Im Wintersemester 2002/2003 habe ich das Seminar „Sport und Sportunterricht
analysieren und auswerten“ besucht. Am 12.11.2002 hielt ich ein Referat über die
„Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung“. Bei der Erarbeitung, meinem
Vortrag und der anschließenden Diskussion habe ich die Erkenntnis gewonnen, wie
differenziert die Betrachtungsweisen im Rahmen der sportlichen Theorie und Praxis
Anwendung finden. Es ist festzustellen, dass diese Differenziertheit mit einem
matrixartigen wechselseitigen Beziehungsgeflecht innerhalb der Betrachtungsweisen
einhergeht. Auch im Seminar wurde verdeutlicht, dass eine Unterrichtsstunde durch
vielfältige Überlegungen im Sinne dieser Struktur bestimmt ist und gewisse
Affinitäten bezüglich dieser Komplexität aufweist. So verläuft die Vorbereitung einer
Unterrichtsstunde in einer chronologischen Struktur, die sich in die drei Phasen
Analysieren, Entscheiden und Planen gliedert. Während des Unterrichtsprozesses ist
eine fortwährende Reflektion jedoch zwingend erforderlich um flexibel auf sich
verändernde Situationen, nicht unmittelbar voraussehbare Unwägbarkeiten und
Entwicklungen reagieren zu können und einen Ist-Soll Abgleich der beabsichtigten
Ziele jederzeit gewährleisten zu können. Sofern Störgrößen auftreten ist es die
Aufgabe des Lehrenden diese zu erkennen und das Handlungsmodell ständig auf
seine Funktion der Zielerreichung zu überprüfen und gegebenenfalls umzustellen.
In der Seminararbeit möchte ich im Folgenden beleuchten, wie der Sportpädagoge
die verschiedenen Betrachtungsweisen mit dem Handlungsmodell der
Unterrichtsplanung in Beziehung setzen sollte und welche Handlungskompetenzen
dadurch erforderlich werden.
Zunächst werde ich kurz die einzelnen Betrachtungsweisen der sportlichen
Bewegung, so wie Meinel sie in seinem Buch „Bewegungslehre“ formuliert, erläutern.
Im daran anschließenden Teil soll der Umgang dieser Betrachtungsweisen in der
Praxis der sportlichen Lehre im Fokus des Interesses stehen, was anhand von
Beispielen verdeutlicht werden soll. Ein abschließendes Fazit zu den Überlegungen
soll der Schlussteil bilden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung
2.1 Voreingehende Leitgedanken
2.2 Die historisch-gesellschaftliche Betrachtungsweise
2.3 Die morphologische Betrachtungsweise
2.4 Die anatomisch-physiologische Betrachtungsweise
2.5 Die psychologische Betrachtungsweise
2.6 Die biomechanische Betrachtungsweise
3. Die Anwendung der Betrachtungsweisen in der sportlichen Lehre
3.1 Allgemeine Voraussetzungen und Anforderungen
3.2 Praktischer Umgang mit den Betrachtungsweisen
4. Schlussteil
5. Bibliographie
1. Einleitung
Im Wintersemester 2002/2003 habe ich das Seminar „Sport und Sportunterricht analysieren und auswerten“ besucht. Am 12.11.2002 hielt ich ein Referat über die „Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung“. Bei der Erarbeitung, meinem Vortrag und der anschließenden Diskussion habe ich die Erkenntnis gewonnen, wie differenziert die Betrachtungsweisen im Rahmen der sportlichen Theorie und Praxis Anwendung finden. Es ist festzustellen, dass diese Differenziertheit mit einem matrixartigen wechselseitigen Beziehungsgeflecht innerhalb der Betrachtungsweisen einhergeht. Auch im Seminar wurde verdeutlicht, dass eine Unterrichtsstunde durch vielfältige Überlegungen im Sinne dieser Struktur bestimmt ist und gewisse Affinitäten bezüglich dieser Komplexität aufweist. So verläuft die Vorbereitung einer Unterrichtsstunde in einer chronologischen Struktur, die sich in die drei Phasen Analysieren, Entscheiden und Planen gliedert. Während des Unterrichtsprozesses ist eine fortwährende Reflektion jedoch zwingend erforderlich um flexibel auf sich verändernde Situationen, nicht unmittelbar voraussehbare Unwägbarkeiten und Entwicklungen reagieren zu können und einen Ist-Soll Abgleich der beabsichtigten Ziele jederzeit gewährleisten zu können. Sofern Störgrößen auftreten ist es die Aufgabe des Lehrenden diese zu erkennen und das Handlungsmodell ständig auf seine Funktion der Zielerreichung zu überprüfen und gegebenenfalls umzustellen.
