Die Analyse kontrafaktischer Konditionale: Der meta-linguistische Ansatz von Nelson Goodman


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

42 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Lehre der vier Ursachen

Humes Regularitätstheorie

Counterfactuals
Einführung
Goodmans meta-linguistischer Ansatz
Erstes Problem: die relevanten Bedingungen
Zweites Problem: Die Angabe von Gesetzen
Das Goodman-Paradox

Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Einleitung

Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Jürgen und Vicky gehen am Donnerstagabend gemeinsam etwas trinken. Ziel ihres abendlichen Ausflugs ist das beliebte Wirtshaus „Lehner’s“ am Karlsruher Ludwigsplatz. Einige Stunden und mehrere Cocktails später, stolpern die beiden ein paar Euro ärmer, dafür aber um mehrere Promille reicher, aus der Kneipe. Da Jürgen in Offenburg wohnt, muss er zum Hauptbahnhof, um den Nachtzug in seine Heimat zu bekommen. Es ist eine laue Spätsommernacht, Grillen zirpen irgendwo idyllisch und ein warmer Wind fegt durch die Gassen. Jürgen möchte deshalb gerne zum Bahnhof laufen, um noch ein wenig frische Luft schnuppern zu können. Als gute Freundin will Vicky ihn natürlich begleiten. Aber plötzlich grollt ein Donner aus der Ferne heran.

„Lass uns aufbrechen“, lallt Jürgen motiviert.

„Du willst doch nicht etwa zu Fuß gehen?“, fragt Vicky erschrocken, die einige Cocktails weniger hatte.

„Aber natürlich, wieso denn nicht?“, entrüstet sich Jürgen zwischen zwei Rülpsern.

„Gleich fängt es an zu Gewittern, hast du den Donner nicht gehört?“

„Doch hab ich, aber das heißt doch noch lange nicht, dass es gleich gewittert!“, entgegnet Jürgen und freut sich über seinen eigenen Scharfsinn. „Der Donner könnte doch von irgendetwas kommen. Vielleicht ist dahinten eine Brauerei explodiert – schade um das schöne Bier.“

„Das meinst du doch nicht ernsthaft“, erwidert seine Freundin. „Man hat eindeutig gehört, dass es ein Donnerschlag war, der von einem Blitz kommt. Das Geräusch war doch eindeutig!“

„Ok, kann sein, dass es sich um das typische Geräusch handelte, das Blitze verursachen. Etwas anderes kommt wohl wirklich nicht in Frage. Aber dann gibt es immer noch einen Ausweg: Der Donner hatte keine Ursache! Es gab keinen Blitz, ich habe nämlich keinen gesehen. Es war einfach ein spontaner Donner, der mal seinem Ärger Luft machen wollte. Immer wenn es gewittert, blitzt es auch. Es hat aber nicht geblitzt, also gewittert es nicht. Ist doch ganz einfach. Also, lass uns gehen.“, argumentiert Jürgen, dreht sich um und torkelt Richtung Bahnhof.

„Oh man, Jürgen sollte weniger trinken.“, denkt sich Vicky. „Ein Donner ohne Blitz, was für ein Schwachsinn! Wenn er schon zugesteht, dass andere Ursachen ausscheiden, dann muss er davon überzeugt sein, dass es geblitzt hat. Es muss doch eine Ursache geben. Ein Donner der ‚einfach so’ auftaucht – wie lächerlich! Ich glaube, so langsam trinkt er sich um den Verstand.“

Wem würden Sie in dieser Situation zustimmen? Jürgen oder Vicky? Lässt man die Geschichte noch einmal Revue passieren, fällt die Antwort nicht schwer. Zwar stimmt es sicherlich, dass ein Schluss von „es donnert“ auf „es hat geblitzt“ nicht immer richtig ist. Denn schließlich ist das Blitzen in der allgemein anerkannten Aussage „Wenn es blitzt, dann donnert es“ nur eine hinreichende Bedingung für das Donnern. Es könnte ja noch andere Ursachen geben. Eben beispielsweise eine Explosion oder ein Überschallflugzeug. Jürgen gesteht aber zu, dass aufgrund des charakteristischen Geräuschs alle Ursachen außer einem Blitz ausgeschlossen sind. Und dennoch glaubt er nicht, dass es geblitzt hat. Der Donner habe keine Ursache. Finden wir diese Ansicht akzeptabel? Nun, normalerweise doch wohl nicht, und insofern sollten wir Vickys Meinung teilen und Jürgen zu etwas weniger Alkoholkonsum in nächster Zeit raten.

