Suizidprävention an Schulen - Zwei Konzepte im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

31 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffsbestimmungen
2.1 Suizidalität
2.1 Adoleszenz
2.2 Prävention

3 Suizidalität bei Jugendlichen
3.1 Häufigkeiten und Methoden von Suiziden und Suizidversuchen unter Berücksichtigung der Geschlechtsspezifik
3.2 Ursachen
3.3 Warnsignale

4 Möglichkeiten der Suizidprävention an Schulen
4.1 Bedeutung von Suizidprävention an Schulen
4.2 Das Modell „Alex“
4.3 Eine Unterrichtseinheit zur Krisenintervention und Prävention
4.4 Der Vergleich beider Konzepte

5 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Suizidverhütung beginnt dort, wo sich zwei Menschen begegnen“

(Kamm / Jehli / Wiesner 2003, S. 10)

Bei Jugendlichen stellt der vollendete Suizid gleich nach Verkehrsunfällen die zweithäufigste Todesursache dar. Nach psychologischen Schätzungen befindet sich in jeder Klasse eine Schülerin oder ein Schüler, die oder der potentiell suizidgefährdet ist. Die Ursachen dafür sind unter anderem im sozialen Umfeld der Jugendlichen zu finden. Daher ist es sowohl für LehrerInnen, als auch für SozialpädagogInnen von großer Bedeutung, sich mit diesem Thema zu beschäftigen und es in ihre Arbeit einzubeziehen.

Um mit dieser Problematik angemessen und professionell umgehen zu können, ist es von großer Wichtigkeit, die Ursachen und Motive zu kennen und die Signale der Jugendlichen zu verstehen. Auf diese Weise wird es möglich, eine Suizidgefährdung zu erkennen und weiterführende Handlungskonzepte zu erarbeiten. Die hohe Zahl der Selbsttötungen bei jungen Menschen ist aber auch ein Aufruf, schon vorbeugend tätig zu werden. Doch noch immer stellt dieses Thema ein Tabu dar. Eine Hemmschwelle von Vorurteilen und Ängsten lässt viele PädagogInnen vor dieser Problematik zurückschrecken. Nur die gezielte Beschäftigung mit diesem Thema und ein umfassendes Wissen ermöglicht es, eigene Unsicherheiten und Befangenheiten abzubauen und somit den Gefährdeten sowohl helfend, als auch präventiv, zur Seite zu stehen.

Aufgrund dieser Gedanken, wurde die Arbeit folgendermaßen gegliedert: Im zweiten Kapitel erfolgt eine Bestimmung der Begriffe „Suizidalität“, „Adoleszenz“ und „Prävention“, um auf das Thema einzustimmen und eine Basis für die weiterführenden Kapitel zu schaffen. Im nächsten Kapitel folgt die Darstellung von Zahlen und Fakten zur Häufigkeit von suizidalem Verhalten, um so das Ausmaß bei Jugendlichen zu verdeutlichen. Es werden weiterhin die häufigsten Methoden der Selbsttötung aufgeführt. Beide Aspekte werden im Hinblick auf geschlechtsspezifische Unterschiede untersucht. Des weiteren wird betrachtet, welche Ursachen suizidales Verhalten bei Jugendlichen haben kann und welche Warnsignale diese aussenden. Dies ist ein wichtiger Punkt für die Arbeit von PädagogInnen. Das folgende vierte Kapitel beschäftigt sich detailliert mit der Suizidprävention an Schulen, welche für LehrerInnen und SozialpädagogInnen gleichsam interessant ist. Nach einer Prüfung der Bedeutung von Präventionsmaßnahmen, folgt ein Vergleich von zwei Möglichkeiten, vorbeugend in der Schule tätig zu sein. Es wird das „Modell Alex“ vorgestellt, welches durch außenstehende BeraterInnen durchgeführt wird, und eine Unterrichtseinheit, die von Dr. phil. Heidrun Bründel entwickelt wurde, um LehrerInnen, die Suizidprävention zu erleichtern. Beide Möglichkeiten werden verglichen und ihre Vor- und Nachteile aufgeführt. Zum Abschluss der Arbeit wird eine kritische Schlussbetrachtung durchgeführt.

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Suizidalität

Häufig geht der Begriff „Suizid“, welcher sich vom lateinischen sui caedere ableitet und übersetzt „Selbsttötung“ heißt, mit Synonymen wie „Freitod“ oder „Selbstmord“ einher, welche eine akzeptierende oder ablehnende Wertung beinhalten. Autoren wie Wolfram Dorrmann sind der Ansicht, dass der Begriff „Selbstmord“ für einen bewussten Akt steht, was psychotherapeutische Sichtweisen nicht zulässt. Der Ausdruck „Mord“ propagiert außerdem Illegalität, obgleich die Bestrafung dieser Handlung im 18. Jahrhundert aufgehoben wurde (vgl. Dorrmann 1998, S. 29). In den folgenden Ausführungen werden nur die Begriffe „Suizidalität“ und „Selbsttötung“ verwendet, da sie sich durch ihre Neutralität auszeichnen.

