Der Mediationsprozess - ein identitätsförderndes Verfahren?


Hausarbeit, 2004

20 Seiten, Note: sehr gut (1,3)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Mediationsprozess

3. Der Mediationsprozess als identitätsförderndes Verfahren
3.1. Die personale Identität in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus
3.2. Der Mediationsprozess als Verfahren zum Austausch zwischen innerer und äußerer Realität
3.3. Handlungskompetenzen im Mediationsprozess

4. Schlussbemerkungen

5. Literatur

1. Einleitung

Diese interdisziplinär angelegte Arbeit hat es sich zu Aufgabe gemacht, die Auswirkungen des Mediationsverfahrens auf die Identität zu untersuchen. Dabei orientiert sich die Studie vor allem am Konzept der personalen Identität, das in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus nach George Herbert Mead steht. Dieser theoretische Ansatz scheint mir zur Klärung der Ausgangsfrage besonders gut geeignet, da hier das Individuum als ein produktiv realitätsverarbeitendes Subjekt[1] verstanden wird, welches sich aktiv mit seiner Umwelt – und den darin involvierten Mitmenschen – auseinander setzt. Auf diese Weise kann es seine Umgebung mitgestalten, sodass es nicht mehr nur als eine tabula rasa verstanden werden kann, in die gesellschaftliche Erwartungshaltungen eingeschrieben werden. Vielmehr findet ein aktiver Austauschprozess zwischen dem Individuum und seiner sozialen und materiellen Umwelt statt.

Genau diese Fähigkeit macht sich meines Erachtens nach das Mediationsverfahren zu Nutze: Bei einem auftretenden Konflikt werden die beiden Parteien in die Lage versetzt sich mit den Wünschen, Erwartungen und Bedürfnissen ihres jeweiligen Gegenübers aktiv auseinander zusetzen um auf diese Weise gemeinsam eine auf Konsens ausgerichtete Einigung zu erzielen. Die beteiligten Personen treten also in eine wechselseitige Beziehung zueinander, oder – um mit den Worten des Symbolischen Interaktionismus zu sprechen – es findet ein Prozess der Wechselwirkung oder „Aushandlung“ zwischen zwei interdependenten Realitäten, einer äußeren und einer inneren Realität, statt. Die äußere Wirklichkeit verkörpert hierbei die unmittelbare und direkt erlebbare Umwelt, sowie die Sozial- und Wertstruktur einer Gesellschaft. Die innere Realität bezieht sich hingegen auf das einzelne Individuum: sie bezeichnet psychologisch gesehen die psychischen Prozessstrukturen eines Menschen. Ich denke aber, dass man den Begriff der inneren Realität auch als subjektives Abbild der äußeren verstehen kann: die Vorstellung, die jemand von seiner Umwelt hat, muss hier ebenso integriert werden, wie die auf individuelle Art und Weise internalisierten Werte und Normen. Aber auch eigene Bedürfnisse und Wünsche, die zwar zum Teil durch Ersteres geprägt werden, sollten unter die Sphäre der inneren Realität subsumiert werden.

Ich vertrete die These, dass durch den Mediationsprozess die Ausbildung von Fähigkeiten gefördert wird, die wiederum wichtig sind zur Herausbildung einer stabilen Identität im Sinne einer „handlungstheoretisch ausgerichteten ‚kontextualistischen’ Sozialisationstheorie“[2], die sich am Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts orientiert, wie zum Beispiel dem o. g. Symbolischen Interaktionismus. Da innerhalb des Mediationsverfahrens zwei streitenden Parteien geholfen wird, sich mit ihrer Konfliktsituation auseinander zu setzen, kann man dies als eine Aushandlung der Individuen mit ihrer sozialen Umwelt verstehen. Hierbei werden Fähigkeiten gefördert, die in der Tradition des Symbolischen Interaktionismus als „Identitätsfördernde Tätigkeiten“[3] bezeichnet werden.