Um nun den Bogen vom Alkohol zur Philosophie zu spannen: Im Dialog war häufig die Rede von Ursache. Doch wo eine Ursache, da auch eine Wirkung, so die landläufige Meinung. Das Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung nennt man allgemein Kausalität.

Leider wird der Begriff in der Philosophie von verschiedenen Autoren in unterschiedlichen Bedeutungen verwendet. Mario Bunge unterscheidet in seinem Werk „Kausalität, Geschichte und Probleme“ drei Hauptbedeutungen[1]:

1. Eine Bedeutung ist die bereits genannte: Kausalität steht für eine „Verbindung“ zwischen Ursache und Wirkung. In diesem Sinn wird auch in dieser Arbeit der Begriff gebraucht werden.
2. Kausalität als Prinzip, nämlich das Prinzip der Verursachung oder das Gesetz der Verursachung, beispielsweise formuliert als „Die gleiche Ursache ruft stets die gleiche Wirkung hervor.“ Oft wird dafür auch der Ausdruck Kausalitätsprinzip verwendet. Dieser Themenkomplex wird in der vorliegenden Arbeit jedoch nicht thematisiert
3. Die Theorie, dass das Kausalitätsprinzip universell gültig ist. „Alles hat eine Ursache“, „Nichts kann ohne Ursache bestehen oder zu bestehen aufhören“, sind zwei mögliche Formulierungen dieser Auffassung. Bunge nennt diese Theorie Kausalen Determinismus oder Kausalismus. Dieser wird im Folgenden ebenfalls nicht problematisiert.

Kausalität im ersten Sinn ist ein so fester Bestandteil unseres Lebens, dass es fragwürdig erscheint, ob wir uns eine Welt ohne sie überhaupt vorstellen können. Wir sind von tiefstem Herzen überzeugt, dass wir vom Essen satt werden, dass Regen die Ursache dafür ist, wenn man nass wird (vorausgesetzt man hatte keine Regenschirm dabei), dass Blitze Donner bewirken oder eben dass Rauchen Krebs verursacht. Zwischen den jeweiligen Ereignissen bzw. Ereignistypen scheint es eine Verbindung zu geben, sprich Kausalität.

Eben diese Verbindung soll in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Doch bevor wir in die aktuelle Diskussion einsteigen, möchte ich Ihnen kurz zwei historische Ansätze vorstellen. Beginnen werde ich mit Aristoteles’ Lehre der vier Ursachen. Wie so oft bei den Gedanken des großen griechischen Philosophen wird auch diese Arbeit als die erste systematische Untersuchung angesehen, in diesem Fall als erste Untersuchung, die im Zusammenhang mit Kausalität steht.

Etwas ausführlicher schließt sich die Erläuterung einer bis heute einflussreichen Theorie des Philosophen David Hume an, seine so genannte Regularitätstheorie.

Von dieser übergehend folgt dann der Blick in die Gegenwart. Ein viel diskutierter Versuch besteht darin, Kausalität über Counterfactuals oder kontrafaktische Konditionale zu fassen. Doch dafür muss man erst einmal eine Theorie über Counterfactuals haben. Ein Versuch von Nelson Goodman wird ausführlich dargestellt.

Die Lehre der vier Ursachen

Lassen Sie uns folgende nette - wenn auch zugegebenermaßen erfundene - Begebenheit annehmen. Aristoteles war nicht nur ein außergewöhnlicher Philosoph, sondern er hatte auch eine ausgeprägte künstlerische Ader. Um sich zu entspannen, zog er sich ab und an in sein Atelier zurück und schlug dort mit Hammer und Meisel Motive leicht bekleideter Frauen aus Marmorblöcken heraus. Eines Abends im Mai 351 v. Chr. war es wieder soweit: Er hatte erneut eine Statue fertig gestellt. In diesem andächtigen Moment überlegte sich der Grieche: „Was war jetzt eigentlich die Ursache dafür, dass diese wunderschöne Statue entstanden ist? Nach einigem Nachdenken fand er nicht nur eine, sondern gleich vier Antworten. Zusammen bilden sie die Lehre der vier Ursachen[2]:

Zum einen ist für Aristoteles das zugrunde liegende Material der Statue eine Ursache, sprich der Marmor. Denn ohne Marmor hätte es nicht genau diese Statue gegeben. Vielleicht hätte es eine Statue gegeben, die im Motiv vollkommen identisch ist – allerdings aus Granit. Fasst man Identität aber als Übereinstimmung in allen Eigenschaften, so wäre diese Granit-Statue sicher nicht identisch mit jener aus Marmor. Sie unterscheiden sich ja in einem sehr grundlegenden Aspekt. In der Scholastik wurde diese Ursache die causa materialis genannt.

