Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Ein moderner Thesenroman


Seminararbeit, 2004

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Person Michel Houellebecq

3 Zusammenfassung des Romans „Elementarteilchen“

4 Darstellung des Buches als Thesenroman
4.1 Parallelität zwischen dem Inhalt und der Sprache der formulierten Thesen
4.2 Formale Struktur und Stil des Buches unter dem Blickwinkel eines Thesenromans

5 Hauptthesen des Romans: Die Probleme der Gesellschaft und deren Lösung
5.1 Das Schicksal Annabelles
5.2 Ursachen für die Entstehung der individualisierten Gesellschaft
5.2.1 Grund für die Vereinsamung der Menschen am Ende des 20. Jahrhunderts ist die 68er Bewegung
5.2.2 Zerstörung der Familie
5.2.3 Sex als zweites Differenzierungsmittel der Gesellschaft
5.3 Lösung der Probleme durch Abschaffung der Menschheit und Erschaffung einer neuen Rasse

6 Anmerkungen zu Houellebecqs Thesen

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In dieser Arbeit nehme ich eine Analyse des Buches „Les particules élementaires“, in deutscher Übersetzung „Elementarteilchen“, von Michel Houellebecq, vor. Beschäftigt man sich mit dem Roman, so drängt sich, aufgrund unterschiedlicher Anzeichen, die Formulierung Thesenroman auf; ein Begriff, den ich im Folgenden untersuchen werde. Dabei werde ich, von der Definition eines Thesenromans ausgehend, die Annahmen, die Houellebecq trifft, darstellen und sie anschließend mit der erzählten Geschichte in Bezug setzen.

Bevor ich diesen Schritt mache, werde ich die Biografie des Autors näher beleuchten, sowie mich am Ende meiner Arbeit kritisch mit seinen Thesen auseinandersetzen und beschreiben, was für mich den Reiz an Houellebecqs Roman ausmacht.

Leider gibt es bisher sehr wenig Sekundärliteratur, so dass ich lediglich auf das Buch „Das Phänomen Houellebecq“ von Thomas Steinfeld, auf Houellebecqs weitere Werke, sowie auf „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley zurückgreifen konnte.

2 Die Person Michel Houellebecq

Aufgrund des zurückgezogenen Lebens Houellebecqs ist es nicht leicht, seine wahre Biografie zu erfahren. Während in dem Buch „Das Phänomen Houellebecq“ von Thomas Steinfeld (Hg.) zu lesen ist, dass er bei seinen Großeltern aufgewachsen sei, wird dagegen auf seiner Homepage http://www.houellebecq.info/deutsch.php3 berichtet, dass er allein bei seiner Großmutter aufwuchs. Beim näheren Betrachten von Interviews Houellebecqs wird deutlich, dass er an dem Verbreiten von Legenden um seine Person durchaus interessiert ist. Bei meinen Recherchen bin ich auf keine fundierten Quellen über seine Kindheit gestoßen, daher werde ich hier nur wenig detailliert auf sein Leben eingehen und mich an den Ausführungen von Thomas Steinfeld orientieren.

Michel Houellebecq wurde 1958 auf der Insel La Réunion geboren und wuchs bei seinen Großeltern in Crécy-La-Chapelle auf. Der Name Houellebecq stammt von seiner Großmutter. 1980 bekam er sein Diplom als Agraringenieur und arbeitete seit dem als Informatiker.[1]

Seine erstes literarisches Werk war der Gedichtband „Poursuite du bonheur“ aus dem Jahr 1992, für den er den Prix Tristan Tzara bekam.

Den Durchbruch schaffte er 1994 mit dem Roman „Extension du domaine de la lutte“, in der Deutschen Übersetzung „Ausweitung der Kampfzone“, der bereits 1999 verfilmt wurde. Sein zweiter Roman „Les particules élémentaires“ erschien 1998 und ist bezüglich der Thematik eine gedankliche Weiterführung des ersten Romans.

Ebenfalls 1998 veröffentlicht er einen Essayband „Interventions“, in der deutschen Ausgabe „Die Welt als Supermarkt“. 2001 kommt sein dritter Roman auf den Markt, „Plateforme“, bzw. die deutsche Übersetzung „Plattform“. Auch dieser Roman kann bezüglich der Thematik des Sextourismus und der Gesellschaftskritik als Weiterentwicklung seiner Gedanken verstanden werden.

