbeit bewertet, inwieweit die heutige Organisation der Grünen noch auf den Prinzipien der Basisdemokratie beruht.
Schlüsselwörter
Basisdemokratie, Bündnis 90/Die Grünen, Neue soziale Bewegungen, Parteientwicklung, Binnenorganisation, Konsensprinzip, Imperatives Mandat, Rotationsprinzip, Trennung von Amt und Mandat, Realos, Fundis, Grundsatzprogramm, Parteiensystem.
- Arbeit zitieren
- Marc Thomas (Autor:in), 2003, Bündnis 90/ Die Grünen und die Basisdemokratie - Das Ende einer alternativen Binnenstruktur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25695