Als zweites nennt Aristoteles die „Formalursache“, oder causa formalis. Diese ist schon schwerer zu fassen, aber mit Hilfe des Statuen-Beispiels sollte es gelingen, Licht ins Dunkel zu bringen. Denn auch die Form der leicht bekleideten Frau spielte beim Entstehungsprozess eine nicht unerhebliche Rolle. Denn ihre Form hatte der alte Grieche beim Bildhauen vor seinem geistigen Auge. Und nach dieser Idee hat er schließlich die Statue aus dem Marmor gehauen.

An dritter Stelle führt Aristoteles die so genannte causa efficiens auf, die Wirkursache. Was wirkt auf den Marmor, damit dieser sein schönes Geheimnis preis gibt? „Na, Aristoteles natürlich“, ist man geneigt auszurufen. Aber mit dieser Antwort ist die causa efficiens noch nicht treffend dargestellt. Das „Wirken“ ist hier viel wörtlicher gemeint. In letzter Hinsicht ist es nämlich der Meisel des Künstlers, der bewirkt, dass die Statue aus dem Marmorblock entsteht.

Aristoteles verfolgt mit seiner künstlerischen Tätigkeit auch ein Ziel. Seien es die optischen Freuden an den Motiven, sei es der Entspannungs-Aspekt. Dieses Ziel spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. Es ist die Motivation, die erst bewirkt, dass zu Hammer und Meisel gegriffen wird. Deshalb zählt es Aristoteles ebenfalls zu den Ursachen. In der Scholastik ist dieser vierte Aspekt bekannt geworden unter dem Namen causa finalis.

Lange Zeit war die Lehre der vier Ursachen in der westlichen Welt die vorherrschende Doktrin. Doch aus heutiger Sicht wären wir nicht mehr bereit, alle vier Aristotelischen Ursachen mit ins Boot nehmen zu wollen, wenn wir fragen, weshalb etwas geschehen ist. Mit dem Aufkommen der empirischen Wissenschaften verabschiedete man sich zunächst von der causa formalis und der causa finalis. Aber weshalb eigentlich? Auf den ersten Blick erscheint es doch ganz plausibel, zumindest die causa finalis als Ursache anzuführen. Oder fänden wir folgende Erklärung nicht überzeugend?

Tom geht an den Kühlschrank und holt sich etwas zu trinken. Was war die Ursache dafür? Nun, Tom hat Durst gehabt und das Ziel verfolgt, seinen Durst zu löschen.

Abgesehen von menschlichen Handlungen scheint es für die causa finalis allerdings nicht mehr viel Platz zu geben[3]. Was für ein Ziel sollen beispielsweise Luftströmungen verfolgen, die über Karlsruhe ein Gewitter verursachen? Vicky und Jürgen werden vielleicht nass, aber sicherlich nicht, weil irgendwelche Naturabläufe dieses Ziel verfolgten!

Allerdings sei zugestanden, dass dies eher eine epistemologische als eine ontologische Frage ist. Vielleicht haben Luftströmungen ja sogar Ziele und Absichten. Allerdings werden wir das wohl nie erfahren können und die Antwort entzieht sich damit unserem empirischen Horizont. Empirische Überprüfbarkeit ist in den modernen Wissenschaften aber ein entscheidendes Kriterium, um darüber zu entscheiden, welche Dinge wir als Ursachen akzeptieren. Mag sein, dass in Wirklichkeit unsichtbare Dämonen die Ursache für schwere Krankheiten sind. Leider können wir diese Biester wohl nicht nachweisen, sie sind ja nicht beobachtbar. Deshalb ist es dann doch die bessere Erklärung, Krankheitserreger, die man empirisch nachweisen kann, als Ursache anzunehmen. Causa finalis und causa formalis liegen außerhalb der Reichweite des Experiments und verschwanden deshalb mit der Geburt der neuzeitlichen Wissenschaften „in der Versenkung“, wie es Bunge ausdrückt[4].

Was wir allerdings empirisch nachweisen können, und zwar mit einer Perfektion die zu Zeiten des Aristoteles sicher nicht möglich war, ist das Material des Objekts, auf das gewirkt wird. Allerdings wird es nicht mehr als Ursache angesehen, sondern vielmehr als das, an dem sich die Veränderung im Laufe eines kausalen Prozesses vollzieht. Die Materie steht mit allen Naturereignissen in fester Verbindung. Sie ist das Objekt der Veränderung und nicht „das, woraus ein Ding ins Dasein tritt, und das fortdauert“[5].