Dieses ist nur eine Auswahl seiner Veröffentlichungen. Houellebecq hat sich nicht allein durch Erzählungen wie „Elementarteilchen“ oder „Plattform“, sondern eben auch durch das Verfassen von Essays und vor allem von Gedichtbänden ausgezeichnet.

Er selbst zieht die Poesie der Prosa vor, wie er in einem Interview, veröffentlicht im Essayband Die Welt als Supermarkt sagt: „Die Poesie ist das natürlichste Mittel, um die reine Intuition eines Augenblicks zu vermitteln. […] Solange man bei der Poesie bleibt, bleibt man bei der Wahrheit.“[2].

3 Zusammenfassung des Romans „Elementarteilchen“

Houellebecq gibt dem Buch durch eine Vor- und eine Nachrede einen Rahmen, in dem er seine Geschichte abspielen lässt. Die Geschichte selbst ist nochmals in drei Teile gegliedert. Auf diesen Aufbau werde ich später noch genauer eingehen. In besagtem Rahmen berichtet ein Erzähler rückblickend aus der Sicht des Jahres 2050 über die Gesellschaft am Ende des 20. Jahrhunderts. Er beschreibt die Gesellschaft exemplarisch an den beiden Halbbrüdern Michel Djerzinski und Bruno Clément. Die Geschichte der beiden Brüder wird erzählt wie eine Vorlesung.

Michel ist Molekularbiologe und wird zum Wegbereiter der neuen menschlichen Rasse, die 2050 die alte Menschheit abgelöst hat und aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, bevor er sich selbst das Leben nimmt. Bruno wird Lehrer und leidet sein gesamtes Leben an einem extrem ausgeprägten Sexualtrieb, was ihn schließlich zur eigenen Einweisung in eine psychiatrische Klinik führt.

Beide werden von ihrer Mutter Janina Ceccaldi verlassen, die die Erziehung der Kinder nicht mit ihrer individuellen Freiheit der 68er Generation vereinbaren kann. Der Vater Brunos ist ein Schönheitschirurg, der durch mehrere Kliniken anfänglich zu großem Reichtum kommt. Doch die Ehe mit Janina ist nur von kurzer Dauer. Sie beginnt eine Beziehung mit Marc Djerzinski, einem Dokumentarfilmer. Die Väter interessieren sich ebenfalls nicht für Ihre Söhne, daher wachsen die Beiden zunächst bei ihren Großeltern auf. Bruno bei den Großeltern mütterlicherseits und Michel bei der Großmutter seines Vaters Marc Djerzinski. Während Michel eine recht problemlose Kindheit erlebt, jedoch von seinen Mitschülern als Außenseiter betrachtet wird, durchlebt Bruno im Internat entsetzliche Jahre. Sein Großvater stirbt 1961, seine Großmutter lediglich 5 Jahre später. Bruno wird dadurch 9jährig in einem Internat untergebracht, wo er als Schwächster der Klasse von den Stärkeren gedemütigt und unterdrückt wird. An den Wochenenden nimmt ihn sein Vater zu sich nach Paris, wo er aber völlig vernachlässigt und ohne Aufsicht des Vaters aufwächst.

Beide Kinder sind durch Ihre Sozialisation völlig unfähig Liebe zu entwickeln. Während Michel in Annabelle, einem äußerst schönen Mädchen, eine Jugendfreundin findet mit der sich aber nie eine Beziehung entwickeln wird wächst Bruno völlig ohne Freunde auf. Bruno entwickelt, wie bereits erwähnt, einen sehr ausgeprägten Sexualtrieb, den er aber in seiner Jugend nicht ausleben kann. Michels Sexualtrieb dagegen ist „unterentwickelt“.

Beide studieren, Bruno wird Lehrer, während Michel Mathematik und Physik studiert und dann Molekularbiologe wird. Bruno erlebt nach einer sexuellen Eskapade, in der er eine Schülerin sexuell belästigt und dem anschließenden Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik, eine kurze Zeit des Glücks, als er in einem Feriencamp Christiane kennen lernt. Mit ihr lebt er zum ersten Mal in seinem Leben seine Sexualität aus und besucht mit ihr Swinger-Clubs. Doch Christiane erleidet einen Bandscheibenvorfall bei einem ihrer Clubbesuche und wird querschnittsgelähmt. Sie möchte Bruno nicht zur Last fallen und stürzt sich eine Treppe hinunter, um ihrem Leben ein Ende zu setzen. Anschließend lässt sich Bruno wieder in eine psychiatrische Klinik einweisen, die er bis zu seinem Lebensende nicht mehr verlassen wird.

