Dieser Arbeit liegt eine Streitfrage zugrunde, die schon während des Ersten Weltkrieges aufkam und bis zum Zweiten aktuell blieb: die Frage nämlich, wer die Verantwortung für diese Katastrophe trage. Aufgrund des §231 des Versailler Vertrages, welcher dem Deutschen Reich die alleinige Verantwortung am Ausbruch des Krieges zuschob, besaß diese Frage in der deutschen Öffentlichkeit einen bedeutenden Stellenwert, der sich erst mit den durch den Zweiten Weltkrieg hervorgerufenen Probleme verminderte. In der Zeit nach 1945, als die Aufarbeitung des Hitlerregimes oberste Priorität in der Geschichtswissenschaft genoß, wurde die "Suche nach dem Schuldigen" in gegenseitigem Einvernehmen mit den ehemaligen Kriegsgegnern quasi zu den Akten gelegt.
Fast ein halbes Jahrhundert nach Kriegsbeginn veröffentlichte der Hamburger Historiker Fritz Fischer in einem Aufsatz die vorläufigen Ergebnisse seiner langjährigen Studien zu den deutschen Kriegszielen im Osten 2 , dem er 1961 ein umfangreiches Werk zu der deutschen "Kriegszielpolitik" während des Krieges folgen ließ 3 . Dieses Werk schlug in der etablierten Historikerzunft ein wie eine Bombe, und die nächsten Jahre der deutschen Geschichtsforschung waren geprägt von der Auseinandersetzung zwischen den Anhängern und den Gegnern von Fischers Thesen (Kap.2).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Fragestellung
- Quellenlage und Forschungsstand
- Die Fischer-Kontroverse
- Das deutsche Geschichtsbild bis 1960
- Weimarer Republik und Drittes Reich
- Nachkriegszeit
- Der "Griff nach der Weltmacht"
- Fischers Thesen zum Kriegsausbruch
- Die Kritiker
- Die Kontroverse in den 60er Jahren
- Die Fischer-Kontroverse in der Öffentlichkeit
- Zusammenfassung
- Das deutsche Geschichtsbild bis 1960
- Die bundesdeutsche Geschichtsforschung nach Fischer
- Geschichte und Sozialwissenschaft
- Die "neue Generation"
- Zusammenfassung: Die Kontroverse und ihre Folgen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Frage der Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg und untersucht, wie diese Frage in der deutschen Geschichtsforschung seit der Fischer-Kontroverse diskutiert wurde. Ziel ist es, die Entwicklung der Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland darzustellen, indem die wichtigsten Debatten und die Veränderungen im Forschungsstand beleuchtet werden.
- Die Rolle der "Fischer-Kontroverse" in der deutschen Geschichtsforschung
- Die Entwicklung des deutschen Geschichtsbildes zum Ersten Weltkrieg
- Die Bedeutung von Fischers Thesen zur "Kriegszielpolitik" des Deutschen Reiches
- Der Einfluss der Kontroverse auf die methodischen Ansätze in der Geschichtsschreibung
- Die bleibende Relevanz der Frage nach der Kriegsschuld für das Verständnis des Ersten Weltkrieges
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung und die Quellenlage der Arbeit dar, die sich mit der Frage der Kriegsschuld im Ersten Weltkrieg in der deutschen Geschichtsforschung beschäftigt. Kapitel 2 untersucht die "Fischer-Kontroverse" und ihre Bedeutung für die deutsche Geschichtsschreibung. Es analysiert die Kontroverse um die Thesen des Historikers Fritz Fischer, der in seinem Werk "Griff nach der Weltmacht" die Kriegszielpolitik des Deutschen Reiches untersuchte. Kapitel 3 beleuchtet die Entwicklung der bundesdeutschen Geschichtsforschung nach Fischer, die sich zunehmend mit sozialen, ökonomischen und anderen Faktoren auseinandersetzt. Schließlich fasst Kapitel 4 die Ergebnisse der Kontroverse zusammen und geht der Frage nach, inwieweit die tieferen Kriegsursachen und die Rolle Deutschlands an der Kriegsauslösung in der Forschung beantwortet wurden.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit Themen wie Kriegsschuld, Geschichtsforschung, Fischer-Kontroverse, deutsche Kriegszielpolitik, Erster Weltkrieg, deutsche Geschichtsschreibung, Sozialgeschichte, und historische Forschung.
- Quote paper
- Maik Nolte (Author), 2003, Angriffs- und Eroberungskrieg oder Präventivkrieg? Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges in der Geschichtsforschung der Bundesrepublik seit der Fischer-Kontroverse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25914