Übrig geblieben ist die causa efficiens, die „Wirkursache“. Aber was wirkt da eigentlich, wenn beispielsweise zwei Billardkugeln aufeinanderprallen. Kräfte? Energie? Was ist die Verbindung, die vom einen Ereignis (Billardkugel stößt auf eine andere), zum anderen (Billardkugeln ändern ihren Bewegungszustand) führt? Große Bedeutung haben die Untersuchungen von David Hume zu diesem Thema erlangt. Seiner Theorie wollen wir uns nun zuwenden.

Humes Regularitätstheorie

Der Standardinterpretation nach hat David Hume die so genannte Regularitätstheorie der Kausalität vertreten. Zwar sind einige Autoren heute der Meinung, der Schotte sei bei seinen Ausführungen doch einer Gesetzauffassung von Ursache und Wirkung gefolgt, ich werde mich im folgenden aber auf die Standardinterpretation beschränken.

Zwei grundsätzliche Annahmen liegen der Methodologie von Hume zugrunde, die vorab geklärt werden müssen, um seine Untersuchung zur Kausalität verstehen zu können.

Hume war strenger Empirist. Deshalb sind für ihn alle Vorstellungen (Ideas), die wir haben, auf sinnliche Eindrücke (Impressions) rückführbar[6]. Das mag erst einmal befremdlich klingen, so kann ich mir doch beispielsweise das geflügelte Pferd Pegasus vorstellen, ohne jemals das Vergnügen gehabt zu haben, dem Wundertier begegnet zu sein. Aber schauen Sie mal mit Ihrem geistigen Auge auf Ihre Vorstellung des Pegasus. Sie setzt sich nur aus Objekten zusammen, die wir aufgrund von Sinneseindrücken kennen, und zwar einem Pferd und einem Paar Flügel. Ähnlich steht es mit Erinnerungen. Zwar habe ich jetzt keinen Sinneseindruck davon, wie ich mit meinem Opa anno 1984 am Kamin saß, aber die Erinnerung lässt sich rückführen auf den Sinneseindruck, den ich damals in der Situation hatte. Und wenn ich nie mit meinem Opa am Kamin gesessen bin, ich es mir aber trotzdem vorstelle, gilt dasselbe wie für Pegasus. Verschiedene Vorstellungen, die jeweils auf einfache Eindrücke rückführbar sind, werden kombiniert.

Die zweite Annahme ist, dass die Natur einer Sache nur beschrieben werden kann, wenn wir unsere Vorstellung der Sache bis zur Ursache dieser Vorstellung rückverfolgen[7]. Will ich verstehen, welche Natur die Vorstellung hat, dass ich mit meinem Opa anno 1984 am Feuer saß, muss ich schauen, woher diese Vorstellung kommt. Saß ich als vierjähriger Bub wirklich dort, ist die Ursache der Vorstellung der Sinneseindruck. Hat Kamin-Romantik mit dem Großvater nie stattgefunden, sind vielleicht Sehnsüchte, etwas verpasst zu haben, die Ursache. Genau das muss ich untersuchen, will ich begreifen, was die Natur der Sache ist.

Gemünzt auf die Kausalität bedeuten diese beiden Grundsätze folgendes: Wenn es so etwas wie eine Verbindung von Ursache und Wirkung in der Welt gibt, muss die Vorstellung, die wir von Kausalität haben, in letzter Hinsicht auf Sinneseindrücke rückführbar sein.

Was für sinnliche Eindrücke haben wir aber nun von Ereignissen, bei denen wir normalerweise von Ursache und Wirkung sprechen? Erstens, so hält Hume fest, müssen beide Objekte in einer engen raum-zeitlichen Nachbarschaftsbeziehung stehen[8]. Nichts kann über größere Zeit- oder Entfernungsdistanzen auf etwas anderes wirken. Dieser Punkt widerspricht allerdings auf den ersten Blick unserer Intuition. Der arme Jürgen wird am nächsten Morgen wahrscheinlich mit einem gehörigen Kater, verursacht durch den Genuss von Cocktails am Abend zuvor, aufwachen. Allerdings kann dieser Einwand mithilfe des Begriffs der Kausalkette leicht abgewehrt werden. Man erzählt eine durchgehende Geschichte von Mini-Ursachen und Mini-Wirkungen, die vom Alkoholtrinken bis zum Kopfweh reicht. Anfangen würde diese Geschichte mit dem Trinken, dann der Verdauung und dem Wirken der Ethanol-Moleküle im Körper, woraus schließlich das Kopfweh resultiert. Mini-Wirkungen und Mini-Ursachen sind so immer in einer engen raum-zeitlichen Nachbarschaftsbeziehung.