Um den Begriff des Suizids vollständig zu verstehen und zu erklären, sind die Begriffe der Suizidideen, des Suizidversuchs und des Suizids zu definieren.

Suizidideen beinhalten das Nachdenken über den Tod im Allgemeinen und den eigenen Tod. Die direkten Vorstellungen von Suizidhandlungen stehen hier im Mittelpunkt (vgl. Bronisch 2002, S. 11). Abzugrenzen davon ist der Suizidversuch, unter dem Handlungen zu verstehen sind, die das Ziel verfolgen, das eigene Leben zu beenden, sei es durch Selbstvergiftung oder Selbstverletzung. Die WHO schlägt in diesem Zusammenhang den Begriff des Parasuizides vor, der vor allem die Appellfunktion des Versuchs hervorhebt (vgl. Steinhausen 2000, S. 244). Hier sehen viele Autoren auch den Unterschied zwischen dem Suizidversuch und dem Suizid, der als zum Tode führende Suizidversuch definiert werden kann. Der Suizid kann als deutliche Abkehr vom Leben und den festen Willen, die Gemeinschaft zu verlassen, gesehen werden, während der Suizidversuch eher als ein Appell an die Umwelt und eine Zuwendung zur Gemeinschaft betrachtet werden kann (vgl. Bründel 1993, S. 41).

Eine komplexe Definition von Suizidabsichten stammt von Dorrmann:

„Von Selbsttötungsabsichten einer Person spricht man, wenn diese Person Verhaltensweisen zeigt oder auch gedankliche Prozesse berichtet, welchen Handlungen oder auch Unterlassungen darstellen bzw. solche Planungen zum Inhalt haben, die aus Sicht der Person zwangsläufig kurz- oder auch langfristig zum Tod führen oder die eigene Gesundheit in existentieller Weise gefährden.“

(Dorrmann 1998, S. 30)

Diese Definition schließt beabsichtigte Selbsttötungsversuche und unbewusste Todessehnsüchte ein, sowie den Suizid als langfristige Folge eines selbstzerstörerischen Verhaltens, wie zum Beispiel beim Drogenkonsum. Des weiteren sind passive Selbsttötungsgedanken wie „Wenn mich jetzt ein Auto überfahren würde, wäre das auch nicht so schlimm“, als auch die akute Suizidalität berücksichtigt (vgl. Dorrmann 1998, S. 30).

Eine Gruppierung der Suizidversuche stammt nach Steinhausen von Hawton (1986), welcher eine empirisch gestützte Einteilung in drei Gruppen vornahm:

Akut: Die zum Zeitpunkt des Suizidversuchs festgestellten Probleme bestehen seit weniger als einem Monat und Verhaltensauffälligkeiten fehlen.

Chronisch: Die zum Zeitpunkt des Suizidversuchs festgestellten Probleme bestehen seit einem Monat oder länger, Verhaltensauffälligkeiten fehlen

Chronisch mit Verhaltensauffälligkeiten: Die zum Zeitpunkt des Suizidversuchs festgestellten Probleme bestehen seit einem Monat oder länger, es liegen Verhaltensauffälligkeiten in der unmittelbaren Vergangenheit vor, wie Stehlen, wiederholtes Weglaufen, Drogeneinnahme, Trinkexzesse, körperliche Auseinandersetzungen oder Konflikte mit der Polizei (vgl. Steinhausen 2000, S. 244).

2.1 Adoleszenz

Da sich diese Arbeit mit der Suizidalität von Jugendlichen beschäftigt, wird im Folgenden der Begriff Adoleszenz näher beleuchtet. Dieser sich aus dem Lateinischen (adolescentia = das Jünglingsalter, die Jugend) stammende Terminus, steht für die Zeit zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter. Die zeitliche Erstreckung dieser Phase wird unterschiedlich beurteilt. Der Brockhaus „Psychologie“ definiert Adoleszenz als den Lebensabschnitt nach der Pubertät zwischen dem 17. und 21. Lebensjahr (vgl. Der Brockhaus: Psychologie 2001, S. 15). Oerter und Dreher dagegen sehen die Adoleszenz als ein Stadium, welches sich über ein Jahrzehnt erstreckt. Sie unterteilen diese Zeit in drei Phasen: die frühe Adoleszenz zwischen dem 11. und 14. Lebensjahr, die mittlere Adoleszenz vom 15. bis 17. Jahr und die späte Adoleszenz zwischen dem 18. und 21. Lebensjahr (vgl. Oerter / Dreher 2002, S. 259).