Michel dagegen geht nie eine wirkliche Beziehung zu einer Frau ein. Seine Jugendfreundin Annabelle, versucht zwar eine Beziehung mit ihm aufzubauen, jedoch ist Michel dazu nicht in der Lage. Er weiß nicht was Liebe ist und ist unfähig ein derartiges Gefühl zu verspüren. Er wendet sich voll und ganz seiner Arbeit zu. Schließlich gehen er und Annabelle nach dem Abitur eigene Wege, treffen sich jedoch viele Jahre später wieder, und gehen eine Art Beziehung ein, in der Michel aber wiederum nie Liebe spüren kann. Annabelle stirbt, wie auch Christiane, am Ende des Romans durch Selbstmord. Sie leidet an Gebärmutterkrebs und versucht sich mit Medikamenten selbst umzubringen. Sie stirbt ein paar Tage nach diesem Suizidversuch in der Klinik. Michel zieht anschließend nach Irland, schließt seine Forschungen ab und begeht letztendlich ebenfalls Selbstmord.

4 Darstellung des Buches als Thesenroman

Der Roman kann durch seinen Inhalt, wie auch durch seine Form als Thesenroman verstanden werden. In einem Thesenroman versucht der Autor, gewisse philosophische oder politische Ansichten durch seine Figuren auszudrücken. Ich werde nun versuchen, dies anhand der Figuren und des Schreibstils Houellebecqs nachzuweisen.

4.1 Parallelität zwischen dem Inhalt und der Sprache der formulierten Thesen

Houellebecq bettet seine Thesen passgenau in die Romanhandlung ein – meines Erachtens ein besonderer Reiz an seinem Schreibstil. Selten lässt er seine Figuren über die Thesen referieren, zum Beispiel ein Gespräch zwischen Bruno und Michel über die Schöne neue Welt von Aldous Huxley (vgl. S.176ff). Meist unterbricht er seine Handlung durch kurze Einschübe aus verschiedenen Gebieten der Wissenschaft, in denen er seine Thesen vorbringt und die er so verpackt, dass sie die Handlungen seiner Figuren erklären. Die Biologie und die Physik sind hier am häufigsten vertreten, so stellt Houellebecq zum Beispiel das System der Hierarchiebildung im Tierreich dar und überträgt es anschließend auf Brunos Stellung im Internat (vgl. S.50f), oder wenn er eine Abhandlung über Elementarteilchen (vgl. S. 139) vorträgt. Außerdem stellt er zahlreiche philosophische Thesen auf, die zumeist die Religion betreffen. „Der Wert einer Religion wird durch die Qualität der Moral bestimmt, die sie zu begründen vermag.“ (S. 304). Gleichfalls sind psychologische Ansätze zu erkennen, meiner Meinung nach, stellen die Lebensläufe der beiden Brüder Thesen dar. Sie folgen streng psychologischen Grundsätzen, wie in folgendem Textauszug zu erkennen ist.

„Der frühe Körperkontakt mit seinen Artgenossen scheint […] lebenswichtig zu sein. Der Entzug des körperlichen Kontakts mit der Mutter während der Kindheit führt etwa […] zu schweren sexuellen Verhaltensstörungen und insbesondere zu einem gehemmten Paarungsverhalten.“ (S. 66)

[...]


[1] Vgl. Steinfeld, T. (Hrsg.): Das Phänomen Houellebecq. Köln 2001 S.265

[2] Houellebecq, M.: Die Welt als Supermarkt. Köln 1999 S. 34

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Ein moderner Thesenroman
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V25853
ISBN (eBook)
9783638283663
ISBN (Buch)
9783638760218
Dateigröße
602 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Michel, Houellebecq, Elementarteilchen, Thesenroman, Proseminar
Arbeit zitieren
Michael Pehle (Autor:in), 2004, Michel Houellebecq: Elementarteilchen. Ein moderner Thesenroman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25853

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