Indikation zur Gesprächspsychotherapie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Diagnostik und Indikation in der Gesprächspsychotherapie
2.1 Zur Praxislage
2.2 Therapiekonzept und Störungsmodell nach C. Rogers
2.3 Status- versus Prozessdiagnose?

3. Wann ist eine Psychotherapie angezeigt?
3.1 Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Kostenträger
3.2 Indikation nach dem Theorie-Konzept der Gesprächspsychotherapie
3.2.1 Indikation nach dem Störungsbild .
3.2.2 Klinische Indikation

4. Zur Wirksamkeit verschiedener Verfahren

5. Alternative Konzepte: Adaptive Interventionsstrategien
5.1 Konzeptinterne Ansätze
5.2 Konzeptübergreifende Ansätze
5.2.1 Methoden-Kombination
5.2.2 Methoden-Integration

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang

1. Einleitung

In der Medizin wird, nach Pschyrembel Klinisches Wörterbuch (1990, S. 78), Indikation definiert als

„...sog. Heilanzeige; Grund zur Verordnung eines best. diagnostischen oder therapeutischen Verfahrens in einem definierten Krankheitsfall, der seine Anw. hinreichend rechtfertigt,...“.

Dorsch Psychologisches Wörterbuch (1998, S. 392) versteht unter Indikation

„...das, was sich als das Geeignete (für einen zu ändernden Sachverhalt) ergibt. Im Zusammenhang mit Psychotherapie wurde die Indikation in dem Maße wichtiger, wie gesicherte Erkenntnisse zur (selektiven) Wirksamkeit psychotherapeutischer Maßnahmen bei verschiedenen Störungen vorliegen. ...Basis für I. ist die Diagnostik bzw. die individuelle Fallkonzeption. Für immer mehr psychische Störungen werden störungsspezifische Vorgehensweisen entwickelt und in ihrer Wirksamkeit überprüft, andererseits spielen für den Therapieerfolg auch andere Faktoren, wie störungsunabhängige Eigenarten der zwischenmenschlichen Beziehungsgestaltung eines Patienten eine Rolle , die bei der I. berücksichtigt werden sollten.“

Nach Eckert (1997, S. 42) ist eine psychotherapeutische Behandlung grundsätzlich dann angezeigt, wenn die Störung des Klienten einen psychischen Ursprung erkennen lässt, und durch die Therapie „mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit“ eine Besserung der Störung zu erwarten ist.

Kann dies positiv beschieden werden, ist weiterhin mit Seidenstücker und Baumann (1979, zitiert nach Schneider; 2000, S. 148) zu fragen,

„Bei welchen Patienten mit welcher psychischen Problematik beziehungsweise psychischen Störung ist welche Behandlungsmaßnahme beziehungsweise welche Sequenz von Behandlungsmaßnahmen beziehungsweise welche Sequenz von Behandlungselementen durch welchen Therapeuten zu welcher Zielsetzung wie angemessen, wie effektiv und wie effizient?“

Eine Quersicht der relevanten Literatur vermittelt den Eindruck, als würde unter Medizinern wie Therapeuten im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass der Psychoanalyse tiefgehende, bzw. weit zurückliegende Störungen vorbehalten seien, randständige Symptome, wie Phobien oder aktuelle Traumatisierungen werden der Verhaltenstherapie zugewiesen, während für eine GT nur „leichte“, Störungen, wie leichte Neurosen, psychosomatische Beschwerden, oder auch psychische Belastungen in Folge einer somatischen Erkrankung angezeigt sind[1]. Darüber hinaus wird schulenübergreifend der Erwerb psychotherapeutischer Grundkenntnisse (und hier besonders Elemente der GT) generell für Mediziner zur effizienten Unterstützung einer somatischen Primärtherapie gefordert.