In der Seminararbeit möchte ich im Folgenden beleuchten, wie der Sportpädagoge die verschiedenen Betrachtungsweisen mit dem Handlungsmodell der Unterrichtsplanung in Beziehung setzen sollte und welche Handlungskompetenzen dadurch erforderlich werden.
Zunächst werde ich kurz die einzelnen Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung, so wie Meinel sie in seinem Buch „Bewegungslehre“ formuliert, erläutern. Im daran anschließenden Teil soll der Umgang dieser Betrachtungsweisen in der Praxis der sportlichen Lehre im Fokus des Interesses stehen, was anhand von Beispielen verdeutlicht werden soll. Ein abschließendes Fazit zu den Überlegungen soll der Schlussteil bilden.
2. Die Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung
2.1 Voreingehende Leitgedanken
Meinel schickt in seinem Buch den Erläuterungen zum Wesen der Betrachtungsweisen drei Leitgedanken voraus, deren Berücksichtigung vor einer methodisch falschen Herangehensweise bei der Analyse von Bewegungen bewahren soll und Fehlinterpretationen seitens des Betrachters zu vermeiden sucht.
Beginnend hierzu führt er die Notwendigkeit einer allseitigen Betrachtung, d.h. ein gleichzeitiges Einbeziehen aller Betrachtungsweisen, an. Abhängig von einer Bewegung ergibt sich eine unterschiedliche Gewichtung in Bezug auf die Einbeziehung der jeweiligen Betrachtungsweisen. Das teilweise Dominieren einer Betrachtungsweise und der fast gänzliche Ausschluss einer anderen muss demnach nicht zwangsläufig dem Prinzip der Allseitigkeit widersprechen, sondern richtet sich vielmehr in seiner Ausprägung der Frage nach, mit welchem Zweck, unter welcher Zielsetzung es mehr bzw. weniger Sinn macht eine Bewegung eben vorwiegend unter einer bestimmten Perspektive unter die Lupe zu nehmen. Eine einseitige Betrachtungsweise bleibt laut Meinel unvollkommen und führt leicht zu Fehlern und Erstarrung.
Als zweiten Leitgedanken formuliert er die Tatsache, dass es bei der Analyse von Bewegungen im Endeffekt darum geht dem Wesen einer Bewegung auf die Schliche zu kommen. Mit anderen Worten heißt das, die vielfältigen Bedingungen, Ursachen und Gesetzmäßigkeiten, denen der Sportler als Ausführender einer Bewegung unterliegt, zu ergründen. Dieser Erkenntnisprozess führt zunächst über die sinnliche Ebene, über die sinnlich wahrnehmbare Bewegung, jedoch kann
die reale Bewegung, die wir erleben und sinnlich wahrnehmbar [ist] … erst
verstanden werden, wenn wir ihren Sinn, ihre inneren Zusammenhänge,
die Bedingungen ihres Entstehens usw. kennen, das heißt, sinnliche und
rationale Erkenntnisgewinnung müssen eine Einheit bilden.[1]
Der Erforschung des Wesens einer Bewegung unerlässlicher Teil, dies ist Meinels dritter Leitgedanke, sei die Berücksichtigung ihrer Entwicklung. Bewegungen sind in ihrer Erscheinung einem ständigen Wandel unterzogen. Der Grund hierfür liegt in ihren Entstehungsbedingungen, die sowohl veränderlich sein. In Anlehnung an Lenin begründet er die Vorgänge in der Welt in ihrer Selbstbewegung, ihrem lebendigen Sein, dessen Triebkraft, als deren Folge Entwicklung entsteht, sich aus der Einheit von Gegensatzpaaren und dem Kampf derselben bildet.