Diese Zeit ist gekennzeichnet durch eine intensive körperliche und intellektuelle Entwicklung. Die Jugendlichen setzen sich kritisch mit der Familie, mit Gleichaltrigen, aber auch mit kulturellen und ethischen Werten auseinander. Wichtige Entwicklungsaufgaben in dieser Zeit sind die Selbstfindung, die Übernahme der Geschlechtsrolle und der Umgang mit Sexualität. Des weiteren ist die Ablösung vom Elternhaus und auch eine allgemeine Lebens- und Berufsorientierung zu bewältigen. Diese Entwicklung ist auch mit Schwierigkeiten verbunden. Die Jugendlichen beschäftigen sich stark mit sich selbst und mit problematisch erscheinenden Einstellungs- und Verhaltensweisen. Häufig begleiten Einsamkeits- und Unsicherheitsgefühle diesen Zeitabschnitt. Diese Schwierigkeiten werden von den Jugendlichen auf unterschiedlichste Art bewältigt (vgl. Der Brockhaus: Psychologie, S. 282 f).

Ein Weg der Konfliktlösung ist für Heranwachsende der Suizid, was die Zahl der Selbsttötungsversuche beweist. Doch bevor die Häufigkeit und die Ursachen untersucht werden, folgt zunächst eine Definition des Begriffes „Prävention“, welche einen wichtigen Gesichtspunkt dieser Ausführungen darstellt.

2.2 Prävention

Der Begriff „Prävention“ stammt vom spätlateinischen praeventio ab und bedeutet übersetzt „das Zuvorkommen“.

In der psychosozialen Versorgung verfolgt die Prävention das Ziel, eine Alternative zum auf den Einzelnen begrenzten, heilenden Aspekt, zu schaffen und somit auch die Kosten im Sozial- und Gesundheitsbereich zu senken.

Die Prävention lässt sich in drei Kategorien einteilen: die primäre, die sekundäre und die tertiäre Prävention. Die Primärprävention schließt vorbeugende Maßnahmen zur Verhinderung von Störungen ein. Die Sekundärprävention soll so frühzeitig wie möglich Störungen erkennen und entsprechende Interventionen folgen lassen. Das Ziel der Tertiärprävention ist das Verhindern von Langzeitfolgen oder der Chronifizierung. Es wird deutlich, dass sich die Prävention durch alle Teile der psychosozialen und gesundheitlichen Versorgung ziehen kann (vgl. Stark 1999, S. 563 f).

Nach diesen drei Kategorien lassen sich auch im Bereich der Suizidprävention die drei verschiedenen Maßnahmen unterscheiden:

Die Primärprävention beinhaltet alle unspezifischen, vorbeugenden Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen. Auf der gesellschaftlich - politischen Ebene geht es um den Einsatz für bessere, gesundheitsförderliche Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen. Im sozialen Bereich werden diese allgemeinen Zielsetzungen konkretisiert. Hier zählt die aktive Unterstützung bei der Mitgestaltung des persönlichen Lebensumfeldes von Jugendlichen, so dass sie zum Beispiel befriedigende soziale Beziehungen eingehen und halten können. Auf der individuellen Ebene geht es um Maßnahmen der Förderung des Selbstwertgefühls, einer selbstbestimmten Lebensführung und der Entfaltung von Kreativität und Kompetenz.

Die Sekundärprävention schließt spezifische, vorbeugende und auch eingreifende Maßnahmen ein und richtet sich an spezielle und besonders gefährdete Jugendliche und Problemgruppen und deren Umfeld. Dies kann sich zum Beispiel in Gruppenangeboten, in der Beratung und Begleitung von Einzelnen und Gruppen und in Interventionen im Vorfeld von suizidalen Handlungen oder bei akuten Krisen darstellen.

Da circa 80% der Suizidenten innerhalb der nächsten zwei Jahre nach ihrem Selbstmordversuch weitere Versuche unternehmen, sich zu töten, ist die Tertiärprävention von großer Bedeutung. Sie steht für die Bemühungen um Nachsorge oder Postvention (vgl. Döring 2001, S. 16 f).

Nachdem an diesem Punkt die Definition der Schwerpunkte dieser Arbeit abgeschlossen ist, folgt eine genaue Betrachtung des Suizidgeschehens bei Jugendlichen in Hinblick auf die Häufigkeit und die angewandten Methoden, wobei Geschlechterdifferenzen berücksichtigt werden.

3 Suizidalität bei Jugendlichen

3.1 Häufigkeiten und Methoden von Suiziden und Suizidversuchen unter Berücksichtigung der Geschlechtsspezifik

Es ist festzustellen, dass die Dunkelziffer vor allem bei den Suizidversuchen sehr hoch ist, bedingt durch die Unschärfe der Definition, die mangelnde Differenzierung zwischen Unfällen und Selbsttötungsversuchen und das Fehlen von umfassenden Fallregistern. Die Suizide werden oft von den Angehörigen aus Gründen der Scham und Schuld als Unfälle angegeben (vgl. Steinhausen 2000, S. 244 ff).

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Suizidprävention an Schulen - Zwei Konzepte im Vergleich
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg  (Sozialwesen)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
31
Katalognummer
V25992
ISBN (eBook)
9783638284660
ISBN (Buch)
9783668399365
Dateigröße
593 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Suizidprävention, Schulen, Zwei, Konzepte, Vergleich
Arbeit zitieren
Anne Waterstradt (Autor:in), 2004, Suizidprävention an Schulen - Zwei Konzepte im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25992

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