Hier zeigt sich bereits, dass in der Alltagspraxis anscheinend unterschieden wird, zwischen der Gesprächspsychotherapie als Therapietechnik einerseits und als Therapiekonzept andererseits. In diesem Zusammenhang wird ein Unterschied zwischen Vertretern einer gesprächspsychotherapeutischen Ausrichtung und Vertretern anderer Therapieansätze sichtbar: erstere beziehen sich in mehr oder minder modifizierter Form auf das von Carl Rogers begründete Therapiekonzept einschließlich seines zugrundeliegenden Menschenbildes und des daraus resultierenden Störungsmodells, was dazu führt, dass die Gesprächspsychotherapie von deren praktizierenden Therapeuten prinzipiell für jede Art psychischer Störung bis hin zu schwerwiegenden Persönlichkeitsstörungen (erfolgreich) eingesetzt wird; letztere dagegen verweisen in eklektizistischer Vorgehensweise auf die Vorzüge bestimmter Techniken, ohne dabei dem Störungsmodell Rechnung zu tragen.

Erschwerend kommt bei der theoretischen Abklärung der Indikationsstellung zur Gesprächspsychotherapie hinzu, dass Rogers die herrschende Praxis der Statusdiagnostik als wenig hilfreich und mit seinem Therapiekonzept als nicht vereinbar kritisiert hatte.

„Das Individuum steht im Mittelpunkt der Betrachtung und nicht das Problem. Das Ziel ist nicht, ein bestimmtes Problem zu lösen, sondern dem Individuum zu helfen, sich zu entwickeln, so daß es mit dem gegenwärtigen Problem und mit späteren Problemen auf besser integrierte Weise fertig wird.“ (Rogers, 1942/1973, 36, zitiert nach Linster, 1999).

Diese Haltung seitens Rogers hat unter den Gesprächspsychotherapeuten eine heftige Diskussion über Wert und Notwendigkeit einer Diagnosestellung ausgelöst. Dass es dennoch zu einem einheitlicheren Tenor in dieser Fragestellung gekommen ist, ist nicht nur auf die von Rogers selbst initiierte Psychotherapieforschung und den darin erfassten klinischen Notwendigkeiten zurückzuführen, sondern durchaus auch auf das herrschende Gesundheits- und Abrechnungssystem.

Im folgenden Beitrag soll zunächst auf die theoretischen Hintergründe der Indikationsfrage und dann auch auf die praktische Vorgehensweise eingegangen werden.

2. Diagnostik und Indikation in der Gesprächspsychotherapie

2.1 Zur Praxislage

Unabhängig von der jeweils vertretenen theoretischen Ausrichtung und den zugrundeliegenden Störungsmodellen ist Psychotherapie, wie Rosin und Tress (1994, S. 154) formulieren, „eine abgrenzbare und honorarpflichtige Leistung. Für ihre Anwendung gilt – wie für alle vergüteten Leistungen ärztlichen Bemühens – die Trias Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit.“ Diese Aussage lässt sich sicherlich problemlos auf „außerärztliches“ psychotherapeutisches Bemühen generalisieren. Zunächst einmal ist hier, zumal bei Vorliegen spezifischer Symptomatik, die Frage zu klären, ob überhaupt ein psychotherapeutisches Verfahren angezeigt ist, bzw. ob dieses eventuell begleitend zu somatischen Interventionen (z.B. bei der Betreuung chronisch Kranker) zur Anwendung kommt.

Wie in der Definition nach Dorsch (s.o.) bereits angedeutet, spielen im Rahmen der Indikationsstellung neben nosologischen nicht nur weitere klientenspezifische Faktoren eine Rolle, sondern darüber hinaus auch theorie- und therapeutenspezifische Faktoren, welche sowohl in der Gesprächpsychotherapie als auch in anderen therapeutischen Verfahren zum Tragen kommen.

Obgleich diese Variablen, die sich in diversen empirischen Studien zur Evaluation der Wirksamkeit, bzw. Wirkfaktoren verschiedener Therapieverfahren als relevant gezeigt haben, prinzipiell bekannt und in ihrer theoretischen Bedeutung anerkannt sind, lässt sich deren praktische Auswirkung auf den Therapieprozess und damit letztlich auch auf den Therapieerfolg nicht aufgrund einer Falldiagnose unumstößlich prognostizieren. Dies steht im Gegensatz zu den Forderungen der Kostenträger, die auf der Basis einer Differentialdiagnose nach ICD 10 oder DSM IV und einer entsprechenden Differentialintervention den zu erwartenden Behandlungserfolg möglichst innerhalb eines befristeten Zeitraums „garantiert“ wissen möchten.

Die beschriebene Situation führt dazu, dass die Frage der Indikationsstellung nicht nur zwischen verschiedenen Therapieschulen sowie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sondern auch von Vertretern innerhalb dieser Schulen kontrovers diskutiert wird.

Der folgende Beitrag soll einzelne Aspekte dieser Problematik vor allem im Hinblick auf die Gesprächspsychotherapie näher beleuchten.

2.2 Therapiekonzept und Störungsmodell nach C. Rogers

Der „klassische“ Ansatz der Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie, wie er von Carl Rogers auf der Basis seines Störungsmodells in den 40er und 50er Jahren konzipiert wurde, geht von einem therapeutischen Beziehungsangebot als Grundlage für eine konstruktive Problembearbeitung seitens des Klienten aus. Rogers selbst definierte seine „Basisvariablen“ bzw. „Therapieprinzipien“ Empathie, Akzeptanz und Kongruenz.[2] als notwendige und hinreichende Bedingungen für die Entwicklung eines therapeutischen Prozesses.

Rogers unterstellt jedem einzelnen Individuum die grundsätzliche Fähigkeit sowie die Bereitschaft zur Selbstexploration und konstruktiver Selbstentfaltung, die von ihm als „Aktualisierungstendenz“ bezeichnet wird. Gestört wird ein solches Verhalten durch eine bestehende Inkongruenz zwischen Selbstkonzept und Erfahrung seitens des Individuums, die zu einer Desorganisation der Persönlichkeit führt. Nach Rogers (1991, S. 43) erlaubt eine Beziehungssituation bedingungsloser positiver Beachtung dem Klienten eine unverzerrte Wahrnehmung und eine Reorganisation seiner Selbststruktur. Die Therapie fördert also mit anderen Worten die Selbstregulationsfähigkeit und damit die Selbstheilungskraft des Individuums.

Nach Rogers (1991, S. 41) sind therapeutischen Interaktionsformen ausdrücklich nicht in Abhängigkeit von Klientenmerkmalen zu differenzieren oder, wie Rogers schreibt „in bestimmter Weise für bestimmte Kliententypen zu manipulieren“, dies sei nicht mit dem entscheidenden Theorieaspekt der Kongruenz vereinbar. Gleichwohl stellt auch bereits Rogers fest, dass „ die therapeutische Beziehung von verschiedenen Klienten unterschiedlich genutzt wird, ...“.

Eine solch „optimistische“ Sicht (Finke, 1994, S. 17) wird auch im Rahmen jüngerer Ansätze hinterfragt und als „Homogenitätsmythos“ (siehe Frohburg, 1992, S.67) m. E. bestritten. Es ist daher seit den Anfängen der Gesprächspsychotherapie von verschiedener Seite versucht worden, u.a. im Rahmen von empirischer Psychotherapieforschung, Standards der Indikationsstellung zur Gesprächspsychotherapie zu bestimmen. Der Grundstein für wissenschaftliche Überprüfung von Therapieprozessen ist von Rogers selbst gelegt worden: er hat von Beginn an seine therapeutischen Sitzungen per Tonband aufgezeichnet, Selbst- und Fremdwahrnehmung der Klienten erfragt, sowie Wirksamkeitsstudien durchgeführt.

Dennoch wird von einigen Autoren unter Bezug auf C. Rogers behauptet, dieser habe jede Form der Diagnose grundsätzlich abgelehnt, da sie mit seinem Störungs- und Therapiekonzept nicht vereinbar sei. Darauf soll im nächsten Abschnitt eingegangen werden.

[...]


[1] Siehe auch Tab.1 im Anhang

[2] siehe auch Sachse, 2000, S. 162; Finke, 1994, S.7 & S.31 ff.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Indikation zur Gesprächspsychotherapie
Hochschule
Universität zu Köln  (Psychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V25994
ISBN (eBook)
9783638284684
Dateigröße
639 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Indikation, Gesprächspsychotherapie
Arbeit zitieren
Raphaela Böhmer (Autor:in), 2004, Indikation zur Gesprächspsychotherapie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/25994

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