Entwicklung ist ‚Kampf’ der Gegensätze.[2]
2.2 Die historisch-gesellschaftliche Betrachtungsweise
Die historisch-gesellschaftliche Betrachtungsweise befasst sich mit der Entwicklung der Bewegungsformen von den primitiven Anfängen bis zu den heutigen hoch entwickelten Sportformen und zwar unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialökonomischen Verhältnisse. Sie bietet, im Hinblick auf den zurückliegenden gesellschaftlichen Wandel über die Zeit, ein Mittel zum tieferen Verständnis unserer heutigen Sportformen, so wie sie derzeit ausgeübt werden. Beispielsweise wurden den Menschen durch gesellschaftliche Norm- und Wertvorstellungen zu jeder Zeit klar definierte Anforderungen gestellt und Restriktionen auferlegt. Dieser Einfluss hat die Entwicklung der Sportarten stark geprägt. Man denke dabei nur an die unterschiedliche Rollenerwartung, die man an die Geschlechter hatte. Ästhetische Merkmale waren bei den Frauen häufiger als bei den Männern der Grund, weshalb Frauen der Zugang zu bestimmten Sportarten verwehrt, bzw. bestimmte Bewegungsformen verschmäht wurden.
2.3 Die morphologische Betrachtungsweise
Die morphologische Betrachtungsweise ist als Initialpunkt in der sportlichen Bewegungslehre zu verstehen und beim Erfassen von Bewegungen unerlässlich. Sie dient zunächst einmal dem Erfassen und Beschreiben einer Körperbewegung als Ganzes, so wie sie den Sinnesorganen[3] des Menschen direkt zugänglich ist. D.h., sie weist eine große Praxisnähe auf, da sie Forscher bzw. Sportpädagogen einen unmittelbaren Zugang zur Bewegung und eine lebensnahe Darstellung ihrer Ergebnisse bietet. Dabei grenzt sie sich deutlich von analytischen Betrachtungsweisen, wie anatomisch-physiologischer, psychologischer oder biomechanischer ab, welche die sportliche Bewegung nicht als unteilbaren motorischen Akt behandeln und sich teils umständlicher Verfahren bedienen müssen um zu ihren Ergebnissen zu gelangen.
Im Unterschied dazu werden in der morphologischen Untersuchung
gerade jene Merkmale und Eigenschaften der Bewegung erfaßt, die
einer analytischen Untersuchung im allgemeinen entgehen, zum
Beispiel die räumlich-zeitliche und dynamische Struktur, der Bewegungs-
fluß, die Bewegungselastizität usw.[4]
Keineswegs darf man es jedoch bei einer qualitativen und quantitativen Bewegungsbeschreibung belassen, sollen Kenntnisse über Ursachen und Bedingungen am Zustandekommen einer Bewegung erreicht werden. Um Ursachen über beispielsweise das Misslingen einer sportlichen Übung einzuholen reicht es nicht aus bei der äußerlich sichtbaren Analyse der Bewegungsausführung zu verharren, sondern es bedarf Kenntnisse zu den Entstehungsbedingungen und den ursächlichen Zusammenhängen, so wie sie sich in den wissenschaftlichen Mutterdisziplinen finden, um zu wahren Erkenntnissen zu gelangen.
[...]
[1] Meinel, K.: Bewegungslehre, S. 105.
[2] Lenin, W. I., Aus dem philosophischen Nachlaß, S. 285.
[3] Mit Sinnesorganen ist hier vornehmlich das menschliche Auge gemeint, aber auch der kinästhetische Analysator vermittelt sehr genaue Empfindungen und Wahrnehmungen und ergänzt die optischen Eindrücke in hohem Maße.
[4] Meinel, K.: Bewegungslehre, S 107.
- Arbeit zitieren
- Kai Mühlenhoff (Autor:in), 2003, Die Betrachtungsweisen der sportlichen Bewegung und ihre Bedeutung für die Unterrichtsplanung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26044
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