In der vorliegenden Arbeit werde ich zunächst das Wesen eines Mediationsverfahrens mit einigen kurzen Ausführungen beschreiben. Dies kann jedoch aufgrund des Rahmens, in dem diese Arbeit angelegt wurde, nur schemenhaft und in groben Umrissen geschehen. So muss ich an dieser Stelle auf die Darstellung der verschiedenen Phasen des Prozesses oder auf bestimmte Techniken, die in unterschiedlicher Art und Weise zur Anwendung kommen, verzichten.

Der Hauptgegenstand dieser Arbeit wird hingegen die Frage sein, wie sich ein solches Verfahren auf die Identität der Beteiligten, respektive der Medianten, auswirkt. Hier wird zunächst skizzenhaft die Identitätstheorie von G.H. Mead vorzustellen sein. Ich werde mich in meinen Ausführungen jedoch nicht ausschließlich auf die Kerntheorie beschränken, sondern auch andere Autoren einbeziehen, deren Werke ebenfalls Aufschluss für die Untersuchung gewähren können.

2. Der Mediationsprozess

Konflikte sind seit Anbeginn der Zeit Bestandteil unseres Lebens. Es ist also ganz natürlich, wenn es zu Spannungen zwischen den Menschen kommt. Nur, wie mit ihnen umgehen? Solange wie es Spannungen zwischen Völkern, Gruppen oder - auf mikrosoziologischer Ebene - zwischen einzelnen Personen, innerhalb einer Familie oder eines Freundeskreises gibt, solange müssen geeignete Mittel zu deren Bewältigung gefunden werden. Gerade auf der überindividuellen, kollektiven und politischen Ebene zeigen historische sowie aktuelle Ereignisse, dass leider oftmals keine friedliche Einigung zwischen gegnerischen Parteien gefunden werden konnte. Nur allzu oft enden derartige Konflikte in kämpferischen Auseinandersetzungen.

Aber auch auf individueller Ebene können ungelöste Konflikte oder solche, die zur Unzufriedenheit von einem der Betroffenen gelöst werden, längerfristige Probleme verursachen. Oft fordern sie einen hohen emotionalen Tribut und bleiben nicht ohne Folgen für die Beziehung der am Konflikt beteiligten Personen zueinander.

Die hier geschilderte Problematik macht schon die Bedeutung eines Verfahrens deutlich, durch das die Auseinandersetzung friedlich, und das heißt vor allem kooperativ, sowie mit dem Einverständnis beider Konfliktparteien gelöst werden kann. Eben diesen Anspruch nimmt der Mediationsprozess für sich ein. In einem mehrstufig strukturierten Verfahren[4] wird nach einer gemeinschaftlichen Einigung zwischen zwei gegnerischen Seiten gesucht. An dieser Form der friedlichen Konfliktlösung werden beide Parteien beteiligt, und keiner sollte sich durch die gemeinsam gefundene Einigung übergangen oder übervorteilt fühlen. Nur auf diese Weise kann gerade für die Zukunft ein Wiederaufleben der Spannung verhindert und ein dauerhaft gutes Verhältnis zwischen den Kontrahenten gewährleistet werden. Denn: nur über das gemeinsame Suchen nach einer Einigung und das Berücksichtigen der Interessen und Wünsche aller Beteiligten (also auch von Personen, die indirekt mit dem Konflikt verbunden sind), können beide Parteien auch wirklich hinter ihrer erzielten Lösung stehen.