Um von „Ursache“ und „Wirkung“ zu sprechen, muss darüber hinaus, so Humes zweiter Punkt, die Ursache der Wirkung immer vorausgehen[9].

Diese beiden Punkte sind allerdings lediglich notwendig für den Begriff der Kausalität, sie sind noch nicht hinreichend. Ein einfaches Beispiel mag diesen Sacherverhalt verdeutlichen. Bevor ein Sturm aufzieht, fällt das Barometer. Das Fallen des Luftdruckmessers geht dem Sturm voraus und steht auch in einer engen raum-zeitlichen Nachbarschaftsbeziehung zum Unwetter. Aber niemand würde deshalb auf die Idee kommen, das Abfallen als Ursache für den Sturm anzusehen. Was fehlt also noch, um eine hinreichende Definition aufzustellen?

Hume nennt es die notwendige Verknüpfung (necessary connexion)[10] von Ursache und Wirkung. Es ist notwendig, dass wenn Ereignis A eintritt, auch das Ereignis B eintritt. Oder äquivalent reformuliert: Es ist unmöglich, dass A stattfindet, ohne dass B eintritt. Es kann nicht blitzen ohne zu donnern. Der Sturm zieht aber auch auf, wenn zufällig mal kein Barometer in der Nähe ist.[11] Doch mit dieser Erklärung stellt sich sofort ein neues Problem: Woher haben wir wiederum die Vorstellung der notwendigen Verknüpfung?

Eine Intuition könnte sein, der Ursache Kräfte oder produktive Eigenschaften zuzuschreiben. Erinnern wir uns aber an die empiristischen Grundsätze Humes’ wird schnell klar, dass damit nichts gewonnen ist. Denn von solchen Kräften haben wir keine Sinneseindrücke. Nehmen wir sie trotzdem an, dann doch eben nur, weil wir gerade der Meinung sind, dass das eine Ereignis die Ursache des anderen ist. Die Idee solcher Kräfte beruht also bereits auf der Vorstellung von Verursachung. Eine klassische petitio principii.

[...]


[1] vgl. Bunge, 1987, S.3

[2] vgl. Ingrid Craemer-Ruegenberg, 1980, S. 40ff

[3] Und auch in diesem Forschungsbereich geben sich viele Wissenschaftler damit nicht mehr zufrieden. Vielmehr wird versucht, die Wünsche von Personen, die zu Handlungen führen, auf neuronale und damit physikalische Vorgänge zurückzuführen. Ein solcher physikalischer Reduktionismus käme wunderbar ohne causa finalis aus, da so jede Handlung mittels causa efficiens erklärt werden könnte.

[4] s. Bunge, 1987, S. 35

[5] Aristoteles, Physik, Buch II, Kap. 3, 194b

[6] vgl. Hume, 1904, S. 13

[7] vgl. Hume, 1973, S. 22

[8] vgl. Hume, 1904, S. 101

[9] vgl. Hume, 1904, S. 102. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Hume damit schon per Definition eine rückwirkende Verursachung ausschließt. Diese könnte man ja per definitionem durchaus zulassen, um anschließend empirisch zu überprüfen, ob es sie in der Welt gibt oder nicht.

[10] Hume, 1904, S. 104

[11] Ansonsten hätten wir eine leichte und kostengünstige Methode gefunden, uns vor Naturgewalten zu schützen.

Ende der Leseprobe aus 42 Seiten

Details

Titel
Die Analyse kontrafaktischer Konditionale: Der meta-linguistische Ansatz von Nelson Goodman
Hochschule
Universität Karlsruhe (TH)  (Philosophie)
Veranstaltung
Hauptseminar Kausalität
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
42
Katalognummer
V26093
ISBN (eBook)
9783638285292
Dateigröße
661 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In der Arbeit wird die Bedeutung der sogenannten kontrafaktischen Konditionale in Bezug auf eine Theorie der Kausalität untersucht. Zunächst wird ein historischer Abriss zweier einflussreicher Kausal-Theorien gegeben: Sowohl der Ansatz von Aristoteles als auch von David Hume werden ausführlich dargestellt. Anschließend folgt ein Blick in die Gegenwart. Nelson Goodmans meta-linguistischer Ansatz der kontrafaktischen Konditionale wird ausführlich vorgestellt.
Schlagworte
Analyse, Konditionale, Ansatz, Nelson, Goodman, Hauptseminar, Kausalität
Arbeit zitieren
Holger Siebnich (Autor:in), 2004, Die Analyse kontrafaktischer Konditionale: Der meta-linguistische Ansatz von Nelson Goodman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26093

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Analyse kontrafaktischer Konditionale: Der meta-linguistische Ansatz von Nelson Goodman



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden