1. Einleitung
In der modernen Historiographie, speziell in der russischen, liegt in den letzten Jahren das Hauptaugenmerk auf der Regierungszeit Stalins. Als Ursache dafür kann man die seit über 10 Jahren stattfindende Aufarbeitung der eigenen Geschichte ansehen und somit die Untersuchung der Verbrechen die unter Stalin verübt wurden sind. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR sind zahlreiche Dokumente zugänglich geworden, die dieses Kapitel der Geschichte der Sowjetunion um viele Facetten ergänzen. Man kann diese Forschung mit der Nationalsozialismusforschung in Deutschland, die nach dem Zweiten Weltkrieg einsetzte, vergleichen. Zunehmend spielt bei den Untersuchungen der Herrschaft Stalins auch die Ant isemitismusforschung eine wichtige aber leider weiterhin untergeordnete Rolle. Daher soll die vorliegende Arbeit sich dem Antisemitismus in der UdSSR bis 1953, dem Todesjahr Stalins, widmen und unter der Kernfrage stehen, welche Formen des Antisemitismus in der Sowjetunion bis 1953 zu finden waren. Mögliche Ursachen bzw. Hintergründe des Antisemitismus sollen desweiteren hinterfragt werden. Letztendlich soll untersucht werden, wie sehr die Politik in der Sowjetunion diesen Antisemitismus beeinflußte, ja sogar schürte.
Um dieser Kernfrage nachzugehen, sollen ausgewählte Beispiele von antisemitischen Übergriffen bzw. antisemitischen Tendenzen unter Berücksichtigung des historischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergrundes untersucht werden. Der Aufbau dieser Arbeit erfolgte bewußt nach einem chronologischen Schema, um Kontinuitätslinien bzw. -brüche, im Bezug auf den Antisemitismus, besser zu veranschaulichen. Die Untersuchung beginnt mit einer Betrachtung der Entwicklung des Judentums im Zarenreich, um die Situation zu verdeutlichen, in der sich die Juden zur Zeit der Gründung der Sowjetunion befanden. Außerdem sind hier die Grundlagen eines verbreiteten Antisemitismus zu suchen, der in den Köpfen der Menschen, die in der UdSSR lebten, weiterhin zu finden war. Bezüglich der Regierungszeit Stalins sei angemerkt, daß in der Historiographie Stalin oft mehr Kontinuität zum Zarenreich, als zur Revolution von 1917 nachgesagt wird. Worauf an einer späteren Stelle eingegangen werden soll. Desweiteren folgt eine Betrachtung der Situation der Juden im Ersten Weltkrieg und in der Revolutionszeit bis zu Lenins Tod, dessen Nachfolge Stalin antrat. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Antisemitismus in Rußland vor 1914.
- Entwicklung des Judentums vom Ersten Weltkrieg bis zum Tod Lenins 1914 bis 1924.
- Die Entwicklung unter Stalin
- Emanzipation und Terror unter Stalin - 1924 bis 1948
- „Die Schwarzen Jahre“ – 1948 bis 1953
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Untersuchung des Antisemitismus in der UdSSR bis 1953, dem Todesjahr Stalins. Sie analysiert die verschiedenen Formen des Antisemitismus in diesem Zeitraum und hinterfragt die Ursachen und Hintergründe. Ziel ist es außerdem zu beleuchten, wie die Politik in der Sowjetunion den Antisemitismus beeinflusste und möglicherweise sogar schürte.
- Die Entwicklung des Antisemitismus in Rußland vor 1914
- Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs und der Revolution auf die jüdische Bevölkerung
- Die antisemitische Politik unter Stalin
- Die Rolle des Antisemitismus im Terrorregime der „schwarzen Jahre“
- Die Bedeutung des historischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Hintergrundes für das Verständnis des Antisemitismus in der UdSSR
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt die Forschungsfrage, welche Formen des Antisemitismus in der UdSSR bis 1953 vorherrschten, und beleuchtet die Forschungslücke, die durch das Fehlen eines umfassenden Werkes zum Antisemitismus in diesem Zeitraum besteht.
- Antisemitismus in Rußland vor 1917: Dieses Kapitel analysiert die Situation der Juden im Zarenreich, die durch eine schwierige Integration geprägt war. Es werden die sozio-ökonomischen Strukturen des Zarenreichs, die Herausforderungen der Integration jüdischer Bevölkerung und die Entstehung von antisemitischen Vorurteilen beleuchtet.
- Entwicklung des Judentums vom Ersten Weltkrieg bis zum Tod Lenins 1914 bis 1924: Dieses Kapitel untersucht die Veränderungen, die die Revolution und der Bürgerkrieg für die Juden mit sich brachten, und die Formen des Antisemitismus in dieser Zeit. Es beleuchtet die Auswirkungen des Krieges auf die jüdische Bevölkerung, die Rolle der Revolution und den Antisemitismus während der Revolutionszeit.
- Emanzipation und Terror unter Stalin - 1924 bis 1948: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung des Antisemitismus unter der Herrschaft Stalins. Es untersucht die scheinbare Emanzipation der Juden, die gleichzeitig von Repression und Terror begleitet wurde, und analysiert die Ursachen dieser paradoxen Situation.
Schlüsselwörter
Antisemitismus, UdSSR, Stalin, Sowjetunion, Geschichte, Judentum, Terror, Politik, Wirtschaft, Soziales, Pogrome, Zarenreich, Revolution, Bürgerkrieg, Emanzipation, "schwarze Jahre", Historiographie
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- Christopher Müller (Author), 2003, Antisemitismus in der UdSSR bis 1953, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26028