An dieser Stelle wird der Grad an Emotionen deutlich, der in einem solchen Verfahren eingebracht werden muss. Ohne die Bereitschaft sich auf ein tieferes Verständnis für die gegenseitigen Interessen und Gefühle einzulassen, ist eine einvernehmliche Lösung kaum vorstellbar. Hierzu müssen die Beteiligten hinter die vordergründigen Positionen sehen, um die dahinter liegenden Motivationen, Gefühle und auch Ängste des Kontrahenten zu erkennen. Nur so kann der Standpunkt des jeweiligen Anderen auch tatsächlich nachvollzogen werden. Allerdings setzt diese Grundlage eines solchen Verfahrens ein hohes Maß an Emotionalität und psychischer Reife voraus, was dazu führt, dass nicht in jedem Fall der Mediationsprozess zur Anwendung kommen kann. Die Bereitschaft, den jeweils Anderen in seinen Wünschen und Meinungen anzuerkennen und seine Person zu respektieren, ist ebenso eine wichtige Basiskomponente im Mediationsverlauf, die alle Konfliktparteien zu erfüllen bereit sein müssen. Dies ist insofern problematisch, als dass ein Konflikt häufig in einem fortgeschritten Stadium mit einem Anerkennungsverlust des Partners einhergeht. Vor allem auf dieser Ebene muss zusätzlich innerhalb eines Mediationsprozesses Beziehungsarbeit geleistet werden. Solche und andere Anforderungen, die an die Medianten gestellt werden, machen das Verfahren höchst anspruchs- und vorraussetzungsvoll[5].

Unterstützt werden die Medianten bei ihrer Einigungsfindung durch eine neutrale dritte Person, den Mediator, der während des gesamten Verfahrens als Verhandlungsführer und Vermittler zwischen den gegnerischen Parteien auftritt. Seine Aufgabe besteht darin, den Parteien bei der Suche nach einer eigenverantwortlichen und selbständigen Lösung behilflich zu sein, ohne dabei jedoch über Konflikt- und Entscheidungskompetenz zu verfügen[6]. Er übernimmt stattdessen eine eher strukturierende und kommunikative Funktion: Als „Manager“ der Aushandlungsgespräche fördert und organisiert der Mediator den Gesprächsverlauf, ohne jedoch das Thema vorzugeben. Er achtet darauf, dass grundlegende Regeln des menschlichen Umgangs und der Kommunikation gewahrt werden, damit kommunikationsfördernde Rahmenbedingungen für eine schnelle und allperspektivische Aushandlung des Konflikts sichergestellt werden können. Des Weiteren hat der Vermittler eine aufklärende, sprich informierende Funktion. Er muss sicherstellen, dass Entscheidungen der Beteiligten auf der Basis aller zur Verfügung stehender Informationen getroffen werden können. Ohne die Erfüllung dieses Anspruchs können eine dauerhafte Lösung und die Zufriedenheit der Betroffen nicht garantiert werden.

[...]


[1] Vgl. Hurrelmann, 1993

[2] Hurrelmann, 1998, S. 69

[3] Vgl. Krappmann, 1969

[4] je nach Autor kann man zwischen drei und zwölf Phasen unterscheiden (Ansgar, 1999), üblicherweise teilt man jedoch den Mediationsprozess in sieben Stufen ein (Galuske, 1998/Schäfer 2003)

[5] Vgl. Schäfer, 2003

[6] Vgl. Breidenbach, 1995, S. 4, nach Galuske, 1998

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der Mediationsprozess - ein identitätsförderndes Verfahren?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Mediation - Eine neue Methode der Sozialen Arbeit
Note
sehr gut (1,3)
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V26046
ISBN (eBook)
9783638285025
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese interdisziplinär angelegte Arbeit stellt den Mediationsprozess als ein identitätsförderndes Verfahren dar und begibt sich damit in ein bisher nicht erforschtes Gebiet. Angelehnt an die Identitätstheorie G.H. Meads (Symbolischer Interaktionismus) soll geklärt werden, welche Fähigkeiten im Mediationsprozess gefördert werden, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Persönlichkeit haben.
Schlagworte
Mediationsprozess, Verfahren, Mediation, Eine, Methode, Sozialen, Arbeit
Arbeit zitieren
Thomas Buchholz (Autor:in), 2004, Der Mediationsprozess - ein identitätsförderndes Verfahren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26046

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